Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

(Zuruf des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Wenn ich in einer Stellungnahme des Juristischen Dienstes, der zuallererst dafür da ist, die Abgeordneten dieses Hohen Hauses in der Wahrnahme ihrer Rechte zu unterstützen, und dieses Haus darin zu unterstützen, dass es seine Funktion in der Gewaltenteilung gegenüber der Staatsregierung wahrnehmen kann, lese: „Die Staatsregierung befindet sich anscheinend noch in der Abwägungsphase, mithin in der Meinungsbildung über die Aufstellung des nächsten Doppelhaushaltes. Insoweit würde die Frage in den Kernbereich der Exekutive eindringen und müsste von der Staatsregierung nicht beantwortet werden“, dann stelle ich dazu fest: Das steht der Landtagsverwaltung nicht zu. Wenn die Staatsregierung meint, dass ihr Kernbereich betroffen ist, dann kann sie es sagen. Aber Sie müssen sich doch nicht den Kopf der Staatsregierung zerbrechen, meine Damen und Herren vom Plenardienst oder Herr Landtagsdirektor!

(Alexander Krauß, CDU: Das ist logisches Denken! – Lachen bei der Linksfraktion)

Das Problem ist: Wenn wir so weit kommen, dass der Präsident – mit aller Ehrerbietung – bzw. die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung darüber nachdenken dürfen,

(Alexander Krauß, CDU: Die werden doch wohl denken dürfen!)

wann denn ein Abgeordneter es für dringlich halten darf, eine Frage zu stellen, wenn das also der Wertung des Plenardienstes unterliegt, dann ist das Fragerecht im Kern ausgehöhlt. Das geht schlechterdings nicht.

Die Regelung, die wir haben, besagt ganz eindeutig – das ist ganz anders als bei Anträgen –: Es ist zu prüfen, ob für diese Frage eine zeitliche, temporäre Dringlichkeit da ist. – Dann kann man meinethalben noch zugestehen, dass man überlegen muss, was den sachlichen Zusammenhang angeht, ob denn diese Dringlichkeit sich nach der Logik ergibt. Aber da hat Kollege Hahn – lesen Sie den Einstieg – klargemacht, weshalb er es jetzt und aus dieser Situation heraus auch zeitlich für dringlich hält, die Frage jetzt loszuwerden. Angesichts dessen kann man nicht sagen: „Warten Sie bitte schön bis zum nächsten Monat. Sie können im Mai nachfragen.“ Das ist nach unserer Überzeugung eindeutig gegen den Sinngehalt von Artikel 51 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung.

Man muss ja nicht alles in Leipzig ausstreiten lassen. Bitte überlegen Sie noch einmal, meine Damen und Herren von der CDU – von der FDP genauso, obwohl es da wohl unterschiedliche Auffassungen gab –, ob man sich nicht auch einmal korrigieren kann und qua besserer Einsicht im Interesse von 132 Abgeordneten dieses Hauses dem Antrag zustimmen kann.

(Alexander Krauß, CDU: Die Einsicht dürfen Sie auch einmal zeigen!)

Es geht nicht um die Interessen von Dr. Hahn oder der LINKEN insgesamt, sondern darum, ob die Abgeordneten ihr Mandat – ob in Opposition oder in Koalition – nach der Verfassung wahrnehmen können.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich frage die SPD-Fraktion, ob Gesprächsbedarf besteht. – Ja; Herr Brangs.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem durch den Antrag des Kollegen Hahn das Ganze zu einer Auseinandersetzung hier im Plenum geworden ist, möchte ich zumindest noch ein, zwei Punkte anmerken, die wichtig sind.

Es berührt mich schon ein wenig, wie salopp mit Fragerechten der Abgeordneten umgegangen wird, wenn ich den Wortbeitrag meines Kollegen Piwarz noch einmal vor meinem geistigen Auge ablaufen lasse. Sie haben zwei Sätze gesagt: „Es ist, wie es ist. Wir fügen uns dem Votum – –

(Christian Piwarz, CDU: Wir haben uns angeschlossen! Hören Sie zu!)

„Wir teilen das Votum des Juristischen Dienstes. Danke schön. Wir stimmen dem zu.“ Worum geht es eigentlich? Es geht um die Frage, wie wir zukünftig mit solchen mündlichen Anfragen umgehen und ob sie mit Dringlichen Anträgen nach § 53 unserer Geschäftsordnung gleichzusetzen sind. Ich setze wirklich einige Fragezeichen, ob man diesen Vergleich herstellen kann.

Es ist dringend notwendig, dass wir uns Gedanken darüber machen, ob wir uns mit einer solchen Verfahrensweise nicht tatsächlich Rechte als Abgeordnete nehmen. Angesichts dessen macht es durchaus Sinn, ein, zwei Sätze mehr dazu zu sagen.

Ich habe Verständnis für die Argumentation des Juristischen Dienstes, wenn es um die zeitliche Dimension geht. Es ist ganz klar: Wenn man eine Ausnahme von der Geschäftsordnung gestatten und hier eine mündliche Anfrage stellen will, dann muss man genau begründen, warum es zeitlich nicht möglich war, das vor Ablauf der Frist zu tun. Genau das hat Kollege Hahn dargelegt. Er hat sich auf eine Pressekonferenz bezogen, die stattgefunden hat, an der Ministerpräsident Tillich und Finanzminister Unland teilgenommen haben. Mein Kollege Pecher hat schon etwas zur Qualität der Pressekonferenz gesagt.

Danach war die Frist abgelaufen. Deshalb bezieht sich jetzt die Anfrage ausschließlich darauf, ob nach Fristablauf eine mündliche Anfrage möglich ist. Es ist begründet worden, warum sie nach Ablauf der Frist jetzt gestellt wird. Es geht überhaupt nicht um den Inhalt. Es geht nicht darum, ob das, was gefragt worden ist, die Staatsregierung beantworten muss. Das entscheidet die Staatsregierung für sich selbst. Das ist doch vollkommen klar. Das liegt in ihrer Entscheidung. Es geht ausschließlich darum, ob Herr Hahn, abweichend von der Geschäftsordnung, diese Frage stellen kann, weil sie sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nach Ablauf der eigentlichen Frist der Geschäftsordnung aufgetreten ist.

Deshalb bitte ich alle Abgeordneten, sich genau zu überlegen, ob wir an dieser Stelle die Regelung des § 53 der Geschäftsordnung zu Dringlichen Anträgen, wo es einen Sachzusammenhang und einen inhaltlichen Zusammenhang geben muss, auch für mündliche Anfragen zur Anwendung bringen können.

Wir sind der Auffassung, dass das nicht möglich ist, und haben uns im Präsidium für die Zulässigkeit ausgesprochen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN – Klaus Bartl, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Ich frage die FDP-Fraktion, ob es noch Redebedarf gibt. –

Herr Bartl, Sie gehören zwar nicht zur FDP-Fraktion, aber Sie stehen am Mikrofon.

Ich möchte die Möglichkeit einer Kurzintervention nutzen.

Die haben Sie natürlich.

Es geht mir nur um ein Problem. Bei allem Respekt gegenüber dem, was dargelegt worden ist – ich unterstreiche voll, was Kollege Brangs sagte –, möchte ich darauf hinweisen, dass die dringliche Anfrage keine Ausnahme von der Geschäftsordnung ist. Wir haben eine Anlage 5 „Richtlinien für die Fragestunde“. Darin steht zu Ziffer 7.2 – –

Herr Bartl, Sie müssen auf Ihren Vorredner eingehen.

(Widerspruch bei der Linksfraktion)

Kollege Brangs hatte gesagt, dass es eine Ausnahme von der Geschäftsordnung ist. Dazu will ich gewissermaßen intervenieren. Es ist direkt vorgesehen, dass es Kleine Anfragen gibt, die bis zum Donnerstag der Vorwoche, 12:00 Uhr, eingereicht sein müssen, und es gibt dringliche mündliche Anfragen, die genauso zu behandeln sind, wie es die Richtlinie vorsieht, und der Präsident muss es entsprechend prüfen. Das ist also keine Ausnahme von der Geschäftsordnung, wo man sagen könnte, hier muss ein besonderes Interesse dargestellt werden. Es ist von uns in der Geschäftsordnung vorgesehen.

Herr Brangs, Sie möchten auf die Kurzintervention von Herrn Bartl antworten?

Es ist vollkommen richtig, was mein Kollege Bartl gerade ausgeführt hat. Die Ausnahme von der Regel hat sich auf die Fristverkürzung bezogen, nicht auf das Mittel an sich. Das ist in der Tat geregelt.

Die FDP-Fraktion hat auf den Redebeitrag verzichtet. Ich frage die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Herr Gerstenberg, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch etwas befremdet, dass vonseiten der Koalitionsfraktionen eine ganz dünne bzw. gar keine Erklärung kommt zu einer Frage, in der jetzt dieser Landtag in ureigenster Angelegenheit entscheiden soll. Es geht um Frage- und Informationsrechte der Abgeordneten des Sächsischen Landtages. Ich glaube, die wenigsten von uns werden in dieser kurzen Zeit in der Lage gewesen sein, dieses relativ dicke Papier durchzulesen, das den Vorgang dokumentiert.

Deshalb will ich noch einmal in die Kerbe hauen, die mein Vorredner Kollege Brangs schon aufgemacht hat.

Ich frage die NPD-Fraktion, ob es Redebedarf gibt. – Das ist nicht der Fall.

Die Frage ist, ob hier das sogenannte Zweistufenverfahren, wonach ein zeitliches und ein sachliches Moment wie bei dringlichen Anträgen bestehen muss, zur Anwendung kommen kann. Es steht völlig außer Frage, dass es für eine mögliche Dringliche Anfrage eine zeitliche Dringlichkeit geben muss. Diese zeitliche Dringlichkeit ist im vorliegenden Fall mit der Schilderung des Zeitablaufs am 22. April ohne Widerspruch dargelegt worden. Dieser Überzeugung ist auch der Juristische Dienst. Dann wird aber die sachliche Dringlichkeit angefragt. Da habe ich enorme Zweifel, dass diese Analogie zu Dringlichen Anträgen wirklich für Fragerechte der Abgeordneten zulässig ist.

Während § 53 Abs. 3 Satz 3 unserer Geschäftsordnung die Voraussetzung für die Dringlichkeit eines Antrages so formuliert, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung des Landtages über einen solchen Antrag nicht erreichbar ist, geht es doch bei einer mündlichen Anfrage überhaupt nicht um eine Entscheidung. Es geht einzig um ein Informationsinteresse des Abgeordneten. Im Zweifelsfall sollte dieses Informationsinteresse befriedigt werden. Ich bin der Überzeugung, wenn wir im Zweifel sind, dann sollten wir im Zweifel zugunsten des Informationsinteresses von uns allen, von uns Abgeordneten des Sächsischen Landtages entscheiden.

Ob diese Frage inhaltlich dringlich ist, steht nicht zur Diskussion. Ich habe es im Präsidium gesagt, ich wiederhole es noch einmal. Ich halte die Ausführungen des Juristischen Dienstes, dass eine Frage in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung eingreift, für richtig. Wir sind in einer Situation, wo innerhalb der Staatsregierung noch die Haushaltsverhandlungen laufen, wo zwischen den Ministerien, insbesondere mit dem Finanzministerium, noch gerungen wird. Das ist ureigenster Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. Diese Entscheidung darf aber nicht bei der Zulässigkeit einer Frage getroffen werden. Es ist das gute Recht der Staatsregierung, sich in der mündlichen Fragestunde hinzustellen und zu sagen: Herr Abg. Hahn, wir beantworten diese Frage nicht, weil wir noch in der Entscheidungsfindung sind. Wir haben als Abgeordnete kein Recht, in dieser Phase einzugreifen.

Wenn wir über Informationsrechte der Abgeordneten sprechen, dann sollten wir dieses Verfassungsrecht alle gemeinsam sehr hoch halten. Es geht zugleich auch um die Stellung dieses Sächsischen Landtages gegenüber der Staatsregierung. Ich bitte Sie wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen, so zu entscheiden, dass wir uns diese Informationsrechte nicht selbst beschneiden. Ich bitte Sie so zu entscheiden, dass der Landtag seine Position gegenüber der Staatsregierung nicht selbst herabsetzt.

Es ist noch Redezeit im Minutenbereich für eine zweite Runde vorhanden. Ich frage trotzdem, ob von den Fraktionen jemand das Wort ergreifen will. – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Auch nicht.

Meine Damen und Herren! Wer für die Entscheidung des Präsidiums ist, den bitte ich um seine Stimme. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Antrag – –

(Klaus Bartl, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Herr Bartl, wir sind in der Abstimmung. Während der Abstimmung sind keine Geschäftsordnungsanträge zulässig. Wenn ich Ihnen das Ergebnis der Abstimmung verkündet habe, erteile ich Ihnen sofort das Wort.

Aufgrund des Abstimmungsergebnisses ist dem Antrag in der Drucksache 5/2200 mehrheitlich nicht stattgegeben.

Herr Bartl, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Wir sind der Auffassung, und es ist eine Frage, die unter Umständen verfassungsgerichtlich geprüft und entschieden werden muss, dass wir hier einen Antrag haben, über den zu entscheiden ist. Sie haben über die Frage abstimmen lassen, wer der Entscheidung des Präsidiums zustimmt. Hier liegt aber den Abgeordneten ein Antrag vor, der sich „Entscheidung des Sächsischen Landtages über den Beschluss des Präsidiums“ nennt. Der Antrag ist entgegengesetzt. Jetzt wird es unübersichtlich. Das hätte ich gern wegen der unter Umständen wesentlichen Relevanz des Protokolls für die weitere Auseinandersetzung quasi gerichtlicher Art geklärt.

Herr Bartl, damit Sie Rechtssicherheit über die Entscheidung im Parlament bekommen, werde ich die Abstimmung wiederholen. Ich dachte, wir sind uns alle einig, dass wir über einen Antrag abstimmen. Ich habe bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses von einem Antrag gesprochen. Ich werde die Abstimmung für das Protokoll noch einmal wiederholen.

Wir stimmen über den Antrag in der Drucksache 5/2200 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich sein Handzeichen. – Danke schön. Wer ist gegen den Antrag? – Vielen Dank. Ich stelle fest, dass dem Antrag mehrheitlich nicht stattgegeben ist. Damit ist dieser Antrag nicht angenommen und der Tagesordnungspunkt beendet.