Ich zitiere: „Der programmatischen Ausrichtung auf die Totalitarismusforschung steht ein Teil von Fachwissenschaft und Öffentlichkeit ablehnend gegenüber.“ Und: Das Hannah-Arendt-Institut „war in seiner bisherigen Entwicklung Gegenstand nicht allein geschichtspolitischer, sondern auch politisch-tagesaktueller und somit … forschungsfremder Debatten.“ Auf den Fall Richter, der seinerzeit vom Ministerium für Staatssicherheit zum Verfassungsschutz wechselte, will ich gar nicht erst eingehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung und den Koalitionsfraktionen, das sind die theoretischen Fundamente, auf denen Ihr praktisch-politisches Handeln in Sachen Extremismus aufruht.
Das war für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Herr Prof. Besier. Als Nächster spricht für die SPD-Fraktion der Abg. Herr Homann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte zur Klärung des Demokratiebegriffs ist für die CDU ein gut gewählter Termin. Es ist nämlich an der Zeit, dass Sie noch einmal Ihren Demokratiebegriff
Der Auslöser dieser Diskussion ist, dass wir in Sachsen eine anhaltende Debatte über die sogenannte Extremismusklausel haben, die in Zukunft von allen Initiativen gegen Rechtsextremismus und, wie man auch hört, von anderen gesellschaftlichen Gruppen, die Fördermittel bekommen, unterschrieben werden soll. Die Extremismusklausel ist beim sächsischen Demokratiepreis zum ersten Mal zum Einsatz gekommen.
Schauen wir kurz, was dahintersteckt. Die Extremismusklausel geht davon aus, dass die Erscheinungen von Links- und Rechtsextremismus Erscheinungen gesellschaftlicher Ränder sind. Sie blendet dabei das aus, was uns die Berliner Konfliktforscher und auch die FriedrichEbert-Stiftung immer wieder sagen: dass es nämlich ein Problem der gesellschaftlichen Mitte ist, dass es tief in der gesellschaftlichen Mitte verankert ist. Das ist ein Problem, denn an dieser Stelle ist diese Theorie unscharf und schwach. Die Folge ist nicht nur eine falsche Analyse, nämlich die Reduzierung auf ein Ränderproblem, sondern auch ein ganz praktisches Problem. In der sich daraus ergebenden Schlussfolgerung schieben Sie nämlich alle Leute, die sich gegen Neonazismus, Antisemitismus, Rassismus engagieren, automatisch in einen linken Verdacht. Das ist die Schlussfolgerung.
Wir erleben das in vielen sächsischen Städten und Gemeinden, wo die Initiativen vor Ort unter den Verdacht des Linksextremismus gestellt werden. Das Problem ist, dass Sie erklären, dass der Gegner des Rechtsextremisten der Linksextremist sei. Das ist aber falsch. Der Gegner des Rechtsextremisten, der Gegner des Neonazis ist der Demokrat, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das muss man hier feststellen.
Die Extremismusklausel, die von Ihnen vorgelegt wurde, hat zwei große Probleme. Ich nenne als Erstes die juristische Dimension. Sie wollen also als Allererstes ein Bekenntnis zum Grundgesetz. Das ist kein Problem. Es hat auch nie jemand gesagt, dass er damit ein Problem hat. Das Zweite ist, dass Sie gerne möchten, dass Partner darauf überprüft werden sollen, inwiefern sie extremistische Strukturen unterstützen etc. pp.
Durch das Rechtsgutachten von Herrn Battis kommt ganz klar zum Ausdruck, dass diese Gesinnungsklausel, diese Gesinnungsschnüffelei verfassungswidrig ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erklären Sie mir bitte einmal, wie Sie mit einer verfassungswidrigen Klausel die Verfassung in Sachsen und in Deutschland schützen wollen. Das halte ich für geradezu absurd.
Das Grundgesetz wurde entwickelt, erstritten und erkämpft als Schutz der Bürger vor dem Staat und nicht als Schutz des Staates vor den Bürgerinnen und Bürgern. Das, was Sie an dieser Stelle offenlegen, ist ein tiefes Misstrauen gegenüber den Initiativen in Sachsen, und das halte ich politisch für hoch problematisch.
Ich nehme wohlwollend zur Kenntnis, dass Sie sich in die Debatte einmischen wollen, ich nehme aber genauso wohlwollend zur Kenntnis, dass es einen Nachdenkprozess innerhalb der Regierungsfraktionen und innerhalb der Sächsischen Staatsregierung gibt. Ich finde es gut, dass man hier noch einmal darüber nachdenkt, wie – –
Herr Homann, ziehen Sie den Schluss, dass jeder, der sich gegen Rechtsextremismus engagiert oder vorgibt, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren, automatisch ein lupenreiner Demokrat ist, und wie erklären Sie sich dann solche Ereignisse wie die neulich wieder stattgefundene Schneeballschlacht am Connewitzer Kreuz?
Zu der Schneeballschlacht am Connewitzer Kreuz kann ich mich nicht äußern. Das ist offensichtlich an mir vorbeigegangen. Ich habe da keine Einladung bekommen.
Ich gehe grundsätzlich zuerst davon aus, wenn ich einem Bürger in diesem Freistaat begegne, dass er ein Demokrat ist, dass er jemand ist, der auf dem Boden der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung steht. Ich gehe mit einem positiven Verständnis an die Menschen in dieser Republik und in diesem Land heran. Das ist das, was ich tue. Mir muss erst einmal jemand beweisen, an welchen Stellen Fördergelder durch irgendwelche Initiativen für irgendwelche anderen extremistischen Sachen, wie Sie sie definieren, verwendet wurden. Dieser Beweis steht für mich in Sachsen bis heute aus. Diese Frage ist auch nicht beantwortet worden.
Gegen diese Form der Vorverurteilung der sächsischen Initiativenlandschaft verwahre ich mich auf das Deutlichste.
Mein letzter Satz: Ich finde das Umdenken gut, man soll aber nicht so tun, als wäre nichts passiert. Sie haben eine verfassungswidrige Klausel auf die Bewerberinnen und Bewerber um den sächsischen Demokratiepreis angewendet.
An dieser Stelle muss man noch einmal sagen, dass durch die sächsischen Initiativen das Grundgesetz verteidigt worden ist, indem durch das AKuBiZ der Preis abgelehnt wurde. Diese Verteidigung gegenüber der Sächsischen Staatsregierung sollte Ihnen ernsthaft zu denken geben.
Für die SPD-Fraktion sprach der Abg. Homann. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE der Abg. Jennerjahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon höchst erstaunlich, was für eine Debatte die Staatsregierung uns mit ihrer so genannten Antiextremismuserklärung ohne jede Not aufzwingt. Ich bin auch regelrecht erschrocken darüber, wie wenig hier weite Teile der CDU elementare Grundlagen unserer Demokratie begriffen haben.
Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren auf wissenschaftlicher, zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene zu den Themen Demokratieentwicklung und Rechtsextremismus. Was ich in dieser Zeit erlebt habe, geht schlichtweg auf keine Kuhhaut. Der bekannte Journalist Toralf Staudt schrieb einmal: „Wo die Mitte der Gesellschaft braun schillert, gilt als linksradikal, wer das Grundgesetz verteidigt.“ Ganz genau das trifft den Kern der Sache.
Ich habe allzu oft erlebt, dass CDU-Politiker vor Ort in die Schweigekartelle involviert waren, wenn es darum ging, auf der einen Seite ein Neonaziproblem schlichtweg zu leugnen und auf der anderen Seite aber diejenigen zu diffamieren, die sich aktiv mit dem Problem auseinandergesetzt haben:
Wurzen, Mittweida, Limbach-Oberfrohna. Das sind nur drei prominente Beispiele unter vielen. Hinzu kommt die
ständige Gefahr für diejenigen, die sich dort engagieren, Opfer von rechtsextremen Übergriffen zu werden. Trotzdem machen diese Aktiven in den Vereinen, Schulen, Gewerkschaften, Kirchgemeinden – viele andere wären zu nennen – weiter, um zivilisatorische Mindeststandards, um die Würde des Menschen zu verteidigen.
Ausgerechnet von diesen Menschen, die sich täglich für die demokratischen Grundwerte einsetzen, wollen Sie ein Bekenntnis zur Demokratie verlangen? Meine Damen und Herren von der CDU! Nach wie vor führen Sie die Debatte unter einem völlig falschen Blickwinkel.