Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Bitte sehr, Herr Präsident.

Bitte, Frau Kollegin Roth.

Herr Prof. Wöller, Sie sprachen gerade von der Klassenstärke und vergaßen bei Grundschulen die Zügigkeit zu nennen. Geben Sie mir recht, dass im Schulgesetz steht: einzügige Grundschulen?

Ja.

Gut, danke.

Etwas anderes habe ich auch nicht gesagt; etwas anderes steht auch nicht im Gesetz.

Nein; Sie haben es lediglich vergessen zu erwähnen.

Wenn wir einmal vergleichen: Wir haben bei den Grundschulen in Sachsen eine durchschnittliche Schülerzahl von 19 – in Deutschland beträgt sie 22. Wir haben bei den Gymnasien eine durchschnittliche Schülerzahl von 23 – in Deutschland beträgt sie 27. Die Parameter, die im Schulgesetz festgelegt sind, sind bereits sehr gut; sie tragen auch und gerade deswegen maßgeblich zur Qualität in unseren Schulen bei; und diese Parameter sind umzusetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Dr. Eva-Maria Stange, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt nicht. – Meine Damen und Herren! Für die Schulnetzplanung sind die kreisfreien Städte und die Landkreise zuständig. Sie – und nur sie – haben die Aufgabe, ihre Planungen regelmäßig an die aktuelle Schülerentwicklung bzw. Schülerstromentwicklung anzupassen. Das heißt aber auch, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Auch wenn sie schmerzhaft sind, sind sie mit aller Konsequenz umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Das Schulnetz in Sachsen ist stabil. Das ist auch deswegen der Fall, weil die Staatsregierung – auch und insbesondere mein Amtsvorgänger, Kollege Flath – die notwendigen Anpassungen der Schulnetzstruktur durchgeführt hat. Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von den Linken, philosophieren wir nicht nur über Demografie. Wir geben auch keine bunten Broschüren heraus, in denen wir uns mit dem

demografischen Wandel beschäftigen. Dieser demografische Wandel ist seit 20 Jahren Tatsache. Eine verantwortungsbewusste Politik hat die notwendigen Konsequenzen nicht nur zu ziehen, sondern auch entsprechend umzusetzen. Das Ergebnis ist ein stabiles Schulnetz in Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Schulnetzplanung ist allerdings eine dynamische Angelegenheit, weil auch Schule eine dynamische Angelegenheit ist; dem können Sie wohl kaum widersprechen. Schule ist nichts Statisches, sondern etwas sich Veränderndes. Ebenso verändern sich Schülerströme und das Wahlverhalten für einzelne Schularten. Zudem verzeichnen wir Wanderungsbewegungen der Bevölkerung. Ich greife nur die Wanderung vom ländlichen Raum in die Städte heraus. Dadurch wird die Gesamtbevölkerung nicht größer, aber das ist eine Art passive Sanierung, die in den großen Städten Sachsens bzw. in deren Umfeld stattfindet. Das ist regional unterschiedlich. Deswegen ist es vernünftig, regional darauf zu reagieren. Es ist auch sachlich richtig, dass die Zuständigkeit für die Schulnetzplanung bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten liegt.

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Umgang damit in der Vergangenheit sagen. Wir hatten eine Funktional-, Verwaltungs- und Kreisgebietsreform.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sogenannte!)

Selbstverständlich hatten wir nach der Veränderung von Kreisstrukturen ein gewisses faktisches Moratorium, weil wir in der Folge von Neuordnungen gebietlicher Art beobachten mussten, ob sich Schülerströme ändern. Dieses Moratorium ist faktisch abgelaufen. Die Landkreise und die kreisfreien Städte sind gehalten, ihre Schulnetzplanungen fortzuschreiben; das tun sie auch.

Lassen Sie mich etwas zu den Ausnahmetatbeständen sagen. Das Recht muss umgesetzt werden. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Aber das Regel-AusnahmeVerhältnis darf nicht umgedreht werden. Mit Anmeldeschluss am 15. März hatten über 70 Mittelschulen die Mindestschülerzahl, die gefordert ist, nicht erreicht. Wir haben dann durch Umlenkungen und dadurch, dass wir Ausnahmetatbestände in Ansatz gebracht haben, die genannte Zahl 70 deutlich reduziert, nämlich auf 17. Das nenne ich verantwortungsbewussten Umgang mit Ausnahmetatbeständen.

Allein bei fünf dieser 17 Mittelschulen haben die zuständigen Träger der Schulnetzplanung eine Aufhebung in den Schulnetzplänen nicht nur vorgesehen, sondern bereits beschlossen. Das reduziert noch einmal die Zahl der Schulen.

Wir können weitergehen. Bis zum 27. April, also vorgestern, sind die betroffenen Kommunen angehört worden. Wir werden die Argumente sorgfältig abwägen und auf dieser Grundlage bis zum 14. Mai dieses Jahres eine Entscheidung treffen. Voraussichtlich werden bis zum

18. Mai alle Eltern darüber informiert werden, an welcher Schule ihre Kinder eingeschult werden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Gibt es Mitwirkungsentzüge?)

Es kann natürlich sein, dass sich bei den Schülerzahlen noch Veränderungen ergeben. Diese werden wir selbstverständlich berücksichtigen. Es kann sein – um auf Ihren Zwischenruf zu reagieren –, dass dadurch die Zahl der Mitwirkungsentzüge gesenkt wird. Das ist nicht auszuschließen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber es gibt Mitwirkungsentzüge?)

Ich komme zur Zusammenfassung. Wir reden hier von Klassenbildungen, nicht von Schulschließungen. Der „flotte Spruch“ von den Linken ist kein flotter Spruch, sondern die Aussage ist einfach falsch. Kernaufgabe der Bildungspolitik ist es, die qualitative Bildung im gesamten Land zu gewährleisten. Um die Leistungsfähigkeit unseres Schulsystems zu sichern, müssen wir die Vorgaben, die im Schulgesetz enthalten sind, einhalten und auch umsetzen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Kollegin Stange, Sie wollen das Instrument der Kurzintervention anwenden?

Ganz genau, Herr Präsident. – Da Herr Wöller von sich aus nicht auf die Schulen in freier Trägerschaft eingegangen ist, möchte ich diese Frage noch einmal in den Raum stellen. Er hat auch meine Zwischenfrage nicht zugelassen.

Ich meine, dass ich vom Kultusminister erwarten kann, dass er erklärt, wie es – laut Bildungsbericht – innerhalb kurzer Zeit, vom Schuljahr 2006/2007 bis zum aktuellen Schuljahr 2009/2010, zu einer – nahezu – Verdoppelung des Anteils der Schulen in freier Trägerschaft im Mittelschulbereich gekommen ist und wie es in den vergangenen Jahren dazu gekommen ist, dass bei uns der Anteil an Grundschulen in freier Trägerschaft nahezu doppelt so hoch ist wie im bundesweiten Durchschnitt. Ich glaube, das ist einer Erklärung, zumindest einer Ursachenanalyse wert. Ich hatte erwartet, dass Sie dieses Problem in Ihrem Redebeitrag zumindest streifen würden, Herr Wöller.

Das war eine Kurzintervention zum Redebeitrag des Staatsministers Prof. Wöller. – Er möchte darauf reagieren.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Stange, das ist nicht Gegenstand der Debatte gewesen. Wir haben hier über Klassenbildungen diskutiert, nicht über freie Schulen. Aber ich bin gern bereit, dazu Stellung zu nehmen.

Wie Sie wissen, hat der Freistaat Sachsen eine sehr reichhaltige und differenzierte Landschaft freier Schulen. Wir können uns glücklich schätzen, dass dem so ist, und darauf können wir stolz sein. Freie Schulen tragen mit ihren unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen entscheidend zum Wettbewerb bei. Wie Sie außerdem wissen, ist das Recht auf Gründung bzw. Einrichtung einer freien Schule grundgesetzlich festgeschrieben und auch in entsprechenden Landesgesetzen festgelegt. Davon machen die freien Schulträger Gebrauch. Das ist ihr gutes Recht, das ihnen auch durch Debatten im Sächsischen Landtag nicht beschnitten werden kann.

Danke.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das war die Reaktion auf die Kurzintervention. – Es gibt natürlich die Möglichkeit, weitere Redebeiträge in der 1. Aktuellen Debatte zu halten.

Für die einbringende Fraktion DIE LINKE ergreift erneut Frau Kollegin Falken das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wöller, da Sie keine Zwischenfragen zugelassen haben, habe ich gar keine andere Möglichkeit, als – –

(Staatsminister Prof. Dr. Wöller: Ich habe Zwischenfragen zugelassen!)

Gut, es gibt offensichtlich bestimmte Personen, von denen Sie Zwischenfragen zulassen, und es gibt Personen, von denen Sie sie nicht zulassen.

(Holger Zastrow, FDP: Sie haben doch gar nicht gefragt! – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Frau Stange hat gefragt!)

Eine Zwischenfrage haben Sie zugelassen, aber Zwischenfragen, die Kollegin Stange und ich stellen wollten, haben Sie nicht zugelassen.

Sie haben nicht erklärt, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, zu diesem Zeitpunkt wieder Mitwirkungsentzüge auszusprechen. Aus meiner Sicht hat es in den vergangenen drei Jahren durch den kommunalen Bereich auch Schließungsbeschlüsse gegeben. Herr Flath hat sich damals ganz klar und deutlich geäußert. Es ist nicht

nachzuvollziehen, warum die Staatsregierung jetzt dort eingreift.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion und der SPD)

Wir können uns natürlich alle erklären, warum Sie so handeln. Aber ich möchte das gern von Ihnen hören. Sie haben heute Nachmittag noch einmal Gelegenheit, auf diese Überlegungen einzugehen.

Eine zweite Frage, die ich vor einem Vierteljahr schon einmal gestellt habe, möchte ich heute wiederholen. Sie verweisen immer wieder auf die durchschnittliche Schülerzahl im Freistaat Sachsen. Ich sage ausdrücklich: Die durchschnittliche Schülerzahl, die Sie uns zu Beginn des Schuljahrs im Schulausschuss für die einzelnen Schularten dargestellt haben, ist gut. Daran will ich überhaupt nicht deuteln. Aber es ist eine durchschnittliche Schülerzahl. Ich habe an Grundschulen in der Stadt Leipzig hospitiert und weiß, dass dort 28 Schüler in einer Klasse sitzen – in einer 1. Klasse! Es ist überhaupt nicht möglich, das zu handeln, weil eine Förderung der Schüler, die insbesondere in der Schuleingangsphase notwendig ist, bei einer so hohen Schülerzahl gar nicht leistbar ist. Da gibt es aus unserer Sicht große Probleme.

Ganz klar, Herr Staatsminister – ich erwarte dazu heute Nachmittag eine Aussage von Ihnen –: Wie hoch wollen Sie denn gehen? Wie viele Schulen werden Sie schließen, bis Sie an welcher durchschnittlichen Größe der Anzahl der Schüler in einer Klasse ankommen? Werden Sie bei 25, bei 30 oder wo werden Sie landen? Werden es 28 sein? Geben Sie doch einmal den Eltern, den Schülern, den Schulen und natürlich auch uns als Abgeordneten dazu eine klare Aussage. Dann kann man sich ausrechnen, wie viele Schulen wir schließen.

Ich danke Ihnen.