Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

Als Nächstes haben Sie bemängelt, dass wir uns nicht rechtzeitig mit Ihnen in Verbindung gesetzt haben. Dazu muss ich sagen: Bei allem Respekt vor Ihrer Arbeit, meine Experten für diesen Antrag sind die gehörlosen Menschen in Sachsen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Abschließend zu dem immer wiederholten Punkt, dass das nur ein ganz kleiner Aspekt auf dem Weg der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist: Ich denke, dass das nur ein Sandkorn ist, sozusagen ein Sandkorn Hoffnung, und dass es nur ein kleiner Schritt auf einem sehr

weiten Weg ist. Man kann sich immer und immer wieder damit herausreden, dass das alles ein sehr großer, langwieriger Prozess ist, und man kann sich darauf wunderbar ausruhen. Ich denke, gerade weil es so ein weiter Weg ist, wäre es wichtig, wenn wir heute losgehen würden.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung. – Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Ich bitte um punktweise Abstimmung, weil ich vermute, dass aufgrund der Redebeiträge auch die CDU-Fraktion dem Punkt 4 zustimmen könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN – Heiterkeit bei den LINKEN)

Gut. – Ich rufe die Drucksache 5/4524, Punkt 1, auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür wurde Punkt 1 mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Punkt 2 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier gleiches Abstimmverhalten. Punkt 2 wurde mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Punkt 3 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier wieder Stimmen dafür und Stimmenthaltungen. Dennoch wurde Punkt 3 mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Punkt 4 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Reihe Stimmen dafür wurde auch Punkt 4 mit Mehrheit abgelehnt und damit ist keine Gesamtabstimmung erforderlich.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Gleichstellung in der Besetzung der Führungsgremien befördern

Drucksache 5/4803, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, die Fraktion GRÜNE. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung. Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag, die Zahl der Frauen in Führungsgremien zu befördern, hat in den letzten 14 Tagen eine ungeahnte Aktualität bekommen.

Ich nehme an, dass wir an dieser Stelle alle der Meinung sind, dass wir zu wenige Frauen in Führungspositionen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 100 Jahre, nachdem der Frauentag zum ersten Mal gefeiert wurde, in der heutigen Zeit, in der Frauen über die besseren Bildungsabschlüsse verfügen, sind Frauen noch immer in der Minderzahl in Führungspositionen. Deshalb lässt sich unser Antrag in

einen Satz fassen: Wir möchten mehr Frauen in Führungspositionen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN – Wortwechsel zwischen den Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und Christian Piwarz, CDU)

51 % aller Studienabsolventen sind zurzeit Frauen. Diese Zahl spiegelt sich allerdings in keiner Weise in der Besetzung von Führungspositionen wider. Ich möchte Ihnen das exemplarisch an einigen Zahlen verdeutlichen. Ich beginne bei der Staatsregierung, in den Staatsministerien. Der Frauenanteil auf der Abteilungsleiterebene liegt bei circa 20 %, bei den Staatssekretären sogar bei nur 10 %. Noch Ende 2007 wurden 74 von 77 durch den Freistaat zu besetzenden Aufsichtsratsmandaten von Männern wahrgenommen. Etwas besser, liebe Kolleginnen und Kollegen, sieht es einer Studie zufolge in der sächsischen Wirtschaft aus. Dort werden circa 25 % der Führungspositionen in den neuen Ländern von Frauen besetzt.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Na, Gott sei Dank!)

Dazu komme ich später noch.

Allerdings ist zu sehen, und auch das wurde in den letzten Wochen in den verschiedenen Medien kommuniziert, dass an den eigentlichen Schalthebeln der Wirtschaft nur sehr selten eine Frau zu finden ist.

Wir GRÜNEN sehen das allerdings als eine Gerechtigkeitsfrage an. Ich nehme an, dass hier einige der Kolleginnen und Kollegen das ähnlich sehen. An der Stelle frage ich mich, was Sie eigentlich Ihren Kindern sagen, wenn diese Sie fragen, warum so wenige Frauen im Sächsischen Landtag sitzen.

Ich möchte Ihnen eine andere Zahl nennen: In einem Land, von dem wir annehmen, dass Frauen dort ganz sicher unterrepräsentiert sind, nämlich in Afghanistan, muss ein Viertel aller Abgeordnetensitze Frauen vorbehalten sein.

(Jürgen Gansel, NPD: Da haben wir ja ein neues staatliches Vorbild!)

Es ist sogar übererfüllt: 28 % der Abgeordnetensitze werden dort von Frauen wahrgenommen. Wenn ich heute in den Pressespiegel geschaut habe, dann habe ich dort gelesen, dass auch der Bundesvorstand der FDP gerade eine 30-%-Quote beschlossen hat und dass das der Basis aber zu wenig ist;

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das rettet die auch nicht mehr!)

denn die Basis möchte 40 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Polen müssen immerhin 35 % der Listenplätze von Frauen besetzt sein. Wenn das nicht der Fall ist, werden die Zuschüsse an die Parteien um die Hälfte gekürzt, und das tut ihnen wirklich weh.

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt den LINKEN)

Allerdings habe ich nichts davon gehört, dass die FDP irgendwelche Sanktionen vorgesehen hätte, wenn die Quote nicht eingehalten wird.

Bei den Fragen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – das müssen alle eingestehen – zeigen die Studien, zum Beispiel von Catalyst, dass Potenziale, die vorhanden sind, eben nicht ausgeschöpft werden. Schließlich zeigen diese Studien auch, dass Unternehmen eine wesentlich bessere wirtschaftliche Performance aufweisen, wenn ein hoher Anteil von Frauen in Führungsgremien sitzt.

Deshalb ist es nicht irgendein Gedöns, das wir mal noch nebenbei machen, sondern es ist uns ein wichtiges Anliegen, weil es auch um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Deutschland und Sachsen geht.

Nur am Rande: Die Finanzbranche verfügt über den geringsten Frauenanteil – er liegt bei Banken und Sparkassen bei 2,6 %, bei Versicherungen um 2,8 % – und ich stelle mir die Frage, ob wir genauso in diese Krise geschlittert wären, wenn mehr Frauen an diesen Stellen gewesen wären.

Mit wem sind wir uns denn eigentlich in dieser Debatte einig? Wir sind uns offenbar alle einig. Frau Maria Böhmer, die Vorsitzende der Frauenunion, sagt, dass es wirtschaftliche Gründe gebe, die für eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen sprechen. Ingrid Petzold, die Vorsitzende der Frauenunion in Sachsen, sagt: Wir brauchen jetzt klare gesetzliche Regelungen für die Erhöhung des Anteils von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen. EUBinnenmarkt-Kommissar Michel Barnier erklärte Anfang des Jahres: „Ich stehe der Idee aufgeschlossen gegenüber, europaweit Frauenquoten einzuführen, beispielsweise in den Vorständen der großen börsennotierten Unternehmen.“

Und wie Sie alle wissen, hat Frau von der Leyen einen 30-%-Schlüssel vorgeschlagen, der als Mindestmarge für Männer und Frauen in gleicher Weise gelten soll. Dieser müsse sowohl für die Vorstände als auch Aufsichtsräte vor allem von börsennotierten Unternehmen gelten und soll bei Nichteinhaltung sanktioniert werden. Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding erklärt, am Thema Frauenquote kommen wir deshalb nicht vorbei.

Deshalb jetzt zu unserem Antrag im Detail. Er sieht nämlich vor, in der sächsischen Verwaltung in Sachsen und auf der Bundesebene, auch in der Privatwirtschaft Frauen in die Führungsgremien zu bringen. Die Zahl der Abteilungsleiterinnen in der sächsischen Verwaltung spricht Bände. Das vor 17 Jahren in Kraft getretene Frauenförderungsgesetz ist natürlich nur so gut, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie diese Zielsetzung auch wirklich politisch vorangetrieben wird.

Wir haben uns deshalb den § 15 des Frauenförderungsgesetzes herausgegriffen. Danach haben die Dienststellen bei der Besetzung von Gremien, für die sie ein Entsendungs-, Bestellungs- oder Vorschlagsrecht haben, auf eine gleiche Beteiligung von Frauen und Männern hinzuwir

ken. Dieser Paragraf ist übrigens schon seit 1994 in Kraft. Wie wir an der Zahl von 2007 sehen – 74 von 77 durch den Freistaat zu besetzenden Aufsichtsratsmandaten werden von Männern wahrgenommen –, wird diese Vorschrift in der Praxis überhaupt nicht beachtet. Also bleiben Sie mir weg mit Ihrer Freiwilligkeit!

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Antje Hermenau, GRÜNE: Da muss mal jemand klagen!)

Wenn das zuständige Staatsministerium eben nicht tätig wird, dann wird es auch in Zukunft bei den gleichen Zahlen bleiben. Deshalb haben wir in unserem Punkt 1 Vorschläge gemacht, wie das zu ändern wäre.

Nun zur sächsischen Wirtschaft. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Internetseite der IHK das Thema Frauen in Führungspositionen suchen, dann werden Sie sehen, dass das kein Thema für die IHK ist – jedenfalls nicht auf dieser Seite –, und das, obwohl wir die Zahlen kennen und alle miteinander bedauern – jedenfalls habe ich das bei den Äußerungen so wahrgenommen.

Wir halten es deshalb für einen guten Ansatz, uns mit der sächsischen IHK und mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen zusammenzusetzen, um Strategien zu entwickeln, wie Frauen in Führungspositionen gebracht werden können. Eine Möglichkeit ist die bevorzugte Vergabe von Aufträgen an Unternehmen, die gleichstellungsorientiert arbeiten und bei denen Frauen in der Führungsebene sind.

Die gleichen Regelungen gibt es schon in anderen Bundesländern – Brandenburg, Thüringen, Berlin usw. –; wir wären also keine Ausnahme.

Die Staatsregierung kann natürlich auch auf Bundesebene initiativ werden. Wir fordern eine 40-%-Quote für Frauen in Aufsichtsräten und die Überarbeitung von Regelungen, wie wer in ein Aufsichtsratsmandat kommt; denn diese Regelungen sind wachsweich und nicht ausreichend.

Wenn Sie mir jetzt sagen, Frauen wollen keine Quotenfrauen sein, dann kann ich das eigentlich nicht mehr hören, weil wir alle zusammen wissen, dass es die effektivste Methode ist, Frauen wirklich an Stellen zu bringen, wo sie bisher eben immer noch an eine gläserne Decke stoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Wer sich an dieser Stelle dagegen ausspricht, den fordere ich von hier aus auf: Machen Sie doch einen anderen Vorschlag; machen Sie einen, der besser ist und der wirklich einen Effekt hat! Denn die freiwillige Selbstverpflichtung wurde seit 2001 in der Privatwirtschaft abgeschlossen, und was ist passiert? – So gut wie gar nichts.