Ich denke, das war jetzt der Zuruf an Herrn Heidan, die Zwischenfrage zu stellen. Bitte, Herr Heidan.
Herr Kollege Brangs, was Sie soeben aufgezählt haben wie Arbeitsverbesserungen, kann man unter der Überschrift als tarifvertragliche Lösungen ansehen. Wäre das nicht Aufgabe der Gewerkschaft, genau das gegenüber den Arbeitgeberverbänden durchzusetzen, und sind Sie meiner Meinung, dass das nicht ins Ladenöffnungsgesetz gehört?
Da bin ich nicht mit Ihnen einer Meinung, denn wer die Historie des Ladenschlussgesetzes kennt, weiß, dass es im Wesentlichen ein Arbeitsschutzgesetz war, weil die Bestimmungen in den Läden katastrophal waren und natürlich der Organisationsgrad in den Läden auch teilweise katastrophal war. Man hat im Ursprung das Ladenschlussgesetz deshalb eingeführt, um einen Schutzmechanismus auszuüben. Ich denke, dass
Tarifverträge stark genug sind und wir auch Tarifpartner haben, die das umsetzen können. IKEA ist das beste Beispiel dafür. Diese haben sich lange gewunden. IKEA wollte von Tarifverträgen lange nichts wissen, doch jetzt ist ein Tarifvertrag abgeschlossen worden. Es ist auch gut, dass dem so ist. Aber wir haben eine Menge Unternehmen, bei denen das nicht so ist, und da geht es auch um Arbeitnehmerschutzrechte. Deshalb bin ich der Auffassung, dass wir das im Gesetz brauchen. Ich widerspreche da ausdrücklich Ihrer Auffassung von gestalterischen Gesetzgebungsvorhaben in dem Bereich. Wir brauchen das.
Herr Kollege Brangs, wollen Sie bestreiten, dass im letzten GfK-Rapport ausgewiesen ist, dass die Wachstumsraten im Onlinehandel, sprich 24Stunden-Handel, bei ungefähr 25 % in den letzten beiden Jahren liegen und dass der Rückgang im Einzelhandel vor Ort ungefähr 8 % beträgt? Meine Frage dazu: Wie wollen Sie verhindern, dass, wenn Sie die Öffnungszeiten dann weiter beschränken, noch mehr Einzelhandel ins Internet abwandert und damit natürlich überhaupt keine Beschäftigung mehr vor Ort stattfinden wird?
Lieber Kollege Clemen, ich will überhaupt nichts beschränken – da brauchen Sie nicht zu klatschen –, sondern ich sage, dass das Gesetz, das wir haben, gut ist. Wir müssen es nur hinsichtlich der Regelung des Bundesverfassungsgerichtes nachbessern. Dieses Gesetz sagt doch klar aus, dass wir schon eine Ausweitung vorgenommen haben. Ich will ja gar nichts beschränken. Aber dieses bestehende Gesetz sagt auch etwas über die Rechte von Arbeitnehmern aus, und dass Sie daran kein Interesse haben, das weiß ich, das ist Ihre Philosophie. Deshalb glaube ich, dass dieses jetzt vorliegende Gesetz aus meiner Sicht der Weg in die falsche Richtung ist.
Ich bin doch kein Maschinenstürmer! Was haben Sie für ein Weltbild im Kopf? Ich bin auch nicht derjenige, der jetzt losläuft und den Computer aus der Steckdose zieht. Es ist doch selbstverständlich klar, dass das eine Entwicklung ist. Bei Kollegen Herbst könnte man es manchmal machen bei dem, was da im Computer produziert wird. Aber ich bin doch nicht ernsthaft jemand, der an der technologischen Entwicklung vorbei diskutiert. Dennoch haben wir eine Situation, die den Menschen nach Ihrer Auffassung suggeriert, wir würden durch dieses Gesetz auch Arbeitsplätze schaffen. Genau dies ist nicht der Fall.
Wir haben natürlich ein Problem damit, dass wir mit dem jetzigen Gesetzentwurf für den Sonntag als freien Tag in der Gesellschaft keine Regelung haben, die ihn schützt.
Natürlich sind es in der Tat zwölf Sonntage – ich wundere mich, dass Frank Heidan dies hier so frei ausgeführt hat –, Sie haben immer von vier gesprochen, den fünften haben Sie etwas unter den Tisch fallen lassen, weil es Ihnen Probleme mit Vertretern der Kirche macht. Darüber sprechen Sie gar nicht. Aber wenn Sie alles zusammenzählen, reden wir von zwölf Sonntagen. Wir reden auch davon, dass der Sonntag in der Tat in unserem Kulturkreis in einer Woche in einem Rhythmus der Tag der Erholung ist. Natürlich muss es auch einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung geben. Deshalb muss man in unserem Kulturkreis versuchen – ich betone das immer wieder, auch wenn Sie das nicht hören wollen –, mit Blick auf unsere Verfassung dem Sonntag einen besonderen Schutz zuteil werden zu lassen.
Es ist aber auch problematisch, dass wir im Moment in diesem Gesetz eine Regelung haben, die zu deutlich mehr Verwaltungsaufwand führen wird. Sie reden immer von Entbürokratisierung. Es ist deutlich mehr Verwaltungsaufwand in den Städten und Gemeinden notwendig, und die Prüfungen und Genehmigungen, die Sie alle einbauen wollen, ob es ein Event ist oder nicht oder ob es ein besonderer Anlass ist oder nicht, machen die Gemeinden vor Ort. Diese müssen das prüfen, wenn sie ernsthaft ihrem Auftrag gerecht werden wollen.
Wir müssen auch darüber nachdenken, wer eigentlich der Gewinner einer solchen Regelung ist, denn dort findet ein Konkurrenzkampf statt, dort findet ein Verdrängungskampf im Discounterbereich statt. Das sind Arbeitsbedingungen, die nicht mehr tragbar sind. Hier geht es auch darum, den Markt zu bereinigen. Natürlich werden die großen Betriebe und Einrichtungen das nutzen und ihre Events rauf und runter feiern, und das auf den Knochen der Beschäftigten, und die kleinen Läden um die Ecke werden auf der Strecke bleiben. Ich hoffe, dass diese sich bei der nächsten Wahl daran erinnern, wer sie um die Ecke gebracht hat.
Das sind nämlich diejenigen hier im Hause, die teilweise an der Realität vorbei Gesetze einbringen, Augen zu und durch. Jedem im Hause müsste eigentlich klar sein, was sich hinter diesem Gesetz verbirgt. Das ist ein großer Deal in dieser Koalition. Hier geht es darum: Geb ich dir was, gibst du mir was und umgekehrt. Hier geht es natürlich darum, dass man ein Paket geschnürt hat. Jeder hier im Haus kann sich darüber Gedanken machen, was die CDU beim Ladenöffnungsgesetz zahlen musste, damit sie an anderer Stelle etwas bekommt. Aber dann sollen Sie es den Menschen draußen auch sagen, dass es sich um Koalitionsspielchen handelt und darum, dass Sie in Ihrer nächsten Hochglanzbroschüre als FDP verkünden können: Wir haben nach 19 Jahren endlich die Ladenöffnung in Sachsen durchgesetzt. Damit wir das auch nicht vergessen, beantrage ich namentliche Abstimmung im Namen der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu späterer Stunde ist es immer wieder gut, wenn etwas Stimmung und Emotionalität in die Debatten kommt.
Herr Kollege Brangs hat ja seine Rede vom letzten ver.diKongress als Lobbyist hier herausgeholt. Sie passt leider nicht in den Landtag.
Wenn Sie am Sonntag um die Beschäftigten so besorgt sind, lieber Kollege Brangs, dann hoffe ich, dass ich Sie am Sonntag nie an einer Tankstelle sehe, nie in einem Kino, nie in einer Gaststätte und nie bei einem Kulturereignis, wenn Sie es mit dem Sonntagsschutz ernst meinen.
Ich weiß, dass es hier im Hause unterschiedliche Überzeugungen gibt. Diese Unterschiede gibt es auch unter den Koalitionspartnern. Aber wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorliegen, der eine sehr vernünftige Lösung darstellt, der eine Liberalisierung mit Augenmaß ist. Wir sorgen mit diesem Gesetzentwurf dafür, dass es mehr Freiheiten für Kunden und Händler gibt. Wir bauen mit diesem Gesetzentwurf Bürokratie ab, und wir schaffen mit diesem Gesetzentwurf mehr Entscheidungsspielräume für die Kommunen. All das ist sehr vernünftig, ist nicht irrational, sondern war längst überfällig, meine Damen und Herren.
Entgegen dem, was hier an Schreckgespenstern an die Wand gemalt wird: Der Sonntag bleibt weiterhin geschützt. Es gibt nach wie vor vier Sonntage, an denen geöffnet werden kann. Es gibt eine fünfte Sonntagsöffnungsmöglichkeit. Das heißt im Umkehrschluss: An 47 Sonntagen im Jahr bleiben die Geschäfte geschlossen, die Öffnung bleibt die Ausnahme. Übrigens wird der Sonntag auch nicht zum Montag.
Was ändert sich? Wir schaffen über die vier bisherigen Sonntage hinaus eine fünfte Öffnungsmöglichkeit, die zeitlich und regional begrenzt ist. Wir nennen sie „Festsonntag“, denn diese zusätzliche Öffnungsmöglichkeit soll auf besonderen regionalen Ereignissen basieren – das kann ein traditionelles Volksfest sein, ein Weihnachtsmarkt oder ein Betriebsjubiläum. Sie können doch nicht ernsthaft der Meinung sein, dass ein Weihnachtsmarkt öffnen darf, aber den Läden drumherum die Öffnung versagt bleibt. Das ist doch wirklich schildbürgermäßig, meine Damen und Herren.
Wir hatten bisher – zum Beispiel beim Elbhangfest in Dresden – die Situation, dass in einem Ortsteil, in den
sich ansonsten mit Sicherheit nicht so viele Leute verirren, zu bestimmten Festen unheimlich viele Leute sind. Was macht es denn da für einen Sinn, dass der Ladeninhaber seinen Laden geschlossen haben muss, er aber seine eigenen Produkte an einem Verkaufsstand einen Meter vor seinem Laden verkaufen darf? Was ist da bitte der Unterschied? Genau diese Ungerechtigkeit beseitigen wir mit unserem Festsonntag.
Was ein großer Vorteil für größere Städte, aber auch für Kommunen mit mehreren Ortsteilen ist: Bisher gilt ein Sonntag, an dem geöffnet ist, in der Regel im gesamten Stadtgebiet. Diejenigen, die davon profitieren, sind die Innenstädte und vielleicht noch große Einkaufszentren. Mit dieser zusätzlichen Öffnungsmöglichkeit gewährleisten wir, dass in Ortsteilen geöffnet werden kann, dass sie davon profitieren, dass Kunden zu ihnen kommen. Das ist genau der richtige Weg, wie wir den kleinen, inhabergeführten örtlichen Einzelhandel stärken.
Es gibt zudem weitere Liberalisierungen, die aus meiner Sicht vernünftig sind. Dass bisher Blumenhändler oder Bäcker eine Sonntagsöffnung sechs Stunden am Stück machen mussten, leuchtet eigentlich keinem ein. Warum kann man das nicht so teilen, dass nur dann geöffnet wird, wenn Nachfrage besteht? Im Sinne der Sonntagsruhe ist das sogar ein Fortschritt. Und dass Videotheken und Autowaschanlagen sonntags öffnen – ich glaube nicht, dass davon die Welt untergeht.
Kann mir denn einer erklären, warum man am Sonntag ins Kino geht, sich dort einen Film anschaut, aber bei der Videothek vor geschlossener Tür steht? Ich glaube, keiner kann Ihnen das erklären, meine Damen und Herren.
Und falls Sie mit dabei waren: Haben Sie gespürt, dass es wirklich einen Unterschied gibt zwischen: in eine Videothek zu gehen oder Auto zu waschen und Kultur- und Freizeitangebote zu nutzen? Es gibt ganz klare Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, dass darin ein wesentlicher Unterschied besteht. Ich habe Ihnen vorhin das Beispiel des Pfarrers genannt. Sind Sie bereit zu akzeptieren, dass es da Unterschiede gibt, die selbst vom Bundesverfassungsgericht klar ausgeregelt sind, die Sie nicht umgehen können?
Das Bundesverfassungsgericht beschließt Dinge, die für ganz Deutschland gelten. Ich möchte Ihnen gern antworten, lieber Kollege Tischendorf. Wer ist denn, bitte schön, an den Regierungen in Berlin und Brandenburg beteiligt? Meines Erachtens sind es SPD und LINKE. Wie sind denn dort die Regelungen in diesen Ländern, für die das Bundesverfassungsgericht auch urteilt? In Berlin wurden gerade vor 14 Tagen oder drei Wochen zehn offene Sonntage beschlossen, meine Damen und Herren.
In Brandenburg haben wir sechs verkaufsoffene Sonntage, und Sie, lieber Kollege Tischendorf, haben argumentiert, es ist verfassungswidrig, dass irgendwo eine Autowaschanlage am Sonntag aufmachen darf. Sind Sie schon einmal durch Brandenburg gefahren, wo Sie mitregieren? Dort haben die Autowaschanlagen geöffnet. Das heißt, Ihre Genossen dort verhalten sich alle verfassungswidrig? Also, wenn dem so ist, dann empfehle ich, auf Ihrem Bundesparteitag die Genossen zur Ordnung zu rufen und dafür zu sorgen, dass die Verfassungsgerichtsurteile auch in diesen schlimmen, abtrünnigen, gesetzlosen Ländern durchgesetzt werden.