Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der NPD spricht nun Herr Abg. Petzold. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der jährliche Bericht des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zeigt auch dieses Mal wieder, dass die Beschäftigung mit den illegitimen und unmenschlichen Praktiken der kommunistischen Diktatur schon deswegen nötig ist, weil deren Täter, Handlanger und Verharmloser auch heute noch in den Parlamenten der BRD sitzen – nicht zuletzt im Sächsischen Landtag. Alle anderen Parteien haben sich der Verharmlosung mitschuldig gemacht, weil sie die SED, PDS und DIE LINKE in ihren demokratischen Konsensbereich aufgenommen haben, wodurch der Linksextremismus erneut salonfähig wurde.

Die NPD begrüßt, dass der Beratung von Bürgern, die Einblicke in die über sie angefertigten Stasi-Unterlagen einfordern, auch im vergangenen Berichtsjahr, angemessener Raum eingeräumt wurde. Positiv ist auch, wie unkompliziert sich und für die Antragsteller hilfreich die Kooperation mit der Bundesbeauftragten für StasiUnterlagen darstellt. Ebenso positiv ist die Tatsache herauszustreichen, dass diese kleine Behörde mithilfe Externer in kleineren Städten des Freistaates Beratungsgespräche vor Ort anbietet. Alles das war bereits dem letztjährigen Bericht zu entnehmen.

Daher ist es fast interessanter, was der Stasi-Beauftragte in einem Interview der „Sächsischen Zeitung“ vom 8. Dezember 2010 anlässlich des Ausscheidens aus seinem Amt mitteilte. Er bedauerte darin, dass sich die sogenannte Aufarbeitung der DDR fatal auf die Enttarnung der IMs verenge: „Dadurch wurde der Eindruck erweckt, dies sei allein entscheidend darüber, ob jemand am Repressionsapparat der DDR mitgewirkt hatte oder nicht. Viele, die mehr verstrickt waren, aber nicht den IMStatus hatten, konnten sich dann nach einer Stasi

Überprüfung als unbelastet darstellen.“ Wir alle wissen, dass diese Unbelasteten beileibe nicht nur in den Reihen der LINKEN zu finden sind. Sie sind gerade auch in den Reihen der Regierungskoalition zu finden – bis in Höhe Regierungsämter, wovon man besonders im alten Landkreis Kamenz ein Lied zu singen weiß.

Herr Beleites hat vollkommen recht, wenn er als künftigen Aufklärungsschwerpunkt eine Fragestellung anmahnt, die nicht nur die ein bis zwei Prozent der Täter in den Fokus rückt, sondern fast jeden Bürger. Die meisten müssen sich doch die Frage stellen: Warum habe ich in der DDR ständig etwas getan, was ich eigentlich gar nicht tun wollte? Beleites sagt weiter: „Genau das hat zu der allgemeinen Befangenheit geführt, dass viele lieber gar nicht über das Thema sprechen wollen.“ Auch diese Frage kann man durchaus aktualisieren. Viele Sachsen fragen sich heute, warum sie schon wieder so vieles tun, was sie eigentlich gar nicht wollen, welche Mechanismen hier greifen oder warum sie wie in der DDR resigniert haben und sich in Wahlverweigerung üben.

Michael Beleites steht nach zwei Amtszeiten und zehn Jahren als Stasi-Beauftragter hier in Sachsen für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung. Das ist verständlich – doch schade. Die NPD möchte sich herzlich und aufrichtig bei ihm für die geleistete Arbeit bedanken – noch mehr aber für seinen Mut und für seine echte Zivilcourage. Beleites hat am 10. November einen Sammelband über die Zwangskollektivierung der mitteldeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute an die Fraktionsvorsitzenden geschickt, dem ein eindringlicher Brief – eine Mahnung für die Zukunft enthaltend – beilag.

Daraus möchte ich zitieren, denn meine Fraktion kann jedes Wort unterschreiben: „Mit dem Bauerntum erlischt wohl das einzige bewährte Lebens- und Arbeitsmodell kultivierter Gesellschaften, das individuelle Freiheit mit einer Begrenzung und Einordnung in die Naturzusammenhänge einer endlichen Welt organisch verbindet.“

Die Systemverbrechen der kommunistischen Diktatur und das Systemversagen unserer Demokratie haben in wenigen Jahrzehnten die Traditionslinie einer Lebenspraxis abgebrochen, die seit der Ackerbaukultur vor etwa 8 000 Jahren Basis und Garant für eine nachhaltige Kulturentwicklung der Menschheit war. Sie haben richtig gehört: das Systemversagen unserer Demokratie. Es ist nicht Zivilcourage, allein auf den Fehlern und Verbrechen einer untergegangenen Epoche herumzureiten.

(Beifall bei der NPD – Andreas Storr, NPD: Jawohl!)

Es ist Zivilcourage und zeugt von großer persönlicher Souveränität, die Versäumnisse und Fehler der aktuell Herrschenden anzusprechen.

(Beifall bei der NPD)

In diesem Sinne hat sich Michael Beleites um Sachsen verdient gemacht, und an diesem Anspruch wird sich auch

der oder die künftige Stasi-Beauftragte messen lassen müssen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wir beginnen mit der zweiten Runde. Die CDU Fraktion; Herr Abg. Pohle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben dem Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Stasi-Unterlagen eine überwiegend positive Resonanz entgegengebracht. Eine besondere Ausnahme im Berichtszeitraum ist das 20-jährige Jubiläum der friedlichen Revolution. Der überwiegende Teil der Tätigkeit der Behörde hängt mit der Aufarbeitung der staatlichen Prozesse in der sogenannten DDR zusammen.

Ich möchte mich dem Bereich der Bildung widmen, wie einige meiner Vorredner ebenfalls. Bildung wird von allen Seiten hier im Haus als elementar in Sachsen debattiert, denn Bildung ist Aufklärung.

Die Plenarwoche begann mit der sehr kontrovers geführten Debatte zum Thema "Demokratie in Sachsen verteidigen – Extremismus von Rechts und Links konsequent bekämpfen!"

(Andreas Storr, NPD: Die Mitte hat aber kein Demokratiemonopol, deshalb stimmt das Bild nicht!)

Dass Sie Probleme damit haben, sich mit einer untergegangenen Geschichte auseinanderzusetzen, ist verständlich, weil wir damit immer noch zu kämpfen haben: nämlich mit Ihnen. Mehr möchte ich jetzt nicht zu Ihnen sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wesentlicher Bestandteil unserer Entwicklung in den letzten 20 Jahren sind Freiheit und eine Politik zum Wohle der Sachsen auf der Basis der Demokratie.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gerade die Arbeit des Landesbeauftragten für die StasiUnterlagen beleuchtet die finstere Zeit in der Ostzone, in der es keine Freiheit und Gewaltenteilung gab. In der neuesten Publikation von Wolfgang Donsbach „Die Sachsen im wiedervereinigten Deutschland“ werden einige ernstzunehmende Fakten aufgeworfen. Insbesondere die Verklärung der Zustände in Ostdeutschland ist alarmierend und ein Zeichen für den Bedarf an politischer Bildung und weiterer Beachtung in Sachsen für die Grundsätze der Demokratie. Die Bewertung und historische Aufarbeitung der Stasi-Akten zeichnen das Bild einer Gesellschaft, an dem viele Institutionen zusammengewirkt haben. Hierin liegt die Chance für die politische Bildung: die Beleuchtung eines menschenverachtenden Systems und der verlogene Umgang mit seinen Bürgern.

Ich empfehle Ihnen, einen Kommentar auf der Internetseite von Wolfgang Donsbach nachzulesen. Eine gesellschaftspolitische Lehrerin hat sehr eindrucksvoll ihre Erfahrungen mit dem Zustand der politischen Bildung und der Notwendigkeit der weiteren Aufklärung der Zustände in der Ostzone dargelegt. Diese Zustände waren geprägt von Unfreiheit über die Missachtung von uns allen jetzt selbstverständlichen Rechten und Freiheiten bis hin zum Verlust der Gesundheit und des Lebens. Diese Fakten dürfen nicht verdrängt, verharmlost und vergessen werden.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Tino Günther und Kristin Schütz, FDP)

Es bleibt noch viel zu tun, wenn wir zum Beispiel an die Arbeit der Opferverbände der kommunistischen Gewaltherrschaft denken. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf den Verein für die Opfer von DDR-Zwangsadoptionen hinweisen. Die rechtlose Wegnahme von Kindern und Zuführung auf Bestellung an SED-Eliten und Stasi-Mitarbeiter stellt ein besonders perfides Beispiel für die Realität aus der Welt der sozialistischen Verbrecher dar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aus diesem Grund möchte ich mich für die engagierte Arbeit von Michael Beleites und seinen Mitarbeitern in den letzten Jahren bedanken. Ich beende meinen Vortrag mit dem Wunsch und der Hoffnung auf eine Nachfolge, die die Fortführung und Weiterentwicklung mit den StasiAkten garantiert. Stasi-Abarbeitung ist nicht genug.

Ich danke.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tino Günther, FDP)

Wird von der Linksfraktion nochmals das Wort gewünscht? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Ich frage einfach einmal: Wer wünscht zum Tagesordnungspunkt noch das Wort zu nehmen? – Niemand mehr. Wünscht die Staatsregierung zu sprechen? – Bitte, Herr Staatsminister Dr. Martens.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst im Namen der Staatsregierung für die in den letzten Jahren geleistete Arbeit des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Herrn Beleites, danken und ihm für seinen neuen Lebensabschnitt und seine neue Tätigkeit viel Glück, Gesundheit und Schaffenskraft wünschen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD, und der Staatsregierung)

Die ausführliche persönliche Würdigung von Herrn Beleites wird auf einer gesonderten Veranstaltung noch ausreichend stattfinden. Es ist für mich eine besondere Verpflichtung, dass der Sächsische Landesbeauftragte

zum Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz und für Europa gehört; wir haben es von Herrn Gerstenberg gehört. Es wäre auch denkbar, ihn beim Landtag anzusiedeln. Aber er gehört zu meinem Geschäftsbereich, und ich kann aufgrund der eigenen Erfahrungen bestätigen, wie wichtig und notwendig die Einrichtung dieser Behörde im Freistaat Sachsen war und weiterhin ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Unabhängig von der Frage der organisatorischen Anbindung oder Einbindung der Stelle des Landesbeauftragten kann man nach 18 Berichten feststellen: Alle Bürger im Freistaat haben von der Arbeit des Landesbeauftragten für die Unterlagen des MfS profitiert. Diese Arbeit hat zur Aufklärung, zur Entmystifizierung dieser auf weiten Strecken erschreckend banalen Behörde MfS beigetragen. Sie hat dazu beigetragen, Mechanismen eines totalitären Systems zu verstehen, und das hilft den Menschen. Es hilft aber auch der Vergewisserung in einem demokratischen System – eine Vergewisserung, die wir immer wieder neu brauchen, meine Damen und Herren.

(Andreas Storr, NPD: Das ist mir aber neu, das kann ich nicht feststellen!)

Ich freue mich im Übrigen auch besonders, dass es gestern im Rahmen des Haushaltsbeschlusses gelungen ist, den Etat des Landesbeauftragten um weitere 40 000 Euro jährlich aufstocken zu können. Das sei an dieser Stelle einmal deutlich gesagt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Diese zusätzlichen Mittel können für weitere Informationsveranstaltungen, Aufklärungsprojekte oder Projekte mit Zeitzeugen genutzt werden. Aus dem uns vorliegenden Bericht wie auch aus den vergangenen Berichten lässt sich ablesen, wie stark das Interesse der Bürger an der Aufklärung der Verbrechen der Staatssicherheit immer noch ist. Der Berichtszeitraum wurde in diesem Jahr entscheidend vom 20. Jahrestag der friedlichen Revolution geprägt. Es wurden zahlreiche Publikationen erstellt und Veranstaltungen durchgeführt. Allein im Rahmen der Beratungsinitiative 2009 wurden über 1 000 Bürger beraten. Im Weiteren spielte die Opferberatung eine besondere Rolle, ob es um Fragen der Rehabilitierung von politischem Unrecht oder Fragen in Bezug auf Entschädigungen für Insassen, etwa von DDR-Kinderheimen bzw. Jugendwerkhöfen, ging.

Die Arbeit des Landesbeauftragten – aber auch das ist keine neue Erkenntnis – ändert sich. Sie ändert sich mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu den unmittelbar zu beleuchtenden Ereignissen. Sie transformiert sich – hin zu einer Bildungs- und Weitergabearbeit, zu einer Arbeit im Bereich der Kultur des politischen und demokratischen Erinnerns, und dem werden wir auch in den nächsten

Jahren, denke ich, systematisch mit Etlichen noch einmal nachgehen müssen, um die Stelle des Landesbeauftragten langfristig zukunftsfähig zu machen, um sie in neuen Strukturen lebendig erhalten zu können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Anzahl der Projekte an Schulen zeigt, wie notwendig die Arbeit des Landesbeauftragten ist. Zeitzeugen – das ist bereits gesagt worden – werden immer weniger. Natürlich werden die Zeitzeugen für die ersten Jahre der DDR, die spätstalinistischen Maßnahmen und Unterdrückung, auch im Zusammenspiel mit der sowjetischen Besatzungsmacht, in den nächsten Jahren überhaupt nicht mehr verfügbar sein. Deswegen ist es wichtig, dass dieses Wissen nicht einfach ausstirbt; deswegen der besondere Wert des Zeitzeugenprojektes des Landesbeauftragten, meine Damen und Herren. Es geht auch darum, das Wissen über die Diktatur, diese Erfahrungen für die Nachwelt zu bewahren.

Lassen Sie mich eines dabei noch herausstellen: Die Verengung des totalitären Systems und der DDR-Diktatur auf das MfS wird dem gesamten Geschehen nicht gerecht. Auch deswegen brauchen wir einen weiteren Ansatz, der mehr Aspekte umfasst als allein nur das hauptsächlichste und wichtigste Unterdrückungsinstrument der Diktatur des MfS. Die unzähligen Veranstaltungen im Rahmen des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution zeigen, dass das Interesse an dieser Thematik ausgesprochen groß war.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Arbeit des Landesbeauftragten verdient unsere ausdrückliche Anerkennung. Ich bin sicher, dass diese wichtige Arbeit auch in Zukunft weiterhin erfolgreich fortgeführt wird, und wir werden als Staatsregierung auch im kommenden Jahr dem Haus hierzu geeignete Vorschläge unterbreiten.