Meine Damen und Herren! Wir fahren jetzt fort in unserer Aktuellen Debatte. Wie bereits angekündigt in der weiteren Reihenfolge der ersten Runde – ich erinnere noch einmal: CDU, DIE LINKE, FDP, SPD, GRÜNE, Staatsregierung, wenn gewünscht –, hat die CDU-Fraktion das Wort mit Frau Kollegin Windisch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es fällt mir schwer nach dieser unsäglichen Debatte, nach diesem unsäglichen Titel und diesem unsäglichen Einstieg in Ruhe im Namen der CDU-Fraktion meinen Beitrag zu leisten. Wir sind als Abgeordnete – egal ob regierungstragende Koalition oder Opposition – auf die Sächsische Verfassung verpflichtet worden. Und das beinhaltet, dass wir das Ansehen des Freistaates mehren sollen.
(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Andreas Storr, NPD: Aber keiner israelischen Gewaltpolitik das Wort reden!)
Die kleine Minderheit der ewig Gestrigen, Demagogen und Volksverhetzer hat das Ansehen des Freistaates beschädigt. Das können wir so nicht stehen lassen.
(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Die übergroße Mehrheit der Abgeordneten in diesem Saal und auch der Sachsen sieht das Verhältnis zwischen Sachsen und Israel ganz anders. Sie lebt die gute Zusammenarbeit auf offizielle, aber auch auf ganz individuelle Art.
Die Anwendung des Begriffes „Schurkenstaat“, auch wenn er im Debattentitel in Anführungsstriche gesetzt
Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten, weiß aus eigener bitterer Geschichte, was es heißt, Opfer eines diktatorischen und menschenverachtenden Systems zu werden.
Der Redestil und der Inhalt der Gott sei Dank nur wenigen Sätze waren im Stil der ehemals guten Beziehungen zwischen Hitler und dem Großmufti von Jerusalem. Genau diese Ideologie, die der als Kriegsverbrecher gesuchte Hadschi Amin al-Husseini geprägt hat, ist hier offenbar geworden. Genau dieser sogenannte Großmufti von Jerusalem hat schon damals nach der Gründung des Staates Israel propagiert, die Juden ins Meer zu treiben. Von dieser Aussage ist ein Großteil der radikalen Hamas bis heute nicht abgerückt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verbindung zu Israel hat oft ganz persönliche Gesichter. Sofort nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als es wieder möglich war, überallhin zu reisen, hat mich meine erste Auslandsreise nach Israel geführt. Seitdem war ich fast jedes Jahr dort, aber nicht nur in Israel. Auch in den Autonomien habe ich mit den Menschen gesprochen.
In Israel habe ich vor Jahren eine alte Dame getroffen, die ich inzwischen als mütterliche Freundin bezeichnen kann. Sie ist 1928 in meinem Wohnort Burkhardtsdorf als Tochter eines damals überregional bekannten und geschätzten Kinderarztes in besten bürgerlichen Verhältnissen geboren worden. Ihr Vater, Dr. Mannheim, hat noch zur rechten Zeit mit seiner Familie Deutschland verlassen können und ist nach Israel gegangen. Er hat keine Araber vertrieben, sondern hat im Sumpfland angefangen, jahrelang in einer Holzhütte hausend, das Land trockenzulegen und mit seinen eigenen Händen zu bestellen. Abends nach der Feldarbeit hat er noch Menschen kuriert, auch Araber, die in der Nähe gewohnt und mit denen sie in guter Nachbarschaft gelebt haben.
Diese Frau Givon hat Enkel. Ein Enkel dient derzeit bei der israelischen Marine. Ich stelle mir vor, Frau Givon hätte die NPD-Rede zur sogenannten Gaza-Hilfsflotte gehört. Ich stelle mir weiter vor, ihr Enkel wäre möglicherweise der israelische Marinefunker gewesen, der das türkische Schiff „Mavi Marmara“ zum Beidrehen aufgefordert und zur Antwort bekommen hätte: „Shut up, go back to Auschwitz!“. Nicht vorstellbar: Die NPD spricht vom Schurkenstaat Israel – perverser kann die Situation nicht sein.
Und so bin ich sehr froh, dass es viele Sachsen gibt, die neben den offiziellen staatlichen Beziehungen die Freundschaft zu Israel leben und pflegen.
Ich erinnere zum Beispiel an 70 sächsische Handwerker, die in diesem Jahr zum wiederholten Mal in Israel waren und Wohnungen von Holocaustopfern renoviert haben. Sie sind in ihrer Freizeit und mit eigenem Geld hinuntergeflogen. Im vergangenen Jahr haben sie in Sderot und Umgebung, wo 10 000 Raketen aus Gaza auf das Gebiet geflogen sind, die beschädigten Wohnungen und Häuser der Bewohner repariert.
Wir vergessen oft, dass gerade der Raketenbeschuss von Gaza aus auf Sderot und die umgebenden Orte sowie das immer noch Gefangenhalten des israelischen Soldaten Gilat Schalit die Gründe sind, warum die Blockade von Gaza aufrechterhalten wird.
– Ja. – Dann lassen Sie mich bitte zum Schluss drei Wünsche äußern, die mir vom Herzen kommen. Wunsch Nummer eins: Ich wünsche mir, dass dieser braune Spuk in diesem Haus endlich ein Ende haben wird.
Ich wünsche Israel „Shalom“ und seinen Nachbarn im arabischen Raum „Salam“. Das ist mehr als das Ruhen von Waffen.
Ich wünsche der gut gediehenen sächsisch-israelischen Zusammenarbeit auf kulturellem, wirtschaftlichem, humanitärem und vielen anderen Gebieten
eine gedeihliche und für beide Seiten fruchtbare Entwicklung, und ich wünsche insbesondere unserem Ministerpräsidenten mit seiner Delegation eine sehr erfolgreiche Reise.
(Langanhaltender, lebhafter Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)
Für die CDU-Fraktion sprach die Abg. Uta Windisch. – Wir setzen in der Reihenfolge der ersten Runde fort. Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Jennerjahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst meiner Vorrednerin sehr für diese eindrücklichen Worte danken. Ich denke, sie haben alle Mitglieder der
Ich möchte voranstellen, dass es sicherlich verfehlt wäre, den Beitrag der Nazis, den wir gehört haben, unnötig aufzuwerten.
(Jürgen Gansel, NPD: Kannst dich wieder setzen! – Andreas Storr, NPD: Jetzt spricht der Rechtsextremismusexperte!)
Deshalb betone ich ausdrücklich, dass ich an dieser Stelle auch für die Oppositionsfraktionen der Linken und der SPD spreche und dies als gemeinsamer Redebeitrag zu werten ist.
Offensichtlich war die Show, die die NPD hier gerade geboten hat, mal wieder nötig in einer Zeit, in der die NPD, wie wir alle wissen, in ihren eigenen Kreisen mittlerweile als verweichlicht gilt. Insofern ist das der Versuch, sich hier wieder zum Märtyrer zu stilisieren. Das wird nicht gelingen. Wir waren in der Vergangenheit von den parlamentarischen Initiativen der NPD bereits einiges gewohnt. Wir kennen auch alle die Niedertracht und Menschenverachtung, mit der sie dabei vorgeht, und wir haben uns leider auch eine gewisse Übung im Umgang mit diesen Vorkommnissen aneignen müssen.
Trotzdem gibt es immer wieder einmal Situationen, in denen die NPD Themen setzt, die noch widerlicher sind als andere. Diese Aktuelle Debatte ist dafür ein sehr eindrückliches Beispiel. Es ist ihr nämlich nur sehr mühsam gelungen, durch den Debattentitel überhaupt einen Bezug zum Sächsischen Landtag herzustellen. Außenpolitik ist schlichtweg nicht Aufgabe des Sächsischen Landtages.
Ich möchte noch einige Worte darauf verwenden, warum die NPD überhaupt so agiert. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen in der Öffentlichkeit eine zum Teil sachliche, überwiegend aber sehr emotional geführte Debatte über die israelische Politik in Gaza erleben können, und genau diese Emotionalität ist es, die sich die NPD zu eigen machen möchte. Wichtig ist, denke ich, zu betonen, dass es der NPD dabei weder um eine Aufklärung über das tatsächliche Geschehen in der Region geht; denn das hieße, sich in die komplizierte Lage in der Region hineinversetzen und sie intensiv beleuchten zu müssen. Es würde auch bedeuten, eine Diskussion über die lange Abfolge von Verfehlungen aller an dem Konflikt Beteiligten zu führen.
Genauso wichtig ist aber auch, dass es der NPD nicht darum geht, das Leid der Menschen in der Region zu betonen, das aus diesem Konflikt resultiert. Der NPD geht es vielmehr um eine einseitige Schuldzuweisung. Dass die NPD von Israel spricht, ist dabei aus meiner Sicht als Ersatzbegriff zu werten. Die NPD würde eigentlich viel lieber offen von Juden sprechen. Nur würde das auch für
die letzten Menschen in diesem Freistaat den aggressiven Antisemitismus der NPD allzu offensichtlich machen. Insofern wird mehr schlecht als recht versucht, dies zu verbergen.
Die lange Abfolge an antisemitischen Handlungen und Veröffentlichungen der NPD ist bekannt; ich verweise nur auf zwei Geschichten. Es gibt eine Schulungsbroschüre der NPD aus dem Jahr 2007 für ihre Mandatsträger, die von Herrn Jürgen Gansel verfasst wurde und die sehr ausdrucksstark sowie eindeutig antisemitisch untersetzt ist, und es ist die anbiedernde Haltung gegenüber Herrn Ahmadinedschad, einem bekennenden Antisemiten und Holocaust-Leugner.
Indem die NPD Israel als Schurkenstaat bezeichnet hat, zeigt sie, dass es ihr nicht um Kritik an der Regierung Israels geht, sondern dass sie Israel insgesamt die Legitimation als Staat absprechen möchte. Glücklicherweise ist es in der Geschichte der Bundesrepublik so, dass das Existenzrecht Israels einer der wesentlichen Grundpfeiler deutscher Außenpolitik ist. Die Gründung Israels ist eine unmittelbare Folge des von Deutschland verübten millionenfachen Massenmordes an Jüdinnen und Juden. Dieser Massenmord wurde maßgeblich geplant und umgesetzt von der NSDAP, der Partei, in deren Nachfolge ideologischer und personeller Art die NPD nachgewiesenermaßen steht.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD: Stimmt nicht!)
Es ekelt mich an, meine Dame und meine Herren von der NPD, wenn Sie sich hier in Ihrer scheinheiligen Verlogenheit hinstellen und sich als friedliebende Partei inszenieren wollen, und – auch das betone ich nochmals zum Schluss – es ist eine Schande für Sachsen und für Deutschland, dass solche Debatten hier von Ihnen angezettelt werden!
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und der Staatsregierung – Andreas Storr, NPD: Die GRÜNEN haben dem Krieg in Afghanistan zugestimmt – im Gegensatz zur NPD! Die GRÜNEN sind eine Kriegspartei!)