Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Ja, aber das Zitat war richtig.

(Heiterkeit im Saal)

Aber es macht eben auch deutlich, dass die Aufgabenstellung viel größer ist, als wir uns das im Moment vorstellen.

(Beifall der Abg. Petra Köpping, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

14 Punkte sind gut. Ich erwarte, dass dies umgesetzt wird und wir dafür Sorge tragen, dass die Wirtschaft einschließlich des Handels ihrer Verantwortung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern gerecht wird und nicht nur der Steuerzahler am Ende dafür löhnen wird,

dass das, was ich für eine Selbstverständlichkeit halte, nämlich gesunde und ungiftige Lebensmittel, in den Verkehr gebracht wird.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Die Fraktion GRÜNE, Herr Abg. Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie bei vielen vorangegangenen Lebensmittelskandalen ist die Ursache bei den Futtermitteln zu suchen, so auch in diesem Dioxinfall. Wieder haben wir eine Verunsicherung von Verbrauchern und Produzenten.

Sachsen ist, wie wir es gehört haben, mit einem blauen Auge davongekommen. Trotzdem ist der Skandal noch nicht vorbei und ausgestanden. Solange wir mit Steuergeldern industrielle Landwirtschaft und Massentierhaltung fördern und anschließend den Bürgern minderwertige und giftige Lebensmittel zum Verkauf anbieten, ist etwas faul im System.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Es kann doch nicht sein und gar nicht gut gehen, wenn man vor Weihnachten hier in Dresden ein Suppenhuhn für 1,39 Euro im Angebot bekommen kann; für 1,69 Euro, wie heute früh gesagt, ist auch immer noch viel zu wenig. Das kann nicht funktionieren.

Aus der CDU-Fraktion habe ich gehört, dass man eine Panik bei Verbrauchern festgestellt hat. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe aber erlebt, dass die Nachfrage nach Bioprodukten sprunghaft angestiegen ist.

Damit haben wir ein zweites Problem in Sachsen: Wir haben viel zu wenige Angebote an Bioprodukten und viel zu wenig Ökolandbau. Ich erinnere nur an unseren Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2003, wo wir uns vorgenommen hatten, bis 2010 10 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche im ökologischen Landbau zu entwickeln. Jetzt sind wir gerade einmal bei 3,5 %. Hierin liegt ein Teil des Problems und hier können wir aktiv etwas dazu tun, dass es in Zukunft besser wird. Wir sind halt helle Sachsen, aber in diesem Fall, was den Ökolandbau betrifft, befinden wir uns im Dornröschenschlaf.

Wir brauchen eine bessere und andere Förderung der einheimischen – sowohl konventionellen als auch ökologischen – Landwirtschaft.

(Staatsminister Frank Kupfer: Besser geht doch gar nicht!)

Herr Kupfer, denken Sie an die Haushaltsdebatte. Uns fehlt immer noch ein eigener Haushaltstitel für den Ökolandbau.

(Staatsminister Frank Kupfer: Wir haben den höchsten Fördersatz in Deutschland!)

Wir haben immer noch kein Kompetenzzentrum für Ökolandbau. Es gibt genügend Beispiele in anderen Bundesländern, in denen es noch besser geht.

(Staatsminister Frank Kupfer: Aber nicht mit höheren Förderquoten!)

Wir sind nicht schlecht, aber wir sind noch lange nicht die Besten, und wir könnten noch besser werden.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Deshalb brauchen wir mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz statt Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft. Wir brauchen bessere Kontrollen; das wurde schon gesagt. Auch hier müssen wir die Kapazitäten erweitern, die Schwachstellen analysieren und ausmerzen. Wir brauchen verbesserte Verbraucherinformationen. Diese müssen bürgerfreundlich, gebührenfrei und verständlich für jedermann sein.

Beim Dioxinskandal haben wir gelernt, dass es nicht nur um Grenzwerte, sondern auch um die Gesamtbelastung geht. Auch darüber müssen alle Ergebnisse der Lebensmitteluntersuchungen verständlich veröffentlicht werden.

Die Kennzeichnung von tierischen Produkten ist ein nächster Punkt. Ein einheitliches Kennzeichnungssystem soll eingeführt werden, damit es über Haltung und Herkunft der Tiere Klarheit gibt. Wir brauchen die Positivliste für die Futtermittel. Hierfür ist übrigens die Ökowirtschaft ein gutes Beispiel. Es wurde auch gesagt, dass die Produktion zu trennen und die Haftpflichtversicherung einzuführen ist. Ich sage es noch einmal: Wir müssen uns überlegen, in welche Richtung die Förderpolitik gehen soll.

Ich finde die Ergebnisse der Fachministerkonferenz in Ordnung. Sie sind zunächst nur eine Erklärung, und jetzt müssen wir sehen, wie diese umgesetzt werden. Bisher war es immer so, dass es nach Skandalen Erklärungen gab, aber dann wurde lange nicht mehr darüber gesprochen und nichts mehr gemacht. Es ist nicht nur nach dem Staat zu rufen – auch das ist bereits erwähnt worden –, denn auch die Verbraucherentscheidung an der Theke hat einen großen Einfluss auf die Lebensmittelsicherheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die NPDFraktion; Herr Abg. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Oft ist es so, dass, wenn man als siebter Redner ans Pult tritt, man das meiste nur wiederholen kann. Aber aus Sicht der NPD-Fraktion sind heute bei diesem Thema die eigentlichen Probleme – wohl weil Sie sich davor scheuen – noch nicht diskutiert worden.

Der Dioxinskandal ist im Grunde nur ein Glied in der Kette von Lebensmittelproblemen der weitgehend nur noch überregional agierenden und vollkommen durchin

dustrialisierten Ernährungswirtschaft und deren Zulieferer.

Ich erinnere mich aus den letzten Jahren an Paprikapulver mit Bleioxidbeimengungen, damit man die schöne rote Farbe hat, Wein mit Süßung durch Frostschutzmittel sowie – vielleicht etwas harmloser – Gewichtsvermehrung im Schinken durch Wassereinlagerung, Verlängerung von Haltbarkeitsdaten oder – was sogar erlaubt, aber meist nicht ordentlich deklariert ist – Schinken- und Käseimitate. Das sind Dinge, mit denen der Verbraucher irgendwie hinters Licht geführt wird.

Meine Damen und Herren, all das ist eine Folge des Preiskampfes. Auch im Fall mit dem Dioxin muss man sagen: Wenn man 60 Cent für ein Kilogramm Fettsäuren für Futtermittel und 10 bis 20 Cent für Fettsäuren für Industriefett bezahlen muss, war dies wahrscheinlich der Auslösepunkt des kriminellen Handelns. Irgendwie ist das Ganze für mich vergleichbar mit Doping, zum Beispiel bei der Tour de France, im Radsport: Diejenigen, die gestern als Saubermänner auf der letzten Tour de France dastanden, werden im nächsten Jahr als Dopingsünder überführt. So geht das immer und immer weiter; denn es ist ein strukturelles Problem, mit dem wir hier zu kämpfen haben.

Selbstverständlich sind die Kontrollen gut und wichtig. Doch irgendwie ist das Ganze wie bei Don Quichotte im Kampf mit den Windmühlen. Wir haben 2 500 Lebensmittelkontrolleure, die für eine Million Betriebe zuständig sind. Da kann man nur punktuelle Erfolge erzielen.

Dazu kann man nur sagen, was von uns als NPD-Fraktion schon oft gesagt wurde: Der Fehler liegt nicht im System, sondern das System ist der Fehler in all diesen Dingen. Es ist doch ein absurder Zustand, dass zum Beispiel die Lebensmittelindustrie, wie schon gesagt wurde, überregional agiert, die Länder die Prüfhoheit haben und dann noch nicht einmal so untereinander vernetzt sind, dass die Daten abgeglichen werden könnten. Bei allem Respekt vor den Länderkompetenzen denke ich, dass solche Dinge dann doch in die Bundeszuständigkeit gehören. Dafür ist ein Systemwechsel ganz klar notwendig.

Der Staat kontrolliert zentral, um Reibungsverluste in den Informationsketten zu vermeiden. Die Ernährungswirtschaft gehört regionalisiert mit für den Endverbraucher überblickbaren Erzeugerketten.

Natürlich wird es dann auch noch schwarze Schafe geben. Diese wird man nie vermeiden können. Aber für die Produzenten ist es viel riskanter, wenn der Ruf vor Ort, wo man bekannt ist, ruiniert ist, als wenn man als Industrienomade seinen Betrieb notfalls in den Konkurs führen, woanders neu gründen und das gleiche Spiel weitertreiben kann. Das haben wir schon oft genug erlebt.

Ich denke, die Lebensmittel gehören wieder vor Ort produziert. Weniger Streuung in dieser Sache ist sicher sinnvoll, aber das hat seinen Preis, nämlich den Preis. Wenn wir wieder regional produzieren, dann bleiben in der Region die Arbeitsplätze und somit Geld vor Ort.

Dadurch ist wieder mehr Konsum möglich und man wird den etwas höheren Preis im Zweifelsfall ausgleichen können. Das gilt nicht nur für den ökologischen Landbau – Herr Weichert war an den Dingen ziemlich nah dran –, sondern auch für den konventionellen Landbau.

Ich muss propagieren, dass wir als NPD immer wieder sagen: Wir brauchen regionale Wirtschaftskreisläufe, eine regionale Volkswirtschaft. Das ist der Haken. Wenn man das nicht erkennt oder nicht erkennen will, dann wird es diese Probleme in Größenordnungen immer und immer wieder geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur zweiten Runde. Ich rufe erneut die CDU auf; Herr Abg. Fischer.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte nun noch einige wenige Punkte ergänzen. Herr Jurk hat dankenswerterweise anerkannt, wo die echte Verantwortung liegt.

Ich möchte allerdings auch auf den Redebeitrag von Herrn Weichert reagieren und klar und deutlich sagen, dass Bioproduktion kein Allheilmittel ist. Wir haben in Sachsen gute Erfolge in der Bioproduktion. Beispielhaft nenne ich hier das Hofgut Mahlitzsch bei Nossen. Hier werden sehr gute Bioprodukte produziert. Als Folge davon kommen Leute aus Leipzig, Dresden und Chemnitz und kaufen hier ein.

Für eine bessere Vernetzung und für besseres Interesse bei der Bevölkerung brauchen wir eine stärkere Kochkompetenz. Wir haben in der nationalen Verzehrstudie lesen können, dass, je jünger die Leute sind, die Kochkompetenz immer weiter absinkt. Wir brauchen hier unbedingt mehr Sensibilisierung für das Thema, auch auf dem Feld der Geschmacksbildung, was besonders im Interesse der lokalen Produzenten liegt.

Ein Beispiel zur Lebensmittelwirtschaft: In Riesa gibt es die „Riesaer Makkaroni“, eingerichtet von einem überregional bekannten Teigwarenhersteller, der ganz bewusst auf professionelle Kochkurse für Kinder und Jugendliche setzt und damit sehr gute Ergebnisse erzielt.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)