Wenn es nicht so gemeint war, umso besser. Denn ich denke, wir sind wirklich gut beraten, das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für ihren Ort nicht als gedankenlose Wutbürgerei zu verstehen, sondern es geht tatsächlich darum, dass man gemeinsam abwägen muss: Welchen Hochwasserschutz wollen wir haben? Wie viel? Wie können wir gemeinsam die Verantwortung tragen? Das ist das, was die Bürger wollen, wenn sie gegen Flutmauern in Laubegast, in Roßwein oder sonst wo protestieren. Sie möchten, dass die Planungsziele gemeinsam mit ihnen vereinbart werden und ihnen nicht jemand sagt: Wir machen das für euch und ihr dürft da nicht mitreden. – Darum geht es.
Das war eine Kurzintervention. Frau Kollegin Wissel, Sie können darauf reagieren. – Das wollen Sie nicht.
Gut, dann können wir jetzt in der Rednerliste weitergehen. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE erneut Frau Pinka.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem gestern der FDP-Wirtschaftsminister Morlok unser schönes Bergleutemotto „Alles kommt vom Bergwerk her“ so verfälscht hat, freue ich mich natürlich, dass der FDP-Umweltschützer Herr Günther heute sagt: Die Restmassen Schnee dürfen vom Berg her kommen. Darüber freue ich mich sehr.
Ich bin vorhin schon einmal auf die Landesumweltgesetzgebung eingegangen. Ich möchte aber noch einen anderen aktuellen Aspekt in die Debatte einbringen. Herr Günther
hat es vorhin auch schon einmal angesprochen: Das sind nämlich unsere Deiche. Es gibt vom Sommer letzten Jahres einen Erlass zur pauschalen Fällung von Bäumen und Sträuchern auf Deichen und Dämmen. Er ist meines Erachtens in seiner Pauschalität in der Sache verfehlt.
Die Begründung allein ist haarsträubend, weil es auf der Hand liegt, dass das zeitliche Aufeinandertreffen eines Tornados mit Hochwasserextremereignissen natürlich doch sehr selten vorkommen wird.
Meines Erachtens sind sich alle Fachwissenschaftler einig, dass der Schutz von Leben und Gütern immer Vorrang haben wird im Hochwasserschutz. Man ist sich einig, dass man Dämme und Deiche nicht gleichen Funktionalitäten unterwerfen kann und dass man, wenn man sich die Mühe gemacht hätte, auch hätte differenzieren können. Dann hätte es eben Vollschutzdeiche gegeben, die allein die Hochwasserschutzaufgabe hätten erfüllen müssen und die dann möglicherweise auch ohne Bäume und Sträucher ausgestattet sind, wenn Gutachter zu dieser Erkenntnis kommen.
Es gäbe aber auch andererseits Deiche, die Teilschutzfunktionen übernehmen und vielleicht nur kleinere Hochwasser abwehren müssen, weiterhin vielleicht aufgelassene Deiche oder Deiche mit sekundären Nutzungen. Da hätte sich vielleicht die Chance der Biotopvernetzung oder die Unterstützung von Biodiversitätsaufgaben oder auch die Berücksichtigung von Aspekten der Landschaftsgestaltung und der Naherholung ergeben. Aber dieser Erlass hat eben nicht differenziert.
Abgesehen davon, dass natürlich die herrschende Lehrmeinung davon ausgeht, dass Deiche ohne Bäume und Sträucher zu existieren haben, wurde in Sachsen dieses hehre Ziel aber auch verfehlt. Schauen wir uns doch einmal den Zustand der Deiche und Dämme an.
Jetzt wird es eben auch einmal brenzlig und aktuell. In Leipzig wurden auf einer Länge von 1,3 Kilometern in Absprache mit der Stadtverwaltung durch die Landestalsperrenverwaltung Bäume gefällt. Bei dem aus den Dreißigerjahren stammenden Nahle-Deich im Auenwald bestand Dammbruchgefahr. Es war Gefahr im Verzug und deshalb musste gefällt werden.
Dies trieb natürlich die Naturschützer auf die Barrikaden. Da sieht man, Herr Staatsminister Kupfer, dass die Naturschützer dann auch nicht mehr differenzieren wollen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es eben auch wieder heraus. Daher meine Bitte an Sie: Nehmen Sie diesen leidigen Erlass zurück! Lassen Sie sich aus dem zuständigen Bereich einen Überblick vorlegen, welche Deiche welche Funktionen in welchem Ausmaß erfüllen müssen, und ziehen Sie Ihre Konsequenzen. Gehen Sie differenzierter vor. Nehmen Sie die Gemeinden, die betroffenen Menschen, die Behörden usw. mit. Versuchen Sie, Aspekte wie Hochwasserschutz, Landschaftsbild, Biotopverbund miteinander und gegeneinander abzuwägen. Wegen Ihres erfolgten Schnellschusserlasses sind Sie meines Erachtens von Naturschützern jetzt zu Recht kritisiert worden.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach die Abg. Frau Pinka. Jetzt käme erneut die FDP an die Reihe. – Kein Redebedarf.
Entschuldigung. Wir machen eine dritte Runde. Es gibt weiteren Redebedarf und vor allem weitere Redezeit bei der CDU-Fraktion. Damit spricht erneut Herr Kollege Meyer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz auf das eingehen, was Frau Friedel im Nachgang zur Rede von Frau Wissel hier zum Besten gegeben hat. Ich glaube, es ist eine Fehlinterpretation, die Sie vorgenommen haben. Frau Wissel hat nicht gesagt, dass Anspruchsgruppen kein Recht haben, sich in Planungsprozesse einzubringen, ihre Meinung zu äußern. Sie wissen wahrscheinlich genauso gut wie ich, dass Planungsprozesse beispielsweise in diesem Fall mit Umweltverträglichkeitsprüfungen betraut sind, und in diesen Verfahren werden alle Anspruchsgruppen gehört, sie können ihre Meinungen einbringen. Fakt ist aber auch: Wir müssen beim Hochwasserschutz ein bisschen die Realität mit im Blick behalten. Da kann ich zum Beispiel nicht nachvollziehen, dass hier im Bereich Dresden/Cossebaude jemand der Meinung ist, er braucht keinen Hochwasserschutz für sein Wochenendhaus, weil er da keine Mauer vor seinem Haus haben will. Niemand hat die Absicht, dort eine Mauer zu errichten. Das ist ja ein viel zitierter Satz.
Vor dem Hintergrund muss man die Einsprüche, die geltend gemacht werden, auch immer bewerten. Ideologisierungen, die häufig vorgenommen werden, sind an der Stelle jetzt keineswegs hilfreich.
Herr Meyer, ist Ihnen bekannt, dass zwar zu den Hochwasserschutzkonzeptionen die Träger öffentlicher Belange zu befragen sind, dass es aber keine strategischen Umweltprüfungen im Zuge von Hochwasserschutzkonzeptionen gibt?
Die Umsetzung von Hochwasserschutzkonzeptionen obliegt Planungsverfahren, genau wie beim Bau einer Straße oder irgendwelchen anderen Infrastrukturmaßnahmen. Das sind in der Regel die gleichen Verfahren. Es gibt eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Natürlich gibt es auch einen Landesentwicklungsplan, bei dem strategisch vorgegangen wird. Die Anspruchsgruppen werden angehört. Die Träger öffentlicher Belange werden angehört und ihre Einwände berücksichtigt. Von daher sehe ich es nicht so wie Sie, dass keine Möglichkeit besteht, dass beispielsweise anerkannte Naturschutzverbände zu Wort kommen. Das ist so nicht richtig, Frau Pinka.
Ich möchte mich noch zu dem Hinweis äußern, dass die Versicherung nicht alle versichert. Ich hatte vorhin gesagt, dass 98,3 % aller sächsischen Haushalte unkompliziert eine Versicherung erhalten. Nur 1,7 % brauchen individuelle Lösungen. Das ist ein Fakt. Das ist richtig, und wir haben es auf der Agenda. Auch die Versicherungswirtschaft hat auf der Agenda, dort individuelle Lösungen zu suchen. Trotzdem muss man deutlich sagen, dass die Mehrheit eigene Hochwasservorsorge in Form von Versicherungen bekommen kann. Das war vielen nicht bewusst. Es ist meist so, wenn ich noch nie betroffen war, dass ich mich um bestimmte Dinge erst im Nachhinein kümmere. Das ist leider so. Aber es ist nicht so, dass es keine Versicherungsmöglichkeiten gibt. Von daher ist es wichtig, dass jetzt das Bewusstsein geschaffen wird und eigene Vorsorgemaßnahmen getroffen werden.
Ich denke, dass an dieser Stelle alles vonseiten der CDUFraktion gesagt ist. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Kollege Meyer sprach für die CDU-Fraktion. Jetzt sehe ich am Mikrofon 1 Kollegin Pinka, die kurzintervenieren möchte.
Ja, ich möchte kurzintervenieren auf den Redebeitrag von Herrn Meyer und möchte den Vorwurf von mir weisen, dass ich nicht den Unterschied zwischen einer strategischen Umweltprüfung und der Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange kenne. Ich weiß schon aus meinem vormaligen Leben, dass es da einen deutlichen Unterschied gibt. Alle Hochwasserschutzkonzeptionen sind nicht einer strategischen Umweltprüfung unterlegen gewesen.
Gibt es in dieser dritten Runde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Den sehe ich nicht. Damit hat jetzt die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Kupfer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich das Thema der Aktuellen Debatte vor Augen hält „Hochwasserschutz in Sachsen – aus der Erfahrung gelernt“ und ein Fragezeichen dahintersetzt, kann man eindeutig antworten: Ja. Die Redner, die hier vom Pult sprachen, haben das in eindrucksvoller Weise bestätigt.
Nimmt man das Thema „Hochwasserschutz in Sachsen – aus der Erfahrung gelernt“ mit einem Ausrufezeichen, dann kann man das so stehen lassen.
Meine Damen und Herren! Wir haben aus den Erfahrungen von 2002 gelernt. Das Hochwasser von 2002 war ein schmerzliches Ereignis. Wir haben uns nach diesem Hochwasser hingesetzt und Hochwasserschutzkonzepte erarbeitet, und zwar 47 an der Zahl mit 1 600 Einzelmaßnahmen. Diese Einzelmaßnahmen sind priorisiert und werden nach dieser Priorität abgearbeitet. Natürlich werden nachfolgende Hochwasserereignisse herangezogen, um diese Hochwasserschutzkonzepte auf Aktualität und die Priorisierung auf ihren Bestand zu prüfen.
Wir haben nach dem Hochwasser 2002 gesagt: Wir wollen in Sachsen einen Schutz vor einem statistisch aller hundert Jahre wiederkehrenden Hochwasser, einem sogenannten HQ100. Wir haben gesagt, dass wir für die Erfüllung dieser Aufgabe 2 Milliarden Euro investieren müssen. Dass das nicht in zwei Jahren passieren kann, ist auch jedem klar gewesen. Hochwasserschutz ist und bleibt eine Generationenaufgabe.
Frau Wissel hat gesagt, dass wir bisher circa 400 Millionen Euro investiert haben. Wir wollen bis zum Jahr 2015 eine Milliarde Euro investiert haben. Die restliche Milliarde Euro folgt in den späteren Jahren.
Die bisher getroffenen Maßnahmen haben sich bewährt. Wir haben das bei den August- und Septemberhochwassern im letzten Jahr gesehen. Auch beim diesjährigen Hochwasser hat sich gezeigt, dass die Maßnahmen dort, wo sie schon getroffen werden konnten, den Zweck erfüllt haben.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die bei den Hochwassern dafür gesorgt haben, dass die Auswirkungen nicht so schlimm sind wie 2002.
Ich bedanke mich wie meine Vorredner bei den Helfern der Feuerwehr, des THW und der Polizei sowie bei den spontanen Helfern. Ich bedanke mich auch ganz besonders bei meinen Mitarbeitern in der Landestalsperrenverwaltung und in der Landeshochwasserzentrale.
Ich möchte auch den tschechischen Partnern für die gute und in den letzten Jahren besser gewordene Zusammenarbeit danken. Wir haben in der Tat durch diese Zusammenarbeit mit Tschechien erreicht, dass sich die Vorwarnzeiten für ein Hochwasser an der Elbe von 24 auf 60 Stunden erhöht haben.
Frau Pinka, ich bedanke mich auch für die lobenden Worte dafür, dass ich jetzt beim tschechischen Landwirtschaftsminister gewesen bin. Sie haben dabei kritisiert, dass ich erst jetzt dort war. Ich bitte Sie zu berücksichtigen, dass der Kollege noch nicht so lange wie ich im Amt ist und deshalb dieses Gespräch erst jetzt stattfinden konnte. Es war auch kein Gespräch, das anlässlich des aktuellen Hochwassers stattgefunden hat, sondern es war längerfristig geplant. Ich habe neben der gemeinsamen Agrarpolitik natürlich auch das Thema Hochwasser angesprochen, habe mich bei der tschechischen Seite für die gute Zusammenarbeit bedankt und habe auch – wie ich das schon an vielen anderen Stellen in den letzten Wochen und Monaten getan habe – um Unterstützung dafür gebeten, dass wir auf die Zentralregierung in Warschau Einfluss nehmen, damit wir endlich das Hochwasserkonzept für die Lausitzer Neiße zustande bringen. Dass wir das Konzept noch nicht haben, lag vor vier Jahren einzig und allein daran, dass die polnische Seite nicht mitfinanziert hat.
Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Hochwasser voraussehen können. Das, was im Dezember an Schnee gefallen ist, war so viel wie im gesamten Winter 2006. Das waren riesige Schneemassen. Dass die irgendwann wegtauen, war klar. Wir wussten durch die Wettervorhersagen, dass ab dem 6. Januar der Tauprozess einsetzt, die Temperaturen also in den Plusbereich gehen. Wir haben deshalb vorsorglich in den Landestalsperren den Pegel nochmals abgesenkt. Wir haben insgesamt – das bitte ich auch einmal zu berücksichtigen – nach dem Hochwasser 2002 in den sächsischen Talsperren 167 Millionen Kubikmeter Rückhalteraum geschaffen. Daran, dass das auch mit Diskussionen verbunden war, wird sich der eine oder andere noch erinnern. Wenn man an einer Talsperre eine Ausflugsgaststätte hat, bei der man zweimal hinfallen muss und dann am Strand ist, dann führt es eben zu Diskussionen, wenn man nun fünfmal hinfallen muss. Wir haben diese Diskussionen aber ausgehalten und haben das durchgesetzt. Es hat sich jetzt gezeigt, dass dies der richtige Weg war.