20 Jahre nach der Friedlichen Revolution sollte in unserer Gesellschaft die Freude über die erlangte Freiheit, das Ende der Diktatur und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes einen angemessenen Platz im gesellschaftlichen Bewusstsein einnehmen.
Denn, meine Damen und Herren, bei aller Sorge um Arbeitsplätze und Einkommen wird sich niemand einen geteilten deutschen Staat mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl, mit Mangelwirtschaft und Wohnungsnot im Alltag zurückwünschen.
Ich bitte das Hohe Haus deshalb, den 17. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Herrn Beleites und seinem Team möchte ich für die im Berichtszeitraum geleistete Arbeit namens der CDU-Fraktion herzlich danken.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht 2008/2009 des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wirft eine Reihe von Fragen auf. Bereits in der Einleitung schreibt Michael Beleites, dass – ich zitiere – „die veränderte Prioritätensetzung zugunsten von schulischen Bildungsangeboten …beibehalten“ worden ist.
Diese veränderte Prioritätensetzung betrifft nicht nur die Betätigungsfelder, sondern auch die Inhaltsbereiche. Die Beratungen zur Akteneinsicht nehmen in dem Bericht lediglich eine Seite ein. Der Rest befasst sich mit historisch-politischer Bildung. Eine Abgrenzung zu den Aufgabenbereichen der Landeszentrale für politische Bildung lässt sich nicht erkennen. Denn es geht bei den Aktivitäten des Landesbeauftragten nicht allein um die Vermittlung der Rolle des Staatssicherheitsdienstes in der DDR. Vielmehr thematisiert Beleites die DDR insgesamt, den Umbruch 1989/90, aber auch die alte Bundesrepublik, und er möchte darüber hinaus ein Konzept historischpolitischer Bildung verfolgen, das die Erinnerungskultur von nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur zueinander in Beziehung setzt – wenn Sie sich das auf Seite 58 anschauen wollen.
Inhaltlich kann Michael Beleites zu Recht darauf hinweisen, dass die „einseitige Fixierung der DDR-Aufarbeitung“ auf die Tätigkeit des MfS – so hat er es auf Seite 48 formuliert – den historisch sehr viel komplexeren Sachverhalt kaum zureichend beschreibt. Dem können wir voll zustimmen. Aber müssten dann nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Aufgaben des Landesbeauftragten re-formuliert und das Verhältnis zur Landeszentra
le für politische Bildung neu überdacht werden? Gegenwärtig lassen sich die inhaltlichen Überschneidungen kaum übersehen.
Sind vor diesem Hintergrund etwa die Kürzungen – Seite 10 – und die Stellenstreichung – Seite 14 – zu sehen, die Beleites beklagt? Wenn dem so ist, dann handelt es sich um eine allmähliche Austrocknung dieses Amtes, ohne dass es ganz zur Disposition gestellt werden soll.
Angesichts der gegenwärtigen Aufgaben ist schließlich auch zu fragen, warum der Landesbeauftragte beim Justizministerium und nicht beim Kultusministerium ressortiert. Schülerprojekte, Lehrerfortbildungsveranstaltungen und Ähnliches ließen sich doch von hier aus sehr viel leichter mit den für diese Bereiche originär zuständigen Einrichtungen koordinieren. Solche Anregungen legen sich auch von daher nahe, dass Beleites konstatiert – –
Michael Beleites. Ich kenne ihn gut. Das bringt mich nun wirklich nicht aus der Fassung. – … dass Michael Beleites konstatiert, es werde – Zitat – „immer schwieriger, Lehrer zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit für die Fortbildung zu gewinnen“, Seite 7, und Bemühungen, „Zeitzeugen in den Geschichtsunterricht einzubinden“, würden nur „zögerlich aufgegriffen“. – Es gibt also so etwas wie Interessendefizite aufseiten der Lehrer, aber wohl auch aufseiten der Schüler.
Nicht so sehr historisch-politische Projekte, sondern die Theaterperformance „Alles auf Hoffnung“ war dem Bericht zufolge ein großartiger Erfolg. Dieses Kommunikationsmittel ist in dem in Rede stehenden Kontext nicht unproblematisch, meine sehr verehrten Damen und Herren. Michael Beleites verweist selbst auf die Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen, dass Jugendliche „das Leben in der DDR nur aus Filmen, aus dem Schulbuch und aus Erzählungen anderer kennen“. Es sind eben, meine sehr verehrten Damen und Herren, 20 Jahre vergangen.
Auf Bundesebene hat es in mehreren Anläufen eine heftige Diskussion darüber gegeben, die Aufgabe der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes allmählich an das Bundesarchiv zu übertragen. Für diese Lösung haben sich auch Ihnen allen bekannte Abgeordnete der CDU ausgesprochen, etwa Arnold Vaatz. Es ist anders gekommen, die BirthlerBehörde soll bis 2019 erhalten bleiben.
Aber die Frage bleibt doch: Wie lange nach dem Untergang der DDR sollen Behörden am Leben erhalten werden, die sich inzwischen auf anderen Feldern als den ihnen ursprünglich zugewiesenen betätigen und die dabei unter der Hand etablierten Einrichtungen deren Existenzrecht streitig machen?
Es gibt den politischen Willen, die große Zeit des Umbruchs 1989/90 legendarisch zu überhöhen und sie so
förmlich zu konservieren, so zu tun, als könne man die Zeit anhalten. Aber an einer Historisierung dieser Zeit werden wir nicht vorbeikommen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und dafür gibt es eben andere Institutionen als Landes- und Bundesbeauftragte für die Unterlagen des ehemaligen MfS.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt der nunmehr 17. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR vor. Herr Beleites, ich möchte Ihnen und Ihren Mitarbeitern namens der SPD-Fraktion herzlich für diesen Bericht danken, der deutlich macht, womit Sie sich zwischen den Jahreshälften 2008 und 2009 befasst haben.
Um auf meinen Vorredner kurz einzugehen: Es ist tatsächlich so, dass man durchaus eine Schwerpunktverlagerung erkennen kann. Aber ich halte das auch durchaus für angezeigt. Sicherlich mag Ihr Einwurf, Herr Prof. Besier, richtig sein zu überlegen, in welcher Weise die Behörde jetzt auch politische Arbeit vornimmt. Aber ich halte das grundsätzlich für richtig. Ich sage das auch deshalb, weil die Behörde über Jahre hinweg deutlich gemacht hat, dass sie sich sehr bemüht hat um die Opfer, um Täter, aber gerade auch darum, jungen Menschen nahe zu bringen, was sich in der ehemaligen DDR mit dem MfS ereignet hat. Ich halte dies für aktueller denn je, meine sehr verehrten Damen und Herren. Von daher ist es richtig, dass sie sich neben dem Tätigkeitsfeld der Beratung von Bürgern – wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass ihr Bericht die einzelnen Bürgergespräche abbilden kann – den Themen „Unterrichtung der Öffentlichkeit“ und „Politische Bildung“ zugewandt hat.
Ich sage das auch deshalb, weil ich gern Bücher lese, die sich mit der Vergangenheit der DDR beschäftigen. Ich habe das nun 28 Jahre meines Lebens erlebt und es ist manchmal sehr interessant, was man an Schmökern findet. Ich kann übrigens nur Edgar Mosts Buch „Fünfzig Jahre im Auftrag des Kapitals – Gibt es einen dritten Weg?“ empfehlen. Man kann zu Edgar Most stehen, wie man will, aber ich denke schon, das Buch macht deutlich, wie in der DDR unter recht schwierigen Bedingungen gearbeitet wurde und welche Fehler gemacht wurden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Während ich bei einem großen Internetbuchhändler schmökere, stoße ich auf ein neues Buch von den Herren Großmann und Schwanitz mit dem Titel „Fragen an das MfS – Auskünfte über eine Behörde“. Der Interessierte erfährt zunächst über die Autoren: „Werner Großmann, geboren 1930, trat 1952 dem MfS bei. Seitdem in der
Wolfgang Schwanitz, geboren 1930, trat 1951 dem MfS bei. Von 1974 bis 1986 Leiter der Bezirksverwaltung Berlin des MfS. Danach bis zum Herbst 1989 stellvertretender Minister, unter Modrow Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit.“
Wem das noch nicht reicht, der bekommt bei diesem namhaften Internetbuchhändler auch noch eine Kurzbeschreibung geliefert. Dort steht nämlich: „60 Jahre nach Gründung des MfS am 8. Februar 1950 scheint alles gesagt, geschrieben, gedruckt und gesendet. Es gibt keine Geheimnisse mehr. Aber ist bei den Jüngeren wirklich mehr bekannt als jene Grusel- und Schauermärchen, die seit 1990 absichtsvoll verbreitet werden, und lassen sich diese Klischees nicht durch sachliche Informationen ersetzen? Verantwortliche Mitarbeiter des MfS kommen der Forderung nach, die in der Öffentlichkeit immer wieder an sie gestellt wird.“
Herr Bandmann, wir haben Demokratie und es ist durchaus auch das Recht dieser Leute, sich darzustellen. Aber es macht deutlich, wo die Gefahren liegen. Das macht es unheimlich deutlich.
Herr Prof. Besier, wenn ich, der ich in der DDR gelebt habe, das nach 20 Jahren lesen muss, dann frage ich mich: Welche Gefühle müssen in jenen Menschen vorgehen, die unmittelbar Opfer der Stasi geworden sind? – Deshalb sage ich ausdrücklich: Ich danke allen, die immer Initiative zeigen für das Bautzen-Forum, das wieder im Mai dieses Jahres stattfinden wird,
um auch – ebenso wie die Überlebenden der faschistischen Zeit – deutlich zu machen, wie es in Diktaturen zugeht. Ich will das gar nicht gleichsetzen, da gibt es durchaus Unterschiede. Aber wir sollten diese Erinnerung wirklich am Leben erhalten und wir müssen aufpassen, dass sie nicht in einer bestimmten Verklärung der Vergangenheit heute obsolet zu sein scheint.
Es mag wirklich geschmacklose Parodien, ob im Film oder im Fernsehen, auf die ehemalige DDR und auf die
Stasi gegeben haben, und selbst irgendwelche Gangsterthriller waren davon nicht frei. Aber Fakt ist auch: Es hat einen Film wie „Das Leben der Anderen“ mit dem unvergessenen Ulrich Mühe, der aus Sachsen kam, gegeben, der wirklich sehr realistisch deutlich gemacht hat, wie die Situation war. Von Donnersmarck hat in seinem Film versucht, über das Mittel der Kunst eine Chance für die Versöhnung von Opfern und Tätern zu bieten. Ich sage auch: Wenn man das wirklich anstrebt – bei aller Ehrfurcht vor den Opfern –, wenn man auch darüber nachdenkt, warum die Leute so gehandelt haben, wie sie verführt werden konnten oder wie sie vielleicht in Inbrunst der Stasi gedient haben, so ist es wichtig, dass wir gerade auch diese Aspekte diskutieren und deutlich machen, dass wir auch im Freistaat Sachsen 20 Jahre nach dieser Zeit großes Interesse haben müssen, diesen Ausgleich in der Bevölkerung tatsächlich herbeizuführen. Herr Beleites, Sie haben mit Ihrer Behörde daran großen Anteil.
Zum Bericht selbst fällt auch mir durchaus auf, was schon angesprochen worden ist. Offensichtlich haben Sie eine erhebliche Zahl von Anfragen für Projekte und Vorträge. Als jemand, der weiß, wie schwierig es manchmal ist, jungen Menschen politische Inhalte zu vermitteln, glaube ich, dass über einzelne Projekte, über Theaterstücke etc. durchaus ein besserer Einstieg gelingen kann als vielleicht mit einer trockenen Darstellung der Geschichte.
Es ist mir insbesondere wichtig – auch mit Blick auf das Kultusministerium, Herr Prof. Wöller –, dass man intensiv darüber nachdenken sollte, wie man im Bereich der Lehrerfortbildung noch mehr tun kann, um den Unterrichtsstoff möglichst so darzustellen, dass die Jugendlichen gern folgen wollen, auch wenn es sich um eine schwierige Problematik handelt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Von daher sollte man seitens des Kultusministeriums durchaus auch die Frage beantworten, dass es – so schreibt Herr Beleites – zunehmend schwieriger wird, Lehrer zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit für Fortbildungsveranstaltungen zu gewinnen. Ich denke auch, dass der Umgang mit den Lehrern in Sachsen nicht in Ordnung ist, wir haben es gestern deutlich diskutiert; und wenn Lehrer Motivation haben wollen, dieses Thema darzustellen, dann müssen wir mit ihnen besser umgehen. Deshalb war die gestrige Forderung, zur Vollzeit zurückzukehren, durchaus berechtigt. Aber das sollte nicht das heutige Thema sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke Herrn Michael Beleites und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich danke ihm auch deshalb, weil ich zurückdenke, dass es im Dezember 2000 wirklich eine schwierige Geburt war, den damaligen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen überhaupt zu finden. Es gab da einige Kandidaten, die am Ende „verbrannt“ wurden. Es ist ganz schwierig gewesen. Aber Herr Beleites, Sie