Wir wissen, die Auswirkungen dieser Grundsätze führten zur SED, zur Stasi. Ich bin dem Herrn Beleites sehr dankbar für die geleistete Arbeit. Was wir wissen und was auch die Arbeit ist: Nie wieder Sozialismus hier in Europa!
Sehr geehrte Damen und Herren! Am Schluss meiner Rede möchte ich von hier aus Herrn Beleites noch ganz persönlich für die zehn Jahre Arbeit danken. Ich wünsche ihm alles Glück für die Zukunft, Gottes Segen, und bitte stimmen Sie dem Bericht zustimmend zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Debatte gern auf den Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten zurückführen.
18. Tätigkeitsbericht – das klingt nach Routine, nach alljährlicher Wiederholung der Debatten hier im Landtag. Aber es ist alles andere als Routine. Anhaltendes öffentliches Interesse an den Mechanismen von Repression und Überwachung in der SED-Diktatur sind dokumentiert. Unsere Verpflichtung ist es, darüber zu informieren und die davon Betroffenen, die Opfer der Diktatur, zu unterstützen und zu würdigen.
Das gilt umso mehr, als wir aus jüngsten Umfragen wieder erfahren mussten, dass mit wachsendem zeitlichem Abstand nicht etwa die kritische Distanz wächst, sondern die nostalgische Verklärung. Es ist nicht überraschend, dass Beratungen zur Akteneinsicht und Rehabilitierung nach wie vor eine große Rolle in der Arbeit spielen. Davon zeugen schon zahlenmäßig die über 1 000 Beratungen innerhalb des Berichtsjahres.
Ich bin überzeugt, das 1991 mit dem Stasi-UnterlagenGesetz geschaffene Recht zur Akteneinsicht ist nicht nur eine spezifisch deutsche Lösung, es ist auch ein Erfolgsmodell. Die damals an die Wand gemalten Bilder von drohender Lynchjustiz sind reine Fantasie geblieben. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist die Akteneinsicht, die den Betroffenen Klarheit über so manche scheinbar unerklärliche Entwicklungen ihres Lebens bringt, und sie kann ihnen auch ihre Würde zurückgeben. Dieses Wissen ist unabdingbare Voraussetzung für eine offene Kommunikation nicht zuletzt auch mit den Tätern.
Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit nehmen in den vergangenen Jahren immer größeren Umfang in der Arbeit ein, und, Herr Prof. Besier, das zu Recht. Ich denke, die Projektarbeit des Landesbeauftragten und seiner Behörde hat offensichtlich die richtigen Formen gefunden. Junge Leute wollen nicht belehrt werden. Sie wollen sich ihre Erkenntnisse selbst erarbeiten. Sowohl das Projekt „Der Fall“ als auch die höchst erfolgreiche Theaterperformance „Alles auf Hoffnung“ beweisen doch: Vermittlung von Wissen bei Jugendlichen gelingt am besten, wenn ein künstlerischer, ein emotionaler Zugang ermöglicht wird.
Hohe Bedeutung in der Bildungsarbeit hat auch die Arbeit mit Zeitzeugen, Menschen mit ihren persönlichen Biografien, ihren Erlebnissen. Wir haben hier die Situation, die wir bereits aus der Generation des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus kennen: Diese Zeitzeugen werden jetzt spärlicher, gerade wenn es zum Beispiel um Teilnehmer am Volksaufstand vom 17. Juni 1953 geht. Deshalb unterstützt unsere Fraktion ausdrücklich die entsprechende Dokumentationsarbeit des Landesbeauftragten.
Ich habe im vergangenen Jahr die Wanderausstellung „1989 – Unser Aufbruch – 2009“ gelobt. Ich freue mich umso mehr, als ich jetzt lesen konnte, dass allein im zweiten Halbjahr 2009 20 000 Menschen diese Ausstellung besuchten. Dieser Zuspruch bestätigt die Qualität der Ausstellung. Sie muss weiter gezeigt werden, sie muss weitergeführt werden.
Wer bereits die neue, auch historisch sehr umfassende Ausstellung „Diktatur und Widerspruch“ gesehen hat, wird mir zustimmen: Diese Ausstellung ist wiederum sehr gelungen und hat einen ebenso großen Erfolg verdient. Herr Prof. Besier, ich widerspreche Ihnen ausdrücklich. Bildungsarbeit gehört in diese Behörde. Sie muss in Kooperation und in Ergänzung mit der Landeszentrale für politische Bildung geschehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 18. Tätigkeitsbericht ist ganz und gar keine Routine, weil er auch ein Abschlussbericht ist. Nach zehnjähriger Arbeit scheidet Michael Beleites aus seinem Amt. Was der Landesbeauftragte in dieser Zeit vollbracht hat, können wohl nur
diejenigen ausreichend wertschätzen, die sich noch erinnern, in welchem Zustand sein Vorgänger Siegmar Faust die Behörde hinterlassen hat. In all diesen Jahren hat Michael Beleites aus guten Gründen anlässlich seiner Tätigkeitsberichte für seine Arbeit als Landesbeauftragter den Dank empfangen, der stets auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seiner Behörde galt.
Ich möchte heute zusätzlich noch etwas tun: Ich möchte einen Dank für die vielen guten und anregenden Gespräche aussprechen. Ich meine die persönlichen Gespräche und die Gespräche in unserer Fraktion. Das war Politikberatung im besten Sinne des Wortes.
Michael Beleites bezeichnet seine Amtsführung selbst als moderat. Ich übersetze das: wohltuend unaufgeregt, klug, offen und sachlich. Ich kann deshalb überhaupt nicht nachvollziehen, dass die PDS-Fraktion oder auch Linksfraktion diese Amtsführung nie als Angebot verstanden und angenommen hat. Sie haben zehn Jahre lang die Chance vergeben, die eigene Diskussion über Vergangenheit und Diktatur durch einen kritisch-konstruktiven Geist von außen zu bereichern.
Ich behaupte: Dass Michael Beleites so erfolgreich arbeiten konnte, liegt auch in seiner Biografie begründet. Er scheidet jetzt aus dem Amt, ohne dass uns als Landtag die Gelegenheit gegeben wird, über seine Nachfolge zu bestimmen.
Vergleichbare Entscheidungen sprechen eine klare Sprache. Der Landtag Brandenburg hat genau heute vor einem Jahr Ulrike Poppe in das entsprechende Amt gewählt. Im Bund wird Roland Jahn Frau Marianne Birthler im Januar als Bundesbeauftragter folgen.
Ich sage es Ihnen ganz offen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich wünsche mir auch in Sachsen eine Nachfolge in das Amt des Landesbeauftragten, die aus eigenen Lebenserfahrungen heraus Beratungs- und Bildungsarbeit leisten kann.
Der Abschied aus dem Amt ist dieses Mal mit einem Abschiedsbrief verbunden. Darin stehen anregende und zum Teil auch provozierende Thesen. Ich habe mich persönlich zum Beispiel in der Suche nach einem dritten Weg damals in der DDR wiedergefunden. Ich behaupte auch heute, dass der real existierende Kapitalismus nicht ohne Alternative ist.
Angesichts des Klimawandels, der Finanz- und Wirtschaftskrise und einer wachsende Schere zwischen Arm und Reich ist es unsere ureigenste Pflicht als Politikerinnen und Politiker, nach ökologischen, gerechten und global zukunftssicheren Alternativen zu diesen Fehlentwicklungen zu suchen.
Ich sage Ihnen nach einigen Reden der vergangenen Tage: Wer solche Suche hier im Sächsischen Landtag verteufelt, holt das Schwarz-Weiß-Denken des Kalten Krieges hierher zurück.
Wichtig scheint mir für die heutige Debatte eines zu sein: Wir müssen bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur die historisch begründete Verengung auf die Stasi aufbrechen. Die Staatssicherheit war das Schild und Schwert der Partei. Die Hauptverantwortung trugen diejenigen, die sich mit dem Schild schützten und das Schwert führten.
Ebenfalls notwendig ist es, den Alltag der Diktatur zu betrachten. Beleites schreibt sehr richtig, dass die Beschränkung auf Täter und Opfer die Lebenswirklichkeit von knapp 2 % der DDR-Bürger beschreibt. Wer Verständnis vom Funktionieren dieser Diktatur gewinnen will, dem gelingt das nur über den tagtäglichen Druck zur Anpassung, von der Mitgliedschaft in Massenorganisationen, im Kollektiv der sozialistischen Arbeit, von der Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung und anhand der Konsequenzen, die daraus folgten. Wer sich nicht anpasste, der wurde ausgegrenzt. Das begann mit der Verweigerung des Studiums und der Einschränkung von Reisemöglichkeiten. Am Rande standen die Kinder, die sich für eine Konfirmation anstatt der Jugendweihe entschieden hatten.
Es war die Mischung aus Bespitzelung und Unterdrückung, aus erzwungener Anpassung und aus illusorischem Mittun, die dem DDR-System so lange eine relative Stabilität verliehen hat. Der schnelle Zusammenbruch im Herbst 1989 war das Ergebnis der Selbstbefreiung und der Selbstermächtigung der Menschen in unserem Lande.
Ich bin deshalb überzeugt, dass es nicht ausreicht, das Amt neu zu besetzen. Wir müssen dem Amt eine erweiterte Aufgabe geben.
Die Ereignisse in Brandenburg, die Herr Schowtka beschrieben hat, zeigen eines: Sachsen ist weit voraus in der Aufarbeitung. Aber wenn der Spruch „Überholen ohne einzuholen“ gilt, dann im Falle Brandenburgs.
Brandenburg hat seit einem Jahr nicht nur eine Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, sondern eine Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur.
Dieses Brandenburger Gesetz mit seiner weiteren Aufgabenbeschreibung sollte jetzt auch Vorbild für Sachsen sein. Ebenso wiederhole ich meine Forderung aus den vergangenen Jahren: Der oder die Landesbeauftragte
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte sollte nicht nur schöne Worte des Dankes am heutigen Tag bringen. Es ist nicht nur unsere Aufgabe, dieses Amt wieder gut zu besetzen. Wir müssen auch die gesetzlichen Grundlagen für diese Arbeit verbessern. Ich biete Ihnen dazu ausdrücklich die Mitarbeit unserer Fraktion an.
Ich habe noch einen Wunsch an Michael Beleites: Der vorliegende Bericht ist ein Abschluss. Aber er möge kein Abschluss der Zusammenarbeit sein. Ich hoffe, dass er uns weiterhin mit seinen Erfahrungen und seinem Wissen als Berater zur Verfügung steht.