Protokoll der Sitzung vom 02.09.2010

(Stefan Brangs, SPD: Wo war ich denn da?)

Der Kollege Brangs hat es auch sehr stark ausgedrückt. Ich gehe dann auch noch auf Kollegen Brangs ein.

Wir haben eine positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren ist um 21 % gesunken. Darüber darf man sich übrigens auch mal freuen – darf ich in Richtung der Opposition sagen.

(Miro Jennerjahn, GRÜNE: Habe ich getan!)

Sie schütteln so lange Ihren Kopf, bis Sie wirklich noch ein Haar in der Suppe finden. Anstatt sich einmal zu freuen, dass wir solch eine positive Entwicklung haben, malen Sie hier ständig nur schwarze Bilder, bedauern sich und suchen irgendwelche Federn oder sonst etwas. Freuen Sie sich einfach einmal, dass es auf dem Arbeitsmarkt, dass es auf dem Ausbildungsmarkt so gut aussieht!

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thomas Kind, Linksfraktion: Hier geht es um politisches Handeln, nicht um Freuen!)

Wir können feststellen, dass sich die Schere zwischen denen, die eine Ausbildung suchen, und der Zahl der Ausbildungsplätze schließt. Wir haben noch 4 000 Bewerber registriert, aber auch 3 200 freie Ausbildungsplätze.

Die Zahl der unversorgten Bewerber ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel, um 30 %, gesunken. Absehbar ist – das hatten wir übrigens auch schon im vergangenen Jahr –, dass in gewissen Branchen, wie im Hotel- und Gaststättengewerbe, Stellen leider unbesetzt bleiben werden. Das wird sicherlich zunehmen.

Wir haben auch eine sehr unterschiedliche Lage in Sachsen. Wir haben Städte wie zum Beispiel Dresden, in denen es noch deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gibt, und wir haben natürlich auch das Gegenteil, wie Riesa, wo es mehr Bewerber als Ausbildungsplätze in den Bereichen gibt – wobei ich sicher bin, dass wir es auch dieses Jahr erreichen, dass jeder Jugendliche ein Angebot bekommt. Das ist die Hauptsache. Jeder Jugendliche hat die Möglichkeit oder soll die Möglichkeit bekommen, einen Ausbildungsplatz zu haben.

Er muss das natürlich selbst wollen. Auch das ist eine wichtige Entscheidung. Er muss sich anstrengen in der Ausbildung, zuvor auch in der Schule. Das gehört dazu.

Natürlich müssen die Unternehmer erkennen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man nur die Creme de la Creme der Auszubildenden genommen hat. Jetzt geht es auch darum, jemanden zu nehmen, der noch ein bisschen stärker an die Hand genommen werden muss. Man kann nicht nur die Abiturienten nehmen, sondern jetzt auch gute, fähige Mittelschüler. Ich glaube, manchmal wird einfach zu viel geklagt. Wir haben sehr viele gute junge Leute, die wirklich ausbildungsfähig sind, natürlich auch manche, die stärker an die Hand genommen werden müssen. Aber auch dort gibt es sehr gute Beispiele, gerade im Handwerk, wo dies gelingt.

Auch die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze ist gestiegen. Die „Lausitzer Rundschau“ hat gestern einen Artikel betitelt: „So viele Lehrstellen wie noch nie“. – Das ist richtig. Wir brauchen natürlich noch mehr betriebliche Ausbildungsstellen und weniger überbetriebliche. Es gibt manche Randbereiche, medizinische Fachberufe, denen es nicht anders geht, aber wir haben viele Bereiche, in denen wir wirklich mehr betriebliche Ausbildungsstellen brauchen.

Man muss sagen, dass die Personalgewinnung nicht Kernaufgabe des Staates ist, sondern natürlich in erster Linie eine Aufgabe des Unternehmers. Wer ausbildet, tut nicht nur der Gesellschaft, sondern in erster Linie auch sich etwas Gutes. Ein Unternehmer bildet nicht aus Mildtätigkeit aus, genau wie ein Bäcker nicht aus Mildtätigkeit Semmeln verkauft. Er macht das aus unternehmerischem Interesse. Er möchte Gewinn machen. Das ist vollkommen legitim. Deswegen ist jeder Unternehmer gut beraten auszubilden. Wenn es uns gelingt, dass noch mehr ausbilden, wird auch die Zahl der überbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse sinken. Im vergangenen Jahr war jeder dritte Lehrling in der überbetrieblichen Ausbildung. Das scheint mir noch zu viel zu sein. Ich glaube, hier können wir noch ein bisschen abschmelzen.

Wir hatten im vergangenen Jahr die Situation, dass jeder dritte Auszubildende aus Sachsen seine Ausbildung in anderen Bundesländern gemacht hat. Auch da wünsche ich mir natürlich, dass wir noch mehr Jugendlichen diese Möglichkeit im Freistaat Sachsen anbieten und dass diese Möglichkeit genutzt wird. Ich glaube, bei vielen ist es auch noch so, dass sie denken: In Sachsen gibt es keine Ausbildungsplätze. Diese Zeiten sind vorbei. Wir haben jetzt Ausbildungsplätze. Man kann den jungen Leuten nur sagen: Bewerbt euch bei uns in der Region! Wir haben gute Ausbildungsplätze.

Wir hatten vor sechs Jahren 18 % Arbeitslose, heute sind es noch 11 %. Das kann man nicht allein auf die Demografie schieben. Das hat etwas damit zu tun, dass wir in der Zeit der Krise die Menschen in Kurzarbeit gebracht haben. Das war nicht nur eine rote Feder, sondern eine rot-schwarze Feder.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Es gab die Arbeitsmarktreformen, die ebenfalls positiv gewirkt haben. Das war ein Bündel an Maßnahmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Krauß. – Für die Fraktion der FDP Herr Herbst, bitte.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Jetzt kommen die ganzen Vorschläge, ein Zehn-Punkte-Programm!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schön, dass Sie sich so freuen.

Ich habe den Eindruck, dass einige Redebeiträge der Opposition schon geschrieben waren, bevor der erste Koalitionsredner am Rednerpult gestanden hat – oder Sie haben nicht zugehört.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Weil wir wissen, was kommt!)

Sie haben behauptet, wir hätten gesagt, dass auf Knopfdruck mit dem Start der jetzigen Regierungskoalition ganz plötzlich alles auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Ordnung gekommen sei. Doch das haben weder Herr Heidan noch Herr Krauß noch ich jemals gesagt.

(Thomas Kind, Linksfraktion: Wir haben ein Jahr rum. Wie lange wollen Sie noch warten?)

Meine Damen und Herren! Es gibt aber einen Unterschied. Richtiges Handeln setzt die richtige Erkenntnis voraus. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen in der Linksfraktion und uns. Sie glauben immer noch, der Staat schafft Arbeitsplätze.

(Thomas Kind, Linksfraktion: Ich glaube das nicht!)

Das ist genau nicht unsere Auffassung. Wir glauben, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, meine Damen und Herren, und wir tun als Staat alles dafür, dass die Unternehmen in die Lage versetzt werden, Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Weil dem so ist, kann man auch nicht nur auf die Maßnahmen schauen, die im Bereich des Staates liegen. Natürlich müssen wir uns anschauen: Was leisten Unternehmen selbst und was leisten diejenigen, die einen vernünftigen Job haben wollen?

Es ist klar, dass sich in den nächsten Jahren die Situation dramatisch ändert. Wo es früher vielleicht zehn Bewerbungen auf eine Lehrstelle gab und ein Unternehmer relativ gut aussuchen konnte, gibt es heute noch drei oder vier Bewerbungen. Die Situation wird sich weiter verändern. Auch die Rosinenpickerei wird nicht mehr stattfin

den können. Unternehmen werden stärker auf Schulen zugehen müssen. Das passiert in der Realität ja schon, weil sie ein Eigeninteresse daran haben, ihren Berufsnachwuchs zu gewinnen.

Wir sehen auch, dass nicht nur die Jüngeren bessere Chancen haben, in Ausbildungsplätze, in Jobs zu kommen. Mittlerweile trifft das auch für die Älteren zu. Wir erinnern uns an die Diskussion über die Rente mit 67. Es ist ein Trend, den wir feststellen, dass Unternehmen zunehmend auf Ältere setzen, weil sie diese Fachkräfte brauchen.

Natürlich muss man auch realistische Ansprüche haben. Nicht für jede Ausbildungsstelle muss ein Abschluss vom Gymnasium vorliegen. Die sächsische Mittelschule bildet genau die Schüler aus, die die Fachkräfte von morgen im normalen gewerblichen Bereich sein sollen.

Herr Brangs, Sie sagen immer, dass die Mindestlöhne kommen müssen und alles regeln werden. Sie werden in den nächsten Jahren erleben, dass selbst in den Branchen in Sachsen, die nicht tarifgebunden sind und die eine gewisse Flexibilität haben, das Vergütungsniveau ansteigen wird. Das ist eine Frage des Marktes, nämlich von Angebot und Nachfrage. Dazu brauchen wir keine ver.di, das wird in Zukunft so kommen.

Meine Damen und Herren! Das heißt natürlich auch für die Schüler, dass sie umdenken müssen. Sie haben auf der einen Seite die Chance, aus mehr Angeboten auszuwählen und einen guten Ausbildungsplatz in ihrer Region zu finden. Hier gibt es sicher noch Unterschiede zwischen Ostsachsen und Dresden oder dem Erzgebirge und Leipzig. Aber diese regionalen Unterschiede gibt es auch zwischen dem Bayerischen Wald und München, wenn wir ehrlich sind.

Sich anzustrengen lohnt sich, das ist das Signal für die Schüler. Man muss sich natürlich auf den Hosenboden setzen. Ohne ausreichende Qualifikation wird man auch keine Ausbildungsstelle bekommen.

Wenn wir uns das Thema Studien- und Berufswünsche anschauen, so stellt sich die Frage der Eigenverantwortung. Natürlich kann man, weil es chic ist, sich entscheiden, Frisör, Frisöse oder vielleicht Koch zu werden. Aber wovon kann man später den eigenen Lebensunterhalt bestreiten? Da ist doch die Frage: Wo sind die gut bezahlten Jobs, beispielsweise im Ingenieurbereich, für die es sich lohnt, in diesem Land zu bleiben? Das, meine Damen und Herren, erfordert ein Umdenken. Dessen bin ich mir ganz sicher.

Ein Punkt – und da bin ich dankbar, dass ihn die Staatsregierung angesprochen hat –, über den wir auch nachdenken müssen, ist das Thema Zuwanderung. Der Innenminister und der Wirtschaftsminister haben hier eine Debatte angestoßen. Genauso wichtig, wie es ist, dass wir Studenten aus anderen Bundesländern nach Sachsen holen, weil wir hoffen, dass sie hier bleiben, ist es auch zu sagen: Wenn ihr aus einem anderen Land nach Sachsen kommt, habt ihr hier eine Chance, eine vernünftige Arbeit zu

finden. Ihr seht hier Lebensqualität. Ihr seid hier willkommen und könnt eure Heimat finden.

(Andreas Storr, NPD: Fremdarbeiter als Lohndrücker!)

Sachsen sollte ein Magnet für Leben und Arbeiten sein.

Herr Herbst, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern doch.

Herr Herbst, Sie haben gesagt, dass Unternehmen hier in Sachsen in die Lage versetzt werden, Arbeitsplätze zu schaffen, um jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, hier einen Berufseinstieg zu finden. Darauf zielen meine zwei Fragen.

Erstens. Warum finden viele junge Leute derzeit keinen Berufseinstieg in Sachsen? Viele gehen ja, gerade auch nach der Ausbildung, weg von hier.

Zweitens. Welche Maßnahmen sind seitens Ihrer Koalition geplant, um diesen Berufseinstieg für junge Leute in Zukunft zu ermöglichen?

Die Fragen hatte ich gerade beantwortet. In der Vergangenheit gab es ein Missverhältnis zwischen Lehrstellensuchenden und Lehrstellenangeboten. Das hing mit der Leistungsfähigkeit der Unternehmen zusammen. Sie waren im Schnitt kleiner und mussten aufgebaut werden. Sie hatten oftmals nicht die Kapazitäten, um auszubilden. Ausbildung kostet in einem Unternehmen natürlich auch Ressourcen. Wir sehen ja, dass sich das gerade dreht.

(Thomas Kind, Linksfraktion: 2,2 %!)