Protokoll der Sitzung vom 30.03.2010

Selbstverständlich; ich bin ja nicht so wie Herr Heidan.

Bitte, Herr Kollege Heidan.

Ich kann mich wenigstens auf inhaltliche Redebeiträge konzentrieren, was Herr Tischendorf vorhin nicht gemacht hat, Herr Hahn.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie Opposition nicht nur um der Opposition willen sind, sondern dass die Opposi

tion diese Aufgaben letztendlich begleiten muss und dass Sie durchaus in einer Aktuellen Debatte ordentliche Vorschläge erarbeiten können?

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

Herr Kollege Heidan, ich will gern darauf antworten. Erstens ist Opposition natürlich kein Selbstzweck und zweitens haben wir uns immer als konstruktive Opposition verstanden. Das heißt, auch eigene Vorschläge zu unterbreiten.

Kollege Heidan, schauen Sie sich bitte meinen ersten Redebeitrag an! Darin habe ich drei konkrete Vorschläge genannt. Dazu, als es um Verwaltungsmodernisierung und Effizienz ging, haben Sie nichts gesagt.

Herr Kollege Heidan, ich würde mich gerne mit Ihren politischen Vorstellungen auseinandersetzen. Vorlagepflichtig für jeden Haushalt ist nämlich die Sächsische Staatsregierung, und von Ihnen kommt bisher überhaupt nichts. Sie lassen die Leute im Unklaren, und das kritisieren wir. Wir werden uns mit Ihren Vorschlägen auseinandersetzen, und wir werden auch konkrete Änderungsvorschläge unterbreiten. Aber wir können uns nur mit etwas auseinandersetzen, was auch vorhanden ist.

Herr Kollege Heidan, das Einzige, was ich von Ihnen behalten habe – viel mehr war es dann doch nicht –, war das Lob für die Standardabsenkung bei den Autobahnen. Da muss ich dann sagen: Tolle Kiste! Deshalb haben wir nun in Sachsen kilometerweise Betonfraß mit Folgekosten in Millionenhöhe. Wenn das Ihre Politik ist, dann gute Nacht Sachsen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wer das macht, hat von Sparsamkeit nichts begriffen.

Herr Präsident, ich fahre fort. Das war das Eingehen auf die Zwischenfrage.

Ich würde jetzt gerne meine Redezeit nutzen und auf die vielen Vorschläge von Herrn Zastrow und von Herrn Flath konkret eingehen. Das Problem besteht nur darin, dass man auf nichts auch nichts erwidern kann. Das ist die Schwierigkeit in dieser Debatte.

Und Herr Zastrow, wenn Sie über zu viele Ampeln philosophieren, werde ich mich an dieser Debatte nicht beteiligen. Aber wenn wir in Sachsen Ampeln brauchen, dann brauchen wir Ampeln mit einem roten Warnzeichen gegen die Politik von CDU und FDP.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach der Abg. Hahn. Jetzt spricht erneut für die SPD-Fraktion Herr Kollege Pecher.

Herr Präsident! Wenn man über Standards redet – damit hatte ja Herr Flath angefangen und ich hätte mir gewünscht, dass er das Thema fortführt –, spricht man ja darüber, wozu Standards da sind: zur

Qualitätssicherung, für Sicherheit. Dazu sage ich ganz deutlich, dass ich Standardabsenkungen in Qualität und Sicherheit in unseren Schulen und im Zweifelsfall auch auf unseren Straßen, im Jugendhilfebereich oder im KitaBereich und im Brandschutz nicht zulasse.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die Thesen, die Sie hier von sich geben – Brandschutz oder Ähnliches – können Sie bei der Feuerwehr loslassen. Wissen Sie, was die mit Ihnen machen?

(Holger Zastrow, FDP: Sehen Sie sich das Gesetz an, nicht alles ist sinnvoll!)

Die sparen sich das Löschen nach dem Anzünden.

Sie haben „Besitzstand wahren“ gesagt. Ja, wenn es um die sozialen Belange, die Beschäftigten, um Kinder und Jugendliche geht, dann bin ich hier Besitzstandswahrer, und das bin ich gerne,

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

weil es Dinge gibt, die finanztechnisch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesem Freistaat aus unserer Sicht nicht verhandelbar sind. Da komme ich auch zu Ihrem Problem. Sie definieren Freistaat Sachsen aus meiner Sicht frei von Staat. Das wollen wir auf keinen Fall. Das hat auch diese Debatte gezeigt.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Für die Fraktion der SPD sprach der Abg. Pecher. Möchte die Fraktion GRÜNE erneut das Wort nehmen? – Nein. Die NPD? – Nein. Die Staatsregierung? – Herr Dr. Martens, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wo ist der Ministerpräsident?)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat leicht, in so einer Debatte erst einmal nichts zuzulassen. Sie sagen, wir lassen gar nichts zu, Herr Pecher. Sie sagen, wir wahren Besitzstände, wir verändern nichts. Das Problem ist nur, dass Sie mit einer solchen Haltung Opposition machen können, aber dieses Land nicht verantwortungsvoll dem Ziel entgegenführen, das sich diese Staatsregierung gestellt hat, nämlich Sachsen im Jahr 2020 finanziell auf eigene Beine zu stellen und handlungsfähig zu halten, gerade im Interesse der Bürger.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Standardreduzierung, die hier angesprochen wurde, ist nicht die große, für alles zuständige und alles bewegende Lösung. Sie ist ein Baustein von vielen, denen wir uns tatsächlich widmen, und zwar mit der notwendigen Ernsthaftigkeit, die ich hier bislang bei der Opposition vermisst habe, meine Damen und Herren.

Wir begegnen überall Normen und Standards – von der Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen ist gesprochen worden, es geht um die Breite von öffentlichen Straßen, die Dimensionierung ihres Unterbaues, die Entwässerung von Straßen und öffentlichen Verkehrsflächen bis hin zu Stellflächen, Parkplätzen oder auch Kinderspielplätzen. Alles wird geregelt, alles ist normiert, ebenso die Erfordernisse für eine Gaststättenerlaubnis. Es gibt zig, Hunderte, Tausende von Normen im Bereich des Hochbaues über Notentwässerungen bis zur Höhe des Lichtschalters in behindertengerechten Toiletten.

Während einige Standards von uns allen als sinnvoll und zwingend angesehen werden, muten andere bisweilen sogar lächerlich an. Das wird auch die Opposition zugeben müssen. Besonders krasse Beispiele lieferte in der Vergangenheit – auch das muss ich hier einräumen, zuständig als Minister für Europa – die Europäische Union: die Größe von Kaffeeverpackungen, das Gewicht von Schokoladentafeln, der Krümmungswinkel von Gurken, die Mindestgröße und der zulässige Radius von Bananen.

Meine Damen und Herren! All dies sind Standards, die aber nicht nur von der EU gesetzt werden, sondern auch der Bund, das Land und Private setzen solche Standards. Manche sind vorteilhaft, manche sind allerdings zunehmend mit Aufwand und Kosten verbunden, denen kein erkennbarer Nutzen mehr gegenübersteht. Hier zu sagen, wir wollen überhaupt nichts verändern, das, meine Damen und Herren, halten wir für unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es geht nicht um den radikalen Abbau und die staatliche Reglementierung um ihrer selbst willen, sondern darum, den vorhandenen Bestand an Normen und Standards auf das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen zu überprüfen, den sie für die Bürger noch haben, weil bisher viel zu oft Normen und Standards einfach im wahrsten Sinne des Wortes ohne Rücksicht auf die Kosten gesetzt worden sind. Da sage ich für diese Staatsregierung: Wir können uns das jedenfalls nicht leisten!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Anliegen der Staatsregierung ist es, Landesstandards zu überprüfen; Standards nach EU- und Bundesrecht, wenn, dann nur im Maßstab 1 : 1 umzusetzen und nicht im Maßstab 1 : 1,2, 1,5 oder 2,0. Sie mögen das als Kleinkram bezeichnen. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um die Wahrnehmung der Verantwortung, die die Regierung hat, Regierungsverantwortung auszuüben. Dem brauchen Sie sich nicht hinzugeben. Aber der Bürger hat schon als Wähler genau gewusst, warum er Ihnen das nicht zutraut.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Diese Standardüberprüfung findet nicht isoliert statt, sondern sie wird neu strukturiert und eingebettet in einen weiteren Prozess, in dem wir prüfen wollen, welche formellen und materiellen Deregulierungen wir machen

können, wo wir Vereinfachung und Verkürzung von Verwaltungsverfahren stattfinden lassen können, wo wir Bearbeitungsfristen verkürzen wollen, Genehmigungsfiktionen einführen und Widerspruchsverfahren entfallen lassen, die oftmals gar keine Befriedungsfunktionen haben und auch keine Erkenntnisgewinne mit sich bringen. Das alles soll aber nicht besserwisserisch oder bevormundend geschehen, sondern in einer Weise, die zum Ausdruck bringt, dass wir den Bürgern in ihrem Interesse an vernünftigen Lösungen im eigenen Bereich vertrauen. Wir wollen ihnen auch ein Stück Verantwortung für sich selbst zurückgeben, meine Damen und Herren.

Wir werden den anstehenden Prozess der Staatsmodernisierung zur umfassenden Standardüberprüfung nutzen, meine Damen und Herren. Standardreduzierung schafft dabei mehr Freiheit und Spielräume für alle Beteiligten. Das ist zwar schwieriger als der generelle Ruf nach dem Es-muss-alles-besser-werden. Auf der anderen Seite ist dieser Weg in seinen vielen kleinen Schritten letztlich alternativlos.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit einer Kurzintervention. Kollege Pellmann? – Bitte.

Herr Präsident! Ich nehme die Möglichkeit einer Kurzintervention wahr.

Herr Staatsminister Martens, zunächst muss ich es mit einer Frage einleiten: Habe ich Sie richtig verstanden – Sie haben mehrere Beispiele genannt, bei denen man über Standards nachdenken könnte –, dass Sie auch auf die Höhe von Lichtschaltern in behindertengerechten Toiletten abhoben? Ich sage Ihnen auch als Behinderter, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn Sie das so gesagt haben, dass Sie sich künftig solche laxen Formulierungen überlegen sollten.

Sie sprachen von Details; ja, es mag ein Detail sein, aber ich denke, behinderte Menschen haben auch Anspruch auf die Höhe des Lichtschalters. Es sind keine Peanuts. Was Sie hier dargestellt haben, hielte ich, wenn Sie es denn so deutlich gesagt haben, zumindest für behindertenunfreundlich.