Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! Ich möchte an dieser Stelle nochmals daran erinnern, dass Sie das Rederecht des Datenschutzbeauftragten im Parlament aus dem ursprünglichen Geschäftsordnungsentwurf gestrichen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sprechen heute über einen Bericht, ohne dass sich der Datenschützer als Verfasser in die öffentliche Debatte einbringen kann. Ich finde das sehr bedauerlich.

Ich höre auch heute wieder die von CDU und FDP mit vielen wohlklingenden Worten geäußerte Anerkennung

für die Arbeit des Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andres Schurig. Ist diese tatsächlich mehr wert als ein Lippenbekenntnis, oder spiegelt sich darin eine gewisse Dankbarkeit wider, dass Herr Schurig in seinen Wertungen vielleicht manchmal doch eher zurückhaltend agiert? – um es vorsichtig auszudrücken. Wir würden uns an mancher Stelle doch deutlichere Worte wünschen.

Wie geht die Staatsregierung mit den Beanstandungen und Hinweisen des Datenschutzbeauftragten um? Im Vorblatt zur Stellungnahme wird schon mal klargestellt, wer das letzte Wort hat. Ich zitiere: „Es entspricht aber der ständigen Übung der Sächsischen Staatsregierung, sich zum Tätigkeitsbericht zu äußern, insbesondere“ – man höre – „um den unzutreffenden, die Staatsregierung belastenden Äußerungen zu widersprechen.“

Etwas später bei den Beanstandungen bezüglich des Umgangs mit den Meldedaten liest man: „Die Staatsregierung hat sich bisher nicht entschieden, ob den Forderungen des Datenschutzbeauftragten nachzukommen sei.“

Festzustellen bleibt nach der Lektüre des Tätigkeitsberichtes, dass die Bürgerbeschwerden im sozialen Datenschutz offensichtlich nicht weniger geworden sind. Herr Schurig mahnte bereits in der Pressekonferenz zur Vorstellung im Dezember 2009 Datensparsamkeit, Verhältnismäßigkeit und Rücksichtnahme an. Von den Sozialbehörden sei in Anbetracht deren Verantwortung höchste Sorgfalt bei der Anwendung der gesetzlichen Datenverarbeitungsgrundlage zu fordern.

Dargestellt wird im Tätigkeitsbericht nach meiner Auffassung wohl kein Einzelfall, wie unzulässige und unangemessene Datenverarbeitung bei Tagesmüttern und Tagesvätern, zu deren wirtschaftlichen Verhältnisse, zu deren Lebenspartnern und zu deren Konfession – alles Daten, die mit der Tätigkeit überhaupt nichts zu tun haben.

In der Stellungnahme der Staatsregierung dazu findet man kein Wort, aber bei einem anderen wichtigen Thema auf einundsechzigeinhalb Seiten die Rechtfertigung für das mit aufwendigen Datenabgleichen verbundene Gesetz zur Förderung der Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen. Interessant hierzu ist der Bericht des Datenschutzbeauftragten im Innenausschuss. Nach einem Monitoringbericht des Landes Rheinland-Pfalz seien von 26 000 gemeldeten Nichtteilnahmen an den Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern über 20 000 Falschmeldungen gewesen. Nach Abgleich der restlichen 6 000 Meldungen mit dem Jugendamt seien am Ende nur sechs neue Fälle der Kindeswohlgefährdung durch dieses Datenabgleichverfahren identifiziert worden. Das sind 0,02 %, meine Damen und Herren! Das bedeutet im Klartext, dass 99,98 % der Eltern völlig unschuldig ins Visier staatlicher Rasterabgleiche gekommen sind.

Jetzt sagen wir GRÜNE, dass auch diese sechs Fälle von Kindesmissbrauch viel zu viel sind und wir froh sind, dass sie aufgedeckt werden konnten. Aber angesichts dieser Zahlen sollten wir uns die Frage stellen, ob das Geld an dieser Stelle tatsächlich richtig eingesetzt ist oder

ob nicht eine personelle Stärkung der Jugendämter viel mehr zum Wohl der Kinder beitragen könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu konstatieren bleibt die fehlende Sensibilität der CDU- und FDP-Koalition bei Gesetzgebungsverfahren. Ich erinnere nur daran, dass das Geoinformationsgesetz und das Zensus-Ausführungsgesetz im vergangenen Jahr ohne 1. Lesung und ohne Anhörung im Ausschuss beschlossen werden sollten. Das liegt zwar außerhalb des zu diskutierenden Berichtszeitraumes, erscheint mir aber durchaus symptomatisch, weil Sie systematisch Datenschutzfragen ausblenden.

Wenn Kollege Seidel sagt, dass angestrebt sei, dies auch im Vorfeld mit dem Datenschutzbeauftragten zu besprechen, dann ist das sicherlich eine positive Entwicklung. Wir gehen davon aus, dass diese Fehler in Zukunft nicht mehr passieren werden.

Herr Lichdi, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Biesok, bitte.

Herr Lichdi, haben Sie noch in Erinnerung, dass die Koalition auf einen Hinweis des Datenschutzbeauftragten eine Änderung im Geoinformationsgesetz vorgenommen hat und wir im Ausschuss diese ausdrücklich beraten und in einer Kompromissformel zusammengeführt haben?

Das ist mir durchaus erinnerlich. Mir ist aber auch erinnerlich, dass der von mir hier dargestellte Sachverhalt ebenso zutrifft und anzeigt, dass Sie bei diesen Gesetzen davon ausgehen, dass es sich um sogenannte technische Ausführungsgesetze ohne jede Grundrechtsrelevanz handeln würde. Wenn Sie im Ausschuss nachbessern, dann ist das ein Eingeständnis, dass Sie nicht die nötige Sensibilität haben walten lassen.

Bei beiden Gesetzen haben wir Anhörungen erst mit einem entsprechenden Antrag durchgesetzt. Herr Kollege Biesok – ich hätte es jetzt nach meinem Redebeitrag hier angesprochen –, aber beim Geoinformationsgesetz konnte der Datenschutzbeauftragte in letzter Minute noch eine datenschutzkonformere Lösung einfordern und mitgestalten.

Beim Zensus-Ausführungsgesetz mahnt der stellvertretende Datenschutzbeauftragte nach Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens datenschutzorganisatorische Vorkehrungen an, um die zweckwidrige Weiternutzung von Zensusdaten zu unterbinden. Wenn ich mir diese Debatte über die Ermittlungsbeauftragten anschaue, die die NPD losgetreten hat, dann wünschte ich mir, dass Sie unsere Debatte, die wir im letzten Herbst dazu geführt haben, etwas ernster genommen hätten. Dann hätten wir

uns diese Peinlichkeiten sparen können, Herr Staatsminister Ulbig.

(Zuruf des Staatsministers Markus Ulbig)

Meine Damen und Herren! Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Auf die Nachfrage meiner Kollegin Jähnigen im Innenausschuss, ob denn die Staatsregierung ihre nachgeordneten Behörden darüber aufklärt, dass der EPass nicht mehr als Pfand hinterlegt werden könne, verwiesen Sie, Herr Ulbig, auf die Internetseiten des BMI. Das halten wir in der Tat für nicht ausreichend, und wir werden daher den entsprechenden Entschließungsantrag der LINKEN unterstützen.

Bezeichnend finde ich auch, wie mir aus dem letzten Innenausschuss berichtet wurde, dass Sie aus allen Wolken fallen – insbesondere Kollegen Bandmann soll es wie Schuppen von den Augen gefallen sein –, dass jetzt plötzlich Probleme mit dem E-Pass auftauchen, weil dieser selbst in Kopie aus Datenschutzgründen nicht mehr hinterlegt werden kann. Ich glaube mich daran zu erinnern, dass Herr Bandmann mir bei der 3. Lesung des Zensusgesetzes Technikfeindlichkeit vorgeworfen hat, als ich über den Datenschutz beim E-Pass diskutieren wollte. Aber wir freuen uns ja, wenn die Erkenntnis mit der Zeit wächst.

Meine Damen und Herren! Die fehlende Rechtsgrundlage für das polizeiliche Auskunftssystem wurde schon angesprochen. Auch wir halten es nicht für hinnehmbar, dass polizeiliches Handeln mit Eingriffscharakter auf keiner rechtlichen Grundlage erfolgt, und fordern in unserem Entschließungsantrag eine grundrechtsfreundliche Ermächtigungsgrundlage im Polizeigesetz. Diese muss endlich effektive Auskunfts- und Löschungsansprüche enthalten.

Frau Kollegin Bonk ist bereits auf die Datenbank IVO – Integrierte Vorgangsbearbeitung – eingegangen. Ich hatte sozusagen das Pech, dass in meiner IVO-Akte wirklich nachweisbar ist, warum dieses Verfahren problematisch ist. Sie können es nachlesen. Es ist auf www.akdatenbanken.de veröffentlicht. Dort ist dokumentiert, dass gegen mich ein Verfahren wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt eingeleitet worden sei. Es ist aber nicht in der IVO-Datenbank vermerkt, dass mir dann im September 2007 die Staatsanwaltschaft Dresden mitgeteilt hat, dass dieses Verfahren nicht aufgenommen werde, weil nachgewiesen sei, dass diese Anschuldigung schlicht nicht zutrifft – durch Videoaufnahmen der Polizei.

Das heißt, wir haben hier einen Fall, bei dem die Polizei bewusst eine Falschbeschuldigung gegen einen Abgeordneten vorgenommen hat, was dann später widerlegt werden konnte.

(Andreas Storr, NPD: Ganz bewusst!)

Leider findet sich dieser Vermerk in der IVO-Datenbank nicht. Ich meine schon, Herr Innenminister, Sie sollten dabei etwas in sich gehen und sich fragen, ob das mit

rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar ist. Ich meine: eindeutig nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Abschließend ein Wort zum Agieren des Freistaates auf Bundesebene. Still und heimlich unterstützt der Freistaat offenbar eine Initiative im Bundesrat, die darauf abzielt, die bisher fehlende Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im nicht öffentlichen Bereich durch eine Änderung der EU-Datenschutzrichtlinie gesetzlich abzusichern.

Damit zieht die Staatsregierung eine falsche Konsequenz aus dem viel beachteten EuGH-Urteil vom März letzten Jahres und übrigens auch eine Konsequenz, die sie gegenüber dem Landtag in Person von Prof. Unland anders angekündigt hatte. Dort hatte sie nämlich angekündigt, dass sie das sächsische Datenschutzrecht entsprechend anpassen will. Jetzt aber hat der Freistaat bei der Sitzung des Innenausschusses des Bundesrates am 27. Januar dieses Jahres einen Vorstoß von Bundesländern unterstützt, der darauf abzielt, die EU-Richtlinie in der Weise abzuändern, dass genau diese Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht mehr eingeführt werden soll.

Meine Damen und Herren! Wir werden der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen und die Unterrichtung zur Kenntnis nehmen. Die Kenntnisnahme wird aber der Bedeutung der Arbeit des Datenschutzbeauftragten nach unserer Auffassung nicht gerecht.

Wir werden daher einen Entschließungsantrag einbringen, der insbesondere darauf abzielt, die Beanstandungen abzustellen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Dr. Müller für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Debatte stehende 14. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten beweist erneut, wie wichtig diese Einrichtung für die informationelle Sicherheit der sächsischen Bevölkerung ist. Er ist auch ein klares Zeugnis dafür, welchen thematischen Umfang das Tätigkeitsfeld des Datenschutzbeauftragten umfasst.

Gleichzeitig macht dieser Bericht uns allen deutlich, welche Problemstellungen und Gefahren auf jeden Einzelnen beim Gebrauch und Missbrauch personenbezogener Daten im Internet und vielen anderen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens im Informationszeitalter lauern.

Der im vergangenen Jahr für eine erneute Amtszeit wiedergewählte Sächsische Datenschutzbeauftragte, Andreas Schurig, hat in diesem Bericht erneut den Nachweis der umfassenden technischen und juristischen Kenntnisse und des überaus sensiblen und verantwortungsbewussten Umgangs mit der Materie erbracht. Darüber hinaus hat er in seiner politischen Unabhängig

keit Zeugnis abgelegt. Davon zeugt allein schon die Stellungnahme der Sächsischen Staatsregierung, zeigt doch diese Stellungnahme, dass es durchaus konkrete Einzelfälle gibt, bei denen zwischen Staatsregierung und Datenschutzbeauftragten grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich datenschutzrechtlicher Bestimmungen existieren.

Wir haben vor einigen Monaten an dieser Stelle über den Rundfunkänderungsstaatsvertrag debattiert, in dem der GEZ durch die Umstellung des Gebührenmodells von gerätebezogener Abgabe auf eine haushaltsbezogene Abgabe eine völlig neue Rolle zugewiesen werden soll. In diesem Zusammenhang soll die ohnehin schon durch ihre Schnüffelmethoden reichlich ins Zwielicht geratene Institution mit Befugnissen ausgestattet werden, die aus ihr eine Art Super-Meldebehörde machen.

Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat eindringlich vor den Missbrauchsrisiken einer derart umgestalteten Behörde, unter anderen mit Mitarbeitern, die in der Vergangenheit nicht immer unbedingt die nötige Sensibilität für den Datenschutz aufbrachten, gewarnt.

Unter Punkt 5.3.1, Erhebung von Meldedaten durch die GEZ, hat Schurig ein weiteres Beispiel für den berechtigten Argwohn gegeben, mit dem die Mitarbeiter der GEZ behandelt werden sollten, hat doch ein sogenannter Gebührenbeauftragter eine sächsische Gemeinde gebeten, eine Liste mit allen Einwohnern im Alter zwischen 16 und 28 Jahren anzufertigen, da bei diesem Personenkreis die Anmeldedichte von Empfangsgeräten für Radio und Fernsehen unterdurchschnittlich ausgeprägt sei. Erst nach einer vertieften Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung musste auch die Staatsregierung einräumen, dass eine Rechtsgrundlage für die Übermittlungsbefugnis der Meldebehörde für diese Art von Gruppenauskunft unzulässig war.

Wir sind dem Datenschutzbeauftragten auch dankbar dafür, dass er sich mit den Grenzfällen der datenschutzrechtlichen Kontrolle der Staatsanwaltschaft bei einer durch einen Ermittlungsrichter genehmigten Durchführung einer Beschlagnahme befasst hat; denn gerade hier sind der Willkür der Justiz – wir sprechen aus eigener Erfahrung – Tür und Tor geöffnet. Es ist beruhigend, dass der Datenschutzbeauftragte trotz gegenteiliger Auffassung der Staatsregierung weiterhin an seiner Haltung festhält, die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der weiteren Verwendung von beschlagnahmten Daten trotz eines richterlichen Beschlusses über die Zulässigkeit einer Ermittlungsmaßnahme weiterhin einer Kontrolle zu unterziehen.

Es wäre noch eine ganze Reihe weiterer Gründe anzuführen. Ich denke an das öffentlich-rechtliche Förderungsmanagement im Auftrag von Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Stellen, die fehlende gesetzliche Regelung des polizeilichen Auskunftssystems SachsenPASS und den Einsatz von Jugendlichen als Testkäufer von Alkohol in Gaststätten und an Kiosken. Aber all diese

Probleme sind im Einzelnen in dem umfangreichen Tätigkeitsbericht nachzulesen.

Mir bleibt in diesem Zusammenhang lediglich, dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeitern für die bisherige Tätigkeit zu danken und viel Erfolg und vor allem Durchsetzungskraft und Unabhängigkeit gegenüber der Staatsregierung auch für die nächsten Jahre zu wünschen.