Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen stand zunächst unter der treuhänderischen Verwaltung der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR, kurz – wie es vorhin schon erwähnt worden ist – UKPV genannt.

Seit 2006 rechnet die Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben im Auftrag des Bundes jährlich das Vermögen ab. Sachsen erhielt bisher für die Jahre 2006, 2007 und 2008 eine Summe von insgesamt 65 Millionen Euro; eine Abrechnung für das Jahr 2009 liegt noch nicht vor. Diese Mittel sollen für investive und investitionsfördernde Maßnahmen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke eingesetzt werden.

Ich möchte drei Beispiele nennen: das Modellprojekt Städtebau Johanngeorgenstadt, die Eissporthalle in Weißwasser oder die „Stiftung Fürst-Pückler-Park“. Die BVS führt derzeit mit Stand 21.04.2010 zwei größere Verfahren, um ins Ausland verschobenes Vermögen zurückzuholen – zum einen das eingangs geschilderte Verfahren im Novum-Fall.

Darüber hinaus läuft in der Schweiz noch die Klage der BVS gegen die griechische Druckerei Typoekdotiki A.E., die ein Darlehen durch eine Auslandsfirma der SED

erhalten hatte. Im Falle des Obsiegens der BVS fließen die Mittel nicht den öffentlichen Haushalten zu. Das PMO-Vermögen ist ein Sondervermögen, das im Beitrittsgebiet für investive und investitionsfördernde Maßnahmen vorrangig im Bereich der wirtschaftlichen Umstrukturierung und für investive und investitionsfördernde Maßnahmen im sozialen und kulturellen Bereich einzusetzen ist.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Schlusswort der Koalition hält Herr Rohwer; bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte schon einiges zur wirtschaftlichen Lage der DDR 1989 gesagt. Die Wahrheit über diese katastrophale Lage ist nach der Wiedervereinigung ans Licht gekommen. Anfangs hat die Treuhand noch geschätzt, aus der Privatisierung der Staatskonzerne in der DDR 600 Milliarden DM einspielen zu können; stattdessen verbuchte die Behörde später ein Minus von 230 Milliarden DM, und die deutschen Steuerzahler zahlen bis heute für die Wiedervereinigung. – So viel zur Aufarbeitung auch dieses Teiles der deutschen Geschichte.

Apropos Steuerzahler. In Vorbereitung auf diese Debatte habe ich ein spannendes Zitat von Gregor Gysi gefunden. Er hat es in Bezug auf diejenigen gesagt, die in Liechtenstein Steuern hinterzogen haben könnten; ich will es Ihnen einmal vortragen: „Ich möchte wissen, wer jetzt alles zittert in seiner Villa, weil er weiß, dass er ein Konto in Liechtenstein hat. Zeigt euch doch bitte wenigstens heute an. Geht jetzt mal einen Schritt der Ehrlichkeit, damit wir wieder eine Struktur in dieser Gesellschaft haben und nicht nur die Maßlosigkeit, die gegenwärtig herrscht.“ – Das sagt jemand, der zur Wendezeit massenhaft getäuscht und Gelder verschoben hat. Gregor Gysi war damals verantwortlicher Parteichef der PDS.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion – Gegenruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/ – –

Herr Bartl, wir sind in der Abstimmung. Wollen Sie noch eine Kurzintervention machen – dazu hätten Sie Gelegenheit –; sonst lasse ich jetzt abstimmen.

Es gibt zu der Drucksache einen Änderungsantrag der NPD-Fraktion in der Drucksache 5/2146. Wollen Sie ihn noch einbringen? –

(Dr. Johannes Müller, NPD: Nur darüber abstimmen!)

Also lasse ich nun über diesen Änderungsantrag der NPD-Fraktion abstimmen. Wer die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Stimmen

dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe die Drucksache 5/2087 auf, den Ursprungsantrag. Wer gibt seine Zustimmung? – Die Gegenstimmen? –

Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist dem Antrag mit Mehrheit zugestimmt worden.

Ich beende den Tagesordnungspunkt und rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5

Finanzkollaps sächsischer Kommunen verhindern

Drucksache 5/2086, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Es spricht zuerst die einreichende Fraktion DIE LINKE; danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, so sie dies wünscht. Ich erteile nun der Linksfraktion das Wort; Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Geschäftsgang des Stadtrates von Chemnitz befindet sich derzeit eine „Resolution des Stadtrates Chemnitz zur Finanzausstattung der Kommunen“, die in den nächsten Tagen, unterzeichnet durch die Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig sowie durch die Vorsitzenden der im Stadtrat von Chemnitz vertretenen demokratischen Fraktionen, auf den Postweg gehen soll, adressiert an den Präsidenten des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung, die Sächsische Staatsregierung und den Sächsischen Landtag.

Sie hat folgenden Wortlaut: „Die Finanzausstattung der Kommunen verschlechtert sich dramatisch. Die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Kommunen ist nicht mehr gegeben. Bei einem Defizit von etwa 170 Millionen Euro im Finanzplanungszeitraum 2011 bis 2013 trifft dies auch auf unsere Stadt zu. Sinkende Zuweisungen und Steuereinnahmen sowie steigende Sozialausgaben führen zu strukturellen Defiziten, die aus eigener Kraft nicht zu beheben sind. Bund und Land geben den Druck, der auf ihnen lastet, nach unten, an die kommunale Ebene weiter und überlassen die Kommunen weitestgehend sich selbst. Wir sind nicht bereit, weiter als Erfüllungsgehilfe einer solchen Politik zu wirken und dabei die Lasten einer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik auf die Bürgerinnen und Bürger abzuladen.

Wir fordern deshalb, durchgreifende Maßnahmen zu ergreifen, die das Missverhältnis zwischen kommunalen Aufgaben und Ausgaben und den Einnahmen schnell beheben helfen. Insbesondere trifft das auf die Erhöhung des Finanzierungsanteils von Bund und Land zu den steigenden Sozialaufwendungen zu. Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft ist hier an erster Stelle zu nennen.

Wir fordern die Festlegung verbindlicher Mitwirkungsrechte der Kommunen und ihrer Vertretungen bei allen Entscheidungen, die die Kommunen und ihre Bürgerinnen und Bürger betreffen.“

Weiter heißt es: „Von der Sächsischen Staatsregierung erwarten wir im Zusammenwirken mit den kommunalen Spitzenverbänden die Erarbeitung und Vorlage eines

Kommunalfinanzkonzeptes, welches die Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge durch die sächsischen Kommunen dauerhaft sichert, sowie die Finanzausstattung der Kommunen betreffende Initiativen im Bundesrat zu ergreifen bzw. zu unterstützen.“

„Resolution“ klingt zum einen nach einem dramatischen Hilferuf, zum anderen nach einer gewissen Hilflosigkeit wegen vermeintlich fehlender rechtlicher Handhabe. Dem ist aber nicht so. Die von der extrem krisenhaften Entwicklung der Kommunalfinanzen betroffenen Kommunen – die Stadt Chemnitz mithin wie alle anderen Städte und Gemeinden sowie Landkreise – sind in puncto Finanzausstattung für das Funktionieren des kommunalen Alltags keine Bittsteller.

Durch Bund und Land wird offenkundig übersehen – oder angesichts der Kalamität eigener desolater Haushaltskonstellationen übergangen –, dass sowohl das Grundgesetz in Artikel 28 Abs. 2 als auch die Verfassung des Freistaates Sachsen für die sächsischen Gemeinden und Landkreise eine Garantie der kommunalen Selbstverwaltung enthalten. Dazu gehört eben nicht nur die formale Aufrechterhaltung der kommunalen Selbstverwaltung als solche, die weder verletzt oder ausgehöhlt noch inhaltlich entwertet werden darf, sondern auch die sogenannte Finanzgarantie – ich betone: die Finanzgarantie – der kommunalen Selbstverwaltung. Zitat: „Der Freistaat sorgt dafür, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können.“

So Artikel 87 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung. In Verbindung mit der entsprechenden Garantie des Grundgesetzes bedeutet dies, dass Kommunen und Landkreise einen justiziablen Anspruch auf aufgabenangemessene Finanzausstattung haben, dem unter zwei Gesichtspunkten durch Bund und Land Rechnung zu tragen ist: Zum Ersten ist die Finanzausstattung so zu bemessen, dass die aus der Aufgabenstellung erwachsende Aufgabenlast tatsächlich getragen werden kann. Zum Zweiten ist die Entscheidungskompetenz der kommunalen Körperschaften über die finanzerheblichen Bedingungen und Folgen der von ihnen verantworteten Personal-, Verwaltungs-, Führungs- und Sachkosten zu beachten und zu gewährleisten.

Das heißt nach aller Kommentierung nicht mehr und nicht weniger, als dass die Kommunen finanziell insgesamt so ausgestattet werden müssen, dass sie neben den pflichti

gen Selbstverwaltungs- und Weisungsangelegenheiten auch noch freiwillige Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen imstande sind. Das ist nachzulesen unter anderem im 2008 erschienenen Kommentar von Schmidt-Bleibtreu, Hofmann und Hopfauf zum Grundgesetz – Artikel 28 –, Randnummer 100. Dort heißt es weiter:

„Erst wenn nach Deckung der Ausgaben für alle pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung bzw. Auftragsangelegenheiten den Kommunen noch ein Spielraum zur Übernahme und Ausgestaltung freier Selbstverwaltungsaufgaben verbleibt, kann von einer angemessenen Finanzausstattung gesprochen werden.“

Kommentator an dieser Stelle ist Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages.

Zu dieser Rechtslage passt es eben nicht, wenn Städte und Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland und hier in Sachsen den Verlust ihrer Handlungsfähigkeit beklagen. So klafft, um bei meinem Beispiel zu bleiben, im kommunalen Etat meiner Heimatstadt Chemnitz ab 2011 ein Loch in Höhe von annähernd 60 Millionen Euro. Als Hauptursache werden zurückgehende Zuweisungen von Bund und Land wegen der weltweiten Finanzkrise angegeben. Die öffentlich gemachten Vorschläge für Einsparungen im Chemnitzer Haushalt von 2011 bis 2015 sehen unter anderem – das ist heute früh schon zur Sprache gekommen – die Schließung von sechs Grundschulen ab dem Schuljahr 2011/2012, die Erhöhung der Grundsteuer B, die Pachterhöhung für Kleingärten, die Erhöhung der Nutzungsgebühr für kommunale Sportstätten um 20 %, die Ausgliederung kommunaler Bäder in privatwirtschaftliche Gesellschaften, die Übertragung von Sportstätten an freie Träger, die Reduzierung von Betreuungszeiten für Kinder und so weiter und so fort vor. Das alles ist in dem Sparkatalog, der auf dem Tisch liegt, bereits angedacht.

Was Chemnitz jetzt mit dieser Resolution tut und was, dieser Stadt vorausgehend, übrigens schon eine Reihe von Gemeinden, zum Beispiel Hövelhof in NordrheinWestfalen – dort, nebenbei bemerkt, auf Antrag der CDU –, getan haben – ich erinnere auch an den Appell des den Liberalen zugehörigen Oberbürgermeisters von Plauen von vor einigen Tagen –, ist noch Vorgeplänkel. Die Kommunen machen auf ihre Notsituation aufmerksam. Die Kommunen sind bei ihren Forderungen, sie nicht auszutrocknen und sie als letztes Glied in der Kette nicht hängen zu lassen, aber keineswegs hilflose Bittsteller. Das wollen wir nochmals betonen. Nach Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz und Artikel 87 Abs. 1 Sächsische Verfassung ist die finanzielle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zwar kein Grundrecht, aber ein grundrechtsgleiches Recht. Eine wirkungsvolle Subjektivierung des Selbstverwaltungsrechts ergibt sich aus Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b des Grundgesetzes. Danach können betroffene Kreise und Kommunen bei Verletzung der Finanzgarantie durch den übergeordneten Gesetzgeber

hier: durch den Landtag –, etwa im Rahmen der Haushalts- und Finanzausgleichsgesetze, kommunale Verfassungsbeschwerde erheben.

Insofern wäre es vernünftig, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie den heute hier vorliegenden Antrag, den meine Fraktionskollegen Sebastian Scheel und Marion Junge in der weiteren Debatte noch in der Sache im Detail erläutern und begründen werden, nicht in gewohnter Weise wegstimmen, sondern mit uns gemeinsam darüber nachdenken würden, wie wir zum einen weiteren Schaden von den sächsischen Kommunen abwenden können und wie wir uns ersparen können, dass kommunale Verfassungsbeschwerden, die auch den Landtag betreffen würden, anhängig werden. Wir sollten gemeinsam versuchen, einen Schutzschirm über die Kommunen zu spannen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Michel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Um es gleich voranzustellen: Die CDU-Fraktion steht zuverlässig und solidarisch an der Seite der sächsischen Kommunen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch wenn wir auf geordnete und bewährte Verfahren verweisen, gibt es an dieser Aussage keinen Zweifel.

Zum Thema Kommunalfinanzen haben wir in dieser Legislatur schon mehrere Anträge behandelt. Es herrschte Übereinstimmung im Landtag, dass die Finanzausstattung der Kommunen von großer Bedeutung ist. Da können Sie von den Linken momentan noch so viele Anträge stellen – die Antwort wird momentan immer die gleiche sein: Die Haushaltsverhandlungen laufen. Die Gespräche zum FAG werden Mitte Mai beginnen.

Ich bin überzeugt: Es wird hart, aber fair verhandelt werden, genauso, wie es in den Jahren zuvor der Fall war. Doch denken Sie bitte nicht, dass gehäuftes Antragstellen mehr kommunalpolitische Kompetenz vorgaukelt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unter dem Strich kommt es dann weder auf Lippenbekenntnisse noch auf die Anzahl gestellter Anträge zu dem Thema an. Letztendlich zählt, was für die Kommunen am Ende der Haushaltsverhandlungen tatsächlich zur Verfügung steht. Daran wird sich auch die Koalition messen lassen müssen.