Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Wenn es Ihnen wirklich darum gehen würde, verschiedene Lebensformen bzw. Lebensweisen zu unterstützen, dann dürften Sie nicht eine bestimmte Lebensform, nämlich die Ehe, weiter privilegieren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn es hierzu eine Bundesratsinitiative geben würde, dann wären wir sicherlich an Ihrer Seite.

(Volker Bandmann, CDU: Niemals!)

Okay, daran sieht man, wie ernst es Ihnen mit diesem Thema ist.

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Ich möchte noch sagen, warum ich es problematisch finde, dieses Thema im Plenum zu behandeln. Ich glaube, dass ich mit meinen beiden Vorrednern einer Meinung bin, dass das ein sehr sensibles Thema ist.

Sie haben vorhin die Männer benannt, die als Väter zum Teil sehr darunter leiden. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis auch Frauen, die sich gewünscht hätten, dass die Väter nicht unbedingt ihr Sorge-, sondern wenigstens ihr

Umgangsrecht wahrnehmen würden und regelmäßig für ihre Kinder da wären. Leider sind sie nicht da gewesen.

Deshalb geht es nicht einfach, hier mit einem solch lapidaren Antrag ins Plenum zu kommen. Ich hätte erwartet, dass wir solche Dinge im Ausschuss besprechen. Ich werde nachher einen Antrag zur Rücküberweisung des Antrages an den Ausschuss stellen.

Wir wissen, es gibt viele verschiedene Meinungen darüber, wie dieses gemeinsame Sorgerecht umgesetzt werden kann. Für die einen ist es nur die Vaterschaftsanerkennung und dadurch ein Automatismus, dass das gemeinsame Sorgerecht tatsächlich umgesetzt werden kann. Nur wenn ein Elternteil den Antrag stellt, kann das alleinige Sorgerecht eventuell einem Elternteil übertragen werden. Dazu muss es Kriterien geben. Diese tauchen in Ihrem Antrag nicht auf und darüber müsste man sich einmal austauschen.

Andere sagen, dass ein Automatismus problematisch ist. Der Deutsche Juristinnenbund und der Verband der Alleinerziehenden sagen, man müsste Kriterien entwickeln, wie dieses Recht auf elterliche Sorge entwickelt werden kann – am Kindeswohl orientiert, aber so, dass Frauen nicht wieder in die Bedrängnis kommen, bestimmte Dinge einklagen zu müssen für den Fall, dass Väter ihren Pflichten nicht nachkommen.

Falls unterstellt wird, das sind nur die Frauen: Zum Beispiel sprach der Familienrechtsexperte Horst Luthin davon, dass ein automatisches Sorgerecht problematisch ist, weil es auch Väter treffen würde, die gar kein Interesse haben oder bei denen es nur kurze Bekanntschaften waren, bzw. wenn vor der Schwangerschaft schon große Konflikte aufgetreten sind.

Man kann auch in der Praxis nachfragen; Sie haben ja einen Familienrichter in Ihren Reihen. Das eine ist die Alltagsbegleitung, das andere sind die Entscheidungen, die beim gemeinsamen Sorgerecht zu fällen sind. Sie sind von erheblicher Bedeutung. Dabei geht es um die Wahl der Schulform oder die Ausbildungsart, es geht um Operationen oder darum, dass sich ein Kind für eine Religion entscheiden will usw. Das sind sehr schwierige Angelegenheiten, deren Umsetzung in der Praxis immer ein großes Problem darstellen kann.

Deshalb würde ich mir sehr wünschen, dass wir solche Dinge im Ausschuss besprechen und dort fachgerecht über einen Antrag beraten können; denn das ist hier im Plenum mit dem relativ geringen Interesse bei Ihrer Fraktion und bei der FDP nicht umsetzbar.

Ich will trotzdem den löblichen Anspruch anerkennen. Mir geht es auch darum, Väter mit in die Pflicht zu nehmen, um ihrer Vaterrolle gerecht zu werden. Ich bitte sehr darum, dass wir über diesen Antrag, der zu lapidar und zu oberflächlich ist, hier nicht abstimmen, sondern gemeinsam im Ausschuss beraten und vielleicht dazu eine Anhörung veranstalten, um gemeinsam zu einem entsprechenden Antrag kommen zu können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Werner. Ich werde an entsprechender Stelle auf Ihren Antrag zurückkommen. – Wir setzen die Debatte fort. Für die SPD spricht Frau Abg. Neukirch. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nahtlos an meine Vorrednerin anknüpfen. Es ist ein wichtiges Thema, ein buntes Thema, ein Thema, über das wir hervorragend im Ausschuss hätten diskutieren können, zumal gerade damit begonnen wird, die durchaus komplexe Materie zu diskutieren und verschiedene Lösungsmodelle vorzustellen.

Der Antrag von CDU und FDP greift ein wichtiges Thema auf, ist aber – das muss ich feststellen – zu Beginn einfach falsch formuliert. Er fußt auf einer falschen Aussage. Die Staatsregierung, so heißt es in dem Antrag, möge sich dafür einsetzen, unverheirateten Eltern ein gemeinsames Sorgerecht einzuräumen und dieses in Punkt 1 gesetzlich zu begründen. Es gibt für unverheiratete Eltern bereits die Möglichkeit, ein gemeinsames Sorgerecht auszuüben. Dies ist geregelt in §§ 16, 26a BGB, ist aber mit einem kleinen Haken verbunden: dass eine übereinstimmende Sorgeerklärung beider Eltern vorliegen muss.

Das ist von mehreren Gerichten beanstandet worden. Meine Vorredner haben es bereits erläutert. Es ist derzeit in der gesellschaftlichen Realität nicht mehr nachzuvollziehen, dass ohne Einverständnis der Mutter für den Vater keine Möglichkeit auf ein gemeinsames Sorgerecht besteht. So weit, so gut.

Hierzu gibt es verschiedene Vorschläge. Auch da ist man beim Lesen Ihres Antrages in Punkt 2 nicht schlau geworden, welches Modell Sie damit voranbringen wollen. Sie haben das in Ihren Redebeiträgen jetzt konkretisiert. Sie möchten die sogenannte Regellösung haben, das heißt die automatische Zuteilung der gemeinsamen Sorge auch bei nicht verheirateten Paaren.

Auf eine andere Lösung werde ich später eingehen, weil auch diese Regellösung zum Teil Nachteile hat. Die Nachteile und Bedenken werden auch von der CDUBundestagsfraktion getragen. Da heißt es bei Frau Bär, dass sie unbedingt eine Prüfung des Vorhandenseins einer tragfähigen Beziehung der Eltern wünscht, weil ansonsten dem Kindeswohl mit einem gemeinsamen Sorgerecht nicht gedient ist.

Deshalb möchte ich schon jetzt auf unseren Änderungsantrag eingehen: Er widmet sich einem Vorschlag, der eine differenzierte Widerspruchslösung oder Antragslösung beinhaltet. Ein Vater kann nach Anerkennung der Vaterschaft – das ist immer Grundlage – einen Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht stellen. Diesem Antrag muss entsprochen werden, es sei denn, ein Familiengericht stellt fest, dass das dem Kindeswohl widerspricht.

Ich denke, damit ist noch einmal eine kleine Stufe eingefügt, bei der eine Prüfung des Kindeswohls im Vordergrund steht, ob das gemeinsame Sorgerecht in dieser Beziehung für das Kindeswohl das Beste ist. Die Interessen der Eltern werden aus unserer Sicht dadurch besser beachtet.

Diese Lösung ist auch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vereinbar. Prinzipiell haben die Richter nichts dagegen, dass die unverheiratete Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht erhält. Auch müsse dem Vater nicht automatisch die Mitsorge übertragen werden, sobald er seine Vaterschaft anerkennt. Das Gericht hatte nur moniert, dass es bisher gar keine Möglichkeit auf ein gemeinsames Sorgerecht gibt.

Solange Sie dies in Ihrem Antrag nicht klarstellen und der Antrag auf einer falschen Aussage beruht, kann man diesem Antrag nach unserer Ansicht nicht zustimmen. Ich wäre froh darüber, wenn Sie dem Vorschlag von Frau Werner folgen und diesen Antrag noch einmal in den Ausschuss überweisen würden. Ansonsten müssen wir diesen Antrag ablehnen.

Wichtig ist dieses Thema, denn nicht nur in Sachsen kommen immer mehr Kinder in nicht verheirateten Familien auf die Welt. Auch steigt die Zahl der Unterhaltsvorschüsse. Das haben wir schon gehört. Wir werden über das Problem weiter diskutieren müssen in dem Sinne, wie es Frau Werner bereits angesprochen hat: Stärkung der Familien im Sinne des Kindeswohls. Wir finden es auch richtig, dass man Väter mehr in die Verantwortung für Familien nehmen will. Wenn man möchte, dass sich beide Elternteile auch in schwierigen Situationen gemeinsam um ihre Kinder kümmern, dann muss man auch den Vätern Rechte einräumen, damit sie dieser Verantwortung nachkommen können. Das ist richtig und wichtig.

Ich wünschte mir mehr von diesem gleichstellungspolitischen Engagement der CDU, wenn es um die Gleichstellung von Frauen in anderen Bereichen geht.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Bei der Gleichstellung in der Familie stehen wir dafür, die Väter zu stärken. Ohne Frage – dabei muss man sie unterstützen. Wir sehen aber auch, dass gerade im Bereich des Arbeitslebens vor allem die Frauen benachteiligt sind. Es geht darum, strukturelle Benachteiligungen für Frauen abzubauen. Dafür wünschen wir uns ebenso offensive Vorschläge wie jetzt bei diesem Antrag. Das Ganze ist in Deutschland ein langer Prozess. Im europäischen Vergleich haben wir viel Nachholbedarf.

Der von uns im Änderungsantrag vorgeschlagene Weg ist aus unserer Sicht für das Kindeswohl auf der derzeitigen Basis der bessere. Ich plädiere dafür und bitte Sie um Ihre Zustimmung. Ansonsten müssten wir Ihren Antrag und das wichtige Anliegen, die Väter zu stärken, ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Neukirch. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann mich nahtlos an die Vorträge meiner beiden Vorrednerinnen anschließen. Wir teilen die Intention Ihres Antrages, die Diskriminierung von Vätern, die derzeit Praxis ist, weil Väter das Sorgerecht nicht erlangen können, wenn die Mutter dem nicht zustimmt, abzuschaffen.

Allerdings ist Ihr Antrag viel zu oberflächlich, um diese Diskussion, die auf allen Ebenen derzeit zu dem Thema stattfindet, in ausreichender Weise widerzuspiegeln. Er ist zu eindimensional, um dem Thema gerecht zu werden.

Ich möchte eine etwas andere Position einnehmen, und zwar vom Kind aus gesehen. Sie wissen, das Bild vom Kind hat sich verändert und Kinder gelten nicht mehr als Objekte der Fürsorge, sondern durchaus als Subjekte mit eigenen Rechten. Schon deshalb kann allein der Umstand, dass sich Eltern als Paar trennen, nicht ausreichend dafür sein, sie aus der elterlichen Verantwortung zu entlassen – egal, ob es um Vater oder Mutter geht.

Dem hat die Kindschaftsreform im Jahr 1998 schon Rechnung getragen. Auch die Ratifizierung der UN-Konvention für die Rechte des Kindes hat dazu beigetragen, dass in Deutschland ein Umdenkungsprozess in Gang gekommen ist. Das Familienbild, das wir in der Vergangenheit hatten, hat dazu beigetragen, dass das Sorgerecht bisher nicht reformiert wurde – mit den benannten Folgen für die Väter.

Wir sind der Meinung, dass wir das dringend reformieren müssen, aber Ihrem Antrag, der von einem automatischen gemeinsamen Sorgerecht der Eltern ausgeht, können wir nicht zustimmen, und das teilen wir auch nicht.

Auch in GRÜNEN-Gremien ist in der letzten Zeit über dieses Thema sehr kontrovers diskutiert worden und wir haben jetzt einen Stand erreicht, auf den wir uns geeinigt haben. Das möchte ich Ihnen einmal vorstellen. Wir wollen die gemeinsame Sorgetragung auch durch die Väter ermöglichen und die Ungerechtigkeit und Diskriminierung beseitigen. Das erfolgt nach unseren Vorstellungen derzeit am besten und am einfachsten mit einer Mitsorgeerklärung per Antrag. So kann man verhindern, dass Väter sorgeberechtigt werden, die gar kein Interesse daran haben.

Und es gibt Väter, die von Anfang an überhaupt kein Interesse an der Erziehung, an dem Umgang und an der Sorge für ihr Kind haben. Das zeigt sich an den schon zitierten Zahlen zum Unterhalt. Dass Väter so oft den Unterhalt schuldig bleiben, spricht nicht dafür, dass sie besondere Bemühungen anstellen.

Wir wollen, dass ein Mitsorgeantrag möglich ist, und zwar beim Jugendamt. Das ist eine niedrigschwellige Möglichkeit; bisher ist das nur beim Familiengericht möglich. Wir wollen, dass die Eltern beim Jugendamt

diese Mitsorge beantragen können. Das können sowohl Vater als auch Mutter tun, und das Jugendamt informiert den jeweils anderen Elternteil und setzt eine achtwöchige Widerspruchsfrist. Erfolgt in diesem Zeitraum kein Widerspruch und liegen dem Jugendamt keine Erkenntnisse über eine Kindeswohlgefährdung vor, wird das gemeinsame Sorgerecht erteilt. Nur wenn widersprochen wird oder Erkenntnisse zur Kindeswohlgefährdung vorliegen, müsste das Familiengericht über einen solchen Antrag entscheiden.

Ich sage es noch einmal ganz ausdrücklich: Dieses Verfahren steht auch Vätern offen – bei Ihnen ist das der Punkt 3 –, deren Kinder vor dem Inkrafttreten der Regelung geboren worden sind.

Ich habe ein Problem mit Ihrem Antrag, wenn in Punkt 2 steht, das gesetzliche Widerspruchsrecht der Mutter ist nur vorgesehen, wenn die gemeinsame Sorge nicht dem Kindeswohl entspricht. Die Familiengerichte werden sich bedanken, wenn so etwas in dieser lapidaren Art und Weise abgehandelt wird, weil sie dann regelmäßig darüber entscheiden müssen, was dem Kindeswohl entspricht und was nicht.

Wie meine Vorrednerinnen schon gesagt haben, müssen wir vielfältige Möglichkeiten zur Unterstützung von Müttern und Vätern anbieten. Wir können nicht einfach so eine Gesetzesänderung vornehmen und meinen, das wird sich schon regeln. Wir haben Erfahrungen mit dem Umgangsrecht und wir haben die Erfahrung, dass es dabei jede Menge Konflikte gibt. Deshalb regen wir und auch unsere Bundestagsfraktion an, dass es eine Evaluierung des Umgangsrechts gibt und dass die nächsten Schritte nach einer Evaluierung vorgenommen werden – über die Vorschläge, die ich Ihnen dargestellt habe, hinaus.

Außerdem sind, wenn wir neue Regelungen einführen wollen, auch mehr Beratungs- und Unterstützungsangebote oder Elterntrainings bereitzuhalten und auszubauen, die die Einigung leichter machen und die in Konfliktsituationen die Eltern unterstützen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

Nicht zuletzt ist die Familienförderung insgesamt zu reformieren. Es ist eben so, dass alleinerziehende Eltern – es sind in der Regel Frauen – nach wie vor große Schwierigkeiten haben, wenn sie in ihren Beruf zurückkehren wollen, weil es nicht genügend Kindertagesplätze gibt, vor allem für die Unter-Dreijährigen.

Natürlich kann die Situation, dass sich Väter und Mütter über das Sorgerecht nicht einig sind, immer auch als Zwangsmittel missbraucht werden. Das können sowohl Väter als auch Mütter tun. Die derzeitige Situation zeigt aber, dass eher Mütter diejenigen sind, die Schutz vor Gewalt suchen. Wir müssen diesen Schutz vor Gewalt ausbauen, wenn wir weitere Schritte gehen wollen.