Wir hatten also diesem Gesetzentwurf selbst diesen Antrag vorgeschaltet, hatten gewollt, dass die Staatsregie
rung einen solchen Gesetzentwurf ins Landesrecht einbringt, hatten das in dieser Expertenanhörung erörtert; und erst, nachdem die Staatsregierung bzw. der Landtag den Antrag mehrheitlich ablehnte und die Staatsregierung zu erkennen gab, dass sie keinen Gesetzentwurf bringt, haben wir den unsrigen gebracht.
In dem Bericht wird hervorgehoben, dass die Mehrheit der Sachverständigen schon seinerzeit bei der Antragsanhörung im Februar dieses Jahres nicht nur eine inhaltliche Handlungsnotwendigkeit, sondern auch einen dringenden zeitlichen Handlungsbedarf sah. Direkt bezogen auf unseren Gesetzentwurf hat im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss bei der Beratung der jetzigen Beschlussempfehlung Herr Staatsminister der Justiz und für Europa, Herr Dr. Martens, ausdrücklich festgestellt – auch das ist aus dem Bericht des Ausschusses ersichtlich –, dass das Grundanliegen des Gesetzentwurfes auch vom Staatsministerium der Justiz gesehen wird und nachvollziehbar ist.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Beschlussempfehlung mit 7 : 12 : 0 Stimmen zustande kam, die dem Plenum nunmehr empfiehlt, den Gesetzentwurf nicht anzunehmen – und das ausschließlich mit der Begründung, dass es einen anderen Weg gebe, dem Regelungsbedarf zu genügen, nämlich den, dass man nicht wie wir alles in einem Gesetz ändert, sondern – wie die Koalition in Aussicht gestellt hat – sukzessive noch während der Wahlperiode, indem man die einzelnen Gesetze, wenn sie in einem anderen Zusammenhang irgendwann an der Reihe sind, mit diesen Lebenspartnerschaftsregelungen ausgestaltet. Man hat darauf verwiesen, dass die große Dienstrechtsreform bevorstehe, und dort könnte man Regelungen zum Besoldungsrecht oder zu entsprechenden Fragen im Beamtenrecht mit vornehmen. Es soll also quasi Gesetz für Gesetz, Verordnung für Verordnung das, was wir jetzt in einer Vorlage drin haben, aufgenommen werden.
Das ist aus unserer Sicht umso unverständlicher und im Grunde auch für jeden normal denkenden Menschen, der als Normadressat, als Bürger lebt, überhaupt nicht nachvollziehbar insofern, als noch etwas hinzukommt: Die Sachverständigen haben in der Anhörung zum Antrag darauf aufmerksam gemacht, dass ein erheblicher Teil der Rechtsstreitigkeiten, die sich vor den Beamtensenaten zum Beispiel in der Verwaltungsgerichtsbarkeit abspielen, solche Fragen der Gleichbehandlung – sprich: nicht genügenden Gleichbehandlung – von Lebenspartnerschaften und Ehen im Beamtenrecht zum Gegenstand haben. Einer der Sachverständigen, der Berliner Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried, machte deutlich, dass 20 % der beim Zweiten Senat des Bundesverwaltungsgerichtes anhängigen Rechtsstreitigkeiten, beim sogenannten Beamtenrechtssenat, ebensolche Rechtsstreitigkeiten wegen ungenügender Ausregelung oder ungenügender Handhabung bzw. Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaften und Ehen sind.
Will heißen: Die umgehende Gleichstellung, die wir mit dem Gesetzentwurf anstreben, dient dazu, Prozesse zu vermeiden – Prozesse mit für den Freistaat Sachsen mit
Sicherheit zu erwartendem negativem Ausgang und mit Sicherheit zu erwartenden negativen Kostenfolgen, die der Freistaat, sprich der Steuerzahler, zu tragen haben wird. Sie dient vor allem dazu, den betreffenden berechtigten Menschen in diesem Lande endlich die Rechtsstellung, die Rechtssicherheit einzuräumen, die ihnen der Bundesgesetzgeber bereits 2001 versprochen hat.
Deshalb ist der Ansatz der Staatsregierung bzw. der Koalition, man könne diese Regelungen sukzessive, das heißt, irgendwann einmal, zeitlich über die Legislatur gestreckt, neben anderen Regelungen treffen, keineswegs der Königsweg. Dieses Herangehen führt zu einer völlig unsinnigen, unnötigen Belastung der Justiz. Es ist auch, wie wir meinen, despektierlich gegenüber dem Bundesgesetzgeber und dem Bundesverfassungsgericht, wenn man weitere drei bis vier Jahre ins Land gehen lassen will, bevor man dem Gesetzgebungsbefehl folgt.
Wir dürfen abschließend darauf verweisen – das ist durchaus zur Autorisierung unseres Gesetzentwurfs gedacht –, dass andere Länder, zum Beispiel RheinlandPfalz mit dem Gesetz vom 22. September 2009 zur Einbeziehung der Lebenspartnerschaften in Rechtsvorschriften des Landes, es exakt so ausgeregelt haben, wie wir es mit unserem Gesetzentwurf vorschlagen. Rheinland-Pfalz und andere Bundesländer sind also diesen Weg gegangen und haben handwerklich die gleiche Methodik angewandt. Daher ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb das hier im Freistaat Sachsen durch die Mehrheit verweigert wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mit den Worten des jüngst ins Amt eingeführten neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, noch einmal an Sie appellieren und auch mahnen. Er hat darauf verwiesen, dass die Politik auch dem Recht folgen muss, das sich den Politikern nicht sogleich evident erschließt. Das sollte man beherzigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dass das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften keinesfalls der sprichwörtliche grobe Klotz ist, auf den wir nun landespolitisch einen groben Keil zu setzen hätten. Das strebt das vorliegende Artikelgesetz aber an, indem hinter den Begriff „Ehe“ quasi automatisch das Wort „Lebenspartnerschaften“ hinzugefügt werden soll. Wer die Historie des Lebenspartnerschaftsgesetzes, die Diskussionen darum und auch die bislang ergangenen – sehr unterschiedlichen – Entscheidungen kennt, weiß, dass differenzierte Betrachtungen notwendig sind.
Die weitgehende Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften bedeutet eben nicht die Gleichset
zung mit Ehe und Familie. Herr Kollege Bartl, auch Sie haben gerade vom „Grundsatz“ gesprochen. Wir wissen, was die Juristen mit „grundsätzlich“ meinen, jedenfalls nicht die automatische Gleichsetzung.
Der vorliegende Gesetzestext will aber in den Artikeln, die hier berührt sind, diese Gleichsetzung faktisch herbeiführen. Das entspricht meines Erachtens nicht der durchaus differenzierten einschlägigen Rechtsprechung bis hin zu der Entscheidung, die am 07.07.2009 durch das Bundesverfassungsgericht ergangen ist.
Auch unsere Sächsische Verfassung sieht den besonderen Schutz von Ehe und Familie vor. Schon unter diesem Aspekt meine ich, dass wir in jeder Einzelnorm sorgfältig zu prüfen haben, ob und inwieweit die Gleichbehandlung anderer Lebensformen – die eingetragene Lebenspartnerschaft ist gesetzlich geregelt – im Vergleich zur Ehe angezeigt ist. Das heißt nicht – Sie haben darauf Bezug genommen, Herr Bartl –, dass sich Sachsen den notwendigen Anpassungen verweigern würde. Wir meinen aber, dass der präzise Weg dahin ein anderer ist und dass das keinesfalls nur eine Formalie ist, weil es nicht darum gehen kann, quasi per Mausklick einen Wörteraustausch vorzunehmen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege! Wäre es nicht hilfreich gewesen, wenn Sie uns Ihre inhaltlichen Vorbehalte gegen unseren Gesetzentwurf schon in der Debatte im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss verraten hätten? Hätten Sie nicht dort schon anmerken können, dass Sie Bedenken haben, weil nach Ihrer Ansicht bestimmte Normen in der Ausregelung, was die Gleichstellung angeht, zu weit gehen? Der Bericht des Ausschusses liegt mir vor. Darin ist nur davon die Rede, dass der Vertreter der CDU-Fraktion erklärt habe, dass die Koalition das, was wir wollen, in Einzelregelungen filetieren wolle. Dass es inhaltliche Vorbehalte gibt, ist im Ausschuss nie vorgetragen worden. Können Sie mir den Hintergrund erklären, weshalb man uns diese Bedenken verschwiegen hat und erst hier vorbringt?
Viele Wege führen nach Rom. Wir haben, als auf einmal ein Paket von 35 Artikeln vorgelegt wurde, nicht die Veranlassung gesehen, das im Einzelnen zu prüfen. Es kommt hinzu, dass die Vollständigkeit Ihrer 35 Artikel überhaupt nicht gegeben ist.
40 sind es schon? Entschuldigung! Es war jedenfalls mehr als ein halbes Schock; das hatte ich mir gemerkt.
Wir wollen die klare Einzelprüfung jeder Regelung – das ist meines Erachtens auch im Ausschuss deutlich gemacht worden –, und zwar immer dann, wenn die Gesetze anliegen oder wenn im Einzelfall Eilbedürftigkeit gegeben ist. Ich sehe insoweit keinen Dissens.
Vielen Dank, Herr Kollege! Ihnen ist sicherlich bekannt, dass der Innenausschuss zu diesem Thema Anfang des Jahres eine Anhörung durchgeführt hat. Die Sachverständigen haben dort keine Bedenken gegen die Umsetzung eheähnlicher Gleichstellungen geäußert, sondern im Wesentlichen die Notwendigkeit der Umsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes diskutiert, und zwar über alle Sachverständigenbänke hinweg. Warum machen Sie jetzt Einschränkungen, obwohl wir auch im Innenausschuss nur über das Tempo dieser Umsetzung gestritten haben?
Ich habe doch gerade ausgeführt, dass wir in Sachsen uns keinesfalls den notwendigen Anpassungen verschließen. Auch von der Staatsregierung ist nichts anderes geäußert worden. Wir haben bei der jeweiligen Einzelnorm zu prüfen, inwieweit – vom Abstandsgebot reden wir nicht mehr – tatsächlich der Abstand zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft gegeben ist. Auch die Interpretation – ich komme gleich darauf zurück, wenn ich in meinem Text fortfahren kann – des Urteils des Bundesverfassungsgerichts geht nicht so weit, dass wir von vornherein die Gleichstellung zwischen der Ehe und der gesellschaftlich anerkannten, aber besonderen Lebensform der eingetragenen Lebenspartnerschaft fordern müssten.
Es wird in jeder Einzelnorm, in der die Anpassung angezeigt ist, auch noch exakt geprüft, inwieweit man sich auf dem Boden der Rechtsprechung befindet und damit das Gesetz umsetzt. So sehe ich das.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts – es ist gerade zitiert worden – geht zwar in seinen Ausführungen – insbesondere sind es die Randziffern 78 und 93, die wohl
am meisten zitiert werden – sehr weit, aber es hebt gerade nicht – Herr Bartl, Sie haben schon auf das Wort „grundsätzlich“ hingewiesen – den Unterschied zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft auf. Insoweit bleibt der Prüfungsspielraum, der in dem Urteil explizit benannt ist, erhalten. Zwar fordert das Gericht auf einmal die für einen Zivilrechtler eigenartige Darlegungs- und Beweislastumkehr, aber es stellt durchaus fest, dass die Unterschiede herausgestellt werden dürfen. So viel Zeit muss man sich meines Erachtens nehmen und nach dieser Entscheidung in jeder Einzelnorm prüfen, ob wir eine Änderung an der jeweiligen Stelle als sachgerecht ansehen. Ein anderes Land mag dazu eine andere Auffassung haben. Aber wir wollen den Weg dieser Prüfung gehen.
Ich meine aber auch, dass es gar nicht erforderlich ist, einen langen Streit zu diesem Urteil zu führen. Im Übrigen ist noch ein Verfahren offen. Es wird zwar vor demselben Senat verhandelt; insofern kann man mutmaßen, was herauskommt. Aber eine Mutmaßung ist noch keine Entscheidung. Jedenfalls ist die Notwendigkeit, mit dem vorliegenden Artikelgesetz quasi über Bausch und Bogen eine Umsetzung in unser Landesrecht vorzunehmen, nicht gegeben.
Es ist schon gesagt worden: Eine Anzahl landesrechtlicher Regelungen wurde bereits an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes angepasst. Weitere Anpassungen werden, wie schon ausgeführt, vorgenommen, wenn sie geboten sind.
Es liegt auch keine Eilbedürftigkeit vor, die verlangen würde, diese Materie in Form eines Artikelgesetzes, wie vorgeschlagen, zu regeln. Meines Erachtens geht Gründlichkeit vor Tempo.
Es wird auch keine Prozessflut geben, die an die Wand gemalt wurde, wenn ich davon ausgehe, dass vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 bis zum Jahr 2005 – das sind die letzten Zahlen, die bekannt sind – ganze 320 Lebenspartnerschaften in Sachsen begründet worden sind. Selbst wenn ich von einer Verdoppelung bis heute ausginge, wäre das noch kein Grund, besondere Eilbedürftigkeit anzunehmen.
Verehrter Herr Kollege, jetzt von Anwalt zu Anwalt gefragt: 2001 hat der Bundesgesetzgeber das Gesetz in Kraft treten lassen.
Wir schreiben jetzt das Jahr 2010. Nun behaupten Sie, es bestünde keine Eilbedürftigkeit für die Ausgestaltung.
Herr Kollege Bartl, ich habe gerade gesagt: Von 2001 bis 2009 ist eine Reihe von – zum Teil genau anderslautenden – Entscheidungen ergangen. Sogar 2009 gab es noch einen anderslautenden, das heißt, ablehnenden Beschluss, der aber nicht die Wertigkeit wie das Urteil vom 07.07. hatte. Seit 2009 sind wir auf dem Stand, dass eine so weitgehende Regelung überhaupt erst getroffen worden ist. Es ist erst ein Dreivierteljahr vergangen.