Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte vorweg sagen: Die Staatsregierung beurteilt das Energiekonzept der Bundesregierung positiv.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Oh!)

Das sollte man auch einmal sagen, weil, wenn man in einzelnen Punkten berechtigterweise Kritik übt, dies in der Öffentlichkeit nicht immer so ankommt. Wir stehen vom Grundsatz her hinter dem Energiekonzept der Bundesregierung, sind aber in einzelnen Punkten der Auffassung, dass noch Änderungen vorgenommen werden müssen. In einigen Punkten haben wir bereits Änderungen erreicht.

Ich bin in diesem Zusammenhang sehr dankbar, dass sich die Bundestagsabgeordneten der koalitionstragenden Fraktionen aus Sachsen gemeinsam mit der Staatsregierung für diese Änderungen eingesetzt haben. Ich bin auch sehr dankbar, dass sich Ministerpräsident Tillich in intensiven Gesprächen in den Gremien der CDU und auch mit der Bundeskanzlerin für die Änderungen eingesetzt und damit einen wichtigen Beitrag geleistet hat, um einen Umdenkungsprozess der Bundesregierung in einigen für Sachsen wichtigen Fragen zu erreichen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

Herr Staatsminister, Sie haben soeben ausgeführt, Sie würden hinter dem Konzept der Bundesregierung stehen. Trifft das auch für die Staatsregierung und die regierungstragende Koalition zu? Herr Krauß hat soeben festgestellt, er ist für Atomenergie, für Braunkohlenenergie und nur ergänzend für regenerative Energien. Er sieht die beiden anderen Energien also nicht als Brückentechnologie.

Die Staatsregierung hat sich in der Kabinettsitzung am Dienstag mit dem Energiekonzept der Bundesregierung befasst. Kollege Kupfer als Umweltminister und ich haben dem Kabinett einen gemeinsamen Antrag vorgelegt, in dem wir das Energiekonzept der Bundesregierung analysiert haben. In diesem Zusammenhang haben wir einige Änderungswünsche deutlich herausgearbeitet, auf die ich nachher in der Diskussion noch eingehen werde. Wir haben diese in der Öffentlichkeit gegenüber der Bundesregierung und in verschiedenen internen Beratungen mit der Bundesregierung deutlich gemacht. Daran sehen Sie, dass wir als Sächsische Staatsregierung hinter dem Energiekonzept der Bundesregierung stehen – mit eben den bereits gemachten Einschränkungen, auf die ich in meinen Ausführungen jetzt im Einzelnen eingehen werde.

Sehr geehrte Kollegen, ich möchte noch eine Bemerkung auf die Einlassungen des Kollegen Lichdi machen, die wir in der Debatte gehört haben. Lieber Kollege Lichdi, bei Ihnen habe ich manchmal das Gefühl, dass Ihre Emotionen, die Sie in die Debatte einbringen – was ja die Debatte immer belebt –, dazu führen, dass sie Ihnen den Blick auf die Fakten verstellen. Ich denke, die Fakten sollten Sie in der Debatte auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE: Welche?)

Ein wesentlicher Punkt der Staatsregierung ist es, den Wirtschaftsstandort Sachsen zu stärken und weiterzuentwickeln. Deshalb sprechen wir uns mit Nachdruck gegen eine zusätzliche Belastung der Unternehmen mit hohem Energiebedarf aus. Sowohl der Ministerpräsident als auch ich haben das in der öffentlichen Debatte bereits deutlich gemacht.

Textil-, Stahl-, Papier- und Chipindustrie sind Industrien mit hohem Energiebedarf. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze in diesen Industrien hier in Sachsen erhalten werden. Gegebenenfalls muss man in Berlin Druck machen, was wir auch getan haben.

Frau Dr. Runge, das Thema Absenkung der Spitzenausgleiche für die energieintensiven Unternehmen ist überhaupt nicht im Energiekonzept enthalten. Sie sollten es einfach mal durchlesen, dann sehen Sie auch, was wo enthalten ist. Es ist im Haushaltsbegleitgesetz enthalten. Man sollte sich eben mit den Fakten beschäftigen.

Herr Jurk, Sie haben zu Recht auf das Thema Planungssicherheit hingewiesen. Wenn Sie beim Thema Planungssicherheit die Dinge vergleichen, dann stellen Sie fest, dass ein Erzeuger von regenerativem Strom eine Planungssicherheit von 20 Jahren hat; denn er kann nach einer bestimmten, garantierten Vergütung 20 Jahre einspeisen.

Wie sieht es aber aus mit der Textil-, der Stahl- oder der Papierfabrik, die ab 01.01.2011 mit höheren Stromkosten belastet werden? Wo ist die Planungssicherheit für diese Unternehmen?

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Genau diese Planungssicherheit mahnen wir bei der Bundesregierung an. Sie haben das ja deutlich gemacht. Es geht hierbei um eine Versiebenfachung der Energiekosten im Spitzenfall. Wenn Sie 10 % Energiekosten haben und eine Versiebenfachung nehmen, dann haben Sie eine Kostensteigerung von 60 %. Das ist für die Unternehmen schlicht und ergreifend inakzeptabel und führt zu einer Verdrängung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Das lehnen wir ab.

Hier sehen Sie auch, welche Dinge wir bereits erreicht haben. Wenn Sie die Medienberichterstattung verfolgen, wird deutlich, dass die Bundesregierung an dieser Stelle nachdenkt und zu Änderungen kommen wird. Wenn Sie heute in das „Handelsblatt“ schauen, dann sehen Sie einen Bericht zu diesem Thema. Dort wird bestätigt, dass die Bundeskanzlerin am Dienstag öffentlich zugesagt hat, den Plan, energieintensive Unternehmen stärker zu belasten, noch einmal überdenken zu wollen – so der O-Ton der Bundesregierung. Daran sehen Sie auch, sehr geehrte Damen und Herren, wie erfolgreich wir als Staatsregierung und Koalitionsfraktionen in unserem Bemühen Richtung Bundesregierung bereits gewesen sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Kollege Lichdi, wenn Sie über die Arbeitsplätze reden, dürfen Sie nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern müssen sich an den Fakten orientieren. Wir können gern die Arbeitsplätze in der Erzeugung von regenerativem Strom mit den Arbeitsplätzen in der Erzeugung von Braunkohlenstrom und Atomstrom vergleichen. Das ist sachgerecht.

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP)

Ich weiß aber nicht, wie viele Arbeitsplätze dafür erforderlich sind, dass sich Windräder drehen oder dass Strom in Fotovoltaikanlagen erzeugt wird. Das ist doch deutlich weniger als beispielsweise bei der Erzeugung des Braunkohlenstroms.

(Johannes Lichdi und Eva Jähnigen, GRÜNE: Hä? – Zurufe von der Linksfraktion)

Wie viele Mitarbeiter, Herr Lichdi, müssen neben dem Windrad stehen, wenn es sich dreht?

(Eva Jähnigen, GRÜNE, steht am Mikrofon. – Zurufe der Abg. Thomas Kind, Linksfraktion, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wenn man die Debatte sachgerecht führt – –

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – weitere Zurufe)

Herr Kollege Lichdi, Sie haben die Möglichkeit, jederzeit Zwischenfragen zu stellen oder sich an der Debatte zu beteiligen. Das sind die Abläufe in unserem Parlament. Zwischenblaffen ist schlechter parlamentarischer Stil.

(Beifall bei der FDP – Sebastian Scheel, Linksfraktion: Die Parlamen- tarier beschimpfen, das gibt es doch nicht! – Zurufe von der Linksfraktion)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Unglaublich! – Zuruf: Das ist eine Aktuelle Debatte!)

Genau deshalb bin ich nach vorn gegangen. – Herr Minister, bitte nennen Sie die Zahlen der Arbeitsplätze in der sächsischen Solarindustrie und in den erneuerbaren Energien. Ich frage nach Arbeitsplätzen. Und nennen Sie die Zahl der Arbeitsplätze, die in der Braunkohlenstrom erzeugenden Industrie vorhanden sind. Dann können wir vergleichen.

Das ist genau das Thema, worum es geht. Sie vergleichen die Arbeitsplätze bei der Herstellung der Anlagen in dem einen Bereich mit den Arbeitsplätzen im Betrieb mit den anderen Anlagen.

(Thomas Kind, Linksfraktion: Die Frage war anders: Wie viele Arbeitsplätze in der gesamten Industrie, wurde gefragt! – Dr. Monika Runge, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Diese Dinge muss man einfach auseinanderhalten. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die Zahl der Arbeitsplätze in der regenerativen Industrie im Freistaat Sachsen deutlich höher ist als die Zahl der Arbeitsplätze in der Braunkohlenindustrie. Das ist vollkommen unbestritten. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber Sie können doch nicht Arbeitsplätze in verschiedenen Industriezweigen miteinander vergleichen, ohne auf der anderen Seite die Stromkosten zu berücksichtigen. Wenn ich mir anschaue, welche Arbeitsplätze im Bereich der energieintensiven Industrie vorhanden sind, muss ich überlegen, welche Arbeitsplätze unter Umständen in anderen Industrien – in der Stahlindustrie, Textilindustrie und Chipindustrie – aufgrund der hohen Energiepreise bedroht sein können. Kollege Jurk hat davon gesprochen. Das sind die Dinge, die man vergleichen und ins Verhältnis setzen muss.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Mir liegen eine Reihe von Zwischenfragen vor. Frau Dr. Runge, haben Sie Ihre Zwischenfrage aufrechterhalten? – Frau Dr. Runge würde ihre Zwischenfrage stellen und danach Herr Herbst. Wollen Sie die Zwischenfragen zulassen, Herr Staatsminister?

Gern.

Meine Frage lautet: Die Energiepreise sind für das Verhalten im Marktgeschehen immer ein wichtiges Signal. Was nehmen Sie sich konkret vor, um die Strompreise in Deutschland und vor allem in Sachsen, die ja mit die höchsten bundesweit sind, zu senken? Was wollen Sie von der Politik aus tun? Welche Möglichkeiten und Chancen sehen Sie, um von der Politik aus dort einzugreifen?

(Alexander Krauß, CDU: Vor allem Ihre Konzepte ablehnen!)

Sehr geehrte Frau Dr. Runge, ich denke, angesichts der Bestrebungen der Bundesregierung im Bereich des Spitzenausgleiches steht momentan nicht unbedingt die Frage, die Energiepreise zu senken. Unser allererstes Ziel ist es, einen Anstieg der Energiepreise durch eine Veränderung des Spitzenausgleiches zum 01.01.2011 zu verhindern. Das ist der erste Schritt.

Die von mir soeben zitierte Aussage von Bundeskanzlerin Merkel zeigt ja, dass wir in diesem Bemühen auf einem guten Weg sind. Ich habe noch einen weiteren Punkt, wo wir – –

Entschuldigung, Herr Staatsminister – –

Ich bin noch bei der Beantwortung der Zwischenfrage.

Dann, bitte, Entschuldigung.

Frau Dr. Runge hatte ja nachgefragt, welche Möglichkeiten wir für eine Senkung der Energiepreise sehen. Dafür gibt es eine ganz konkrete Möglichkeit: Regelungen im Bereich des EEG zu verändern.

Herr Jurk, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Urheberschaft des EEG bei Rot-Grün liegt. Herr Lichdi hat das auch dargestellt. Aber in diesem EEG ist eine Regelung enthalten, die gerade in Ostdeutschland zu sehr hohen Energiepreisen führt: die Regelung, dass zwar die Einspeisevergütung bundesweit bezahlt wird – also ein bundesweiter Ausgleich –, dass aber die Leitungskosten, die bei der Verbindung der regenerativen Anlagen, beim Hochtransformieren des Stromes entstehen, um den

Strom in das Netz einzuspeisen, nur im Netzgebiet weitergewälzt werden dürfen – also im Netzgebiet Ostdeutschlands; Vattenfall, jetzt 50 Hertz –, und das führt zu wesentlich höheren Energiepreisen in Sachsen als meinetwegen in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. Hier setzt sich die Staatsregierung dafür ein, dass diese Überwälzung zukünftig bundesweit möglich wird. Das wäre ein konkreter Beitrag, um die Energiepreise auch in Sachsen zu senken.

(Beifall bei der FDP)