Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist ein Witz und eine Frechheit zugleich.

(Andreas Storr, NPD: Zynisch ist der Antrag!)

Wir stimmen ihm zu. Denn natürlich steht da nichts drin, dem man nicht zustimmen kann. Man muss einem solchen Antrag zustimmen, keine Frage.

Ich will Ihnen aber kurz erklären, warum ich diesen Antrag für einen Witz und eine Frechheit zugleich halte. Zum einen ist es ein Witz, dass Sie hier eine Situation herbeireden, die offenbar gar nicht existiert. Wer die letzten zwei, drei Tage die Augen und Ohren offen gehalten und mal die Berichterstattung in den Medien verfolgt hat, der hat festgestellt, dass Standorte in Sachsen wirklich nicht infrage gestellt werden. Ich habe sogar gelesen, dass sich unser sächsischer Innenminister gegenüber einer Zeitung entsprechend geäußert hat: „Standorte in Sachsen werden nicht betroffen sein.“

Dass Sie diese aktuellen Informationen nicht aufnehmen können – ich dachte ja, Sie haben inzwischen die entsprechende technische Ausstattung dazu –,

(Lachen und Beifall bei der SPD und den LINKEN)

ist schade.

Dieser Antrag ist aber nicht nur aus diesem Grund ein Witz, er ist auch eine Frechheit.

(Proteste bei der CDU)

Er ist eine Frechheit, wenn Sie sich einmal den gestrigen Tag vor Augen führen. Denn dann erinnern Sie sich daran, dass wir ganz am Anfang in einer Aktuellen Debatte über eine – wie Herr Gebhardt richtig sagte – nicht vorbereitete Standortkonzeption gesprochen haben, über eine Verlagerung von Standorten, über die Schließung von über 30 Polizeirevieren in ganz Sachsen. Dieselben Fraktionen, die dieses Standortmonopoly hier veranstalten, kommen einen Tag später mit einem Antrag: Aber wenn das andere tun, sollen all unsere Standorte erhalten bleiben. Das ist wirklich eine Frechheit.

Ich halte es auch dem Anliegen gegenüber, die Bundeswehr zu unterstützen, nicht für angemessen, hier so eine Bekenntnispolitik zu machen.

Frau Friedel, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Karabinski.

Vielen Dank, Frau Friedel. Können Sie zur Kenntnis nehmen, dass es ein Unterschied ist, ob man ein Polizeirevier schließt, das Personal aber erhalten bleibt, nur eben nicht mehr im Polizeirevier, sondern auf der Straße,

(Heiterkeit bei den LINKEN und der SPD)

oder ob man einen Standort mit über 1 000 Soldaten schließt, die dann nicht mehr in Sachsen stationiert sind,

sondern irgendwo anders? Sehen Sie ein, dass das ein Unterschied ist?

Herr Karabinski, wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, werden in Sachsen Polizeistandorte geschlossen, aber das Personal wird beibehalten. Ich verstehe das jetzt so, dass Sie den Stellenabbau bei der sächsischen Polizei zurückgenommen haben. Das finde ich natürlich wirklich aller Ehren wert.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der NPD)

Ich denke, dass es des Themas eigentlich nicht würdig ist, was die CDU hier mit dieser Bekenntnispolitik bei einem Problem betreibt, das offenbar gar keins werden wird, und die Gazetten hoch und runter zu reiten mit einem Antrag, der offensichtlich nicht notwendig ist, und zu sagen: „Wir bekennen uns, wir fordern auf,“

(Thomas Jurk, SPD: Wir sind für den Frieden!)

„dass Sie sich auch bekennen!“.

Unsere Zustimmung zu diesem Antrag liegt allein in seinem Inhalt begründet. Man kann ihn gar nicht ablehnen. Aber die Art und Weise, wie das hier in den parlamentarischen Gang eingebracht wird, halten wir für völlig falsch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war Frau Friedel für die SPD-Fraktion. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist an der Reihe. Herr Abg. Jennerjahn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist vielfach angeklungen: Die Bundeswehr wird in den kommenden Jahren den größten Wandel seit ihrem Bestehen durchmachen. Die Wehrpflicht wird ausgesetzt und die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee überführt. Wir als GRÜNE halten das für einen notwendigen Schritt,

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

da die bisherige Form auch angesichts veränderter sicherheitspolitischer Anforderungen schlichtweg nicht mehr zeitgemäß war und zunehmend zu Ungerechtigkeiten führte. Das Stichwort Wehrungerechtigkeit ist nur eines.

Diese Reform wird sich selbstverständlich auch bei der Frage der Standorte niederschlagen. Die Frage, wie viele Standorte wo und in welcher Stärke zukünftig zu unterhalten sind, darf dabei allein verteidigungs- und sicherheitspolitischen Erwägungen folgen. Es ist schon auffällig, dass die CDU/CSU auf Bundesebene mit ihrem charismatischen Minister zu Guttenberg

(Andreas Storr, NPD: Showman müsste man wohl passenderweise sagen!)

durchaus Rückhalt für die Reform hat, in den Ländern die CDU/CSU-Ministerpräsidenten aber gern an ihren Pfründen festhalten wollen. Denn wenn dieses Vorhaben an allen Standorten und in allen Bundesländern verfolgt wird, kann es zu keiner Strukturreform und zu keinen neuen Stationierungsentscheidungen kommen, die den genannten Anforderungen entsprechen.

Es ist schon angeklungen: Sachsen war in der Tat überdurchschnittlich von der letzten Bundeswehrreform betroffen. Die Dienstpostenstärke wurde annähernd halbiert. Acht Standorte wurden geschlossen und die Stationierungsdichte ist bundesweit die geringste. Aber – auch das wurde schon genannt – Ihrem heutigen Antrag fehlt schlichtweg die Basis. Das Standortkonzept ist noch in der Erarbeitung und wird erst noch zur Diskussion gestellt. Auch wenn die Medienmeldungen der letzten Tage bisweilen widersprüchlich waren, setzt sich doch die Lesart durch, dass Standortschließungen vor allem in Westdeutschland erfolgen werden und Sachsen aller Voraussicht nach davon vollkommen verschont bleibt.

Immer wieder beliebt ist auch der Verweis auf die wirtschaftliche Bedeutung der Bundeswehr. Da bin ich ein bisschen erstaunt, dass ausgerechnet die FDP so argumentiert. Natürlich ist die Bundeswehr, regional betrachtet, ohne Frage ein bedeutender Faktor und die Schließung eines Standortes für die betroffene Region ein harter Schlag. Aber – auch das muss man deutlich betonen – die Bundeswehr ist kein Instrument der Wirtschaftsförderung oder der Regionalentwicklung,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und sollten, entgegen dem jetzigen Kenntnisstand, doch sächsische Kasernen von Schließung betroffen sein, werden wir nochmals genau schauen müssen, welche Standorte betroffen sind. Sollten welche dabei sein, die in den letzten Jahren mit erheblichem Aufwand an Steuermitteln ausgebaut wurden, werden wir sicherlich noch einmal diskutieren müssen. Grundsätzlich aber werden wir angesichts einer notwendigen Strukturreform der Bundeswehr vor allem über Konversion zu diskutieren haben, und ich denke, es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass der Bund bereits 1993 2 % der Umsatzsteuer für diesen Zweck abgegeben hat.

Ich möchte noch einige Worte zu Punkt I Ihres Antrages verlieren. Grundsätzlich ist es selbstverständlich so, dass die Soldatinnen und Soldaten ein Anrecht auf den Rückhalt durch die Legislative haben, die auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr demokratisch legitimiert. Dem verweigern wir uns nicht.

Wir verweigern uns jedoch dem im Antrag geforderten pauschalen Bekenntnis zu den Bundeswehreinsätzen, weil es die aktuelle Diskussion auf Bundesebene nicht widerspiegelt. Quer durch alle demokratischen Parteien gibt es kritische Stimmen zu einzelnen Einsätzen. Es gibt zum Beispiel eine große Einigkeit darüber, dass der Afghanistan-Einsatz zügig zu beenden ist. Über den konkreten Zeitraum hingegen wird gestritten; und es ist insbesonde

re – aus meiner Sicht auch das wichtigere – Interesse der Soldatinnen und Soldaten, dass die rechtlichen und sicherheitspolitischen Fragen der einzelnen Einsätze kritisch reflektiert werden; denn immerhin sind es die Soldatinnen und Soldaten, die dafür im schlimmsten Fall mit ihrem Leben bezahlen.

Dies leistet Ihr Antrag nicht. Insofern handelt es sich auch nur um ein oberflächliches Bekenntnis, das lediglich vorgibt, im Interesse der Soldatinnen und Soldaten zu sein. Um an dieser Stelle Missverständnissen vorzubeugen: Ich unterstelle Ihnen an diesem Punkt keine Böswilligkeit, ich glaube aber, Sie haben den von mir genannten Aspekt bei der Antragsausarbeitung nicht ausreichend bedacht. Wir schließen uns dem Ansinnen der Linksfraktion an: Auch wir möchten eine punktweise Abstimmung über den Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jennerjahn. – Für die NPD-Fraktion spricht Herr Abg. Storr. Sie haben das Wort.

Danke. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen ist ein Ausbund an Heuchelei und Zynismus. Das Lob auf die Bundeswehr und die individuellen Leistungen der Soldaten muss in den Ohren unserer Soldaten wie Hohn klingen. Der Bundesverteidigungsminister von Guttenberg höchstpersönlich ist es, der die Bundeswehr in ihrem Kernbestand aushöhlt. Durch geplante Sparmaßnahmen, wie die Reduzierung der Truppenstärke von 240 000 auf maximal 185 000 Soldaten und die Aussetzung der Wehrpflicht, die de facto die Abschaffung der Wehrpflicht bedeutet und nichts weniger als Wehrkraftzersetzung durch den Verteidigungsminister höchstpersönlich ist, wird unser Land verteidigungsunfähig gemacht.

Meine Damen von der CDU und der FDP! Ihr klares Bekenntnis zu unseren Soldatinnen und Soldaten mit der gleichzeitigen Forderung an den Bundesminister der Verteidigung, die sächsischen Bundeswehrstandorte zu erhalten, wird Ihnen bei den Soldaten keine Punkte einbringen. Zu genau wissen die im Einsatz wie in der Ausbildung befindlichen Soldaten, dass sie bei den kleinsten Pannen wie auch bei wirklich gewichtigen Unfällen von ihrer politischen Führung und den Parlamentariern – kurz: von den Vertretern der sogenannten Zivilgesellschaft – fallen gelassen werden, wenn sich die Pressemeute auf sie eingeschossen hat. Sie werden von ihrer neuen Lichtgestalt, dem Freiherrn zu Guttenberg, vom Dienst suspendiert, bevor man als Betroffener selbst angehört wurde. Die „Gorch Fock“ ist hierbei leider kein Einzelfall.

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! Man kann sich doch nicht damit brüsten, die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und damit die Bundeswehr

faktisch noch einmal erheblich verkleinert zu haben, und sich dann beklagen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Bundeswehrstandorte in den kommenden Jahren geschlossen werden müssen. Das zeigt doch die Geschichte der Verkleinerung der Bundeswehr eindeutig.

Zunächst wurde nach der Wiedervereinigung der größte Teil der Nationalen Volksarmee faktisch aufgelöst, und nur wenige Offiziere und Kerntruppenteile wurden in die Bundeswehr übernommen. Das bedeutet schon 170 000 Soldaten weniger. Dann wurde auf Druck unserer Verbündeten sowie Russlands die Bundeswehr von 495 000 auf 350 000 Mann reduziert. Nach einer weiteren Reduzierung auf 315 000 Mann hat am 29. Januar 2001 der damalige Verteidigungsminister Scharping, dem ein normaler Mensch noch nicht einmal eine Kompanie der Heilsarmee anvertrauen würde,

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

der Truppe weitere 30 000 Mann entzogen. Im November 2004 hat dann der SPD-Verteidigungsminister Peter Struck einen bislang letzten Aderlass von 35 000 Mann vorgenommen. Die Gleichung "Weniger Soldaten = weniger Kasernen = weniger Standorte" ist da doch nur folgerichtig.