Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Ich sage klar: Wir als SPD haben die Lektion gelernt. Wir haben erkannt, dass der Markt allein es nicht richten kann, sondern dass es strikte Regulierungen und eine klare Kontrolle in diesem Bereiche braucht. Der Geburtsfehler dieser Reform bestand darin, dass wir den Grundsatz „Equal pay“, das heißt, gleiches Geld für gleiche Arbeit, in den gesetzlichen Regelungen nicht deutlich genug festgeschrieben haben.

Man kann auch mit dem Mittel von Scheintarifverträgen arbeiten. Ich nenne nur einige der sogenannten christlichen Gewerkschaften, die Tariflöhnen von unter 4 Euro zugestimmt haben. Einige Unternehmen sind dazu übergegangen, Tochterfirmen auszugliedern und Mitarbeiter in das Ursprungsunternehmen zurückzuleihen, dann allerdings zu Tarifverträgen, die diesen Namen eigentlich nicht verdienen. Schlecker ist eigentlich nur die Speerspitze dieser ganzen Entwicklung. Die Beschäftigten dort

sind schamlos ausgenutzt worden. In den letzten Jahren sind leider Versuche gescheitert, in diesem Bereich eine Regelung zu finden, die den Menschen dort Löhne sichert, von denen sie leben können.

Ich will Ihnen sagen, dass wir die Leiharbeit nicht abschaffen wollen. Aber wir wollen, dass sie auf eine Kernfunktion zurückgeführt wird. Dabei geht es eben darum, Auftragsspitzen abzudecken, und es geht darum, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer auf Dauer dann einzusetzen, wenn die Arbeitskräfte fehlen.

Bei der Regulierung von Leiharbeit sind aus unserer Sicht einige Punkte zu berücksichtigen. Einen Teil davon haben wir in unserem Antrag aufgeführt.

Als Erstes ist es, denke ich, wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz so geändert wird, dass für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung gilt, dass die gleichen Arbeitsbedingungen wie für die Stammbelegschaft gelten und dass man von dieser Regelung nur dann abweichen kann, wenn es einen Tarifvertrag gibt. Klar ist auch – das habe ich gerade angesprochen –, dass Equal Pay, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit, für alle gelten muss.

Wir wollen auch weiterhin nicht, dass es zu der sogenannten konzerninternen Verleihung kommt, die ich gerade beschrieben habe, dass man also durch Ausgründung von Tochterunternehmen die Stammbelegschaft rausschmeißt und sie dann über Leiharbeit wieder hereinholt. Und wir wollen, dass es eine Lohnuntergrenze gibt. Natürlich wollen wir auch, dass Betriebsräte in den Entleihunternehmen mehr Mitbestimmungsrechte bekommen. Wir wollen auch, dass für Beschäftigte, die Leiharbeit ausführen müssen, klar ist, dass die Frage des Betriebsverfassungsgesetzes mit einem anderen Stellenwert angegangen wird.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Im Kern geht es also darum, dass wir angesichts des sich gerade in Sachsen ausweitenden Niedriglohnsektors endlich erkennen müssen, dass wir perspektivisch den Wettbewerb nicht über Löhne gewinnen werden, sondern wir werden ihn nur dann gewinnen, wenn wir innovativ immer einen Schritt weiter sind als die Konkurrenz, und wir werden ihn dann gewinnen, wenn wir den Menschen, die diesen Innovationsschritt ermöglichen, ein vernünftiges Gehalt, einen vernünftigen Lohn zahlen.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ich bin mir sicher, dass wir heute von dem üblichen Ritual wegkommen können, dass ein Antrag, weil er von der Opposition kommt, nicht angenommen wird, und zwar deshalb, weil die Bundesministerin von der Leyen und viele andere CDU-Vertreter im Bund sich ähnlich geäußert haben.

Lassen Sie mich deshalb zum Schluss, zumindest was diese erste Runde anbelangt, noch darauf hinweisen, dass

auch die Menschen im Land nicht nur die Ankündigungen von Parteien und Politikern hören wollen, sondern sie wollen, dass endlich Taten folgen. Ich denke, bei der Leiharbeit ist es dringend notwendig, dass wir endlich einen Schutz für die dort Beschäftigten bieten. Deshalb gibt es heute nur eine Alternative für alle, die sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Vielen Dank, Herr Brangs. – Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU ist nun an der Reihe. Es spricht Herr Abg. Heidan. Herr Heidan, Sie haben das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brangs, Sie haben hier einen Strauß von Halbwahrheiten und teilweise Unwahrheiten vorgebracht,

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

die letztlich nur zum Ziel haben, eine gesamte Branche, nämlich die Branche der Zeitarbeitsfirmen, zu diskreditieren. Ich werde Ihnen das in meinem Redebeitrag auch noch durchaus hinlänglich beweisen können.

Meine Damen und Herren, wir hatten bereits in der letzten Legislaturperiode eine derartige Debatte. Wer sie angehört hat, wird sich sicherlich noch erinnern können. Damals war es die Fraktion DIE LINKE, die einen solchen Antrag unter dem Deckmantel einer ach so großen Sorge für die Zeitarbeiter eingebracht hat. Wir erinnern uns, es ging damals um Qimonda. Nun hat die SPD, einer kleinen Schwester vergleichbar, dies nachgeahmt und sich entschlossen, die Zeitarbeitsfirmen und diese Branche zu stigmatisieren.

In der letzten Legislaturperiode hat meine Kollegin Jutta Schmidt zu dieser Problematik gesprochen, und ihre Worte sind heute noch genauso aktuell wie damals.

Die Zeitarbeit, meine Damen und Herren, ist ein beschäftigungspolitisch positives und ökonomisch sinnvolles Mittel, um Wirtschaft voranzubringen, Beschäftigung zu initiieren und langfristig zu sichern. In Deutschland werden derzeit mehr als 650 000 Arbeitsplätze durch Zeitarbeitsunternehmen bereitgestellt. Das hat auch die SPD festgestellt. Leider sind Sie, Herr Brangs, darauf nicht eingegangen. Wir reden hier von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen ohne staatliche Subventionierung. Dass das circa 1,5 % der in Deutschland vorhandenen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sind, ist bekannt. Damit liegen wir auch deutlich unter dem europäischen Durchschnitt des Anteils der Zeitarbeit.

Zeitarbeit verdrängt keine regulären Arbeitsplätze. Es ist einfach falsch, eine solche Behauptung aufzustellen, um die Unternehmen dieser Branche zu stigmatisieren.

Sieht man sich die Bilanz einmal an, dann muss man feststellen, dass mehr als 60 % der Zeitarbeitnehmer aus

der Arbeitslosigkeit kommen. 15 % von ihnen waren länger als ein Jahr arbeitslos. Das kann doch nicht verkehrt sein. Die gesetzlichen Regelungen zur Zeitarbeit sind im ersten Gesetz – das haben Sie, Herr Brangs, ja hier knirschenderweise auch deutlich gemacht – unter der Regierung von Rot-Grün – ich kann es Ihnen genau sagen – am 23. Dezember 2002 festgelegt worden. Ich betone, Herr Brangs: Das war eine gute Regelung.

Jetzt sind Sie aber ein Hasenfuß geworden

(Stefan Brangs, SPD: Wer? Ich?)

und vor Ihrer eigenen Courage, die damals Ihre Genossen in Berlin gezeigt haben, um das auf den Weg zu bringen, ausgerissen.

Die Zeitarbeit sollte eine Brücke aus der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung schaffen, und die Zahlen belegen, dass dies gelungen ist. Es ist einfach schlichtweg falsch, wenn Sie in Ihrem Antrag behaupten, dass die Zeitarbeit dazu genutzt wird, um letztlich niedrige Löhne festzuschreiben. Wir haben in keiner anderen Branche in Deutschland eine fast hundertprozentige Tarifbindung in den Unternehmen aufzuweisen. Oder wollen Sie allen Ernstes den Gewerkschaften, welche diese Tarifverträge erkämpft und abgeschlossen haben, mangelnde Interessenvertretung ihrer Mitglieder vorwerfen? Dass Sie, verehrte Damen und Herren von der SPD, dies im einhelligen Chor gegenüber den christlichen Gewerkschaften tun, ist hinreichend bekannt, aber – und jetzt, Herr Brangs, hören Sie bitte zu – dass auch die DGBGewerkschaften aus Ihrer Sicht arbeiterfeindlich sein sollen, ist mir wirklich beachtlich neu.

Die bestehenden Tarifverträge, die sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund als auch die christlichen Gewerkschaften ausgehandelt haben, geben ein positives Signal an die Beschäftigten der Branche, sorgen sie doch weiter darüber hinaus auch dafür, dass die Lohnhöhe in den Tarifverträgen eben nicht, wie Sie gesagt haben, 3 oder 4 Euro beträgt. Ich komme darauf noch einmal zurück.

Aber ich möchte mich Ihrem Antrag selbst noch einmal zuwenden. Sie fordern in Punkt 1, dass Zeitarbeit keine Dauerbeschäftigung sein darf. Sind Sie sich überhaupt der Forderung dessen bewusst,

(Stefan Brangs, SPD: Ja, sicher!)

was Sie hier aufstellen? Sie erwarten also von den Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, dass sie Arbeitnehmer nach einer gewissen Zeit kündigen – das ist der Duktus unter Punkt 1 Ihres Antrages –, dass sie also wieder in die Arbeitslosigkeit zurückgeschickt werden, anstatt sie weiterhin in Lohn und Brot zu halten.

(Stefan Brangs, SPD: Übernommen werden! In reguläre Beschäftigung übernommen werden!)

Das kann nicht allen Ernstes Ihr Ziel sein.

(Stefan Brangs, SPD: Doch, in regulärer Beschäftigung!)

Viele Arbeitnehmer in der Zeitarbeit sind Spezialisten – das ist bekannt – und werden von vielen Unternehmern in Spitzenzeiten oder bei besonderen Aufträgen nachgefragt. Die Zeitarbeitsunternehmen haben Interesse, derart hoch qualifizierte Mitarbeiter zu halten und sie für ihre Leistungen gut zu bezahlen. Diesen Menschen wollen Sie vorschreiben, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen werden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Sinn und Zweck Ihres Antrages sein soll.

Des Weiteren wollen Sie die Zahl der Arbeitnehmer in einem Unternehmen beschränken. Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß dabei. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, wenn Sie, wenn vielleicht der Aufschwung kommt, zum Beispiel bei BMW oder bei VW Mosel, was wir alle erwarten, dann sagen: Ihr könnt nur eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern bekommen. Das müssen Sie irgendwo definieren. Darüber hinaus sagen Sie dann: Gut, wir können euch nur 50 zur Verfügung stellen. – Es werden aber 80 gebraucht. Ich kann Ihrem Antrag da keine Sinnhaftigkeit entnehmen.

Der Dumme ist doch letztlich der Arbeitnehmer und das wird sicherlich nicht der Sinn Ihres Antrages sein. Es wird sicherlich auch nicht dazu kommen, weil wir diesen Antrag – ich sage das in aller Deutlichkeit – jetzt schon ablehnen werden.

(Stefan Brangs, SPD: Nein! Das überrascht mich aber!)

Aber ich komme zu Punkt 2, zum Thema Mindestlohn. Sie hatten gesagt, dass Sie einen solchen im Arbeitnehmerentsendegesetz fordern. Wie erfolgreich das ist, zeigt sich letztlich in dem Versuch eines Postmindestlohnes. Ich darf daran erinnern, dass Tarifautonomie für uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein hohes grundgesetzliches Gut ist, und das wird mit allen Mindestlohnvereinbarungen ausgehebelt.

Ich sage noch eines aus wirtschaftsökonomischer Sicht: Wer Mindestlöhne fordert, muss letztlich auch Mindestpreise fordern. – Dann sind wir nicht mehr weit von dem entfernt, was wir vor 20 Jahren abgelegt haben.

Ich darf vielleicht das Hohe Haus auch darüber informieren – das kam in dem Redebeitrag von Herrn Brangs nicht vor –, dass zum Beispiel der DGB am 9. März 2010 mit dem Bundesverband Zeitarbeit einen Tarifvertrag abgeschlossen hat – Herr Brangs, das haben Sie in Ihrem Redebeitrag nicht genannt –, der für Westdeutschland ab dem 01.07.2010 einen Stundenlohn von 7,60 Euro und für den Osten von 6,65 Euro vorsieht.

(Stefan Brangs, SPD: Allemal besser als 4 Euro!)

Herr Brangs, wo bleibt da Ihr Ruf nach

(Stefan Brangs, SPD: Ich sprach von 4 Euro!)

gleichem Lohn für gleiche Arbeit? – Ich habe doch schon einmal gesagt, 4 Euro sind tarifvertraglich nicht geregelt und wir haben in dieser Zeitarbeitsbranche eine fast

hundertprozentige tarifvertragliche Regelung. Das ist Gott sei Dank gelungen und Sie sollten hier nicht immer solche Halbwahrheiten verkünden.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Noch zu einem Punkt Ihres Antrages, dem Punkt 3. Wenn wir für gleiche Bedingungen der Zeitarbeit gegenüber der Stammbelegschaft werben sollen, dann sollte es auch legitim sein, dass Zeitarbeitsunternehmen diejenigen Mitarbeiter, die aufgrund von fehlenden Aufträgen nicht mehr benötigt werden, im Gleichklang mit den personellen Bedürfnissen des Entleihers entlassen können. Herr Brangs, das ist auch so etwas, wenn Sie das einschränken wollen. Das kann doch nicht Ihre Erklärung dazu für die 650 000 Zeitarbeiter sein.

Die Realität ist doch eine andere. Zeitarbeitnehmer werden nach der Beendigung einer Entleihung eben nicht entlassen und es liegt in der Verantwortung des Zeitarbeitsunternehmers, für seine Beschäftigten neue Einsatzmöglichkeiten zu finden und somit letzten Endes Beschäftigung zu sichern.