Herr Scheel, Sie enttäuschen mich. Sie haben für Ihre Fraktion eine Debatte unter der Überschrift angekündigt: „Konsequenzen aus der Mai-Steuerschätzung: Jetzt gegensteuern“. Sie haben aber nur darüber gesprochen, dass Sie Angst haben, dass die Einnahmen des Staates wegbrechen. Das heißt, Sie wollen höhere Steuern. Sie haben überhaupt nicht von Aufgabenkritik gesprochen, die, denke ich, ansteht. Es war für mich eine Geschichte des demokratischen Sozialismus: Steuern rauf, und dann wird alles gut.
Ich denke, dass jeder, der in diesem Land Verantwortung für eine Familie oder ein Unternehmen trägt, genau weiß, dass das nicht die richtige Politik ist, und ich kann Sie nur davor warnen, diesen Weg weiterzugehen.
Aber nun zu Ihrem Thema. Vielleicht versuchen wir es doch einmal. Nachdem Sie nichts vorgelegt haben, Herr Scheel, kann ich es ja trotzdem versuchen. Wogegen wollen Sie denn eigentlich steuern? Das Boot befindet sich nach meiner Erkenntnis in stürmischer See auf geradem Kurs.
Aber lassen Sie mich das einmal kurz weiter ausführen. Wir haben natürlich eine stürmische See; ich stimme Ihnen zu: Wir haben gerade ziemliche Verwürfe in den Finanzmärkten. Aber wir in Sachsen sind mit unserem FAG – wahrscheinlich ist dies auch der Grund, weshalb die Debatte bei Ihnen jetzt nicht mehr so richtig funktioniert – ganz gut auf Kurs. Sie wollten nämlich, denke ich, ursprünglich die Diskussion über den kommunalen Finanzausgleich in Sachsen führen, und diese Debatte ist nun zusammengebrochen, nachdem es am Montag im Spitzengespräch eine Einigung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Finanzministerium gab.
Wenn Sie sich die Einigung anschauen – darüber können wir im Freistaat Sachsen wirklich diskutieren, Herr Kollege Scheel: Das können wir selbst gestalten? –, dann zeigt Ihnen dies wieder einmal, dass das Finanzausgleichsgesetz in Sachsen mit seiner Systematik genau das richtige Modell ist und die richtigen Mechanismen beinhaltet, um unseren Kommunen zu helfen, durch die stürmische See zu kommen und auf geradem Kurs den Aufbau weiter fortzuführen. Insofern bin ich auf Ihren zweiten Redebeitrag gespannt, ob Sie dann etwas konkreter werden; denn das war bisher nix.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aufgreifen, was mein Fraktionsvorsitzender, Herr Dulig, zu Beginn der Tagesordnung zur Debatte sagte, Stichwort: Demokratiekrise. Ich denke, ja, es ist richtig, und es wird immer schwieriger zu vermitteln, dass wir auf der einen Seite Milliardenbeträge für Banken-, Finanzmarkt- und Eurokrise bereitstellen und auf der anderen Seite in Sachsen über Einsparungen bis zu 2 000 Euro in Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – des Zusammenlebens in diesem Staat –, der Familie, der Bildung und der Jugend diskutieren. Das zu vermitteln wird immer schwieriger.
Ich greife einmal das Beispiel auf, das der CDUFraktionsvorsitzende, Herr Flath, heute Morgen nannte: Wir müssen arbeiten bzw. denken wie ein ganz normaler Haushalt oder eine Firma. Man muss einmal schauen, was man hat; und dann schaut man, was man sich leisten kann.
Wenn man zu einer Bank geht und sagt, man wolle sich etwas leisten, dann gibt einem die Bank zuerst einen Zettel, auf dem „Selbstauskunft“ steht. Darauf müssen Sie darlegen, was Sie in Ihrem Lebensumfeld finanzieren müssen: Miete, Heizung, Krankenversicherung, Kinder, Bildungsausgaben usw. Das müssen Sie aufführen, und erst dann können Sie darüber nachdenken, ob Sie sich ein
neues Auto leisten oder – ich greife das Beispiel auf – sich die Garageneinfahrt neu pflastern können.
Das ist, denke ich, der Knackpunkt bei der Haushaltsdebatte, die hier ansteht. Es wird im Bereich des gesellschaftlichen Grundlebens gekürzt, ohne dass definiert wird – was im Übrigen Pflicht jeder Kommune ist –, was ich als Pflichtaufgabe des Staates in den Bereichen Justiz, Bildung, Polizei, Kinder und Jugend, Krankenhäuser etc. sicherzustellen habe. Diese Diskussion findet nicht statt. Dort wird teilweise mit dem Rasenmäher gekürzt – mit globalen Minderausgaben und pauschalen Kürzungen – und es wird in Kauf genommen, Strukturen zu zerbrechen.
Parallel dazu wird immer diskutiert: Das können wir natürlich nicht mit Krediten finanzieren, das sind konsumtive Ausgaben. Wenn wir aber darüber sprechen, was wir zukünftig investieren wollen, dann ist das vollkommen unstrittig, und es wird nicht darüber diskutiert: Ist die Investition sinnvoll, rentierlich und wie refinanzieren wir sie? Diese beiden Säulen der Debatte kommen mir dabei insgesamt zu kurz.
Ich betone noch einmal: Wir haben mit dieser Steuerschätzung – das Ergebnis ist in den vergangenen Jahren immer besser geworden, und es wird auch besser werden – die Grundausgangssituation des Haushaltes 2006, des ersten schuldenfreien Haushaltes und des ersten Haushaltes mit Nettotilgung. Das heißt, wir haben keine Not, unsere staatlichen Grundaufgaben sicherzustellen. Wo wir Probleme bekommen werden – dies ist lange bekannt –: im Rückgang der Transferleistungen West-Ost, die im Wesentlichen im investiven Bereich eingesetzt worden sind; und – damit möchte ich zum Abschluss kommen – ich möchte diese Debatte in diesem Bereich ohne eine kritische Diskussion weiterführen; denn ich möchte nicht, dass Nazi-Chaoten auf toll sanierten Straßen in Sachsen weiter marschieren.
Danke schön. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Scheel, ich denke, es gibt überhaupt keinen Grund, hier irgendwelche Horrorszenarien an die Wand zu malen, wie Sie es getan haben; denn diese Steuerschätzung kann uns alle nicht überraschen. Es ist das, was wir erwartet haben.
Es ist, wie gesagt, keine Überraschung. Es ist nur so, wie es immer ist, und das ist eben auch Politik dieser Staatsregierung: Wir können nun einmal nur das ausgeben, was wir einnehmen.
Herr Scheel, das gilt für jeden ganz privat, für jede Familie und für jedes Unternehmen, und es sollte aus meiner Sicht auch für den Staat gelten. Dass Ihnen das fremd ist, lieber Kollege Scheel, ist mir klar. Den Beweis haben Sie bis 1989 in einem großen Feldversuch in unserem Land anstellen dürfen.
Sie haben eher das von Oskar Lafontaine, Herr Prof. Besier. – Aber davon abgesehen: Ich denke schon, der Grundsatz, von dem wir hier in Sachsen ausgehen sollten, ist, dass wir nur das ausgeben, was wir einnehmen, und vor dieser Herausforderung stehen wir.
Sehr geehrter Herr Dr. Hahn, wir wollen durch die richtigen Wachstumsimpulse an die Wirtschaft mehr einnehmen. Sie sehen an der klugen Politik dieser Staatsregierung, dass wir dazu immer mehr auf den Weg bringen, zum Beispiel durch das neue Ladenöffnungsgesetz, Herr Kollege Hahn.
Ich denke, wir müssen zusammen – egal, ob Regierung oder Opposition – dafür sorgen, dass unser Land wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Wir müssen vernünftig wirtschaften und die wertvollen Steuergelder, die wir einnehmen, für vernünftige und notwendige Dinge ausgeben. Ich bin mir nur nicht so ganz sicher, ob diese Krise für uns alle das sein kann, was sie vielleicht auch ist: eine Chance, um unser Land umzubauen, zu modernisieren und vielleicht auch eine Chance, um in Zukunft mit etwas weniger Geld auszukommen.
Als ich heute Morgen meinen Kollegen Martin Dulig hörte, der großes Verständnis – ich würde fast sagen, Martin, Sympathie – für die Demonstrationen in Griechenland gezeigt hat, da wird mir ein wenig Angst. Du weißt genau, wofür dort demonstriert wird: unter anderem dafür, dass viele Staatsdiener weiter mit 52 Jahren in die Rente gehen wollen. Wir wissen alle, warum es in Griechenland überhaupt erst zu dieser Situation gekommen ist, und ich habe – noch dazu vor dem Hintergrund, dass
Europa Griechenland hilft – keinerlei Verständnis für diese Demonstrationen dort, meine Damen und Herren.
Wenn ich dann den DGB-Chef Sommer auf dem jüngsten Gewerkschaftskongress höre, wie er vor sozialen Unruhen in Deutschland warnt, dann empfinde ich nichts anderes als eine große Unverantwortlichkeit. Da zündelt jemand, da ist jemand überhaupt nicht bereit, ein wenig an der Modernisierung unseres Landes mitzuwirken.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir müssen mit weniger Geld klarkommen; Herr Kollege Pecher hat das richtigerweise gesagt. Es ist weniger Geld nicht nur wegen der Krise, sondern vor allem deswegen, weil uns Mittel, die wir aus Westdeutschland über den Solidarpakt II in den letzten Jahren dankenswerterweise bekommen haben, in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb müssen wir jetzt Prioritäten setzen und definieren. Diesen Anspruch muss man auch als Parlament an die Staatsregierung haben: wo wir in Zukunft unsere Prioritäten setzen, wo wir uns Sozialleistungen, Ausgaben für Bildung, Wirtschaftsförderung und Kultur noch leisten, an welchen Stellen wir unter Umständen sparen müssen und was wir uns eben auch nicht mehr leisten können.
Ich möchte widersprechen, wenn immer gesagt wird, dass der Staat angeblich kein Geld hat. Der Staat hat nach wie vor jede Menge Geld. Die Steuereinnahmen steigen.
Wir hatten im Jahr 2008 Rekordsteuereinnahmen auf allen Ebenen. Die Frage ist nur, was wir aus diesen gemacht haben. Dazu noch etwas in der zweiten Runde.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Zastrow! Steuermehreinnahmen: Man hat zum Beispiel immer noch erlassen, dass Brennstoffelemente ordentlich besteuert werden. Es gibt nur eine Ausnahmeregelung, weil es ein paar Ideologen gibt, die Atomkraft verteidigen. Das sind 2 Milliarden Euro im Jahr, die dem Staat fehlen.