Die Realität ist doch eine andere. Zeitarbeitnehmer werden nach der Beendigung einer Entleihung eben nicht entlassen und es liegt in der Verantwortung des Zeitarbeitsunternehmers, für seine Beschäftigten neue Einsatzmöglichkeiten zu finden und somit letzten Endes Beschäftigung zu sichern.
Sie sind auf das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingegangen und auch meine Ausführungen zu den tarifvertraglichen Regelungen haben wir besprochen. Dazu gibt es klare Regelungen, die für die Zeitarbeitsbranche durchaus sehr positiv sind.
Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auch auf eines hinweisen: Der Entleiher muss für die von ihm entliehenen Zeitarbeiter in der Regel mehr bezahlen, als das für einen regulär Beschäftigten der Fall ist. Sie wissen, dass da viele Faktoren hineinspielen, ob das jetzt der Anteil der Finanzierung des Urlaubs oder der möglichen Krankheitstage oder andere Faktoren sind. Warum sollte also der Zeitarbeitnehmer in dieser Weise benachteiligt werden?
Wir verfügen flächendeckend über eine tarifliche Absicherung – ich hatte es bereits gesagt – und dabei hat der DGB durchaus Erfolge erzielt. Diese Tarifautonomie, meine Damen und Herren, sollten wir den Vertragspartnern überlassen. Die Politik sollte aus meiner Sicht die Finger davon lassen.
Wenn Sie darauf abzielen, was Bundesarbeitsministerin von der Leyen gestern und heute in die Öffentlichkeit gebracht hat, dann ist das durchaus richtig. Denn diese „Lex Schlecker“, die praktiziert wurde, ist mit den Gewerkschaften in ihren Verträgen unter der SchleckerKlausel vertraglich ausgeschlossen worden. Sie können nicht einen Einzelfall auf die gesamte Branche übertragen, indem Sie sagen: Die gesamte Branche arbeitet so, wie Schlecker es getan hat. – Das ist mitnichten der Fall. Das sollten Sie bitte beachten.
Gegen schwarze Schafe in der Branche muss man etwas tun; die Bundesarbeitsministerin hat es angekündigt. Es ist auch immer noch die Frage zu stellen: Wie hoch ist denn der Mindestlohn? – Gerade in der Zeitarbeitsbranche wird der Mindestlohn nicht gewünscht. Das haben auch
andere Verlautbarungen deutlich gemacht. Die Mindestlohngröße ist von der Unternehmerseite nicht gewünscht, weil damit eher das Lohnniveau gedrückt würde. Von daher wird es eine kluge Entscheidung der Bundesarbeitsministerin sein, in ausgewogenem Maß nach Lösungen zu suchen.
Eines will ich noch sagen. Es ist mir bei Ihrem Redebeitrag vorhin aufgefallen, dass Sie gesagt haben: Wir wollen vernünftige Löhne zahlen. – Herr Brangs, wir in diesem Hohen Haus zahlen keine vernünftigen Löhne. Wenn, dann machen das die Unternehmer aus den einzelnen Firmen und nicht wir in diesem Hohen Haus.
Das war Herr Heidan für die CDU-Fraktion. – Ich rufe die Fraktion DIE LINKE auf. Es spricht Herr Abg. Kind. Herr Kind, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Zum Einstieg müssen wir nicht auf 2003 zurückgehen, sondern, Herr Heidan, das fängt ein bisschen zeitiger an, das fängt 1972 an mit der Einführung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, damals richtigerweise gedacht zur Abfederung von Spitzen in Auftragslagen in einer veränderten ökonomischen Situation. Bis 1972 war es in Deutschland Usus, auch unter Ihrem geliebten Herrn Erhard, dass, wenn man 80 neue Arbeiter braucht, man sich diese als Festangestellte auch eingestellt und nicht gewartet hat, dass man sie von einer Leiharbeitsfirma bekommt. So hat die Wirtschaft schon einmal funktioniert.
Also fangen wir 1972 an. Damals war die öffentliche Diskussion noch kritisch. Es gab einen Liedermacher Namens Möbius, besser bekannt unter Rio Reiser, mit seiner Band. Der konnte dazu nur sagen: „Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?“ Fällt jemandem das Lied noch ein? So wurde damals gesellschaftlich auf die Problematik reagiert.
Dann kommen wir ins Jahr 2003. Da passiert ein Paradigmenwechsel. Aus der Abfederung von Spitzen, um die Flexibilität am Arbeitsmarkt zu gestalten, hat man die Sache umgedreht und versucht, damit angeblich Arbeitslosigkeit zu beseitigen, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bekommen. Aber genau der Effekt ist eingetreten, den alle schlau überlegenden Ökonomen voraussagen konnten: Es ist nämlich feste Arbeit, sozialversicherungspflichtige unbefristete Arbeit verdrängt worden, und die Leiharbeit ist sukzessive angewachsen.
Wir können uns auch das letzte Jahr mit der Krisensituation ansehen. Es hat am sächsischen Leiharbeitsmarkt eine Schwankung gegeben mit einer Bandbreite von 29 178 bis 37 900 Leiharbeitern. Das macht eine Differenz von 8 722. In dem Bereich hat die Wirtschaft geatmet. Warum gibt es dann aber 37 000 Leiharbeiter? Weil wenigstens 20 000 dazu dienen, Löhne nachhaltig zu drücken. So ist die Situation, und darüber müssen wir reden.
Wenn Sie davon reden, dass die Lohnkosten für den Leiharbeiter für die entleihende Firma höher wären, dann müssen doch BMW und Schlecker mit dem Klammeraffen gepudert sein. Warum gliedern die denn ihre Stammbelegschaft in eine Leiharbeitsfirma aus, wenn angeblich bei der Leiharbeitsfirma die Arbeitskosten höher sind? Das müssen Sie mir einmal betriebswirtschaftlich erklären. Darauf bin ich gespannt.
Schauen wir uns den Antrag der SPD an. Sie bringen denselben Satz, der auch in der Erklärung der Regierung steht. Es darf – wie es Herr Brangs verlangt – keine Dauerbeschäftigung geben. Das kreiden Sie an. Sie wollen Dauerbeschäftigung. Ich denke, der Antragsteller hat gemeint: Dauerbeschäftigung in der Entleihfirma.
Wenn man den Antrag richtig liest, ist klar herauszulesen, wie es gemeint ist, nämlich dass keine Dauerarbeit in der Entleihfirma gewollt wird. Das ist richtig so.
Wenn die entleihende Firma die Arbeitskräfte braucht, muss sie diese fest einstellen. Gedacht war an einen Klebeeffekt. Was ist daraus geworden? Aus dem Klebeeffekt ist der bekannte Drehtüreffekt geworden. Die Arbeitskräfte sind nicht dauerhaft in Arbeit gekommen, sondern dauerhaft rausgekommen.
Gehen wir wieder zum Vergleich der Zahlen. Bei der Leiharbeit gab es ein Delta von plus 8 722 und bei der versicherungspflichtigen Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe in Sachsen in der gleichen Zeit ein Abschmelzen von 289 197 auf 277 600. Das macht ein Delta von minus 11 597. Sieh an, so funktioniert es!
Zum Punkt 2, Tarifautonomie oder Entsendegesetz. Ich muss sagen, da zweifle ich am Sachverstand des Ministers. Wenn ein Mindestlohn in der Tarifautonomie für den Bereich ausgehandelt wurde, was hindert dann die Politik daran, diesen Lohn in das Entsendegesetz aufzunehmen? Das schließt sich doch nicht aus. Warum steht in der Begründung, dass sich das gegenseitig ausschließt? Das kann ich nicht verstehen.
Es ist schon von prinzipieller Bedeutung, ob – was wir fordern – für gleiche Arbeit gleicher Lohn zu zahlen ist. Das ist der Widerspruch in Punkt 3. Wenn es nicht gelingt, dass in der Entleihfirma der gleiche Lohn gezahlt wird, dann muss es doch wenigstens möglich sein, dass bei den Verleihfirmen Mindestlohn gezahlt wird. Aber das eine gegen das andere auszuspielen, weil man auf der
einen Seite sagt, dass wir gleichen Lohn für beides verlangen und damit der Mindestlohn nicht funktioniert, ist bitterer Zynismus. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Ich habe noch eine kleine Geschichte zum Abschluss. Warum müssen wir den Antrag hier behandeln? Eigentlich könnte man denken, dass er sich erübrigt hat, weil am 26.03.2010 der Bundesrat per Beschluss auf Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin und Brandenburg – ich glaube, in zwei Ländern regieren wir mit, und das ist auch gut so – eine solche Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat. Sachsen sollte sich da anschließen, wenn Sie sich heute durchringen, dem Antrag der SPD, den wir unterstützen, zuzustimmen. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger. Sachsen soll sich vier Bundesländern anschließen, um diesen Missstand in der Leiharbeit zu beseitigen.
Noch ein abschließendes Wort zum Änderungsantrag der GRÜNEN. Ein Punkt, der zur Qualifizierung des Antrages eingebracht wurde, nämlich dass eigentlich Leiharbeit mit 10 % – über die Höhe kann man sicher diskutieren – honoriert werden müsste, also mehr als für reguläre Arbeit gezahlt werden müsste, ist durch die Aussage von Herrn Kannegießer heute belegt worden. Er begründet ganz genau, warum die Leiharbeiter weniger bekommen sollen, nämlich deshalb, weil die Leiharbeiter in die Produktionsprozesse nicht so eingebunden sind und firmeninternes Wissen nicht in dem Umfang wie das Stammpersonal zur Verfügung haben. Da sage ich: Richtig, Herr Kannegießer! Dann gehen wir betriebswirtschaftlich weiter. Die erhöhte Flexibilität und erhöhte Mobilität der Leiharbeiter muss dazu führen, dass sie besser bezahlt werden, damit diese Flexibilität und das höhere Risiko, bei Konjunkturschwankungen die Arbeit wieder zu verlieren, höher entlohnt werden. Dann hat Herr Kannegießer betriebswirtschaftlich recht, und wir können uns ihm nur anschließen.
Vielen Dank, Herr Kind. – Für die Fraktion der FDP spricht Herr Abg. Hauschild. Herr Hauschild, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht über diese imaginäre „Lex Schlecker“ sprechen. Ich möchte auch nicht über einen Film sprechen, mit dem man Geld verdienen möchte. Ich möchte auch nicht über ein Gespenst sprechen, das hier in den Raum gestellt wurde. Ich möchte einfach nur über den Antrag sprechen, wie er gestellt wurde, und nicht über die Dinge, die der eine oder andere hineininterpretiert.
Arbeit darf keine Dauerbeschäftigung sein. Die Zahl der Arbeitskräfte in den Betrieben muss begrenzt werden. – Eine absurde Forderung, nicht wahr? Nun muss ich der SPD zugute halten, ganz so hat sie es nicht geschrieben.
Ich habe einfach die Leiharbeit und die Leiharbeitskräfte durch Arbeit und Arbeitskräfte ersetzt, um diese Absurdität durch eine leichte Überspitzung noch deutlicher herauszustellen. Unterm Strich allerdings fordert die SPD, dass die Chancen auf eine Beschäftigung gemindert werden. Im Antrag heißt es wörtlich: „Leiharbeit darf keine Dauerbeschäftigung sein.“ „Die Zahl der Leiharbeitskräfte in den Betrieben muss begrenzt werden.“
Ich finde es abwegig, Arbeitsmarktpolitik als eine Begrenzung von Beschäftigungsverhältnissen zu verstehen. Wir als FDP wollen jedenfalls mehr Menschen in Arbeit bekommen.
Die Zeitarbeit hat viele Leute in Lohn und Brot gebracht. In der Zeitarbeitsbranche arbeiten heute etwa 650 000 Menschen. Darunter sind viele, die langjährig in diesen Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind. Das würden sie nicht tun, wenn sie dort ausgebeutet werden würden.
Ich sage das so deutlich, weil es vonseiten der SPD und der Gewerkschaften immer wieder heißt, dass die Zeitarbeit andere Jobs verdrängt.
Herr Hauschild, ist Ihnen bekannt, dass Arbeitnehmern Sanktionen drohen, wenn sie solche Angebote, die es über die Arbeitsvermittlung gibt, nicht annehmen, dass sie also gezwungen sind, solche Arbeiten anzunehmen?
Herr Kind, trotzdem muss ich zu dem, was Sie vorhin ausgeführt haben, sagen, dass Sie unrecht haben. Die Zahlen einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln legen einen anderen Schluss nahe. Dort heißt es: „38 % der Deutschen im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 15 und 64 Jahren, waren im Jahr 1998 abhängig unbefristet vollzeitbeschäftigt.“