Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Dass es in Sachsen keine generell gesetzlich vorgeschriebenen Studiengebühren geben wird, war und ist Konsens zwischen CDU und FDP.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Es muss auch kein Student oder Studieninteressent befürchten, wegen einer geringfügigen unverschuldeten Überziehung der Regelstudienzeit Gebühren zahlen zu müssen. Wer jedoch selbstverschuldet die Regelstudienzeit massiv überzieht, wird sich künftig an den Kosten seines Studiums beteiligen müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudenten wird immer wieder mit der Begründung abgelehnt, die Möglichkeiten der Studienfinanzierung seien unzureichend. Wir wollen nicht, dass der Bildungsaufstieg an finanziellen Hürden scheitert. Deshalb befürworten wir auch die Bemühungen des Bundes, das System der Studienfinanzierung zu verbessern. Der Dreiklang aus BAföG, Bildungsdarlehen und Stipendien muss auch künftig jungen Menschen ein Studium ermöglichen. Dabei unterstützen wir ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, den Anteil der Stipendiaten auf 10 % zu erhöhen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist auch für die sächsischen Unternehmen ein Stipendiensystem interessant. Deshalb werden wir im Freistaat Sachsen gemeinsam mit der Wirtschaft Stipendienprogramme für Studierende und Doktoranden entwickeln. Diese sind der richtige Schritt, um leistungsbereite Studenten finanziell zu unterstützen. Wir können Sachsen damit einen bedeutenden Standortvorteil verschaffen. Wir wollen den Studierenden helfen und sie nicht bestrafen, wenn sie neben ihrem Studium Geld verdienen müssen oder in Praktika ihre Berufsaussichten verbessern sollen.

Studiengebühren werden nahezu ausschließlich als Studienverhinderungsgrund, insbesondere für einkommensschwache Bevölkerungsschichten, betrachtet. Dass in der Bundesrepublik trotz des bis vor Kurzem allgemeinen gebührenfreien Systems im Vergleich zu anderen Ländern der soziale Aufstieg nicht besonders signifikant war, bleibt bei dieser Diskussion leider unberücksichtigt. Eine vom Freistaat Sachsen beauftragte Studie aus dem Jahre 2008 ergab zudem, dass 61 % der sächsischen

Abiturienten einen Einfluss von Studienkosten auf ihre Studienentscheidung verneinen oder diesen Einfluss nur im gewissen Maße sehen.

Darüber hinaus bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung im April 2009 die grundsätzliche Rechtmäßigkeit von Studiengebühren. Spätestens nach dieser Gerichtsentscheidung muss die Diskussion erst recht über Langzeitstudiengebühren nun endlich als eine wirkliche Sachdiskussion geführt werden. Wir sprechen uns daher klar gegen Denkverbote bei diesem Thema aus und lehnen diesen Antrag ab.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Als nächste Fraktion folgt die NPD. Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die NPD-Fraktion spricht sich für ein kostenloses Erststudium aus. Den ersten Teil des vorliegenden Antrags können wir also unterstützen.

(Zuruf von der CDU)

Interessanter ist der zweite Teil des Antrages. Hier zeigt sich wieder einmal sehr schön, wie sich die GRÜNEN immer wieder im eigenen ideologischen Gestrüpp verheddern. Sie sprechen dort von Strafgebühren für unzureichende Studienbedingungen. Wenn Studenten über die Regelstudienzeit hinaus noch mehrere Semester bis zum Abschluss ihres Studiums benötigen, sollen diese eine Art Überziehungskredit aufbringen. Es ist aber nicht immer so, dass allein äußere Faktoren für ein Studienversagen oder eine Studienverzögerung verantwortlich gemacht werden können. Manchmal ist es auch fehlende Begabung oder schlicht die Faulheit. Für die NPD sind auch manche Begründungen, die die GRÜNEN bei einer Umfrage in der Konferenz sächsischer Studierendenschaften angaben, schlichtweg Humbug. Wenn Studierende, wie von Ihnen angegeben, durch zivilgesellschaftliches Engagement am Studieren gehindert werden, dann müssen sie dieses Engagement bis zum Ende ihres Studiums einschränken oder zurückstellen.

(Zuruf von der FDP)

Dies geht beispielsweise in die Richtung Ihrer Freunde von der Apfelfront.

(Rico Gebhardt, Linksfraktion: Schon einmal eine Uni von innen gesehen?)

In Zeiten, in denen der größte Teil unseres Volkes unter teils erheblichen finanziellen Einschränkungen zu leiden hat, in denen fast alle staatlichen Verpflichtungen auf dem Prüfstand stehen, können auch die Hochschulen keine Inseln der Seligen mehr darstellen.

Wenn die aus Sicht der NPD unverzichtbare Gebührenfreiheit für das Erststudium erhalten bleiben soll, dann wird man über eine finanzielle Beteiligung der Semester, die deutlich über die Regelstudienzeit hinausgehen, nachdenken müssen. In Härtefällen – zum Beispiel bei Schwangerschaft, Kleinkinderziehung oder Krankheit – sollte der oder die Betreffende bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises von den Gebühren natürlich ausgenommen werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das gilt nur für Frauen!)

Dem zweiten Teil können wir uns somit nicht anschließen. Daher werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.

Danke sehr.

(Beifall bei der NPD)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren! Das war die letzte Rednerin in der ersten Runde. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte ich um das Schlusswort.

(Zurufe von der CDU: Aber erst die Staatsregierung!)

Entschuldigung. Ich bitte um den Beitrag der Staatsregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Ich danke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür, dass sie mir die Gelegenheit gibt, zu einem für mich ganz zentralen Anliegen der hochschulpolitischen Verlässlichkeit und auch Geradlinigkeit der Staatsregierung zu sprechen.

Die Lage ist klar. Das Sächsische Hochschulgesetz sieht die Studiengebührenfreiheit für das Studium bis zu einem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss vor; Meisterschülerstudium und Graduiertenstudium sind ebenfalls frei. Gebührenfreiheit besteht ebenfalls für denjenigen, der auf das Bachelorstudium noch ein Masterstudium aufsatteln möchte. Das ist und bleibt die Rechtslage im Freistaat Sachsen – so, wie wir es versprochen haben.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Thomas Jurk, SPD: Das war schon einmal anders!)

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt. Sie haben dies auch unmissverständlich und klar im Koalitionsvertrag formuliert.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Die Stelle möchte ich trotzdem noch einmal zitieren: „Sachsen wird keine gesetzlichen Studiengebühren festschreiben.“ Für mich persönlich waren diese Festlegungen auch ein wichtiger Eckpfeiler bei der Übernahme meines Amtes.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich bin überzeugt, dass diese Festlegungen der sächsischen Union im Landtagswahlkampf, die Festlegungen im Koalitionsvertrag und darüber hinaus auch im Sächsischen Hochschulgesetz richtig und sinnvoll sind.

Es sind im Wesentlichen drei Argumente, die für meine Auffassung essenziell sind. Zum einen ist es die soziale Struktur in den Familien der Studierenden hier in Sachsen, aber auch in den ostdeutschen Nachbarländern. Sie ist nicht so beschaffen, dass zusätzliche Gebühren nicht auch in der Gefahr stehen würden, eine negative Lenkungsfunktion für die Entscheidung zur Aufnahme eines Studiums auszuüben – dies gerade auch in sozial und wirtschaftlich weniger begüterten Familien. Dieser Faktor hat Einfluss. Ich bin der Überzeugung, dass wir keine sozialen Barrieren für die Aufnahme eines Studiums errichten sollten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Diese Annahme trifft für rund 56 % der Studierenden in Sachsen zu, da sie aus Sachsen kommen.

Zum Zweiten geht es uns um die generelle Attraktivität des Studienortes im Freistaat Sachsen. Denn die Gebührenfreiheit des Studiums ist ein Argument auch für Studierende aus anderen Bundesländern, den östlichen, aber auch den westlichen Bundesländern unseres Landes, für die Aufnahme eines Studiums in Sachsen. Rund 34 % kommen aus anderen Bundesländern. Diese wägen sehr genau ab, wo sie ihr Studium aufnehmen. Auch für sie ist Gebührenfreiheit ein nicht unwesentliches Entscheidungsmoment. Eine Erstsemesterbefragung meines Hauses hat ergeben, dass immerhin fast 90 % der Befragten in der Gebührenfreiheit ein zentrales Argument sehen, um ein Studium in Sachsen aufzunehmen.

Zum Dritten aber hat mir noch nie jemand aus den die Studiengebühren erhebenden Ländern wirklich erklärt, inwiefern diese Gebühreneinnahmen tatsächlich einen signifikanten Anteil zur Verbesserung von Lehre und Lehrbedingungen leisten können, wie dies stets ins Feld geführt wird. Im Gegenteil. Es gibt Bestrebungen, Studiengebühren wieder abzuschaffen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Die Befürchtungen, dass die Hochschulen selbst quasi durch die Hintertür Studiengebühren erheben, sind durch die eindeutige Rechtslage in Sachsen ausgeschlossen. Herr Prof. Mackenroth hat darauf hingewiesen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Professor ist er nicht! – Stefan Brangs, SPD, wendet sich direkt an Geert Mackenroth, CDU: Habe die Ehre!)

Was wir unter einer deutlichen Überschreitung der Regelstudienzeit zu verstehen haben, darüber werden wir in dieser Legislaturperiode befinden, und zwar unter Berücksichtigung aller Belange, auch der der Studierenden.

Sie, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, brauchen sich also keine Sorgen um die klare und eindeutige Haltung der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, aber auch der gesamten Sächsischen Staatsregierung zu machen.

Sorgen allerdings könnten Sie sich – dieser Hinweis sei mir gestattet – um die Haltung Ihrer Parteifreunde in Hamburg machen. Dort haben die GRÜNEN gerade nachgelagerte Studiengebühren in Höhe von 375 Euro pro Semester eingeführt.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört! – Unruhe)

Ich schlage Ihnen vor, dass Sie die klare und eindeutige Haltung der sächsischen Regelung einmal mit Ihren Parteifreunden in Hamburg diskutieren. Diese könnten insofern noch eine Menge von uns lernen.

Lassen Sie mich resümieren: Im Freistaat Sachsen finden Studierende, die, wie viele Menschen hier in der Region, mit ihrem Einkommen sehr genau kalkulieren müssen, – –