Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

bewusst entschieden, dass Sie das im Jugend- und Sozialbereich so machen wollen – was ich Ihnen gar nicht unterstelle, dafür war die Überraschung einiger Ihrer Kollegen zu groß; oder Sie haben es allein gemacht, das ist ja auch möglich –, oder aber Sie wussten nicht, was da geschieht, und das halte ich für ein Problem.

Auch wenn das Thema die meisten Abgeordneten hier gar nicht so sehr zu fesseln scheint, bin ich der Auffassung, dass das unsere ursächliche Verantwortung ist. Die Volksvertretung sitzt hier im Parlament, und die Regierung ist bei der Volksvertretung angestellt, nicht umgekehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Wenn Sie nachher in Ihre Wahlkreise zurückkehren und den Leuten erklären müssen, was Sie hier mit Mut zur Entscheidung entschieden haben, dann frage ich mich, wie Sie das in Ihren Büros noch hinbekommen.

Strukturelles Einsparen hätte bereits im letzten Jahr angefangen und überlegt werden müssen. Ich habe das auch angemahnt, sogar die ganze Zeit im Wahlkampf: Welche strukturellen Einsparungen wollen Sie bringen? Sie bringen ja in 2010 nicht eine einzige beabsichtigte strukturelle Einsparung, sondern Sie knuspern überall ein bisschen was weg und halten das Ganze für eine Sparleistung.

Dasselbe haben Sie ganz offensichtlich auch 2011/2012 vor. Von dem Schreckgespenst 1,7 Milliarden Euro, die der Steuerschätzung überlassen werden – wobei ich glaube, dass es ungefähr so eintreten wird –, kommt doch hinaus, dass 1,4 von diesen 1,7 Milliarden Euro die Kommunen erbringen müssen, ohne dass es über die Investitionskürzungen läuft. Wo spart denn dann noch das Land strukturell ein?, möchte ich einmal fragen. Wir sprechen von 3 bis 4 Millionen Euro, die am Ende wieder fehlen. Dann machen Sie wieder ein bisschen Zinsausbeu

te, haben noch irgendwo eine Keksdose herumstehen und drangsalieren irgendwie noch jemanden, und das ist es dann.

Also wissen Sie, das Land selbst macht keine strukturellen Einsparungen – ich bin jetzt sehr gespannt auf Ihren Entwurf im Juni; vielleicht kommt es ja dann, das ist ja möglich. Die bisherige, von Ihnen im Januar noch einmal bestätigte Mittelfristige Finanzplanung weist das aus, was ich gerade vorgestellt habe, und deswegen finde ich es wichtig, dass wir über die Rücklagenbildung eine sehr klare Auffassung haben, und zwar alle miteinander gemeinsam. Sie von Schwarz-Gelb glauben doch nicht, dass Sie hier fünf Jahre durchkommen mit dieser Art von Haushaltsbewirtschaftung auf diesem Niveau?! Da rückt Ihnen als Erstes die Wirtschaft auf die Pelle, und zwar zu Recht!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/2088 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist diese Drucksache bei einigen Jastimmen mehrheitlich nicht beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir hatten heute Morgen eine Entscheidung des Präsidiums des Sächsischen Landtags wegen einer als dringlich bezeichneten mündlichen Anfrage. Nach § 52 Abs. 2 Satz 3 Geschäftsordnung kann gegen diese Entscheidung des Präsidiums des Sächsischen Landtags ein Beschluss des Landtags herbeigeführt werden. Dies ist der Fall.

Ich rufe somit auf den

Tagesordnungspunkt 8

Entscheidung des Landtags über den Beschluss des Präsidiums vom 29.04.2010 zur Zulässigkeit einer als dringlich bezeichneten mündlichen Anfrage gemäß § 52 Abs. 1 Satz 3 GO

Drucksache 5/2200, Antrag des Abg. Dr. André Hahn, Fraktion DIE LINKE

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich schlage als Redezeit maximal 5 Minuten je Fraktion vor, wenn das gewünscht ist. Die Reihenfolge: Antragsteller, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Herr Präsident, eine Frage: DIE LINKE hat natürlich auch 5 Minuten Redezeit, nicht nur der Antragsteller dieser Fraktion?

Jetzt würde ich vorschlagen, wenn Sie damit einverstanden sind – Sie müssen nicht sprechen als Fraktion –, dass der Antragsteller das Wort ergreifen kann.

Bitte, Herr Tischendorf.

Selbstverständlich, jede Fraktion, und der Antragsteller kann jetzt sprechen, wenn er das möchte. Er muss aber auch nicht.

Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Punkt, über den

wir jetzt sprechen, betrifft das Fragerecht der Abgeordneten nach Artikel 51 der sächsischen Landesverfassung. Deshalb ist es eine wichtige Frage, wie wir in diesem Haus damit umgehen, und zwar unabhängig davon, ob man zur regierungstragenden Mehrheit oder zur Opposition im Landtag gehört.

Ein Abgeordneter hat nach unserer Geschäftsordnung drei Möglichkeiten, Fragen an die Staatsregierung zu stellen. Die eine ist die Kleine Anfrage, auf die er nach vier Wochen eine entsprechende Antwort erhält. Die zweite Möglichkeit ist die mündliche Fragestunde. Dabei hat er den Vorteil, dass die Frage innerhalb einer Woche beantwortet werden muss, dass die Beantwortung hier öffentlich erfolgt und er zwei Nachfragen zu diesem Thema stellen kann. Die dritte Möglichkeit für einen Abgeordneten ist die dringliche mündliche Anfrage nach Anlage 5 der Geschäftsordnung, der Richtlinien für die Fragestunde, und zwar der Punkt 7.2.

Alle drei Instrumente sind grundsätzlich einsetzbar und es obliegt dem Abgeordneten, darüber zu entscheiden, für welches Frageinstrument er sich entscheidet.

Im vorliegenden Fall – und das ist der Punkt der dringlichen mündlichen Anfrage – war für den Zeitpunkt des Einreicheschlusses für diese Landtagssitzung eine Pressekonferenz der Staatsregierung mit dem Finanzminister und dem Ministerpräsidenten angesetzt. 12:00 Uhr war der Einreicheschluss. Zu dieser Zeit begann die Pressekonferenz, und natürlich mussten die Parlamentarier davon ausgehen, dass dort nach der Klausur des Kabinetts entsprechende Auskünfte gegeben werden. Diese Auskünfte sind in weiten Teilen den anwesenden Journalisten verweigert worden; es hat ja auch entsprechende Reaktionen gegeben.

Daraufhin habe ich mich entschieden, von diesem Passus in der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen und eine dringliche mündliche Anfrage einzureichen. Diese muss nach der Geschäftsordnung fristgemäß – drei Werktage vorher, 12 Uhr – eingereicht werden – dies ist geschehen –, und es muss nach der Richtlinie ein Thema von offensichtlich dringendem Interesse sein.

Wir haben in diesen Tagen mehrmals über den Haushalt gesprochen. Es geht um die Planungen der Staatsregierung. Wir alle wissen, dass diese sich zum Teil noch im Laufen befinden. Wir wissen aber auch – aus dem Präsidium –, dass es ein Schreiben des Finanzministers an die Ressorts gab, das auch das Landtagspräsidium bekommen hat, in dem Eckpunkte aufgestellt und Vorgaben gemacht worden sind. Genau dazu wollte ich eine Frage stellen, wie es mir als Abgeordneter möglich ist. Wir haben noch nie den Fall gehabt, dass eine solche Anfrage nicht zugelassen worden ist.

Um es klar zu sagen: Allein die Motivation, dass die regierungstragende Koalition es dem Ministerpräsidenten hier ersparen möchte, wieder einmal nichts zu sagen, kann nicht dazu führen, dass mit Mehrheit beschlossen werden darf, eine dringliche mündliche Anfrage nicht zuzulassen.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Es heißt in der entsprechenden Bestimmung: Der Präsident soll diese Anfragen zulassen.

Jetzt könnte man sagen, es gebe das dringliche Interesse nicht. Dann hätte die Staatsregierung keine Pressekonferenz gemacht, dann hätte es nicht mehrere entsprechende Punkte auf der Tagesordnung des Plenums gegeben.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Es gibt nach jeder Kabinettssitzung eine Pressekonferenz!)

Ich möchte als Abgeordneter das Fragerecht nach Artikel 51 der Verfassung hier anwenden. Ich wiederhole: Dieses Instrument ist sehr selten angewendet worden, drei oder vier Mal in den bisherigen Legislaturperioden. Immer sind die Fragen anstandslos auch auf die Fragestunde gesetzt worden.

(Alexander Krauß, CDU: Da waren es offensichtlich auch sinnvolle Fragen!)

Wir hatten heute im Präsidium die Situation, dass ein Vermerk des Juristischen Dienstes vorlag. Darin wird die dringliche mündliche Anfrage in eine vergleichbare Situation gestellt wie ein Dringlicher Antrag. Der allerdings verfolgt das Ziel, eine Entscheidung herbeizuführen. Hier geht es um das individuelle Fragerecht des Abgeordneten. Aus meiner Sicht – im Übrigen auch aus der Sicht der anderen Oppositionsfraktionen – ist dieses Individualrecht des Abgeordneten nicht per Mehrheitsbeschluss einzuschränken. Auch kann der Juristische Dienst nicht vorwegnehmen, was die Staatsregierung antworten wird, oder ahnen, was die Staatsregierung vielleicht antworten könnte. Das kann nur die Staatsregierung, auch was den Verweis auf den sogenannten Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung angeht. Diese Möglichkeit hat sie. Was nicht geht: per Mehrheitsbeschluss das Fragerecht der Abgeordneten zu beschneiden.

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Das hat es in diesem Landtag auch noch nicht gegeben.

Ich möchte deshalb das Plenum bitten, diese Entscheidung zu korrigieren und die Frage, die ich fristgemäß eingereicht habe, dann auch in der Fragestunde des Landtages zu behandeln. Das beantrage ich. Ich bitte Sie herzlich um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

In der Aussprache zu diesem Antrag haben die Fraktionen die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden.

Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Piwarz.

(Christian Piwarz, CDU, spricht vom Saalmikrofon aus.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen. Wir haben im Präsidium umfangreich über den Antrag diskutiert. Wir – sowohl CDU als auch FDP – haben deutlich gemacht, dass wir uns der Meinung des Juristischen Dienstes des Sächsischen Landtages wie auch des Landtagspräsidenten anschließen, und haben daher im Präsidium den Antrag abgelehnt. Wir werden das auch hier tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich frage die Linksfraktion. – Herr Bartl, Sie möchten sprechen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Untersuchungsausschussrecht, das Ihnen im Magen liegt, meine Damen und Herren von CDU und FDP, kommt an nächster Stelle das Fragerecht, das Sie auch gern weitestgehend abschleifen würden. Deshalb war der Beifall von Ihrer Seite für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Sache Nolle vielleicht vorschnell; denn der Verfassungsgerichtshof hat den Stellenwert des Interpellationsrechts noch einmal betont; bloß die „Verkettung“ wurde moniert. Es geht also um Formalitäten.

Was Sie bei der ganzen Sache letzten Endes völlig außer Acht lassen: In Artikel 51 der Verfassung, der das Fragerecht normiert, heißt es:

„Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen haben die Staatsregierung oder ihre Mitglieder im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich“ – unverzüglich! – „und vollständig zu beantworten.“

Da bleibt kein Raum, über Regelungen nachzudenken, wer denn „unverzüglich“ auslegen darf bzw. ob man die Staatsregierung gewissermaßen davor schützen müsse, damit sie noch Zeit hat zu überlegen. Noch einmal: Die Staatsregierung hat unverzüglich zu antworten.