Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

inwieweit die anderen Formulierungen, also der zweite und dritte Satz, verfassungswidrig sind;

(Zuruf von der CDU: Dann müsst ihr besser zuhören! – Weitere Zurufe)

inwieweit der Innenminister die Auffassung vertritt, dass Initiativen, die Fördergeld empfangen, über Jahre hinweg möglicherweise rückwirkend überprüft werden, ob sie irgendwelche Kontakte zu extremistischen Strukturen haben – vermeintlich oder tatsächlich –; und Sie haben nichts zu der Frage gesagt, die ich vorhin aufgeworfen habe, wie es um Ihre Zusammenarbeit mit AKuBiZ als Oberbürgermeister, Ihre Erfahrungen, die Sie dort gemacht haben, steht und wie sich das mit Ihrem derzeitigen Agieren vereinbart.

Sie haben auf all diese Punkte nicht geantwortet, und ich erwarte von einem Innenminister, dass er sich in einer solchen Debatte nicht vor den entscheidenden Fragen drückt.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Volker Bandmann, CDU: Wie ist denn Ihre Position?)

Kollege Jennerjahn, was ist Ihr Begehr? Wollen Sie eine Kurzintervention machen, oder haben Sie etwas anderes vor?

Nein, da unsere Kurzinterventionen nach meinem Kenntnisstand aufgebraucht sind, möchte ich gern für meine Fraktion die fünf zusätzlichen Redeminuten in Anspruch nehmen, die sich aus § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung ergeben.

Ja, das steht Ihnen zu. – Aber ich will erst noch eine weitere Wortmeldung klären. Wollen Sie auch 5 Minuten, Herr Kollege Brangs?

So ist es, Herr Präsident, damit es in einem Zug abgehandelt werden kann. Auch für meine Fraktion beantrage ich nach der Geschäftsordnung die zusätzliche Redezeit.

In Ordnung, 5 Minuten stehen Ihnen zu. – Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte für meine Fraktion auch beantragen, die fünf zusätzlichen Minuten in Anspruch zu nehmen. – Danke.

Gibt es weitere Fraktionen, die diesen Antrag stellen möchten?

Ja, Herr Präsident, das machen wir jetzt auch.

DIE LINKE auch. Möchten die einbringenden Fraktionen dies auch beantragen? – Das sehe ich nicht. Damit haben wir zusätzliche Redezeit, beantragt für die Fraktionen GRÜNE, DIE LINKE, SPD und NPD. – Bitte, Kollege Jennerjahn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Innenminister, ich werde jetzt keine längeren Diskurse darüber führen, wie unterschiedlich der Begriff Rechtsextremismus im wissenschaftlichen Bereich verwendet werden kann, was der Unterschied zur Extremismustheorie ist und welche tragfähigen Definitionen der Terminologie Rechtsextremismus existieren; das würde zu weit führen.

Ich möchte eher auf die politischen Aspekte eingehen, die Sie genannt haben. Das möchte ich noch einmal ganz klarstellen. Niemand hier in diesem Hohen Hause hat die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage gestellt.

(Zuruf von der NPD: Sehr richtig! – Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Was hier infrage gestellt wird, ist dieser lächerliche Fetzen Papier, den Sie unterschreiben lassen wollen. Das ist ein sehr großer Unterschied, und ich bitte darum, dass dieser Unterschied nicht permanent verwischt wird; denn Sie weigern sich schlichtweg zu hinterfragen, welche Motivation die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen haben, dieses Schreiben nicht zu unterzeichnen.

Ich bin in meiner Rede auf die eine Motivlage eingegangen. Es ist die Erfahrung aus der politischen Arbeit vor Ort: immer wieder dafür, dass man sich für demokratische Grundwerte einsetzt, als Linksextremist diffamiert zu werden, einer Vorverurteilung unterworfen zu werden, die mit dieser Erklärung wiederum im Raum steht. Dagegen verwahren sich die Initiativen völlig zu Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das Thema Grundgesetz ist auch so eine spannende Geschichte. Sie haben jetzt darüber gesprochen, man dürfe die zentralen Werte des Grundgesetzes nicht aushöhlen – völlig richtig. Nun gibt es im Grundgesetz einen Artikel 79 Abs. 3, der eine sogenannte Ewigkeitsklausel definiert, und unter dieser Ewigkeitsklausel sind die Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes festgehalten; sprich: Diese beiden Artikel dürfen nicht verändert werden. Alle anderen Artikel unterliegen dem freien Spiel der politi

schen Kräfte und sind somit veränderbar. Wenn Sie nun sagen, der Grundgehalt des Grundgesetzes dürfe nicht angetastet werden, dann frage ich mich: Wie ist es eigentlich mit der CDU, die Mitte der Neunzigerjahre maßgeblich daran beteiligt war, das Asylrecht in der Bundesrepublik Deutschland abzuschaffen?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Richtig! – Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Aus meiner Sicht ist es ein zentraler Grundgehalt des Grundgesetzes gewesen. Wenn Sie so argumentieren, kommen wir zu der berühmten Schwammigkeit, die der Kollege Besier schon angesprochen hatte, dass der Extremismusvorwurf schlichtweg nicht tragfähig ist, sondern einfach nur absolut schwammig.

(Robert Clemen, CDU: So ein Käse! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Für mich hat sich aus diesen Reden, die heute gehalten wurden, eine Reihe von Fragen ergeben. Die CDU ist sehr schnell dabei, mit dem Finger auf andere zu zeigen; aber ich frage mich schon: Wie halten Sie es eigentlich mit den eigenen Fraktionskollegen, die keinerlei Berührungsängste haben, mit der NPD zu kooperieren? Und wie halten Sie es mit der Jungen Union und dem RCDS, bei denen nachgewiesen ist, dass zahlreiche Mitglieder in deutschnationalen Studentenverbindungen – sprich: antidemokratischen Studentenverbindungen – aktiv sind?

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Robert Clemen, CDU: So ein Quatsch! – Starke Unruhe)

Wie halten Sie es mit dem CDU-nahen Studienzentrum Weikersheim, das vom ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Altnazi Filbinger gegründet wurde, das auch immer wieder Akteure einlädt, die ganz ausdrücklich aus dem rechtsextremen Spektrum kommen?

Kollege Jennerjahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gern.

Herr Jennerjahn, Sie haben eben die Behauptung aufgestellt, das Asylrecht in Deutschland wäre abgeschafft worden. Können Sie noch einmal erklären, dass Sie sich in der Sache geirrt haben; denn etwas anderes ist doch gar nicht möglich – außer, Sie wollen hier das Haus für dumm verkaufen?!

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei den LINKEN)

Wertgeschätzter Kollege Bandmann, ich beabsichtigte definitiv nicht, dieses Hohe Haus für dumm zu verkaufen. Ich habe auch nicht gesagt, das Asylrecht wurde abgeschafft; ich habe gesagt: es wurde faktisch abgeschafft.

(Alexander Krauß, CDU: Der Missbrauch wurde abgeschafft! – Weitere Zurufe)

Das heißt, es wurde eine Hülle aufrechterhalten, die formal das Kriterium des Asylrechts noch aufrechterhält; aber es wurde inhaltlich so ausgestaltet, dass es kaum noch möglich ist, in diesem Land tatsächlich einen berechtigten Asylantrag zu stellen. Das bezeichne ich selbstverständlich als faktische Beseitigung des Asylrechts, und dazu stehe ich auch.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Jetzt habe ich noch eine letzte Frage an die CDU. Ich finde es immer sehr spannend, mit welcher Selbstgerechtigkeit Sie mit erhobenem Finger in Richtung der LINKEN zeigen und so tun, als wäre alles Übel der DDR von den LINKEN ausgegangen bzw. damals SED. Ihre eigene Partei war damals systemtragende Partei.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie waren elementarer Bestandteil des Unrechtssystems DDR. Das kehren Sie hier jedes Mal wieder unter den Tisch; und ich würde mir einfach wünschen, dass Sie mit diesem Geschichtsrevisionismus aufhören und erst einmal vor Ihrer eigenen Haustür kehren, bevor Sie permanent solchen Blödsinn verbreiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Jennerjahn.

Ich bin am Ende meiner Rede. – Herzlichen Dank.

Es sprach der Abg. Jennerjahn für die Fraktion GRÜNE. – Jetzt sehe ich am Mikrofon 4 eine Kurzintervention; bitte.

Ja, Herr Präsident, ich möchte gern von einer Kurzintervention Gebrauch machen.

Dem Kollegen Jennerjahn ist offensichtlich die Verfassungslage der Deutschen Demokratischen Republik, wie dieser Unrechtsstaat sich nannte, nicht geläufig, wo der Machtanspruch der SED in dieser Verfassung ausdrücklich festgeschrieben war und die sogenannten Blockparteien null Mitsprache in dieser Frage hatten.

(Starke Unruhe – Zurufe)

Meine Damen und Herren! Wir fahren fort in der Rednerfolge. Als nächste Fraktion hatte die SPD zusätzliche 5 Minuten Redezeit beantragt. Diese nimmt jetzt Herr Kollege Homann in Anspruch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bandmann, ich glaube, Ihr Eigentor brauche ich von hier vorn nicht weiter zu kommentieren.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wer über die SED schimpft, aber über die Rolle der Blockparteien schweigt, der hat ein moralisches Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren.