„Vielleicht ist es an der Zeit, ohne Denkverbote an die Debatten über einen Dritten Weg aus der Vorwendezeit wieder anzuknüpfen.“
Das ist eine sehr ungewöhnliche Anregung. Ich empfinde es zumindest als Tabubruch, so etwas vorzuschlagen, weil wir doch alle sehr eingerichtet sind in unserer Demokratie, in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und in der Marktwirtschaft und glauben, dass es gar nicht anders gehen könne.
Was mich nachdenklich gemacht hat, ist der Satz, in dem Sie schreiben, dass es tabufreie Gesprächsräume und interessierte Gesprächspartner über solche Fragen hier und heute weniger gibt als in der DDR der Achtzigerjahre. Das hat mich nachdenklich gestimmt, und ich denke, wir sind gut beraten, uns von diesem Satz inspirieren zu lassen und an einigen Punkten darüber nachzudenken, was wir anders machen können als bisher, um die demokratische Gesellschaft, in der wir jetzt leben, mit neuem Leben zu erfüllen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich im Namen der FDP-Fraktion ganz herzlich bei Herrn Beleites und seinen Mitarbeitern für die geleistete Arbeit bedanken.
Die im Bericht vorgelegten Zahlen zeigen eindrucksvoll, dass auch 21 Jahre nach der Revolution die Arbeit des Landesbeauftragten enorm wichtig ist und von den Bürgern nachgefragt wird. 195 Erstberatungen, 242 ausführliche Beratungsgespräche in der Geschäftsstelle, 857 ausführliche Beratungsgespräche in 23 Städten im Freistaat und zahlreiche gemeinsame Beratungsangebote mit der Außenstelle Chemnitz der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit. Zudem gab es erneut Überprüfungsanfragen von Kommunen.
Der Bericht spiegelt die vielen Vorträge, Ausstellungen und Veröffentlichungen in 20 Jahren seit der friedlichen Revolution wider. Hervorheben möchte ich besonders die Wanderausstellung „1989 – Unser Aufbruch“.
Wenn ich all das lese, was in dem Bericht steht, bin ich immer wieder beeindruckt, wie man mit vier Stellen – einem Behördenleiter, zwei Referenten und einer Sekretärin – so viel auf die Beine stellen kann.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Abg. Martin Dulig, SPD, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)
Es gibt im Bericht natürlich auch kritische Punkte. Einen möchte ich ansprechen. Im Bericht steht wörtlich: „Enorm lange Anfahrtszeiten oder die leider häufig vorkommenden Verspätungen bei der Deutschen Bahn führten dazu, dass Projekte abgesagt werden mussten.“ Da muss man in der Organisation nachschauen, wie man so etwas vermeiden kann, weil das nicht im Interesse der Aufgabe ist.
Die Arbeit des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ist nämlich nicht nur in Dresden, Leipzig und Chemnitz notwendig, sondern auch in Dommitzsch, Bad Muskau, Jöhstadt und überall bei uns in Sachsen.
Warum ist das so wichtig und warum ist die Arbeit aktuell? Wir reden hier von den Unterlagen der Staatssicherheit. Die Staatssicherheit der DDR ist ja nicht von allein gekommen, und sie ist auch nicht einfach so vom Himmel gefallen, sondern sie beruhte auf einer Politik von Kommunisten, die in der DDR an der Macht waren. Die Partei war die SED.
Mir ist leider nicht bewusst, dass irgendjemand von der LDPD Zugriff auf den Schutz und Schirm der SED gehabt hat. Das ist mir von keiner anderen sogenannten Blockpartei in irgendeiner Weise bekannt.
Die Basis des gesamten Staatsgebildes war die Idee des Kommunismus. Das waren nur die Auswirkungen des Kommunismus. Es ist wichtig, dass jetzt und noch für sehr lange Zeit den Leuten in Sachsen gezeigt wird, was die Auswirkungen des Kommunismus waren. Warum ist das aktuell? Der Bericht – wenn ich ihn vorbereite – ist für mich immer eine Zeit, ganz gern aktuelle Internetseiten der LINKEN hier in Sachsen durchzublättern.
Wenn ich in der Zeitung „Links der Neiße“ vom November 2010 – des Kreisverbandes – lese: „Die verratene Revolution oder das verkaufte Volk“ – das sind nur Ausschnitte: „Die DDR war ein international anerkannter Staat mit einer legal gewählten Regierung“.
„Was heute in diesem Land passiert: Stuttgart, der illegale Atomdeal, Hartz IV, Hungerlöhne, Kriegseinsätze, die Aushöhlung des Grundgesetzes – das ist Diktatur!“
„Heute sind wir einer Diktatur näher denn je. Sie kommt in Schwarz-Gelb daher.“ – Das ist geschenkt. – „Die Anfänge sind bereits gemacht.“
Vielen Dank, Herr Günther. – Ich wollte Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass wir im Grundgesetz das Recht auf freie Meinungsäußerung verankert haben und dass es jedem offensteht, in irgendwelchen Provinzblättern solche Meinungen zu äußern?
Aber selbstverständlich! Das Allerletzte, was ich tun möchte, ist, irgendjemandem eine Meinung zu verbieten. Das wäre das Allerletzte. Jeder Kommunist kann hier seine Meinung äußern. Keine Frage. Wir leben in einer Demokratie!
Aber ich darf auch darauf hinweisen, was daraus wächst. Die DDR ist auch an solchen Schriften gewachsen. Solche Meinungen sind hier vorhanden. Deshalb gibt es auch die Behörde.
Herr Günther, haben Sie sich einmal mit Transformationsprozessen von Biografien beschäftigt? Die Dinge sind doch viel komplexer. Es ist für manche Menschen schwierig, sich zu verändern, für andere nicht. Wir können das beobachten.
Die können ganz flugs in eine andere Rolle schlüpfen. Sie sollten dies berücksichtigen, finde ich, und nicht Tribunale schaffen. Das ist an diesem Ort und in diesem Zusammenhang – meine ich – unpassend.
Nein, das ist nicht unpassend. Es passt genau hierher. Wenn Sie von Transformationsdingen reden – ich hätte noch etwas. Einen hätte ich noch.