Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

Meine Damen und Herren! Bitte überlegen Sie sich das noch einmal. Ich möchte aber nicht verschweigen, Frau Kliese – ich hatte das schon angedeutet –, dass es mir lieber wäre, wenn wir die UN-Menschenrechtskonvention komplex und umfangreich umsetzen und auf den Weg bringen. Vielleicht schaffen wir es in nächster Zeit, hier gemeinsam initiativ zu werden.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Nun die FDPFraktion, Frau Abg. Schütz

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gehörlose haben ihre eigene Sprache, und sie haben auch eine eigene Kultur. Untereinander können sie problemlos in Gebärdensprache in Kontakt treten, auch wenn einige Gebärden in Hamburg anders dargestellt werden als hier in Sachsen. Da gibt es kleine Unterschiede. Schwierig ist es für die Bürgerinnen und Bürger, die Brücke zu bauen zur Sprache und Kultur der hörenden Menschen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat eine große Bedeutung für uns in der Umsetzung, aber natürlich eine noch größere für die gehörlosen Menschen, die davon profitieren sollen, nicht nur, weil sie sich die Barrierefreiheit in der Kommunikation zum Ziel gesetzt hat, sondern auch, weil die Gebärdensprache mit Artikel 2 als eigenständige Sprache anerkannt wird. Das ist ein wichtiger Schritt in der Chancengleichheit. Der Gehörlosengemeinschaft und der Gebärdensprache wird damit mehr Stärke und Durchsetzungskraft gegeben.

Laut Ihrem Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, leben in Sachsen 17 000 hörgeschädigte oder gehörlose Menschen. Wir haben jetzt schon die berichtigte Zahl gehört. Auch wir haben uns bei der Landesdolmetscherzentrale informiert. Diese spricht von circa 4 000 Menschen. Die zahlenmäßige Grundlage Ihres Antrages ist daher sehr vage. Es erschließt sich mir letzten Endes nicht, wie bei einer solchen Differenz realistische Angaben über zusätzliche Bedarfe in Ihrem Antrag abgeleitet werden können.

Im konkreten Fall geht es um die Kommunikationshilfe für hörgeschädigte Eltern von Kindern in Kindertageseinrichtungen oder Schulen. Laut Ihrem Antrag ist es ohne einen definierten Rechtsanspruch nicht möglich, dass Eltern eine gleichberechtigte Teilhabe an Elternabenden oder Elterngesprächen erfahren. Das sehen wir als Koalition deutlich anders.

Erstens. Wir haben einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, durch den die Behörden von sich aus aufgefordert sind, alles zu tun, um diesem Anspruch nachzukommen.

Zweitens. In der öffentlichen Verwaltung erlernen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Fortbildungen und Schulungen die Gebärdensprache in ihren Grundzügen, sodass Anträge gestellt werden können oder Beratungen erfolgen. Wir haben das in Görlitz in den einzelnen Ämtern mit Besucherverkehr so gemacht. Das betrifft die Jugendämter, die Schul- und Sportämter und die Sozialämter. Das ist ein wichtiger Punkt, um das Miteinander von Behörden und Bürgern deutlich zu vereinfachen.

Nicht zuletzt sind der Landesverband und die Landesdolmetscherzentrale sehr engagiert. Der Landesverband der Gehörlosen vertritt die Interessen der Gehörlosen sehr nachhaltig und unterhält die Dolmetscherzentrale. Diese trägt den Einsatz für die Kosten von Dolmetschern für Elternabende, Elterngespräche, für Tagungen des Elternrates und auch zur Schuleinführung, wenn die gehörlose Person Mitglied in einem Gehörlosenverein ist. Mein Vorredner ist gerade darauf eingegangen, dass die Mitgliedschaft in einem solchen Verein dafür Bedingung ist. Ich finde das nicht so problematisch. Hier wäre mit den Betroffenen noch einmal zu reden, worin das große Problem liegt, in einen Verein der eigenen Interessenvertretung einzutreten.

Sie haben diesen Punkt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, vollkommen außer Acht gelassen. Dabei zeigen meine Darstellungen, dass Teilnahme in

unserer Gesellschaft möglich und vor allem auch gewollt ist.

Am 4. März – das ist nicht mehr lange hin – besteht die Landesdolmetscherzentrale 20 Jahre. Ich denke, es ist an der Zeit, für diese Arbeit und für den Einsatz von dieser Stelle aus Danke zu sagen und ihnen weiterhin so viel Erfolg bei ihrer engagierten Arbeit zu wünschen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Wenn davon gesprochen wurde, dass die Bedarfe deutlich höher sind und im Haushalt nachgebessert werden sollte, weil jährlich deutlich überzogen wird, dann weiß ich, dass Frau Staatsministerin Clauß immer gesprächsbereit ist, damit wir die Notwendigkeiten prüfen, um dafür zu sorgen, dass die Teilhabe umfassend gesichert wird.

Keine Erwähnung bei der Darstellung eines höheren Bedarfes – ich möchte wieder auf den Antrag zurückkommen – findet darüber hinaus der finanzielle Ausgleich, den es in Sachsen gibt und der umgangssprachlich als Gehörlosengeld bezeichnet wird. Über das Landesblindengeldgesetz wird ein monatlicher Betrag von 103 Euro gezahlt, um die Mehrkosten soweit wie möglich auszugleichen, die ein Hörender nicht hat.

Damit wird deutlich, dass uns die Teilhabeproblematik sehr wohl bewusst ist und wir im Sinne der UNKonvention auch an dieser Leistung festhalten – übrigens als eines der wenigen Bundesländer und anders als zum Beispiel die Landesregierungen mit SPD-Mitverantwortung, zum Beispiel in Bremen oder MecklenburgVorpommern.

Auch mit unserem gemeinsam verabschiedeten Antrag zur Elternassistenz haben wir deutlich gemacht, dass das eigene Budget, über das die Personen verfügen, selbst für diese Leistungen eingesetzt werden kann und soll und sich hier auch die Leistungsträger deutlich mehr vernetzen sollen, um diesem Anliegen Rechnung zu tragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne Not jetzt einen Rechtsanspruch zu schaffen, für den Sie weder den Bedarf genau kennen noch die Kosten solide kalkulieren können, halte ich für nicht mittragbar. Sie wählen ganz genau eine Gruppe von Menschen mit Benachteiligung aus; aber genau das war eben nicht das Anliegen der UNBehindertenrechtskonvention, sondern dort sollte das auf eine breite Basis gestellt werden.

(Zurufe der Abg. Dr. Eva-Maria Stange und Sabine Friedel, SPD)

Von Immanuel Kant stammt der viel zitierte Ausspruch: "Nicht sehen trennt von den Dingen, nicht hören von den Menschen." Veränderungen und Verbesserungen geschehen in vielen kleinen Schritten, und zwar damit, dass alle Menschen mitarbeiten. Diese Mitarbeit kann nicht gesetzlich vorgeschrieben werden. In diesem Sinne kann ich auch nur Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Plenum auffordern: Bemühen Sie sich einmal, einige Grundwörter in der Gebärdensprache zu lernen! Es tut gut

und verschafft viel Sympathie und vor allem auch Verständnis gegenüber anderen Gruppen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Fraktion GRÜNE; Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag hat in seinem Verlangen, seiner Intention von allen Seiten viel Zustimmung bekommen, nicht zuletzt auch von der Staatsregierung, in dem sie in ihrer Stellungnahme sagt, es werde ein durchaus berechtigtes Anliegen verfolgt. Deshalb möchte ich mir hier vor allem die Stellungnahme der Staatsregierung vornehmen und nicht so sehr darauf eingehen, warum dieses Anliegen berechtigt ist.

Die Staatsregierung sagt zum Ersten, das Anliegen sei berechtigt, aber sie kennt keine Zahlen und kennt daher auch den Bedarf nicht. Zum Zweiten sieht sie keine Notwendigkeit, an gesetzlichen Grundlagen etwas zu ändern. Sie sieht überhaupt keine Handlungsnotwendigkeiten im Zusammenhang mit diesem Antrag. Zu den Zahlen hat Kollege Wehner schon etwas beigetragen. Es ist also ganz offensichtlich so, dass es eine ganze Reihe von Eltern gibt, die diese Unterstützung derzeit bereits in Anspruch nehmen. 359 Mal wurde der Dienst im vergangenen Jahr in Anspruch genommen.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Ja!)

Die Kosten, die damit verbunden sind, hat Herr Wehner bereits genannt. Was wir in diesem Zusammenhang nicht wissen, ist, ob alle Eltern, die berechtigt wären, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen, dies tatsächlich wissen und sich mit Ihrem Anliegen an die Landesdolmetscherzentrale wenden; denn das sind ja nur die Zahlen der Eltern, die diesen Antrag offensichtlich gestellt haben. Insofern ist zumindest ein Bericht darüber, wie die Staatsregierung die Zahlen und den Bedarf einschätzt, unbedingt notwendig, wenn wir unser weiteres Vorgehen abklären wollen, und es gibt eine Petition, die beim Petitionsausschuss eingegangen ist, in der Eltern darauf hinweisen, dass sie Bedarf an Unterstützung bei Elterngesprächen haben, aber darüber hinaus auch Bedarf an Unterstützung eines Gebärdensprachdolmetschers im Zusammenhang mit dem Netzwerk für Kinderschutz "Pro Kind Sachsen".

Die Staatsregierung antwortet in ihrer Stellungnahme – das kann ich an dieser Stelle durchaus schon einmal sagen –, dass das nicht notwendig sei, da in dem Projekt Netzwerk für Kinderschutz der Gebärdensprachdolmetscherbedarf bzw. die Herstellung der Barrierefreiheit bereits enthalten sei. Meine Frage an die Staatsregierung ist ganz einfach: Welcher Prozentsatz der Gelder für dieses Projekt ist für die Herstellung von Barrierefreiheit vorgesehen?

Auch dieses Beispiel zeigt, dass es durchaus einen Bedarf gibt und die Eltern nicht immer wissen, dass sie sich zum Beispiel an die Gebärdensprachzentrale wenden können.

In diesem Zusammenhang gibt es eine Liste – und es gibt einen Rechtsanspruch, den Rechtsanspruch zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft –, welche die Gebärdensprachdolmetscherzentrale herausgegeben hat und auf der man sehen kann, wer die Kosten in welchen Fällen übernimmt. Die Liste ist relativ lang. Dabei geht es zum Beispiel um Soziales, dort sind die Kostenträger Jugendamt, Sozialamt, Deutsche Rentenversicherung, Polizei und Gericht. Am Ende dieser Liste steht ein großer Teil "Privates". Das sind solche Dinge wie zum Beispiel Elternabende, Rechtsanwalt nur bei Härtefällen, Schuldnerberatung, Taufe, Hochzeit usw.

Das Problem daran ist, dass ein Teil dieser Kosten von der Landesdolmetscherzentrale getragen wird, aber dass auch ein ganzer Teil überhaupt nicht übernommen wird. Zum Beispiel werden keine Fahrschulkosten übernommen. Wenn wir dann sehen, dass es 103 Euro im Monat Nachteilsausgleich gibt, dann können Sie daran erkennen, dass das viel zu wenig ist, um all diese Bedarfe der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft überhaupt abdecken zu können.

Insofern wäre die Staatsregierung gut beraten, wenn sie sich über den Bedarf noch einmal kundig macht und sich mit dieser Kenntnis daranmacht, die gesetzlichen Grundlagen zu verändern. In Sachsen gibt es dabei an mehreren Stellen Regelungsbedarf. Eine Stelle, die ich nennen möchte, ist das Integrationsgesetz. Die Staatsregierung hat gesagt, dass sie das Landesblindengeldgesetz und das Integrationsgesetz noch in dieser Legislaturperiode weiterentwickeln will. Dadurch stünde für uns ein Teilhabegesetz in Aussicht, bei dem solche Fälle bedacht werden müssen. Natürlich kann sie auch im Bundesrat initiativ werden und sagen: Wir brauchen ein Bundesteilhabegesetz, in dem all die Fälle zusammengefasst werden, die jetzt in den verschiedenen Sozialgesetzbüchern verstreut aufgeführt sind und mit dem die gesetzliche Grundlage für die Teilhabe geschaffen wird.

Nicht zuletzt – dies haben meine Vorredner schon gesagt – gibt es die UN-Konvention. Daraus ist bereits zitiert worden. Die UN-Konvention ist geltendes Recht in Deutschland, und sowohl die Staatsregierung als auch die Bundesregierung haben an verschiedenen Stellen immer wieder gesagt, sie sehen keine Notwendigkeit, gesetzliche Grundlagen zu ändern. Wir haben heute gesehen, dass es diese Notwendigkeit durchaus gibt, und ich möchte noch einmal aus dem Artikel 7 „Kinder mit Behinderung“ vorlesen; denn in diesem Antrag geht es nicht nur um gehörlose Eltern hörender Kinder, sondern natürlich auch um gehörlose Eltern, deren Kinder ebenfalls eine Beeinträchtigung haben. In Artikel 7 steht: "Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderung betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist." Ich denke, das ist zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Netzwerk für Kinderschutz ganz eindeutig der Fall, und wir müssen für solche Fälle Regelungen schaffen, wenn wir wissen, wie der Bedarf in Sachsen ist.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die NPDFraktion; Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wird ein Thema angeschnitten, dem sich wohl niemand verschließen kann: gleichberechtigte, barrierefreie Teilhabe. Inspiriert wurde der Antrag vermutlich auch von einer aktuellen Petition, die noch im Geschäftsgang ist und genau dieses Anliegen verfolgt: die Kostenübernahme eines Gebärdendolmetschers aus besonderem Anlass. Hierbei ging es um das Aufnahmegespräch in eine Kita und die regelmäßigen Entwicklungsgespräche sowie die zweimal im Jahr stattfindenden Elternabende.

Dies ist, wie die Stellungnahme der Staatsregierung formuliert, zweifellos ein – Zitat – "Sonderfall der allgemeinen Teilhabeproblematik, zumal" – ich zitiere weiter – "der Staatsregierung nur wenige Fälle bekannt sind, in denen gehörlose Eltern für die Kommunikation Hilfe benötigen". Es geht also offenbar nur um einige wenige Betroffene, für die die SPD hier über eine Gesetzesinitiative einen Rechtsanspruch festmachen will.

Es erscheint mir bzw. uns – bei allem Respekt vor dem berechtigten Teilhabewunsch – doch etwas übertrieben. Sachsen hat mit insgesamt 34 Gebärdendolmetschern eine sehr gute Ausgangsbasis. Der Nachteilsausgleich – es wurde bereits gesagt: 103 Euro – sorgt zudem dafür, dass die Leistungen zur Teilhabe auch finanziert werden können.

Nicht zu vergessen ist der § 4 der Honorar- und Gebührenordnung des Sächsischen Gehörlosenverbandes, in dem in Punkt 4.1 bei der Selbstfinanzierung ausdrücklich angemerkt wird, dass – ich zitiere – „Empfänger von Arbeitslosengeld II gegen entsprechenden Nachweis einen Antrag auf Kostenübernahme durch die Landesdolmetscherzentrale stellen können“.

Aber wie es vor Kurzem Michael Konowski, der Debattenredakteur des „Fokus“, formulierte, ist die logische Konsequenz linken Denkens, dass seit 200 Jahren hinter jeder benachteiligten Gruppe eine neue entdeckt wird. Jetzt hatten wir also die Gruppe der gehörlosen Eltern von Kindergarten- und Schulkindern. Der Pferdefuß steckt für uns im letzten Teil der Antragsbegründung. Hier wird die totale Inklusion faktisch schon vorweggenommen.

Meine Damen und Herren! Die vielleicht zu oft bemühte UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist bei diesem Antrag nicht unbedingt hilfreich. Ich habe mir einmal die Liste der Unterzeichner angesehen und auch die Liste der Länder, die bislang ratifiziert haben. Ich weiß nicht, glauben Sie ernsthaft, dass Länder wie Bangladesh oder Namibia – die zwei Jahre vor Deutschland ratifiziert haben – den Eltern von Vorschul- und Schulkindern eine kostenlose Rundumver

sorgung an Gebärdendolmetschern und anderen geeigneten Kommunikationshilfen zur Verfügung stellen können?

Das glaube ich nicht. Ich meine eher, dass hier der sogenannte Geist der UN-Konvention missbraucht wird, um eine Gesetzesinitiative anzukurbeln, die aus unserer Sicht nicht nötig ist. Wir enthalten uns der Stimme.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es noch weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Bitte schön, Frau Kliese.

Ich möchte ganz kurz auf einige der hier genannten Aspekte – ich möchte sie nicht Argumente nennen,

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)