Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Prof. Schneider, Sie haben gerade einen bemerkenswerten Satz gesagt. Ich hoffe, es hat jeder hier im Hohen Haus diesen Satz verstanden. Ich will ihn gern noch einmal wiederholen. Sie freuen sich darüber, dass zuerst die Strukturfrage geklärt wird und dann die Standorte entschieden werden.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN – Lachen des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Komischerweise haben Sie gestern genau das Gegenteil davon gemacht, indem Sie bei der Standortentscheidung Ihrer Staatsmodernisierung zuerst entschieden haben, welche Standorte Sie haben wollen, bevor Sie überhaupt mit uns über Strukturfragen reden wollten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute einen Antrag der Koalition, der sich mit zwei Themen beschäftigt, einerseits mit einem Bekenntnis zur Bundeswehr im Allgemeinen und andererseits mit den sächsischen Bundeswehrstandorten im Besonderen. Obwohl es sich hierbei um ein ausschließlich bundespolitisches Thema handelt, kritisiert meine Fraktion nicht, dass der Sächsische Landtag dieses Thema behandelt.

(Christian Piwarz, CDU: Es geht um sächsische Standorte!)

Wir erwarten aber zukünftig – ich habe ja von zwei Themen geredet, Herr Piwarz –, dass dies auch bei anderen bundespolitischen Themen im Landtag üblich wird.

Das Grundgesetz stellt fest, dass der Bund Streitkräfte zum Zweck der Verteidigung aufstellt. In den letzten Jahren wurde die Bundeswehr auch immer wieder bei Auslandseinsätzen eingesetzt. Nun steht eine umfangreiche Bundeswehrreform an. Alles soll auf den Prüfstand, sagt der Verteidigungsminister. Es geht um die Optimierung von Führungsstrukturen. Es geht um die einzelnen Standorte der Bundeswehr. Es ging und geht um die Abschaffung bzw. die Aussetzung der Wehrpflicht. Es geht um Einsparungen in Milliardenhöhe.

Nun hat die Bundesregierung genau den gleichen Fehler gemacht wie die Landesregierung. Sie hat bereits vorgegeben, was hinten herauskommen soll. Das heißt, es wurde vorab festgelegt, wie viel Geld eingespart werden soll. Der Minister hat vorgegeben, wie groß die Bundeswehr sein soll. Daraus entstand die Entscheidung, die Wehrpflicht vorübergehend auszusetzen.

Nun passiert das, was immer passiert: Es gibt ein lautes Murren und eine große Unzufriedenheit mit den durchzuführenden Veränderungen. Die einen sagen: Verkleinerungen aus Kostengründen sind natürlich richtig, aber selbstverständlich keine einzige Schließung eines Standortes bei mir vor Ort. Das machen regelmäßig Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

Eine andere Gruppe, vor allem die großen Sozialverbände, ist gegen die Abschaffung der Wehrpflicht, weil dadurch ihre billigen Arbeitskräfte in der Pflege, in

Krankenhäusern, im Rettungsdienst, in den Kitas und, und, und wegfallen.

Die nächste Gruppe sagt: Wenn unser Bundeswehrstandort wegfällt, fehlen uns die Einsatzkräfte für den Katastrophenschutz.

Und schließlich beklagen die Bürgermeister vor Ort bei einer anstehenden Standortschließung die wirtschaftlichen Nachteile für ihre Stadt oder ihre Gemeinde.

Für all diese Klagen habe ich gerade im Osten Deutschlands großes Verständnis. Jedoch haben all diese Punkte nichts, aber auch gar nichts mit den eigentlichen Aufgaben einer Armee zu tun.

Was Deutschland dringend braucht, ist eine öffentliche Debatte im Zuge dieser Bundeswehrreform, nämlich zu Fragen von Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert. Für DIE LINKE besteht kein Zweifel: Deutschland braucht eine andere, eine friedlichere Außen- und Sicherheitspolitik. Wir haben dazu folgende Vorschläge:

Erstens. Keine deutsche Beteiligung an Auslandskriegseinsätzen. Gerade Afghanistan hat uns gezeigt: Wenn man einmal drin ist, ist es schier unmöglich, aus einer Spirale der Gewalt auch nach Jahren wieder herauszukommen.

(Beifall bei der NPD)

Zweitens. Tiefgreifende Abrüstung ohne Sicherheitseinbuße ist möglich. Das muss jetzt energisch vorangetrieben werden. Die Bundeswehrführung hat es noch einmal bestätigt. Eine unmittelbare Bedrohungslage existiert nicht. Daher sind eine erhebliche Verkleinerung der Bundeswehr und der Verzicht auf eine Reihe von Waffensystemen ohne Sicherheitseinbuße möglich. Dadurch könnten finanzielle Mittel für eine Außen- und Sicherheitspolitik mit friedlichen und zivilen Instrumenten frei werden, die eine tragfähige und stabile Entwicklung in den schwierigen Regionen der Welt ermöglichen und damit unter dem Strich wieder unserer eigenen Sicherheit dienen.

Drittens. Wir wollen, dass man sich auf die Landesverteidigung im Bündnis konzentriert. Wenn wir LINKEN Verteidigung sagen, dann meinen wir das auch so. Deutschland benötigt demzufolge ebenso wenig Führungskommandos für schnelle Eingreiftruppen wie geheime KSK-Operationen im Ausland.

Meine Meinung ist, dass multinationale Streitkräfte zwar wünschenswert sind, aber nicht dann, wenn solche Einheiten für kriegerische Interventionen in anderen Staaten gedacht sind.

Viertens. Wir wollen die Aufhebung der Wehrpflicht als Zwangsdienst. Das erklärt sich von selbst wegen der nicht mehr gegebenen Wehrgerechtigkeit.

Fünftens. Wir wollen keine reine Berufsarmee, sondern eine Bundeswehr, die im Kern eine Freiwilligenarmee ist. Die Soldaten auf Zeit, die danach wieder in das zivile Leben zurückkehren und schon in der Militärzeit darauf

vorbereitet werden, sollten das Rückgrat der Truppe bilden. Außerdem ist alles Zivile innerhalb der Streitkräfte unbedingt zu bewahren und weiterzuentwickeln.

(Andreas Storr, NPD: Eine Zivilarmee?)

Das beginnt bei der zivilen Wehrverwaltung, reicht über zivile Anteile bei der Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten und endet bei der Revitalisierung des Prinzips des Staatsbürgers in Uniform.

Sechstens. Wir wollen einen sozialverträglichen Umbau, und dazu brauchen wir einen gut durchdachten Plan, mit dem dieser Umbau organisiert wird. Denn eine solche Umstellung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das wissen auch wir. Personalkürzungen, Standortschließungen und die Beendigung von Rüstungsprogrammen müssen gut vorbereitet werden. Deshalb brauchen wir jetzt Überlegungen für Konversionsprogramme.

Warum erzähle ich Ihnen das? Nicht, weil ich ernsthaft glaube, dass Sie sich unseren Forderungen anschließen würden. Nein, um Ihnen klarzumachen, dass es einfach inkonsequent ist,

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

nur darum zu betteln, dass nur ja die Standorte in Sachsen nicht geschlossen werden. Das haben Sie auch schon beim Standort Schneeberg versucht. Nun ist der Standort geschlossen und die Anlage dümpelt vor sich hin. Der dortige Bürgermeister Frieder Stimpel hat sich erst kürzlich in einer Zeitung bitter darüber beklagt, wie schwer die Situation nach dem Weggang für die Kommune nun ist.

Ich erwarte deshalb vom Sächsischen Landtag und vor allen Dingen vom Bundestag, dass es bei einer Standortschließung auf jeden Fall einen tragfähigen Plan zur Umnutzung von ehemaligen militärischen Anlagen gibt. Diese Forderung muss jetzt aufgemacht werden und nicht erst hinterher, wenn die Standorte bereits geschlossen sind. Eine Kommune allein kann eine solche immense Aufgabe nicht bewältigen. Hier muss der Bund Verantwortung übernehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will Ihnen zum Ende noch einmal, wenn Sie es bisher noch nicht geahnt haben, erläutern, warum wir Ihrem Antrag in Gänze nicht zustimmen können.

Sie fordern uns in Punkt I auf, dass wir uns zu weltweiten Einsätzen und sogenannten Friedensmissionen der Bundeswehr bekennen sollen. Ich will hierzu feststellen, dass ich es schon für sehr anmaßend halte, dass sich der Sächsische Landtag ganz pauschal zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr bekennen soll. Beispielsweise spricht der Verteidigungsminister seit einiger Zeit klar von Kriegseinsätzen in Afghanistan, aber Sie interpretieren dies offenbar als Friedensmissionen um. Jedoch sind Friedensmissionen nach Artikel 7 der Charta der Vereinten Nationen klar definiert. Deshalb können und wollen wir Ihrem Antrag nicht in Gänze zustimmen. Ich beantra

ge deshalb für meine Fraktion eine Einzelabstimmung über alle Punkte sowie Unterpunkte dieses Antrages.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Gebhardt. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Abg. Friedel. – Frau Friedel, noch einen kleinen Moment. Ich habe übersehen, dass Herr Karabinski sicherlich von der Möglichkeit der Kurzintervention Gebrauch machen möchte.

So ist es, Herr Präsident.

Ich möchte kurz auf die Wortwahl von Herrn Gebhardt zurückkommen, der hier von Kriegseinsätzen gesprochen hat.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist Fakt, das sagt Guttenberg auch!)

Herr Gebhardt, die Einsätze, die die Bundeswehr weltweit durchführen muss, sind alles andere als Kriegseinsätze.

(Andreas Storr, NPD: Friedenseinsätze oder was? – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen. Sie können auch die Augen davor nicht verschließen, dass in Afghanistan Terroristen ausgebildet worden sind. Wir können in Deutschland noch von Glück sprechen, dass die Anschläge nur Amerika getroffen haben und nicht Deutschland. Es ist unsere Pflicht, für den Erhalt des weltweiten Friedens zu sorgen und auch dafür, dass in Afghanistan keine Terroristen ausgebildet werden, die auch unsere Heimat bedrohen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Andreas Storr, NPD: Das ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen!)

Herr Gebhardt, Sie möchten darauf erwidern?

Ja. – Herr Karabinski, ich glaube, Sie verfolgen auch wie ich die Medien, und Sie haben mitbekommen, dass der Verteidigungsminister in Afghanistan von einem Kriegseinsatz geredet hat.

(Andreas Storr, NPD: Sehr richtig!)

Wenn er von einem Kriegseinsatz redet, dann kann man auch davon reden, dass man dort in einem Krieg ist. Was anderes habe ich nicht gesagt.

(Beifall bei den LINKEN – Andreas Storr, NPD: So sieht es aus!)

Frau Friedel, jetzt haben Sie das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist ein Witz und eine Frechheit zugleich.