Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die miteinbringende Fraktion der FDP sprach Herr Kollege Günther. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Kagelmann.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Wie weiter nach 2013 mit der europäischen Agrarpolitik? Das ist ein hoch spannendes Thema; ob es heute so hoch spannend wird, wage ich nach der letzten anstrengenden Nacht und den letzten anstrengenden Tagen sehr zu bezweifeln.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Das ist nur eine Vermutung.

Aber dass wir das Thema heute besprechen, ist sehr wohl dringend notwendig. Ich hoffe, ich komme noch zu den tollen Vorschlägen, Kollege Heinz; denn ich nehme an, Sie erwarten die tollen Vorschläge von der Opposition.

Es geht also um die Frage: Wollen wir den Status quo in der europäischen Agrarpolitik, wollen wir eine moderate Anpassung oder wollen wir eine ökologische HardcoreVariante? Der EU-Agrarkommissar hat seine Optionen bereits in den Raum gestellt und gleich geht das Feuerwerk der Kritik los. Das Greening ist umstritten, es wird mehr Bürokratie erwartet, aber eigentlich will deutsche Agrarpolitik nur eines: lieber nichts ändern. Dass das allerdings unrealistisch ist, zeigt bereits die einfache Tatsache – das ist ja auch schon von Kollegen Günther angedeutet worden –: Die EU ist einfach größer geworden. Wenn mehr in einen Topf greifen, dann kann nicht das gleiche Geld für die einzelnen Mitgliedsstaaten übrig bleiben. Das ist eine klare Geschichte.

Aber es gab natürlich auch andere Punkte, die ein Umdenken in der europäischen Agrarpolitik notwendig gemacht haben. Es gab einen Akzeptanzverlust in der Öffentlichkeit und einen viel stärkeren Rechtfertigungsdruck, was den Gerechtigkeitscharakter der Zahlungen anbelangt. Aber für mich ist viel entscheidender: Es gibt neue Herausforderungen für die Menschheit, die wir alle kennen. Das ist die Klimaentwicklung, das ist die Notwendigkeit der Verringerung der Treibhausgasemissionen und das ist der Stopp des Artensterbens. Auch auf diese neuen Herausforderungen muss europäische Agrarpolitik eine Antwort finden. Da kann und darf sich Sachsen nicht ausnehmen.

(Beifall bei den LINKEN)

Kommen wir einmal zum Zustand der sächsischen Landwirtschaft. Was ist da festzustellen? Das gleicht sich allerdings in Europa an. Wir haben es heutzutage mit einer hoch produktiven Landwirtschaft zu tun. Darin gebe ich Herrn Günther durchaus recht. Auf einer immer kleiner werdenden Fläche erzielen immer weniger Beschäftigte eine höhere Masse an Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen. In Sachsen ging die Zahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft von 1991 um circa 60 % zurück und im gleichen Zeitraum stieg die Bruttowertschöpfung je Arbeitskraft um den Faktor 4. Wir haben also eine hoch produktive Landwirtschaft, die in der Lage ist, hochwertige Lebensmittel und Rohstoffe für die Industrie bereitzustellen.

Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Partner zum Erhalt der Kulturlandschaft. Auch das ist unbestritten. Wir haben mit einem zugegeben hohen finanziellen Aufwand lebenswerte ländliche Regionen entwickelt. Ich sage ganz bewusst, das war gut investiertes Geld, keine Frage.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU und der FDP)

Aber: Wir haben auf der anderen Seite die angesprochenen globalen Herausforderungen, die sich auch für die sächsische Landwirtschaft stellen. Wir haben natürlich auch in Sachsen die Probleme mit dem Verlust der Biodiversität.

Bei der Behandlung des Einzelplanes 09 am gestrigen Tag haben wir das Thema angesprochen, die Arten der offenen Feldfluren, beispielsweise das Bodenbrüterprogramm, das aufgelegt wurde. Das sind ja Reaktionen auf ein erkanntes Problem.

Wir haben darüber hinaus Probleme mit der Waldgesundheit. Wir haben Probleme mit der Gewässerqualität, und wir wissen, ursächlich verantwortlich sind unter anderem die Stoffeinträge aus der landwirtschaftlichen Produktion. Es wurde auch gestern schon angesprochen: Wir haben Probleme bei der Bodenerosion.

Wenn Sie sich erinnern, vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir die ILE-Halbzeitbewertung gemeinsam im Parlament durchgeführt. Was haben wir da feststellen müssen? Trotz der hohen Investitionen in die Entwicklung

des ländlichen Raumes haben wir es weiter mit einer demografischen Abwärtsspirale zu tun.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit!

Jawohl, ich habe nur noch einen Satz, dann fahre ich später fort.

Wir haben es mit einem ausgesprochenen Niedriglohnbereich in der Landwirtschaft zu tun und daraus resultieren ja auch die demografischen Probleme dort.

Zu unseren Lösungsvorschlägen komme ich dann in meinem zweiten Beitrag.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die Abg. Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE. Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Deicke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen vor einer neuen EU-Förderperiode. Diese soll ausgerichtet sein auf die nachhaltige und marktorientierte Landwirtschaft in Europa, auf eine gerechtere Verteilung der Zahlungen zwischen den Mitgliedsländern und auf die Weiterentwicklung der ländlichen Räume. Wir finden, das ist der richtige Weg.

Nun geht es insbesondere um die sächsischen Interessen. Welche sind das? Sächsische Interessen sind eigentlich ostdeutsche Interessen. Wir haben die Besonderheit, dass wir aus der Historie von den ostdeutschen Verhältnissen heraus eine Agrarwirtschaft haben, die dadurch geprägt ist, dass wir insbesondere Agrargenossenschaften und kaum kleine Familienbetriebe haben.

Wir haben 2008 im Rahmen des Health Check diskutiert, wie diese Betriebsstrukturen im Zusammenhang mit den Direktzahlungen zu sehen sind, und zwar vor dem Hintergrund, dass es neue globale Herausforderungen insbesondere beim Klima- und Umweltschutz gibt.

Es gibt nun einen Vorschlag der Europäischen Kommission, die Obergrenzen für die Betriebsprämien wieder einzuführen. Das ist ein Vorschlag, der in der Vergangenheit auch schon des Öfteren auf dem Tisch war. Aus ostdeutscher Perspektive ist dies natürlich nicht akzeptabel.

(Beifall bei der SPD)

Betriebe in Ostdeutschland sind besonders betroffen, weil eben nicht einige Großlandwirte Landwirtschaft betreiben, sondern sich mehrere Bauernfamilien zusammengeschlossen haben. Warum sollen die Bauern dafür bestraft werden, dass sie zusammenarbeiten?

Die Zukunft im Agrarbereich besteht genau darin, Kooperation und Zusammenschlüsse zu fördern. Gerade die Agrargenossenschaften erfüllen eine wichtige ökonomische und auch eine soziale Funktion im ländlichen Raum.

Sie tragen wesentlich zum Ausbau wirtschaftlicher Kreisläufe und Wertschöpfungsketten bei.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Dass diese Betriebe zukünftig benachteiligt werden sollen, verstößt gegen die Chancengleichheit und wird ihrer Rolle nicht gerecht.

Ebenfalls kritisch sehen wir die Einbeziehung des Arbeitskräftekriteriums bei den Direktzahlungen, weil wir auf einen Fachkräftemangel zusteuern und weil dieser Ansatz in der Praxis auch kaum umsetzbar sein wird.

Wenn es um die Verhandlungen innerhalb der EU geht, muss natürlich Deutschland mit einer starken Stimme sprechen. Das bedeutet, Bund und Länder müssen zu einer einheitlichen Position finden.

(Beifall bei der SPD)

Das bedeutet, dass die unterschiedlichen nationalen Interessen ausdiskutiert werden und dass die besondere Situation Ostdeutschlands dabei berücksichtigt wird. Hierzu haben schon einige Agrarministerkonferenzen einen Ansatz versucht. Man hat sich nicht im ersten Ritt einigen können. Aber am 6. Dezember hat es eine Beschlussempfehlung des Agrarausschusses im Bundesrat gegeben, der darauf verweist, dass die Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft von allen Betrieben, unabhängig von ihrer Rechtsform und ihren Agrarstrukturen, erbracht werden. Das unterstützen wir natürlich. Das ist in unserem Sinne.

Er empfiehlt auch die Ablehnung der Bindung der Zahlungen an die Betriebsgrößen bzw. an die Arbeitskräfte. Das sehen wir natürlich ebenfalls positiv, weil das dahin führt, dass wir damit die Deckelung der Direktzahlungen verhindern könnten.

Wie sieht denn der zukünftige Agrarhaushalt aus? Es hat ein Konsultationsverfahren im Zeitraum von April bis Mitte Juni dieses Jahres gegeben. In den öffentlichen Stellungnahmen haben sich drei Punkte herauskristallisiert, die einheitlich gesehen worden sind und wo es auch eine erkennbare Tendenz gibt, dass diese breite Unterstützung finden. Das ist einmal, dass anerkannt wird, dass landwirtschaftliche Betriebe eine wichtige wirtschaftliche Säule darstellen; weiterhin, dass wir auch zukünftig eine gemeinsame starke europäische Agrarpolitik brauchen und dass das Finanzvolumen des Agrarhaushaltes möglichst auf einem sehr hohen Niveau gehalten werden kann.

Ihre Redezeit, Frau Kollegin.

Der Agrarhaushalt beträgt zurzeit 43 % des EU-Haushaltes. Wir sind damit noch komfortabel ausgestattet. Wir können nicht erwarten, dass das in der Zukunft so bleiben wird, und müssen uns darauf einstellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion sprach Frau Kollegin Dr. Deicke. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Weichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemeinsame Agrarpolitik – ich denke, das ist hinlänglich bekannt –, damit ist ein Politikfeld der Europäischen Union zum Thema gemeinsame Marktordnung und vor allen Dingen zum Thema Entwicklung der ländlichen Räume gemeint.

Sächsische Interessen – was ist damit gemeint? Sind es die Interessen einiger weniger großflächiger Agrargenossenschaften unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir im Osten – Frau Deicke hat es gerade ausgeführt – bisher eine andere Entwicklung haben als in den „gebrauchten“ Bundesländern? Aber sind denn sächsische Interessen nicht vor allen Dingen Interessen der Menschen und unserer Kinder und Kindeskinder? Muss man nicht danach fragen, in welchen Kontext wir sächsische Interessen stellen? Welche aktuellen Entwicklungen und zukünftigen Herausforderungen sind zu berücksichtigen?

Da liegt es nicht weit weg zu sagen: Wir müssen dem Klimawandel mit Klimaschutz begegnen. Wir müssen uns um die Erhaltung der Biodiversität kümmern. Wir müssen ein besseres und intensiveres Wassermanagement machen. Wir müssen die regenerativen Energien ausbauen. Wir müssen Tiere artgerecht halten. Und wir müssen für die Menschen in Sachsen für ein gutes Leben sorgen.

Da kann es doch nur sein, dass man die Fördermittel danach ausrichtet. Ein Ziel ist sorgsame Landwirtschaft, Ökolandbau, Naturschutz und natürlich die Entwicklung der ländlichen Räume.

Ein zweites Ziel ist, dass man die Umwelt und die gesellschaftlich relevanten Leistungen der Landwirtschaft eben auch als Zusatzleistungen anerkennt und honoriert. Das muss definiert sein, das muss messbar sein.

Beispiele sind: Landschaftspflege, Grünlandwirtschaft, Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau, Humusmehrung, aber auch die Kommunikation mit den Verbrauchern und dass sich die Betriebe auf die Bedürfnisse der Verbraucher einstellen.