Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)

das würde die Sache ungerechtfertigt aufwerten – eingehen, die Sie genannt haben. Sowohl in der Antwort der Staatsregierung als auch in der Antwort von Herrn Krasselt konnten wir hören, dass der Staatsregierung und Herrn Krasselt nur Einzelfälle bekannt seien, für die das zutreffend wäre.

Zu diesem Punkt kann ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Das spricht nicht für die mangelnde Relevanz unseres Antrages, sondern das spricht für den mangelnden Bezug zur Realität gehörloser Menschen in Sachsen, den Sie hiermit belegen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Der zweite Punkt – daran haben Sie sich am längsten abgearbeitet – betrifft die Zahlen. Zum einen geht es um die Zahlen des Statistischen Landesamtes – das können wir sicherlich noch einmal überprüfen lassen – und zum Zweiten möchte ich gern wissen, ob Sie, als Sie beschlossen haben, dass es für Menschen in Sachsen sehr wichtig sei, sonntags ihr Auto waschen zu dürfen, vorher auch Daten erhoben haben.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Diesbezüglich haben Sie meines Erachtens den Bedarf vorher auch nicht abgefragt.

Sie sagen, es wäre nur für eine kleine Gruppe. Ich weiß nicht, wie viele Gesetze wir hier verabschieden, die für jeden sächsischen Bürger und jede sächsische Bürgerin gleichermaßen von Bedeutung sind. Natürlich gibt es diesbezüglich Abstufungen. Das ist doch ganz normal.

Problematisch finde ich, dass Sie immer wieder auf den Nachteilsausgleich abzielen. Das finde ich regelrecht unanständig. Ich habe diesen Satz vorhin schon einmal gesagt, aber ich wiederhole mich hier so lange, bis ich verstanden werde. Der Nachteilsausgleich ist gedacht für den Nachteil, gehörlos zu sein, und nicht für den Umstand des Elternseins. – Das ist ein großer Unterschied.

(Beifall der SPD und den LINKEN)

Des Weiteren wurde bemängelt, dass der Antrag vom Umfang her zu gering wäre. Über diese Äußerung freue ich mich, weil ich mit Ihnen gern größere Gesetzesinitiativen zu diesem Thema machen würde. Darüber hinaus biete ich schon jetzt meine Zusammenarbeit an. An Ideen und Ambitionen mangelt es uns nicht. Bisher wurde das, was von meiner Fraktion, der Fraktion der GRÜNEN und den LINKEN zu diesem Thema eingebracht wurde, von den Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt.

Frau Schütz sagte, dass es bisher von der Landesdolmetscherzentrale bezahlt wird. Sie hat ferner gesagt, dass dazu der Beitritt der Eltern zu einem Verein, nämlich in den Gehörlosenverband, eine Bedingung sei. Ich wünsche mir aber eine bedingungslose Finanzierung. Ich denke, Sie würden sich das auch wünschen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von Ihnen Lust hätte, erst in einen Verein eintreten zu müssen, damit er mal einen Elternabend besuchen kann.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Als letzten Punkt möchte ich noch etwas dazu sagen, was Herr Hüppe gesagt hat. Meine Kollegen von der CDU, das ist ein Parteikollege von Ihnen. Er ist der Bundesbeauftragte für die Menschen mit Behinderung. Herr Hüppe hat gesagt: Wer Inklusion will, sucht Wege, und wer sie nicht will, sucht Ausreden!

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Wird weiterhin von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Herr Krasselt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mit wenigen Worten wiederholen, worum es uns geht. Ich habe deutlich gesagt, dass dieser Antrag vom Umfang und vom Wissen her zu gering sei, aber nicht, dass er es in der Sache sei. Ich denke, in der Sache sind wir uns relativ einig.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Dann können Sie doch zustimmen!)

Einem Antrag, der in der Sache nicht richtig ist, stimmen wir nicht zu!

(Beifall bei der CDU)

Der Grundansatz, Menschen mit einer Gehörlosigkeit oder einer Hörschädigung mehr Möglichkeiten zu geben, ist doch völlig richtig. Diesbezüglich sind wir mit Ihnen einer Meinung. Die Frage ist aber: Brauche ich für diesen relativ kleinen Fall – ich habe nicht gesagt „kleine Gruppe“, um es noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen, sondern ich habe gesagt „kleines Wirkungsfeld“ – ein eigenes Gesetz oder kann ich das Gesetz nicht so fassen, dass wesentlich umfangreicher Menschen mit Behinderung einbezogen werden? Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich würde bei dieser Debatte darum bitten, dass man nicht vorgefertigte Meinungen kundtut, sondern einfach zuhört.

(Zuruf des Abg. Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE)

Die vorliegenden Zahlen kennen wir, sie helfen uns aber in der Sache nicht weiter. Es geht um die Dunkelziffer, die ich angesprochen habe. Wie viele Menschen sind derzeit ausgeschlossen, weil es ein solches Gesetz nicht gibt? Das ist meine Frage gewesen. Diese Zahl kennen wir nicht. Es muss geklärt werden, von welcher Problemgröße wir sprechen. Das wird eine gewisse Zeit dauern. Wenn es uns gelingt, das umfassender zu erreichen, dann können wir über diese Thematik erneut sprechen.

Dass wir uns der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet fühlen, ist unstrittig. Herr Wehner, Sie hatten diese 3 bzw. 5 Millionen Euro genannt. Dieses Geld ist doch nicht umsonst neu in den Doppelhaushalt eingestellt worden. Wir stellen uns dieser Thematik.

Ich kann Ihnen heute beim besten Willen nicht die Frage beantworten, ob diese Summe ausreichend ist. Aber unter der Maßgabe der Sparzwänge war es ein erster wichtiger Schritt mit der Erhöhung bis 2012, damit wir mehr tun können.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wenn Sie diesen Gesamtkontext betrachten und sehen, worum es uns geht, werden Sie feststellen, dass Ihr Antrag, den Sie sicherlich gut gemeint haben, der aber von der Befassung her für eine Gesetzesinitiative nach unserer Ansicht nicht ausreicht, verbessert werden kann. Vielleicht lässt sich das gemeinsam machen. Wir sind doch die Letzten, die sich dagegen stellen. Die Behinderten können nicht die Leidtragenden sein. Darüber sollten wir uns im Klaren sein. Ich denke, diesbezüglich besteht Konsens im gesamten Plenum.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Wehner, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir machen es uns wahrscheinlich zu schwer oder zu einfach. Wenn wir im Freistaat Sachsen circa 4 000 Menschen mit einer Hörbehinderung bzw. gehörlose Menschen haben und wissen, dass es circa 2 000 Menschen mit dem Merkzeichen „GL“ für Gehörlosigkeit gibt, die sich im Alter zwischen 18 bis 60 Jahren bewegen, dann frage ich mich, wo das Problem ist. Worin besteht das Problem, die Bedarfszahlen genau zu ermitteln? Was meinen Sie denn, warum wir Kleine Anfragen stellen? Schauen Sie doch einfach mal hinein, dort sehen Sie doch die Zahlen.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Dann bitte ich jetzt Frau Staatsministerin Clauß, das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Noch einmal vielen Dank, Herr Vizepräsident, für die Glückwünsche. Selbstverständlich muss man sich auch an solch einem Tag alles anhören, und das finde ich auch gut so.

(Heiterkeit des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Der vorliegende Antrag verfolgt ein durchaus berechtigtes Anliegen, nämlich die gleichberechtigte Teilhabe von gehörlosen oder gehörbehinderten Menschen am gesellschaftlichen Leben. Gleichberechtigte Teilhabe setzt Barrierefreiheit voraus und dieser Antrag möchte eine barrierefreie Kommunikation zwischen gehörlosen Eltern und der Schule ihrer Kinder gewährleisten.

Barrierefreie Kommunikation zwischen Bürgern und dem Staat ist bereits im Sächsischen Integrationsgesetz festgeschrieben. Dieses sieht seit 2004 vor, dass gehörlose Menschen für die Kommunikation mit staatlichen Behörden ein Recht auf Bereitstellung geeigneter Kommunikationshilfen haben, wenn dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Auch Schulen sind Behörden im Sinne dieses Gesetzes, und damit besteht der mit dem Antrag begehrte Rechtsanspruch teilweise schon jetzt, soweit nämlich im schulischen Bereich Verwaltungsverfahren durchgeführt werden.

Damit sind natürlich nicht alle Fälle der Beteiligung und Einbeziehung der Eltern abgedeckt, aber – das haben wir bereits gehört – die Stiftung Sächsische Behindertenselbsthilfe „Otto Perl“ fördert die Landesdolmetscherzentrale in Zwickau jährlich durch Zuschüsse in beachtlicher Höhe. Diese Fördermittel dienen auch dazu, der Dolmetscherzentrale Kosten zu erstatten, die ihr durch kostenlose Dolmetscherleistungen für gehörlose Eltern bei Elternabenden in Schulen entstehen.

Darüber hinaus erhalten gehörlose Menschen nach dem Landesblindengeldgesetz monatlich 103 Euro. Dieses Geld ist sehr wohl auch dafür bestimmt, den Betroffenen einen pauschalen Ausgleich für Nachteile zu bieten, die ihnen durch ihre Behinderungen entstehen, um damit zum Beispiel einen Gebärdensprachdolmetscher zu bezahlen.

Die Forderung nach der Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetschern anlässlich von Elternabenden ist nicht neu. Allerdings ist auch in der Begründung zum vorliegenden Antrag nicht dargelegt, wie groß der Bedarf tatsächlich ist. Jedenfalls ist die Gesamtzahl von über 17 000 hörgeschädigten Menschen in Sachsen nicht der geeignete Maßstab; denn sie umfasst alle hör- und sprachbehinderten Menschen, von denen keineswegs jeder auf die Hilfe von Gebärdensprachdolmetschern angewiesen ist.

Festzuhalten bleibt: Für gehörlose und hörgeschädigte Eltern werden Gebärdensprachdolmetscherdienstleistungen angeboten. Lediglich in fünf Bundesländern wird gehörlosen Menschen ein finanzieller Nachteilsausgleich gewährt. Der Freistaat Sachsen gehört nicht nur zu diesen Ländern, er zahlt sogar den zweithöchsten Betrag.

Ob ein, wie von der SPD-Fraktion unterstellt, gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, sollte auf der Grundlage einer belastbaren Bedarfsfeststellung geprüft werden, und diese Bedarfsfeststellung sage ich Ihnen zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Das Schlusswort, bitte.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß! Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie die Stellungnahme der Staatsregierung hier noch einmal referiert haben. Für diejenigen, die sie nicht gelesen haben, war das sicherlich interessant, für jene, die sie kannten, nicht ganz so sehr.

Herr Krasselt, wenn Ihnen das Anliegen so wichtig ist, wie Sie sagen, und Sie unseren Antrag an der einen oder anderen Stelle mangelhaft finden, dann frage ich: Wo ist denn eigentlich Ihr Änderungsantrag? Sie hätten doch einen verfassen können.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Als Nächstes haben Sie bemängelt, dass wir uns nicht rechtzeitig mit Ihnen in Verbindung gesetzt haben. Dazu muss ich sagen: Bei allem Respekt vor Ihrer Arbeit, meine Experten für diesen Antrag sind die gehörlosen Menschen in Sachsen.