Nun zu dem Vorschlag an sich. Es ist Ihr Plan, mehr junge Lehrer an die Schulen zu bringen, das Lehramtsstudium kürzer, praxisnäher und attraktiver zu machen. Dazu muss ich sagen, hinsichtlich der Zielgenauigkeit Ihres Vorschlags ist dies ein Schuss aus der Hüfte. Ich möchte Sie erinnern, Herr Wöller: Sie haben gerade bei der Debatte um die Schulreform in Hamburg ein Zitat dahin gehend gebracht – das Sie jetzt in Bezug auf die Debatte innerhalb der CDU wiederholt haben –, dass das Wichtigste im Bildungsbereich für Sie Kontinuität ist. Ich kann diese Kontinuität bei Ihnen in keiner Weise entdecken, denn Ihr Handeln im Bildungsbereich pendelt zwischen Ausharren und Aussitzen auf der einen Seite und wildem Aktionismus auf der anderen Seite.
Um einfach einmal anzuschauen, was im Bereich Bildung im letzten Jahr passiert ist: Was hat es mit Kontinuität, mit Beständigkeit und mit Konsequenz zu tun, den in einem schmerzhaften Prozess ausgehandelten Schulfrieden durch massiven Mitwirkungsentzug in diesem Schuljahr zu torpedieren? Heute lese ich in der Zeitung, dass Sie das komplett wieder zurücknehmen und den Schulfrieden wieder einführen.
Was hat das mit Kontinuität zu tun, wenn der Haushaltsvorschlag war, die freien Schulen bis an den Rand des Ruins zu bringen und das dann ein oder zwei Monate später nach einem massenhaften Protest wieder komplett zurückzunehmen?
Mit Ihren Vorschlägen verunsichern Sie massiv die Eltern, Sie bringen die Lehrer gegen sich auf und Sie bringen auch die Schulträger, die freien Schulträger und die Kommunen, teilweise bis an den Rand der Verzweiflung.
Jetzt dieser Vorschlag zur „Reform“ der Lehramtsausbildung. Frau Stange hat sehr breit die fachlichen Hintergründe an den Hochschulen ausgeführt.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie stellen auch die Opposition vor ein richtig großes Problem, indem Sie aller Vierteljahre eine neue Sau durchs Dorf treiben und wir uns überhaupt nicht mehr adäquat darauf einstellen können, was im Bildungsbereich passiert.
Gott sei Dank geht es nicht darum, dass wir irgendwie zustimmen oder ablehnen müssen. Ich denke, durch meine Rede ist deutlich geworden, was die GRÜNEN von Ihrem Vorschlag halten.
Für die GRÜNEN sprach die Abg. Giegengack. Als Nächstes ist die NPDFraktion mit dem Abg. Gansel an der Reihe.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal soll im Freistaat die Lehrerausbildung reformiert werden. Vordergründig geht es darum, die Lehramtsstudiengänge der jeweiligen Schulart anzupassen und die Praxisanteile der Ausbildung zu erhöhen.
Ich erinnere daran, dass erst im Jahr 2006 im Zuge des von der Europäischen Union diktierten Bologna-Prozesses die Bachelor- und Masterabschlüsse eingeführt worden sind. Nur vier Jahre später soll nun die Lehramtsausbildung wieder mit einem Staatsexamen abschließen und somit das europäische Hochschulexperiment minderqualifizierender Einheitsabschlüsse de facto beerdigt werden.
Die NPD sieht sich durch die Kehrtwende der Staatsregierung voll und ganz bestätigt, ist doch die NPD die einzige Landtagspartei, die sich seit 2005 konsequent gegen die Zerstörung der deutschen Hochschullandschaft mit ihren bewährten Studieninhalten und Studienabschlüssen ausgesprochen hat. Die Neueinführung eines schulartspezifischen Staatsexamens sowie kürzerer Studien- und Referendariatszeiten ist bereits für das Wintersemester 2011 geplant. Hintergrund dieser Reform der Reform ist, dass Sachsen in den nächsten Jahren mit einem massiven Lehrernotstand insbesondere an Grund- und Mittelschulen zu kämpfen haben wird. Deshalb soll eine „Präzisierung der Studieninhalte“ die Regelstudienzeit für zukünftige Grundschullehrer auf acht Semester und für zukünftige Mittelschullehrer auf neun Semester verkürzen.
Mit einer bloßen Verkürzung der pädagogischen Ausbildung ist dem absehbaren Lehrermangel in Sachsen aber nicht abzuhelfen. Er ist die Folge schwerer politischer Versäumnisse der Herrschenden in bevölkerungspolitischer, wirtschaftspolitischer und hochschulpolitischer Hinsicht, und in Sachsen sind es die Versäumnisse der ewigen Staatspartei CDU. Die CDU ist wegen politischer Unterlassungssünden in den letzten 20 Jahren für den Geburtenmangel und die Abwanderung der Jugend zumindest mitverantwortlich zu machen. Wegen familienpolitischer Versäumnisse brachen seit 1990 die Geburtenzahlen massiv ein und wegen Massenarbeitslosigkeit und Niedriglöhnen wanderten in den letzten 20 Jahren Hunderttausende Sachsen aus ihrer Heimat aus.
Dieser personelle Aderlass schlägt natürlicherweise auch auf die Zahl der Lehramtsstudenten durch. Aber im Frühjahr 2011 haben wir dank Ihrer EU-Hörigkeit die völlige Arbeitnehmerfreizügigkeit für Osteuropäer, die dann für reichlich Niedriglohnkonkurrenz auf dem sächsischen Arbeitsmarkt sorgen werden. Und Überfremdungspolitiker wie Tillich und Ulbig werden dann noch auf die närrische Idee kommen, an den pädagogischen Instituten der Universitäten tschechische und polnische Seminare einzurichten, damit dem Lehrermangel an sächsischen Hochschulen mit Marek, Jaroslaw oder Wojtech abgeholfen werden kann.
Die erneute Reform des Lehramtsstudiums zeigt, dass selbst die Sächsische Staatsregierung den von der EU aufgezwungenen Bologna-Prozess mittlerweile für gescheitert hält, und das sicherlich nicht nur im Bereich der Lehrerausbildung.
Zum Wahnsinnsprojekt eines gleichgeschalteten europäischen Hochschulraums, das die europäischen Bildungsminister 1999 in Bologna beschlossen haben, habe ich bereits vor fünf Jahren für die NPD-Fraktion alles Notwendige gesagt. Ich könnte meine Widerrede zum Bologna-Prozess vom 8. Dezember 2005 hier und heute mit jeder Silbe wieder so halten.
Während die anderen Landtagsparteien das Hochschuldiktat aus Brüssel unkritisch durch den Landtag gepeitscht haben, wandte sich nur die NPD gegen den folgenschweren Angriff auf die deutsche Hochschultradi
tion. Wir warnten – Sie können es in sämtlichen Landtagsprotokollen nachlesen – bereits vor vier Jahren, dass der Bachelor nicht berufsqualifizierend sein wird und dass es zu einer Fixierung auf bloße Zahlen und Statistiken kommen wird. Wir warnten vor universitären Qualitätsverlusten. Wir warnten davor, dass der Wettlauf um internationale Konkurrenzfähigkeit zum bloßen Selbstzweck wird und dass Bildungsfabriken europagenormte Schmalspurakademiker schaffen, die kaum Anschluss an das Berufsleben finden können.
In Sachsen hat man dies – zumindest teilweise – erkannt. So behielt die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden die traditionellen deutschen Hochschulabschlüsse bei, und der Rektor der TU Dresden, Prof. MüllerSteinhagen, kündigte kürzlich die Rückkehr zum Diplomingenieur an.
Die Leidtragenden dieser chaotischen Reformpolitik sind die Studierenden, die keine berechenbaren Studienbedingungen, Studieninhalte und Studienabschlüsse mehr vorfinden, weil die Herrschenden jetzt erst einmal damit beschäftigt sind, den Scherbenhaufen von Bologna zusammenzukehren. Das alles hätte man den Studierenden ersparen können, wenn deutsche Politiker vor vielen Jahren den Schneid gehabt hätten, sich der hochschulpolitischen Fremdbestimmung aus Brüssel zu verweigern und das bewährte deutsche Hochschulsystem zu verteidigen.
Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Gansel. – Wir treten jetzt in die nächste Runde ein. Die Staatsregierung hat in dieser ersten Runde keinen Redebedarf angemeldet. Wir beginnen wieder mit den einbringenden Fraktionen. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Schreiber. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn man die Debatte hier im Haus bis jetzt verfolgt hat, dann hat man das Gefühl, die Welt beginnt heute.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie an den 28. April 2010 erinnern. Da haben wir hier im Haus über zwei Anträge der Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE diskutiert unter den Titeln „Lehramtsausbildung an der TU Dresden fortführen“ bzw. „Lehramtsstudium sofort absichern und ausbauen, Lehrkräftemangel vermeiden“.
Begleitet wurden unsere Diskussionen hier im Haus durch eine Demonstration einiger Hundert Studierender, vor allem Lehramtsstudenten. Nachdem ich dachte, dass wir uns in dieser Debatte über die Notwendigkeit der Reform des Lehramtsstudiums einig gewesen sind, finde ich es schon sehr spannend, wie heute so getan wird, als wäre das nie ein Thema gewesen.
Meiner Meinung nach war es Konsens, dass wir eine grundsätzliche Neuausrichtung des Lehramtsstudiums
brauchen, dass sich die Umstellung auf Bachelor und Master und die damit eingeführte Polyvalenz in diesem Bereich des Lehramtsstudiums definitiv nicht bewährt haben, dass wir eine Konzentration auf die Fächerkombination benötigen und dass wir vor allen Dingen mehr Didaktik, pädagogische Ausbildung und Praktika in den Vordergrund rücken sollten. Ich finde es, wie gesagt, sehr spannend, dass das alles heute kein Thema mehr sein soll.
Das SMWK und das SMK haben nun die Reform auf den Tisch gelegt. Wenn Sie sich beschweren, dass am 18. Oktober in den Ausschüssen darüber noch nicht berichtet worden ist, dann sollten Sie vielleicht auch richtig Zeitung lesen. Denn dann hätten Sie gefunden, dass beide Minister erst am 19. Oktober vom Kabinett für diese Eckpunkte der Reform grünes Licht bekommen haben.
Nun liegen die Vorschläge auf dem Tisch. Mein Kollege Prof. Schneider hat schon sehr umfangreich dazu Stellung genommen. Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den schulpraktischen Teil der Lehramtsausbildung beschränken.
Wir werden die einzelnen Studiengänge künftig stärker auf die unterschiedlichen beruflichen Anforderungen ausrichten. Das soll dazu dienen, dass die Ausbildung viel besser als bisher auf den eigentlichen Beruf des Lehrers vorbereitet. Deshalb ist es auch falsch – Herr Prof. Besier und Frau Dr. Stange, Sie sollten, wenn Sie Zeitung lesen, dann die Artikel auch richtig zur Kenntnis nehmen –, dass wir einfach nur ein Referendariat bzw. das Lehramtsstudium im Grundschulbereich verkürzen, sondern wir haben klipp und klar gesagt – und das ist bei den Ausführungen beider Minister deutlich geworden –, dass das erste Studienjahr, also das erste und das zweite Semester, dazu dienen sollen, eine Orientierungsfunktion zu haben. Innerhalb dieser Orientierungsfunktion sollen Eignungstests stattfinden: Bin ich als Student später überhaupt einmal in der Lage, als Lehrer zu arbeiten? Es sollen verstärkt schulpraktische Studien bzw. Praktika in diesem Bereich stattfinden.
Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir im Anschluss das Referendariat auf ein Jahr verkürzen können.
Zum Lehramtsstudium haben Sie, Frau Dr. Stange, im April 2010 etwas gesagt, was ich gern zitieren möchte. Vielleicht sollten Sie sich Ihre Wortbeiträge im Vorfeld einer solchen Debatte immer wieder einmal anschauen. Sie sagten damals: „Das Lehramtsstudium ist in Dresden zu erhalten, nicht erst in zwei oder drei Jahren.“ Richtig, wir machen es innerhalb eines Jahres.
Frau Dr. Stange, Sie hätten es eher haben können – damit wiederhole ich meine Aussagen vom April –, denn Sie waren hier Staatsministerin. Was Frau von Schorlemer, was Herr Prof. Wöller binnen eines halben Jahres auf den Tisch gelegt haben, haben Sie in zwei Jahren nicht geschafft.
Fakt ist, dass wir ab 2011/2012 wieder in Dresden ein Lehramtsstudium für die drei Bereiche Grund-, Mittelschule und Gymnasium anbieten werden. Das erhöht nicht nur die Attraktivität dieses Studiums bzw. der TU Dresden, sondern gewährleistet auch die Studierbarkeit für jeden Studenten. Entscheidend dabei ist, dass wir damit auch die Angst berücksichtigen, dass mit nur einem Standort – in Leipzig – weniger Schulen für die schulpraktischen Studien zur Verfügung stehen würden.
Herr Kollege Gerstenberg, Sie haben im April gesagt: „Wir brauchen eine gemeinsame Kampagne von Freistaat und Universitäten für die Wertigkeit des Lehrerberufs.“ Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Im Rahmen der Diskussion um die freien Schulen ist das staatliche Schulsystem schlechtgeredet worden. Fangen wir also erst einmal damit an, unser staatliches Schulsystem nicht immer madig zu mchen und schlechtzureden, dann gibt es auch eine Chance, dass Studenten freiwillig wieder den Lehrerberuf wählen. Wenn wir damit anfangen, dann brauchen wir weder eine Kampagne noch eine komplett neue Schulreform,