Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Zastrow! Steuermehreinnahmen: Man hat zum Beispiel immer noch erlassen, dass Brennstoffelemente ordentlich besteuert werden. Es gibt nur eine Ausnahmeregelung, weil es ein paar Ideologen gibt, die Atomkraft verteidigen. Das sind 2 Milliarden Euro im Jahr, die dem Staat fehlen.
Warum eine Aktuelle Debatte zur Steuerschätzung? Weil in der Tendenz nichts anderes herausgekommen ist als das, was wir schon vor einem Jahr gewusst haben. Das wissen Sie auch. Herr Scheel, Sie wissen es etwas konkreter, dass die Kommunen viel schlechter dran sind und der Freistaat einen Zacken besser dran ist. Aber im Großen und Ganzen ist es dieselbe Tendenz.
Man könnte – das finde ich jedenfalls – aus dieser Erkenntnis ableiten, dass es aktuell ganz ratsam wäre, Herr
Finanzminister, dieser ominösen Arbeitsgruppe auf Bundesebene, die sich mit der Abschaffung der Gewerbesteuer herumplagen möchte, vielleicht zu bedeuten, dass es ganz gut wäre, die Gewerbesteuer zu stabilisieren. Aber ich kann nur davon abraten, sie abzuschaffen, weil wir Jahre der Rezession vor uns haben. Wenn dem so ist, dann ist es wichtig, dass es ein Band zwischen der Kommune und der Wirtschaft vor Ort gibt, da dies die einzige Möglichkeit ist, die Bürgermeister und Politiker in den Städten dazu anzuhalten, aktive Wirtschaftsansiedlung vor Ort zu treiben. Vor diesem Hintergrund wäre es sicher gut, zur Stabilisierung der Gewerbesteuer durch Veränderung und Anpassung beizutragen, sie jedoch nicht aufzulösen und durch eine Bundessteuer zu ersetzen.
Das Nächste, was ich gern sagen möchte, ist: Ich war überrascht, wie schnell Ihr Ergebnis und Ihre Pressekonferenz zum Thema Steuerschätzung diesmal aus Ihrem Hause gekommen sind. Früher haben Sie dafür ein, zwei Wochen länger gebraucht, weil Sie noch die regionalisierte Steuerschätzung gemacht haben. Ich muss davon ausgehen, dass Sie diesmal darauf verzichtet haben, die bewährte konservative niedrigere Wachstumsannahme als die des Bundes zu unterstellen und das umzurechnen. Sie können dies ja nachher im Beitrag richtigstellen. Aber für mich ist das eine ziemlich wichtige Frage.
In den letzten Jahren, fand ich, lag das Sächsische Staatsministerium der Finanzen mit seiner konservativeren Schätzung der Wachstumsannahme immer relativ richtig. Im letzten Jahr sind in der Steuerschätzung auf Bundesebene 1,2 % Wachstum unterstellt worden und in Sachsen 0,7 %. Wenn es aber diesmal schnell gegangen ist und Sie haben die Wachstumsannahme des Bundes, die für 2011 1,4 % beträgt, übernommen und sie nicht abgesenkt – was vernünftig gewesen wäre; wenigstens auf ein langjähriges Mittel von 1 %, wie die Prognos AG vorschlägt –, dann haben Sie sich künstlich reich gerechnet. Das müssen wir hier aufklären. Dies ist genau die Debatte für dieses Thema.
Dann wollen Sie 2011/2012 deutlich mehr ausgeben, als Sie sehr wahrscheinlich einnehmen werden – wenn das der Fall ist. Es ist dann schon eine fette Nummer, Herr Zastrow, dass Sie behaupten, Sie können nur ausgeben, was Sie einnehmen. Man kann ja auch mogeln und kann behaupten, dass man mehr einnimmt. Dann gibt man eben mehr aus und holt es durch Kreditermächtigung hinten wieder herein. Also: Vorsicht!
Wenn Sie die Wachstumsannahme des Bundes von 1,4 % übernommen haben, dann haben Sie Ihre Mehreinnahmen künstlich hochgerechnet, und wenn das stimmt, resultiert aus dieser künstlichen Hochrechnung die größere Ausgleichsmasse für die Kommunen, die ab Montag schlagartig stumm geworden sind und nicht mehr gemeckert haben.
Ich hätte gern, dass wir das klären, da ansonsten die Bugwelle im kommunalen Finanzausgleich größer und noch weiter vor sich hergeschoben wird, obwohl in den nächsten Jahren keine wesentliche Erholung zu erwarten
ist, und auch eine Kaufkraftsteigerung ist bis 2020 in Sachsen nicht in Sicht. Wenn man das weiß, kann man die Bugwelle nicht weiter auswachsen lassen; denn die Kommunen müssen ja zurückzahlen, was sie zu viel bekommen haben.
Die Prognos AG hat heute in München ihre langjährige Studie bis zum Jahr 2035 vorgestellt. Diese geht von einem Durchschnittswachstum von 1 % aus. Ich finde, das sollte man in der Lage, in der wir uns befinden, ernst nehmen. Dabei haben sie davon gesprochen, dass Sie fast alle Frauen und älteren Menschen in den Arbeitsmarkt einbeziehen, um dieses Wachstum überhaupt herzustellen. Wenn das die Wahrheit ist, dann zwingt das natürlich – nun sind wir bei den Konsequenzen aus der Steuerschätzung – zum Umbau des Haushaltes. Es zwingt zur Prioritätensetzung und dazu, Klassenkampfballast über Bord zu werfen – das gilt übrigens für beide Klassenkampfseiten. Außerdem gilt es, den Haushalt gründlich zu kennen und für Transparenz zu sorgen, damit diese Klassenkampfkeilereien bei den Debatten aufhören können.
Ich muss schon sagen: Dieses Kampfvokabular bei den Einsparbedürfnissen und -notwendigkeiten, die vorliegen, stört sehr. Es wird keine Einnahmenverbesserung in einer Höhe geben, die es möglich macht, die Umverteilung, die wir jetzt haben, durchzuhalten. Das ist nicht zu schaffen. Dafür müssten Sie die Mehrwertsteuer bei dem in Deutschland existierenden Konsolidierungsbedarf auf ungefähr 28 bis 30 % anheben. Ich halte das für absurd, um es einmal ganz klar zu sagen.
Die Verteilungsträume des linken Lagers werden in genau derselben Haushaltsblase platzen wie die Wachstums- und Steuersenkungsträume der anderen Seite. Das ist so. Dabei ist jetzt einfach mehr Ernsthaftigkeit angesagt, und ich würde mir sehr wünschen, dass diese auch den weiteren Verlauf der Debatte bestimmen wird.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte vorhin nur einige Ausführungen dazu machen, Herr Rohwer, was zumindest eine Ursache der bisherigen Finanzmisere ist und dass wir uns nicht einfach vor der Verantwortung drücken können, die wir selbst – bzw. in diesem Fall Sie – haben, wenn Sie allen möglichen Steuersenkungen im Bund einfach zustimmen. Da müssen Sie dann auch bereit sein zu sagen: Wir haben Mitverantwortung dafür, dass die Einnahmenseite des Staates nachhaltig geschwächt wurde. Um nichts anderes ging es.
Die Regierungserklärung, die der Ministerpräsident im November 2009 gehalten hat, war eine Kampfansage an
Heute stehen wir einen Monat vor dem Haushaltsplanentwurf, den die Staatsregierung vorlegen will – oder will sie das nicht mehr? Einen Monat haben wir noch Zeit, und wir können heute vielleicht noch einmal über die eine oder andere Priorität sprechen. Dabei können wir doch zum Beispiel einmal die Frage stellen: Sie halten an dem 70 000-Beschäftigten-Ziel 2020 fest. Habe ich von Ihnen irgendwo auch nur einen Satz, eine Pressemitteilung gesehen, wie Sie das eigentlich realisieren wollen? Bei den Lehrern haben Sie gerade verloren. Sind nun die Polizisten dran?
Dann haben Sie sich hingestellt und vollmundig gesagt: Wir wollen eine Staatsmodernisierung. Das ist das Kernprojekt unserer Koalition. Habe ich in den letzten sechs Monaten auch nur einen Satz gelesen, worin diese Staatsmodernisierung besteht? Habe ich irgendetwas verpasst?
Halten Sie irgendein Geheimdokument zurück, in dem alles aufgeschlüsselt ist? Ich kann mich nicht erinnern, dass da irgendetwas wäre. Weiter wurde gesagt: Alle Verwaltungsstrukturen
sollten kritisch überprüft werden. Habe ich in den letzten sechs Monaten irgendetwas darüber gelesen? Sie haben es ja noch nicht mal hinbekommen, uns irgendetwas vorzulegen, was die Landesdirektion betrifft. Wie soll ich dann darauf vertrauen können, dass Sie in der Lage sind, den nächsten Doppelhaushalt zu gestalten?
Damit komme ich auch gern zum FAG. Natürlich haben Sie das getan, was die Kommunen gefordert haben, und ich sage auch: Das ist in Ordnung, wenn die Kommunen sagen, sie wollen den größtmöglichen Teil ungebundene Mittel haben, und Sie haben versprochen, ihnen 4,5 Milliarden Euro über den gesamten Doppelhaushalt in ungebundenen Mitteln zu geben. Aber Sie haben die Frage nicht beantwortet, wie die Kommunen bitte in den nächsten zwei Jahren Investitionen tätigen sollen, denn das FAG ist dann quasi leer.
Auch dabei bin ich sehr gespannt, was wir im nächsten Monat vorgelegt bekommen werden. Wir fordern nur eines: keine weitere Selbstvergewisserung der Koalitionsfraktionen darüber, dass sie auf stürmischer See auf dem richtigen Kurs sind – immer geradeaus; man muss sich ja alle halben Jahre oder alle zwei Monate einmal sagen: Ja, es ist noch die richtige Richtung –, sondern dass Sie endlich bereit sind, auch Schonbereiche in diesem Haushalt zu akzeptieren. Wir können doch nicht ernsthaft
Wir können nicht ernsthaft zuschauen, wie wir die Bildungschancen in diesem Land ruinieren. Daher fordern wir Sie auf: Denken Sie um! Schalten Sie einen Gang zurück, bevor Sie den Haushaltsentwurf vorlegen, und versuchen Sie im Interesse des gesamten Landes, auch Schonbereiche zu definieren, so wie wir sie Ihnen vorgeschlagen haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scheel, Sie haben gerade Schonbereiche eingefordert. Zwei Sätze zuvor, wenn ich es richtig verfolgt habe, sagten Sie: Der Schonbereich, den wir beim FAG haben – wo wir die Systematik beibehalten und uns mit den Kommunen geeinigt haben, damit sie ihre kommunalen Haushalte zubekommen –, war kein richtiger, oder was war daran verkehrt?
Ich meine, dass es der richtige Weg ist, dass wir unseren Kommunen in diesem Land mit dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz zur Seite stehen und nach dieser Gesetzmäßigkeit verfahren. Wenn Sie sagen, Sie finden es schade, dass die Investitionen etwas gesenkt worden sind, dann nehme ich dies zur Kenntnis und werde Sie daran erinnern: Die Linken waren eigentlich immer dafür bekannt, dass ihnen die konsumtiven Ausgaben in den kommunalen Haushalten wichtiger als die Investitionen waren.
(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Völliger Quatsch! Da müssen Sie die letzten zehn Jahre verpennt haben!)
Zu Ihrer Frage, ob Sie bei der Staatsregierung etwas verpasst haben: Nein, Sie haben nichts verpasst. Die Staatsregierung arbeitet bekanntlich am Haushaltsplan, und jetzt sind wir beim FAG einen wichtigen Schritt vorangekommen. Wir haben eine Einigung erzielt. Ich denke, dass Sie in einem Monat den Vorschlag der Staatsregierung für den Gesamthaushalt bekommen werden. Dann werden wir über alles Weitere sprechen. Aber nun gegenzusteuern und von der Vorlage eines Entwurfes für den Doppelhaushalt abzuweichen – das würde dazu führen, dass das Boot, von dem ich vorhin sprach, das auf geradem Kurs in stürmischer See ist, kentern würde. Deshalb sind wir dagegen, Ihrem Wunsch zum Gegensteuern zu folgen.
Ich habe nicht von Entern gesprochen, sondern von Kentern. Entschuldigung! Vielleicht können Sie genauer zuhören.
Vielen Dank. – Herr Rohwer, Sie stimmen aber hoffentlich darin mit mir überein, dass es für den geraden Kurs notwendig ist zu wissen, was man tut, und insofern ein Kurshalten nur möglich ist, wenn man nicht im „Wünsch dir was!“ lebt, sondern konkrete, machbare, andere Akzente setzen kann, und dazu sehe ich im Moment nichts.
Sehen Sie, und genau um diesen Kurs haben wir in der CDU-Fraktion am Montag und am Dienstag gestritten und festgestellt: Wir wollen dabei bleiben, keine neuen Schulden zu machen. Wir wollen die Ausgaben weiter an unsere Einnahmen anpassen.
Genau das ist geschehen, und das haben Sie gerade kritisiert. Danke, dass Sie nun die Kurve bekommen haben. Wir haben uns nicht nur selbst vergewissert, sondern wir haben auch noch überprüft, ob wir auf dem richtigen Weg sind. – Vielen Dank.
Ich möchte zum Schluss noch für diejenigen, die die FAG-Verhandlungen nicht bis ins letzte Detail kennen, formulieren, dass natürlich die Steuern der Kommunen von Jahr zu Jahr herauf- und heruntergehen. Schauen wir uns einmal an: Im Jahr 2008 sind die Steuereinnahmen um 17 % gestiegen. Bereits im darauffolgenden Jahr 2009 sind sie um 10,9 % gesunken. Dies ging im Jahr 2010 mit minus 5 % noch einmal weiter. Im Übrigen gibt es den Gleichbehandlungsgrundsatz –
Gleichmäßigkeitsgrundsatz – danke für die Korrektur! – nur in zwei Bundesländern. In anderen Bundesländern wird das FAG anders behandelt. Aber durch den Gleichmäßigkeitsgrundsatz im Sächsischen FAG wird so nivelliert, dass die Kommunen mit festen Planungszahlen umgehen können und keine starken Schwankungen haben. Das ist das Gute am Sächsischen FAG. Deshalb sind wir froh, dass wir mit den Kommunen wieder in dieser Partnerschaft übereingekommen sind.