Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke Herrn Michael Beleites und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich danke ihm auch deshalb, weil ich zurückdenke, dass es im Dezember 2000 wirklich eine schwierige Geburt war, den damaligen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen überhaupt zu finden. Es gab da einige Kandidaten, die am Ende „verbrannt“ wurden. Es ist ganz schwierig gewesen. Aber Herr Beleites, Sie
sind quasi im zehnten Amtsjahr, deshalb sage ich Ihnen: Ich wünsche Ihnen für die Fortsetzung Ihrer Tätigkeit weiterhin viel Erfolg! Helfen Sie Menschen, mit diesem schwierigen Schicksal, mit dieser schwierigen Vergangenheit umzugehen, und helfen Sie vor allem auch jungen Menschen, zu erfahren, wie es damals wirklich war.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der 17. Bericht liegt vor, und natürlich fragt man sich: Was bringt man nun als dritter Redner in diese Debatte ein? Ich habe mich entschieden, nachdem ich den Bericht gelesen habe, in dem sehr eindeutig steht, dass es in der letzten Berichtsperiode sehr viel um Rehabilitierung und Opferrenten ging, hier einmal einen Fall zu beleuchten, der sehr interessant ist und der sehr viel mit DDR-Vergangenheit zu tun hat.
Alle Fraktionen haben im März ein Schreiben eines Bürgers aus Niesky bekommen. Dieser Bürger ist 1943 in Tschechien geboren worden, ist dann in die BRD ausgereist und hat lange Zeit – bis 1964 – dort gelebt. Im jugendlichen Überschwang ist der Bürger in die DDR eingereist, um als Jugendlicher einmal zu schauen, wie es denn so ist im Kommunismus. Er hat hier auch zwei, drei Monate gearbeitet und dann festgestellt, dass es Mist ist – wie das alle wussten, die dort gelebt haben. Er wollte dann wieder – als BRD-Bürger – mit Pass ausreisen. Auf dem Bahnhof in Dresden wurde er dann gefangengenommen, verurteilt und eingesperrt. Er bekam sechs Monate Gefängnis, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Nachdem er wieder aus dem Gefängnis entlassen wurde, in dem er als BRD-Bürger eingesperrt war, wurde er 25 Jahre lang in der DDR festgehalten, also, man kann sagen: 25 Jahre Dauergefängnis DDR. Das sind solche Fälle. Jetzt beantragt er Opferrente und kann sie nach dem entsprechenden Buchstaben des Gesetzes nicht bekommen. Aber – das ist auch eine Aufgabe, die wir als Gesellschaft leisten müssen – wir müssen sagen: Auch solche Einzelfälle müssen wir behandeln, um diesen Menschen gerecht zu werden. Das ist eine zukünftige Aufgabe der Gesellschaft, auch des Parlaments hier in Sachsen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Mir ist auf den Seiten 6 und 7 aufgefallen, dass Herr Michael Beleites festgestellt hat, dass die Lehrer in Sachsen eigentlich kein Interesse haben, die DDR-Geschichte aufzuarbeiten, darüber zu sprechen, Zeitzeugen einzuladen und den Schülern zu demonstrieren, wie es in der DDR war. Das, finde ich, ist ein Skandal, und dass es eine große Aufgabe ist, sehr geehrter Herr Dr. Beermann, müssen Sie als Staatsregierung ihnen noch einmal richtig verdeutlichen. Dass die Aufarbeitung noch nicht überall angekommen ist, können wir sehr deutlich lesen.
Dort gibt es eine Zeitung der Linken. Sie heißt „DIE LINKE im Erzgebirgskreis – Die sozialistische Zeitung“. Im Dezember 2009 erschien in dieser Zeitung ein Artikel von Herrn Dr. Reinhard Bogner, und ich möchte Ihnen einmal verschiedene Zeilen zur Verfügung stellen. Er schreibt darin über unseren Bundespräsidenten Horst Köhler, der in einem Vortrag über 20 Jahre Friedliche Revolution berichtete: „Vor der Stadt“, so Köhler, „standen Panzer. Die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen. Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen und in der Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt.“
Alles falsch, alles frei erfunden. Es entspricht nicht der Wahrheit; es sind alles Lügen – steht hier.
Dann geht es weiter: „Nicht nur das 20-jährige Jubiläum“, steht in der Zeitung, „der Protestdemonstrationen und des Mauerfalles wurden gefeiert; eine nicht endenwollende Reihe von Veranstaltungen, Ausstellungen, Talkshows, Interviews, Theaterinszenierungen, Filmpremieren, Dokumentationen, Geschichtsmessen, Foren, Symposien, Leserbriefaktionen usw. trommelten auf das Bewusstsein und das Erinnerungsvermögen des Bürgers herab – Klammer auf – umgangssprachlich nennt man das Gehirnwäsche – Klammer zu –, was nach Meinung ernstzunehmender Psychologen auch zu Dauerschäden führen kann.
wenn man die 20 Jahre Erinnerung als Gehirnwäsche bezeichnet. Auch das, was unter anderem Michael Beleites hier geleistet hat, ist keine Gehirnwäsche. Aber es geht noch weiter. Deswegen ist der Auftrag an uns und die Stasi-Unterlagen-Verwaltung besonders groß.
Es geht weiter: „Noch nie wurden die Ostdeutschen so geliebt und gelobt wie für die Friedliche Revolution, in der kein Schuss fiel. Mit Recht; denn die Demonstranten gingen bemerkenswert diszipliniert vor. Die größeren Verdienste an dieser schussfreien Revolution“ – diesen Begriff habe ich noch nie gehört – „haben sie“ – gemeint sind die Demonstranten – „aber nicht erworben; denn es ist nicht schwer, nicht zu schießen, wenn man keine Schusswaffen hat.“
Aber Sie als Linke wissen ganz genau, wer damals die Helden waren; denn es geht weiter: „Diejenigen, die die Befehlsgewalt über bewaffnete Kräfte der DDR hatten, haben schließlich entschieden, ob es zu einem Blutvergießen kam oder nicht. An erster und entscheidender Stelle ist der letzte Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates Egon Krenz zu nennen.“ Er wäre am Wunder von Leipzig beteiligt gewesen! Wenn es jemand nicht war, dann er! Die Helden von Leipzig waren die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes!
Zu all dem – diesen Tatsachen, die Sie veröffentlichen, und Ihrer Meinung, die Sie hier vertreten – kann ich nur eine einzige Aussage treffen: Herr Michael Beleites, machen Sie mit Ihrem Team so weiter! Vielen Dank für Ihre geleistete Arbeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fülle der politisch gewichtigen 20. Jahrestage im vergangenen und im laufenden Jahr bietet – hier steht es auch – Anlass zum Rückblick. Lassen Sie mich deshalb, ähnlich wie Kollege Schowtka, heute mit einem Rückblick auf die Entstehung des Landesbeauftragtengesetzes beginnen.
Für uns in Sachsen stand es 1992 nach der Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes außer Frage, dass wir zumindest die in dessen § 38 gegebene Möglichkeit nutzen und das Amt eines Landesbeauftragten einrichten. Damals lagen dem Landtag sogar drei Gesetzentwürfe vor: der der Staatsregierung, einer aus der SPD-Fraktion und der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Entwurf unserer Fraktion zu einem Landesaufarbeitungsgesetz unterschied sich in wichtigen Punkten von dem verabschiedeten Gesetz. Es sind insbesondere drei Punkte, die sich auch aus heutiger Sicht nach wie vor als richtig erweisen:
Zum Ersten ist es falsch, den Blick auf das MfS zu verengen. Wir müssen eine umfassende Aufarbeitung des Repressionsapparates erreichen. Durch die Diskussion über das „Schild und Schwert der Partei“ dürfen nicht die Hauptverantwortlichen in der SED verdeckt werden, die sich durch das Schild schützten und die das Schwert führten.
Im Blick bleiben sollten aber auch die Anteile anderer Organisationen und Institutionen an der Unterdrückung der politischen und Freiheitsrechte in der DDR – von den
Zum Zweiten darf die politisch-historische Aufarbeitung nicht beim Staat zentralisiert werden. Der Landesbeauftragte ist wichtig; er sollte aber bestehende Verbände und Initiativen fördern und koordinieren sowie die Betroffenen – Täter wie Opfer – bei ihrer persönlichen Aufarbeitung beraten und unterstützen.
Zum Dritten ist die Unterstellung unter das Justizministerium dem Amt des Landesbeauftragten nicht angemessen. Ihm gebührt eine Stärkung der Position durch direkte Anbindung an den Landtag, so wie der Datenschutzbeauftragte und der Ausländerbeauftragte. Damals zitierte mein Fraktionskollege Martin Böttger in der Plenarsitzung Justizminister Heitmann, der unsere Forderung mit dem Satz abgelehnt hatte: „Sie wissen doch alle, dass diesem Landesbeauftragten nur eine Alibifunktion zugedacht ist.“
Ich bin ausgesprochen froh, dass die praktische Arbeit der Landesbeauftragten, insbesondere seit Herr Beleites im Dezember 2000 das Amt übernommen hat, diesen Satz widerlegt. Der Landesbeauftragte ist kein Alibimann, sondern seine Behörde bearbeitet trotz der engen Grenzen des Gesetzes seit Jahren all ihre Aufgabengebiete mit Engagement und Kreativität sowie auf hohem Niveau.
Dafür danke ich Herrn Michael Beleites sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle aber auch die Menschen, die sich in Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen engagieren und deren Arbeit unverzichtbar ist. Auch ihnen gilt unser Dank.
Heute debattieren wir nun bereits über den 17. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Gewiss haben diese Berichte nicht mehr ganz so viel Brisanz wie in den ersten Jahren nach Verabschiedung des Gesetzes; aber sie bieten nach wie vor Interessantes, manchmal Überraschendes, und sie sind immer noch wichtig. Die Debatten über die Arbeit des Landesbeauftragten sind immer auch Debatten über die DDR-Geschichte – vom Stasi-Knast bis zum alltäglichen Alltag, von Repressionen bis hin zu Anpassungen.
Unsere Auseinandersetzungen mit diesem Teil der deutschen Geschichte, die Diskussion über unsere Aufarbeitungsfähigkeit sind notwendig – auch und gerade im Freudenrausch des 20. Jahrestages unserer Friedlichen Revolution. Dieser 20. Jahrestag ist im Bericht allgegenwärtig, und er bestimmte die Arbeit des Landesbeauftragten im Berichtszeitraum. Diverse Feierlichkeiten mussten vorbereitet und die Wanderausstellung „1989 (Unser Aufbruch) 2009“ gestaltet und durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren! Wer sich von Ihnen die Zeit genommen und den Ausstellungsbus besucht hat, dem wurde einmal mehr deutlich, dass eine Stärke unseres Aufbruchs 1989 in der Dezentralität, in der Vielzahl mutig handelnder Menschen in unterschiedlichen sächsischen Regionen lag. Frau Dr. Nancy Aris möchte ich ausdrücklich für die inhaltliche Arbeit an dieser Ausstellung danken.
Gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung brachte der Landesbeauftragte das Stelenprojekt „Wege in die Freiheit – Dresden ’89“ auf den Weg und damit die Vermittlung von Geschichte sowie die so wichtige Erinnerung und Würdigung der Selbstbefreiung aus der Unmündigkeit direkt auf Dresdens Straßen. Mit dieser Erinnerung den öffentlichen Raum füllen – das hilft auch dabei, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Freiheit und Demokratie immer wieder neu erstritten, von Demokratinnen und Demokraten gelebt, gestaltet und gegen ihre Feinde verteidigt werden müssen. Meine Anerkennung deshalb auch für dieses Projekt.
Das Jubiläum vervielfachte auch die Anzahl der Vorträge, der öffentlichen Veranstaltungen, der wissenschaftlichen Tagungen und Gespräche, zu denen der Landesbeauftragte geladen wurde. Der Bericht gibt darüber ausführlich Auskunft. Er zeigt aber auch, dass alle diese Aufgaben zusätzlich zur alltäglichen Arbeit der Behörde erledigt werden mussten und damit die Leistungsfähigkeit angesichts der geringen personellen Ressourcen deutlich überschritten wurde.
Diese alltägliche Arbeit, die Beratung, die nach wie vor – wenn auch stark rückläufige – Bewertung und Begutachtung von Stasi-Unterlagen und vor allem die Unterrichtung der Öffentlichkeit, die historisch-politische Bildung, ist umfassend. Die Zahlen sind Legende: 260 Erstberatungen zur Akteneinsicht, 289 ausführliche Beratungsgespräche zur Rehabilitierung, zur Nachbereitung usw. wurden 2008/2009 in der Geschäftsstelle durchgeführt. 720 ausführliche Gespräche in sächsischen Städten im Rahmen der dezentralen Beratungsinitiative und über 1 000 Beratungen in Zusammenarbeit mit der BStU kommen hinzu. Dies alles leistet eine Kleinstbehörde, die nur noch aus vier Mitarbeitern – einschließlich des Landesbeauftragten und seiner Sekretärin – besteht. Die Belastungsgrenze ist längst erreicht. Die Personal- und Finanzausstattung der Behörde ist ein Problem. Herr Beleites ist leider nicht in der komfortablen Lage wie seine neue Brandenburger Kollegin Ulrike Poppe. Herr Schowtka, Sie haben vollkommen recht: Viel zu spät wurde diese Position in Brandenburg geschaffen. Dafür wurde sie aber gut ausgestattet. Neben der direkten Unterstellung unter den Landtag anstelle eines Ministeriums erhielt sie sieben Mitarbeiter und ein eigenes Budget, das doppelt so hoch wie jenes von Herrn Beleites ausfällt.
Aber nach wie vor gilt auch in Sachsen das Landesbeauftragtengesetz. Darin heißt es in § 2 Abs. 4: „Dem Landesbeauftragten ist die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen.“ Daher erwarte ich von der Staatsregierung, dass sie gemeinsam mit dem Landesbeauftragten nach Finanzierungswegen sucht, um wichtige Projekte nicht sterben zu lassen.
Dass im Jubiläumsjahr 2009 ein gut vorbereitetes Schülerprojekt, die Theaterperformance „Alles auf Hoffnung“, das auf eine riesige Nachfrage seitens der Schulen stieß – und 50 Anfragen in einer Woche sind ja nun wirklich riesig –, wegen der Haushaltssperre gestoppt werden musste, ist nicht verständlich und zeugt von wenig Achtung vor der Behörde und schlechter Kenntnis über kreative Bildungsarbeit.