Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Homann. – Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schütz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! An meinen Vorredner Herrn Kollegen Homann gerichtet: Es gibt noch Leute, die glauben, wer schreit hat recht. Mein Sohn ist dreieinhalb, der glaubt da auch noch dran. Vielleicht könnten Sie sich der Parlamentsatmosphäre etwas besser anpassen.
Das Thema der Aktuellen Debatte ist sehr gut gewählt. Mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung ist in
Deutschland bürgerschaftlich engagiert. Millionen Menschen investieren ihre Kraft und Kreativität, vor allem aber ihre Zeit in die ehrenamtliche Arbeit, zum Beispiel bei Kinder- und Jugendmannschaften, bei der Begleitung und Unterstützung von Senioren, bei den Diensten in der Freiwilligen Feuerwehr, aber auch bei der Elternarbeit und – das dürfen wir im Parlament auch sagen – beim Ehrenamt in Parteien und Wählergemeinschaften.
Im Bundesdurchschnitt wenden Engagierte circa 16,2 Stunden im Monat für freiwillige Arbeit auf. Das ist ein wichtiger Beitrag für unser Miteinander in der Gesellschaft. Dafür darf ich an dieser Stelle allen Ehrenamtlern ein herzliches Dankeschön sagen.
Aber, das bringt die Zeit nun mal mit sich, das Engagement wird zunehmend individueller, der Lebensplanung angepasster. Während es früher den Kassenwart mit 25jähriger Amtsinhabung gab, kümmern sich die heute freiwillig Engagierten vermehrt um konkrete lösungsorientierte Themen, aufgaben- und zeitbegrenzt. Diese Möglichkeit besteht seit mehr als 20 Jahren, und es ist ein großer Verdienst, sich in dieser Gesellschaft in allen Bereichen engagieren zu dürfen. Es lässt sich aber vom Staat nicht anordnen. Politik kann dazu beitragen, muss dazu beitragen, das Ehrenamt zu fördern. Genau das tut der Freistaat.
Es gibt belegte Untersuchungen, dass die Bereitschaft der Menschen, sich unentgeltlich zu engagieren, mit dem Rückzug des Sozialstaates sinkt. Das heißt, die Bürger fühlen sich aus Kostengründen ausgenutzt. Um genau dem entgegenzutreten, hat der Freistaat seine Haushaltsaufstellung entsprechend angepasst. Ich darf Ihnen sagen, dass wir uns innerhalb der Koalition an der einen oder anderen Stelle deutlich zu Wort gemeldet haben, damit die Tatsächlichkeiten im Freistaat anerkannt werden. Nun kennen Sie mich eher als jemanden aus der Praxis und als aufmerksamen Zuhörer und nicht unbedingt als jemand, der lautstark vorträgt und dem das als Karriereförderung dient. Ich fühle mich in erster Linie als Volksvertreter und nehme ein ganzes Stück diese Wirklichkeit an.
Sie haben das lokale Kapital für soziale Zwecke schon angesprochen, den „Alltagsbegleiter“ oder das Programm „Pack dein Leben an“, „Anstoß 50 plus“, um nur noch einmal ein paar einzelne Fördermöglichkeiten zu nennen. Auf „Wir für Sachsen“ ist Herr Krauß schon deutlich eingegangen. An die Kollegen von der SPD und der LINKEN gerichtet: Wenn man die Engagementquote in den Regionen Deutschlands vergleicht, gibt es Schwankungen. Im untersten Fünftel allerdings befinden sich die Bundesländer, die SPD- und linksregiert sind, nämlich Brandenburg und Berlin. Hier gilt es, bevor man laut schreit, die eigenen Hausaufgaben zu machen. Wir in Sachsen haben große Aktivitäten vorzuweisen.
Auch die ideelle Anerkennung halte ich für einen sehr wichtigen Punkt; denn viele, die sich ehrenamtlich engagieren, treten nicht an, um dafür Geld zu bekommen, sondern sie sehen die Problemlagen in ihrem eigenen Umfeld und engagieren sich dort. Auf die Auszeichnung mit der Annen-Medaille ist bereits eingegangen worden. Ich möchte deutlich dem Eindruck entgegentreten, der manchmal entsteht, dass ehrenamtliche Arbeit nur von Personen verrichtet wird, die außerhalb des Arbeitsprozesses stehen. Aber der Personenkreis, der sich zu drei Vierteln unentgeltlich und ohne Aufwandsentschädigung engagiert, findet sich in allen Alters-, Bevölkerungs- und Einkommensschichten. Darauf können wir im Freistaat sehr, sehr stolz sein. Am 5. Dezember ist wieder internationaler Tag des Ehrenamtes unter dem Motto „Engagement steckt an“. Ich bin ehrenamtlich in einem Vereinsvorstand. Ich rufe Sie auf, dasselbe zu tun. Zeigen Sie unseren Mitbürgern Ihr Engagement.
Für die FDP-Fraktion sprach die Abg. Schütz. – Als Nächster spricht für die Fraktion GRÜNE Herr Jennerjahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über die Auswirkungen der Kürzungsorgien seitens der Staatsregierung für das Ehrenamt haben wir uns bereits Ende März in diesem Hohen Haus unterhalten. Und täglich grüßt das Murmeltier. Nun haben wir uns ein Stück weiterbewegt, selbstverständlich nicht inhaltlich, aber zumindest sind wir zeitlich sieben Monate vorwärts gekommen. Ich möchte sagen, wenigstens etwas Bewegung in diesem Freistaat. Leider hat sich die Situation für das bürgerschaftliche Engagement in dieser Zeit nicht verbessert, ganz im Gegenteil.
Ja, gefördert wird das bürgerschaftliche Engagement in Sachsen. Bleibt es bei der gegenwärtigen Haushaltsplanung für die nächsten beiden Jahre, nämlich mit deutlich weniger Mitteln als in der Vergangenheit? Ich brauche die lange Liste nicht noch einmal aufzuführen. Das haben die Kollegin Werner und der Kollege Homann bereits getan. Das bedeutet aber auch, dass wir auf eine sehr unsichere Perspektive für Menschen und auch Institutionen zugehen, was das Ehrenamt betrifft.
Damit komme ich zu der Frage, die auch im Titel der Aktuellen Debatte angelegt ist: Wie sieht es eigentlich mit dem Thema Wertschätzung von bürgerschaftlichem Engagement aus? Da erwarte ich, Frau Staatsministerin Clauß, dass Sie – wie schon im März – wiederum auf die ganzen Auszeichnungsveranstaltungen verweisen werden, wie zum Beispiel die Aids-Medaille, die Annen-Medaille oder auch den Generationenpreis, die zum Teil heute schon eine Rolle gespielt haben. Das sind alles wichtige Veranstaltungen, um Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement zu würdigen. Wertschätzung hingegen meint
Frau Staatsministerin, im März haben Sie bürgerschaftliches Engagement „als die demokratische gesellschaftliche Selbstorganisation unabhängig vom Staat“ bezeichnet. Daran anschließend haben Sie sich zu der steilen These verstiegen, der Staat könne das überhaupt nicht verhindern. Danach haben Sie uns einige rührselige Geschichten über eine Judotrainerin erzählt, über Eltern, die Fußballtrikots waschen, und Menschen, die Frösche zählen. Damit haben Sie ganz großartig am Thema vorbeigeredet, weil Sie schlichtweg nicht verstanden haben, welche Bedeutung bürgerschaftliches Engagement für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen hat.
Eines ist an der Stelle selbstverständlich wichtig. Bürgerschaftliches Engagement werden selbst Sie nicht ganz verhindern können, aber massiv beschädigen. Darauf steuern wir zu, nämlich wenn Bürgerinnen und Bürger oder auch Institutionen nicht ernst genommen und nicht als Gleiche, sondern als Untertanen behandelt werden. In dieser Hinsicht fällt insbesondere Ihr Ministerium immer wieder negativ auf. Ich erinnere an die überraschenden und vor allem finanziell völlig unnötigen Kürzungen im Bereich der Jugendpauschale im März dieses Jahres oder auch an das Förderprogramm TAURIS, das heute bereits eine Rolle gespielt hat. Auch hier wurden die Projektpartner vor vollendete Tatsachen gestellt. Es wurde kein Dialog gesucht.
Damit bin ich beim eigentlich entscheidenden Thema angelangt: dass es nicht ausreicht, die Wichtigkeit von bürgerschaftlichem Engagement in Sonntagsreden zu lobpreisen, sondern Sie müssen schon in der Realität entsprechend handeln. Genau das tun Sie derzeit nicht. All das ist nicht geeignet, das Vertrauen in Politik zu stärken. Das hat fatale Konsequenzen. Wenn wir einen Blick auf eine aktuelle Studie „Die Mitte in der Krise“ der Friedrich-Ebert-Stiftung werfen, zeigt sich dort ein dramatischer Vertrauensverlust der Menschen in Politik, insbesondere in Ostdeutschland. 93 % der Ostdeutschen stimmen der Aussage zu: Ich halte es für sinnlos, mich politisch zu engagieren. Lediglich 32 % stimmen der Demokratie der Bundesrepublik zu, so wie sie derzeit funktioniert. Wir haben es hier mit dramatischen Werten zu tun. Diesen Vertrauensverlust kann man nur dann verändern, wenn man Menschen ernst nimmt und sie wertschätzt.
An dieser Stelle muss ich leider noch einmal betonen – das habe ich auch schon im März hervorgehoben –: Die Staatsregierung hat in der Vergangenheit Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zur Zukunft des bürgerlichen Engagements aus dem Jahr 2001 nicht ernst genommen. Da gab es auch für Sachsen ganz konkrete Handlungsempfehlungen, die vor allem auf eine Förderung von Infrastruktur hinausliefen, um Engagement
nachhaltig abzusichern. Da gab es die Beispiele Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros oder auch Freiwilligenagenturen. Wenn ich jetzt einen Blick auf den kommenden Doppelhaushalt werfe, ignoriert die Staatsregierung auch weiterhin diese Handlungsempfehlungen.
Insofern erwarte ich, Frau Staatsministerin Clauß, dass Sie auch heute leider wieder am Thema vorbeireden werden, getreu dem Dialog aus dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: „Haben Sie manchmal Déjà-vu?“ – „Ich glaube nicht, aber ich kann ja einmal in der Küche nachfragen.“
Das war der Abg. Jennerjahn für die Fraktion GRÜNE. Als Nächster spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Storr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Thema ist leider immer auch sehr stark dazu geeignet, Allgemeinplätze zu belegen. Sicherlich, das Ehrenamt ist wesentlich für das Funktionieren eines Gemeinwesens. Aber ich denke mir – da waren in der Tat auch die Beiträge der linken Parteien sehr hilfreich zum Verständnis – Ehrenamt ist eben Ehrenamt. Interessant war, dass hier gesagt worden ist, dass man offenbar hinter dem Ehrenamt auch noch eine Notwendigkeit für eine hauptamtliche Tätigkeit sieht. Das, glaube ich, ist das eigentliche Anliegen der Antragsteller, nämlich die hauptamtliche Tätigkeit. Hier muss man auch einmal kritisch feststellen, was denn eigentlich diese Hauptamtlichkeit ausmacht und weshalb die LINKEN so darauf pochen. Ich halte doch das Thema „Ehrenamt und bürgerliches Engagement“ schon für eine Nebelkerze. Ich glaube, dass es hier tatsächlich darum geht, Hauptamtlichkeit weiter aufrechtzuerhalten, weil ja bekanntermaßen das politische linke Milieu sehr stark in den sogenannten Sozialarbeiterbereichen verankert ist und es letztlich hier in diesem Lande auch so etwas wie eine Sozialarbeitermafia gibt, so möchte ich es hier einmal ganz klar beim Namen nennen,
Ich will an dieser Stelle auch einen Aspekt nennen, der doch interessanterweise noch gar nicht zur Sprache kam: dass nämlich ehrenamtliche Tätigkeit, die ansonsten allgemein immer so erwünscht wird, dann doch wohl ihre Grenzen findet, wenn gegen gewisse Gesinnungsmaßstäbe verstoßen wird. Dafür gibt es ja in der letzten Zeit einige Beispiele: in Sachsen die Schöffin Ines Schreiber, die noch nicht einmal selbst NPD-Mitglied ist, deren Ehemann aber der NPD angehört und gleichzeitig NPDKreisrat ist, die aufgrund eines Verdachts, noch nicht einmal, weil man ihr etwa konkrete politische Äußerungen vorwerfen konnte, sondern nur weil sie die Ehefrau
eines NPD-Kreisrates ist, plötzlich nicht mehr geeignet sein soll, das Ehrenamt einer Schöffin wahrzunehmen.
Ein weiteres Beispiel aus Sachsen-Anhalt: Dort gibt es den Bezirksschornsteinfeger Lutz Battke. Auch er ist nicht Mitglied der NPD, aber er ist ehrenamtlicher Kreisrat, ehrenamtlicher Stadtrat und auch Trainer einer Jugendfußballmannschaft. Auch er soll es nach dem Willen der politisch Verantwortlichen nicht wert sein, seine ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben. Er wurde auf politischen Druck aus seiner Tätigkeit als Jugendtrainer entlassen.
Ich glaube Ihnen, dass Sie das als gute Entscheidung ansehen. Wir wissen ja, dass es einen Gesinnungstest in dieser Bundesrepublik Deutschland gibt, und offenbar kann ein Ehrenamt nur derjenige ausüben, der den Gesinnungstest besteht.
Aber vielleicht wissen Sie es nicht mehr: Zumindest der Theorie nach, nicht in der Praxis, leben wir in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wo es nach dem Grundgesetz so etwas wie Meinungsfreiheit gibt.
Es kann und darf eben nicht Maßstab auch einer ehrenamtlichen Tätigkeit sein, ob ich nach Auffassung bestimmter politischer Gruppen die richtige oder die falsche Meinung habe.
Das zeigt mir, dass offenbar ein Gesinnungstest selbst für ehrenamtlich Tätige notwendig ist. Das zeigt mir, dass wohl hinter dem Ehrenamt doch auch politische Interessen stehen, nämlich im Hinblick auf hauptamtlich Tätige, die offenbar auch die ehrenamtlich Tätigen anleiten, politisch beeinflussen und indoktrinieren sollen. Auch das scheint mir eine Fehlentwicklung zu sein, die ich heute beim Namen nenne.
Wir als NPD-Fraktion sagen Ja zum Ehrenamt, weil das Ehrenamt tatsächlich unser Gemeinwesen zusammenhält. Der ehrenamtlich Tätige braucht dafür nicht unbedingt Geld, er braucht dafür Anerkennung. Die eigentliche Motivation des Ehrenamtes ist Gemeinschafts- und Verantwortungsbewusstsein. Dem fühlen wir uns verpflichtet. Darauf muss im Grunde genommen auch die Politik ausgerichtet sein, dann werden wir den Herausforderungen der ehrenamtlich Tätigen am besten gerecht.
Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Storr. – Jetzt beginnt die zweite Rednerrunde. Die einbringende Fraktion DIE LINKE hat wieder das Wort mit Frau Kollegin Franke.
Verehrte Kollegen! Vor reichlich 15 Jahren habe ich ehrenamtlich die Dresdner Tafel gegründet, leite sie seitdem und bin außerdem die ehrenamtliche Vorsitzende des Landesverbandes Sächsischer Tafeln, ohne dafür einen einzigen Cent zu erhalten. Meinen Lebensunterhalt habe ich durch Arbeitslosengeld gesichert und bin vor Hartz IV in die vorzeitige Rente geflüchtet. Das heißt, Ehrenamt ist für mich wie für Tausend andere eine Frage der persönlichen Würde, etwas für andere zu tun