(Interne Gespräche zwischen Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD – Antje Hermenau, GRÜNE, tritt an das Saalmikrofon.)
Herr Präsident, sehen Sie es mir bitte nach, dass ich nicht aus dem Stuhl gesprungen bin; in meinem Alter wird man langsamer. – Ich beantrage für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die Redezeit verlängert wird, nachdem die Staatsregierung ihren Redezeitanteil überzogen hat. Die Debatte ist wichtig genug, dass wir noch einmal darüber sprechen. – Danke.
Okay. Die Fraktion GRÜNE hat fünf Minuten zusätzliche Redezeit beantragt. Das ist nach Geschäftsordnung möglich. Die Fraktion GRÜNE hat diese Redezeit. Bitte, Herr Lichdi.
Herr Präsident, ich bin der Meinung, wenn eine Fraktion die Redezeitverlängerung beantragt, dann gilt das für alle Fraktionen entsprechend.
(Dr. Monika Runge, Linksfraktion, begibt sich zum Rednerpult. – Johannes Lichdi, GRÜNE, an Klaus Tischendorf, Linksfraktion, gewandt: Redet ihr jetzt, oder was? – Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Bitte!)
Sie beharren auf der Rednerreihenfolge? Wenn es nach der Reihenfolge geht, wie ist es dann mit den einbringenden Fraktionen?
Ich lasse mich gerade belehren: Wer zuerst den Antrag gestellt hat, erhält auch zuerst das Rederecht. Das wäre der Abg. Lichdi. Verehrte Frau Kollegin Dr. Runge, Sie wären die Zweite.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt, nachdem die Debatte so ausgeufert ist, etwas schwierig. Ich möchte aber doch noch einmal resümierend mein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass die Vertreter der Koalition die Debatten der letzten Jahre überhaupt nicht mitverfolgt haben; diesen Eindruck habe ich zumindest.
Herr Kollege Krauß hat im Grunde die Katze aus dem Sack gelassen: Sie sind mental immer noch auf dem Stand Ihres Energieprogramms aus dem Jahr 2004, als Sie noch Atomkraftwerke bauen und das Erneuerbare-EnergienGesetz abschaffen wollten. Auf diesem Stand sind Sie noch. Wie anders ist es zu erklären, dass Herr Krauß gesagt hat: „Wir wollen fossile Energieträger und Atom
kraftwerke. Erneuerbare Energien wollen wir als Ergänzung haben.“ Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Selbst Bundeskanzlerin Merkel hat mittlerweile verstanden, dass wir hier eine Klimakatastrophe haben. An Ihnen ist das offensichtlich total vorbeigegangen. Sie reden so, als ob wir noch im Jahr 2004 wären, als wir in diesen Landtag eingezogen sind.
Ich erinnere mich sehr gut. Ich stand hier vorn und sagte: Liebe Jungs und Mädels, wir haben ein Klimaproblem! Wir müssen etwas tun! – Die Vertreter der CDU-Fraktion haben darüber gelacht. Ich dachte eigentlich, wir seien mittlerweile weiter. Deswegen fand ich diese Debatte ziemlich spannend. Sie hat gezeigt, dass Sie die Fortschritte, die durchaus auch in dem Atomkonzept der Bundesregierung peripher vorhanden sind, noch nicht nachvollzogen haben, jedenfalls nicht mental.
Röttgen allein zu Haus, genau. – Es ist für mich erschreckend, dass Sie nicht bereit sind, auch marktwirtschaftliche Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen.
Herr Staatsminister, Sie haben das Thema CCS angesprochen; vor allem deshalb habe ich mich nochmals gemeldet. Wir haben sehr wohl beobachtet, wie der Ministerpräsident im Sommer eine Debatte – bezeichnenderweise in Hamburg – losgetreten hat. Er hat gesagt: Ja, wir wollen die CCS-Einlagerung, zur Not auch in Sachsen. – Wir alle haben uns gewundert: Was stellt er sich jetzt schon wieder vor? Bisher war uns unbekannt, dass es in Sachsen Gaslagerstätten gebe, die für CCS geeignet wären. Dann haben wir gefahndet, um festzustellen: Was ist da? Wir haben alle möglichen geologischen Fragen an der TU Freiberg gecheckt. Es ist nichts gefunden worden. Vor zwei Wochen wurde die Zaubertüte enthüllt. Das LfUG hat festgestellt: Es gibt in Sachsen keine Lagerstätten!
Herr Staatsminister, kann es sein, dass Ihre Kehrtwende in der CCS-Frage – die Bundesregierung möge bitte dafür sorgen, dass die Länder Niedersachsen, SchleswigHolstein, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unseren sächsischen Klimadreck irgendwie einlagern – daher kommt? Kann es sein, dass Sie hier eine Politik nach dem Sankt-Florians-Prinzip machen? Wollen Sie hier weiter die Braunkohlekraftwerke betreiben und das klimaschädliche CO2 ausstoßen, aber die Risiken den Leuten in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern vor die Haustür kippen?
(Volker Bandmann, CDU: Herr Lichdi, gehen Sie doch nach Hause! – Robert Clemen, CDU: Was erzählt denn der für einen Käse!)
Ich war es doch nicht! Es war doch Ihr Herr Tillich, der gesagt hat: „Wir wollen CO2 in Sachsen einlagern.“ Das war doch Herr Tillich! Ich wollte das nicht.
Dann stellt unsere Fachbehörde fest, dass das in Sachsen gar nicht geht. In dem Moment ist Herr Staatsminister Morlok der Meinung: Schaffen wir unseren Dreck lieber nach Norddeutschland! Dann ist er aus dem Sinn.
Erstens. Sie selbst rechnen nicht mehr damit, dass CCS funktioniert; sonst würden Sie dieses Thema nämlich ernsthafter behandeln.
Zweitens. Sie betreiben keine solidarische Energiepolitik. Deswegen kommen Sie auch mit den sächsischen Interessen bei Frau Merkel nicht weiter. Sie haben hier wortreich versucht, das schönzureden: „Wir haben ja unsere sächsischen Industrieinteressen gewahrt.“ Das pure Gegenteil ist der Fall! Sie haben ein paar nette Braunkohlensätze, die nichts wert sind, in das Programm geschrieben. Ich sage Ihnen: Herr Schäuble hat so wenig Geld, dass er diese Energieprivilegien der Unternehmen beizeiten kassieren wird, wenn nicht in diesem Haushaltsgesetz, dann im nächsten.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung versagt in der Energiefrage seit Jahren. Sie versagt deshalb, weil sie schlicht und ergreifend falsch aufgestellt ist und auf die falschen Energieträger setzt.
Das war der Abg. Lichdi für die Fraktion GRÜNE. – Als Nächste spricht Frau Dr. Runge für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Noch einmal zum Mitschreiben für die Koalitionsfraktionen: Erstens. Es geht nicht um irgendeinen Energiemix der Zukunft, in dem erneuerbare Energien ergänzenden Charakter haben, sondern um den Umbau des gesamten Energiesystems bis Mitte des Jahrhunderts. So steht es im Energiekonzept der Bundesregierung. Dieses Ziel teilen wir. Allerdings sind wir unterschiedlicher Meinung in Detailfragen, vor allem wenn es darum geht, wie man dorthin kommen kann.
Zweitens. Herr Morlok, dass aufgrund Ihres Nachdrucks und Ihrer Initiative ein abstraktes Bekenntnis zur Braunkohle in das Konzept hineingeschrieben wurde, wird letztlich keinen Pfifferling wert sein. Frau Kemfert, die Energieexpertin des DIW und auch Beraterin der Bundesregierung ist, hat das sehr wohl richtig erkannt, als sie gestern die brandenburgische Landesregierung aufgefordert hat, ganz schnell ein Ausstiegsszenario aus der Braunkohlenverstromung zu entwickeln. Ich kann Ihnen nur ganz dringend ans Herz legen: Tun Sie das auch! Denn Sie werden von der Zeit überrollt werden und wir werden in Zukunft dann kein Energieland mehr sein. Das wäre die Alternative.
Wir wollen aber, dass die erneuerbaren Energieindustrien hier nicht stagnieren, sondern sich weiter entfalten können. Das ist übrigens ein durch den Strukturwandel der Wirtschaft bedingtes großartiges Industriecluster, ein Spitzencluster, das neben der Chipindustrie als eines der Spitzencluster überhaupt in Ostdeutschland vorhanden ist. Das ist unsere Chance.
Herr Blum vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat es in der vergangenen Woche auf den Punkt gebracht. Er sagte: „Mitteldeutschland kann in den nächsten zehn Jahren, was die erneuerbaren Energieindustrien angeht, zum großen Wachstumsmotor bundesweit werden. Das wird regionale Wertschöpfung, neue zukunftsfähige Arbeitsplätze bringen und wir haben verdammt auch die Chance, nicht nur auf herkömmliche Industrien, wie Papierindustrie, Textilindustrie und Stahlindustrie, zu schauen, sondern wir müssen natürlich auch international unseren technologischen Wettbewerbsvorsprung im Bereich erneuerbare Industrien verteidigen, denn China schläft nicht, die USA schlafen nicht und auch Japan schläft diesbezüglich nicht. Wir wären ja schön blöde, wenn wir diesen Wettbewerbsvorsprung, den wir erreicht haben, freiwillig preisgeben würden. Das sind die Zukunftsindustrien. Machen wir uns nichts vor. Diese Zukunftsindustrie braucht eben auch eine politische Lobby und die Entscheidungen müssen heute so gefällt werden, dass die Gleise und Weichen so gestellt werden, dass dieser Umbau des Energiesystems bis Mitte des Jahrhunderts gelingt.“
Das war für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau Dr. Runge. – Nun sehe ich weiteren Redebedarf; die CDU-Fraktion mit Herrn von Breitenbuch.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei den GRÜNEN, dass wir doch noch zum Schlusswort kommen können. Es war ja eine hitzige Aktuelle Debatte, vor allem um bundespolitische Themen. Ich würde gern die Gelegenheit nutzen, meinen Einstieg jetzt noch einmal zum Ausstieg zu fassen, indem ich sage, wir wollen ein Programm entwickeln, das für Sachsen gilt, wobei wir weiterhin die Dinge, die bundespolitisch diskutiert werden, intensiv betrachten und einbeziehen müssen. Aber wir machen Politik für den Freistaat. Wir wollen genau dieses Programm mit der Aktuellen Debatte, weil es aktuell ist, einbringen. Ich denke, es ist uns gut gelungen.