Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

(Zuruf des Staatsministers Frank Kupfer)

Ich komme sofort dazu. – Der Antrag der GRÜNEN bietet dazu einen konkreten Vorschlag an, den wir gern unterstützen wollen. Es ist richtig, eine unabhängige Beratungs- und Informationsstruktur vorzuhalten, die sich insbesondere der Umstellungswilligen annimmt, die sich noch keinem Ökoverband angeschlossen haben oder die sich auch künftig verbandsunabhängig orientieren wollen. Dazu gibt es bei den Verbänden bereits Fachberater. Diese sollten allerdings für alle Umstellungswilligen zugänglich sein.

Wichtiger erscheint mir dagegen die Einführung eines Beratungskostenzuschusses. Bei einer Umstellungsberatung mit einer detaillierten produktionstechnischen Beratung nach verschiedenen Szenarien kommen da schnell mehrere Tausend Euro auf den interessierten Landwirt zu – neben zusätzlichen Gemeinkosten für Modellbetriebe, neben Verbandsbeiträgen und Kontroll

gebühren. Das kann den einen oder anderen, besonders in der Einstiegsphase, durchaus finanziell überfordern.

Ein weiteres Problem stellt der Wegfall der Offizialberatung dar. Seit August 2010 gibt es diese Beratung nicht mehr für den ökologischen Landbau und bereits seit 2008 nicht mehr für die konventionelle Landwirtschaft. Dadurch fehlt es an Beratern in der Fläche, was insbesondere bei der Überwachung und beim Vollzug der Grundsätze der guten fachlichen Praxis problematisch ist. Dabei geht es wahrlich nicht um eine zusätzliche Serviceleistung des Freistaates Sachsen, sondern um gesetzlich vorgegebene Aufgaben bei der Beratung, Aufklärung und Schulung auf dem Gebiet des Boden- und Pflanzenschutzes.

Meine Damen und Herren! Insgesamt halten wir den Antrag für geeignet, das Ziel der kontinuierlichen Erweiterung der Ökolandbaufläche in Sachsen voranzutreiben. Wir werden dem Antrag zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion Frau Abg. Dr. Deicke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehr als 20 Jahren ist die ökologische Landwirtschaft ein Erfolgsmodell. Sie hat sich in dieser Zeit als eine krisenfeste betriebswirtschaftliche Alternative zur konventionellen Landwirtschaft entwickelt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Artenschutz und trägt in besonderem Maße zur Erhaltung der Boden- und Wasserqualität bei. Die Nachfrage nach ökologisch hergestellten Produkten wächst in Deutschland, in Europa und auch weltweit. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher setzen auf eine gesunde und möglichst schadstofffreie Ernährung.

Der Trend hin zu mehr Biolandbau in Deutschland bestätigen die Zahlen eindrücklich. Im Jahr 2009 stieg in Deutschland die Anzahl der ökologisch bewirtschafteten Betriebe auf über 21 000 und damit um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche wuchs im gleichen Zeitraum von 4,3 % auf 947 115 Hektar. Die Zahlen für Sachsen wurden zum Teil schon genannt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die biologische Landwirtschaft schützt und bewahrt erkennbar gesellschaftlich bedeutsame Güter. Die Autoren des Weltagrarberichts schreiben ihr eine wichtige Rolle zu, die drängenden Herausforderungen in der Landwirtschafts-, Umwelt- und Ernährungspolitik zu meistern.

Die ökologische Lebensmittelwirtschaft und der Ökolandbau in Deutschland hatten in den letzten Jahren deutliche positive Impulse auf dem Arbeitsmarkt. Mittlerweile sind in der deutschen Biobranche knapp 180 000 Menschen vor allem in den ländlichen Regionen beschäftigt. Daher brauchen wir auf allen politischen Ebenen gute Rahmenbedingungen, um die Potenziale des Ökolandbaus

und der ökologischen Lebensmittelwirtschaft weiter auszubauen und die gesellschaftlichen Leistungen der Biolandwirte besser zu honorieren. Dazu gehört unter anderem, Wissenschaft, Forschung und Beratung insbesondere darauf auszurichten, die Effizienz der ressourcenschonenden ökologischen Anbausysteme zu erhöhen.

Meine Damen und Herren! Für uns steht außer Frage, dass gerade die Landwirte, die auf Ökolandbau umstellen wollen, einen besonders hohen Beratungsbedarf haben. Die Offizialberatung für den ökologischen Landbau leistet einen wichtigen Beitrag, um den zukünftigen Ökobauern in Sachsen auf die Beine zu helfen. Die Notwendigkeit einer solchen Unterstützung ergibt sich außerdem auch aus der Tatsache, dass wir das für 2010 gesteckte 10-%Ziel des ökologischen Landbaus an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche weit verfehlt haben. Im Jahr 2009 lagen wir gerade einmal bei 3,5 % Flächenanteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Von 2008 zu 2009 gab es zwar einen regelrechten Schub im Flächenzuwachs, es ist aber zu befürchten, dass sich nach der Einstellung der Offizialberatung diese erfreuliche Entwicklung jetzt ins Gegenteil verkehren wird.

In anderen Bundesländern gibt es bereits gute Beispiele für die Unterstützung des ökologischen Landbaus. Nennen möchte ich das Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen. Es führt die Aktivitäten in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Beratung von der landwirtschaftlichen Erzeugung über die Verarbeitung bis hin zum Handel zusammen und stärkt damit den niedersächsischen Ökolandbau. Diese Art der Bündelung würde ich mir für Sachsen auch wünschen.

(Beifall der Abg. Thomas Jurk, SPD, und Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Die SPD-Fraktion unterstützt alle Maßnahmen, die den ökologischen Landbau in Sachsen stärken. Daher werden wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Deicke. – Für die FDP-Fraktion nun Herr Abg. Günther. Jetzt haben Sie das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag zum Thema Schrumpelmöhre bestätigt wieder einmal unsere politische Meinung zur inhaltlichen Arbeit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Koste es, was es wolle, für alles und jeden sollen Institutionen und Behörden eingerichtet werden, Einrichtungen, die personell besetzt, finanziert und unterhalten werden müssen. Es scheint dieser Fraktion entgangen zu sein, dass im Parlament ein Haushalt bis einschließlich 2012 verabschiedet wurde, ein Haushalt, welcher bundesweit Beachtung gefunden hat. Ich betone es gern noch einmal: ein ausgeglichener Haushalt ohne Neuverschuldung.

Darüber hinaus ist die Staatsregierung gerade mit der Umsetzung der Verwaltungsreform beschäftigt. Meine Damen und Herren! Wir wollen die Verwaltung straffen und effizienter gestalten. Wir wollen modernisieren und Einsparpotenziale nutzen. Das bedeutet insbesondere, keine neuen zusätzlichen Organisationsstrukturen zu schaffen. Zielstellung ist dabei unmissverständlich weniger staatlicher Einfluss, mehr Eigenvorsorge und Eigeninitiative. Dabei legen wir nicht zwingend Strukturen anderer Bundesländer zugrunde. Nein, wir wollen unsere sächsischen Strukturen so gestalten, dass diese auch im Zuge der demografischen Entwicklung in Sachsen bestandsfähig sind.

Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch für staatliche Ausgaben. Es wurde geprüft, welche Ausgaben für die Zukunft politisch noch vertretbar sind. In Bezug auf den vorliegenden Antrag lässt sich wieder nur im Grundsatz festhalten: Landwirtschaft ist Wirtschaft. Ich weiß, dass diese Aussage nicht neu ist. Aber bedauerlicherweise muss ich feststellen, dass der Inhalt dieser Aussage immer noch auf Verständnisprobleme seitens der Opposition stößt.

Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen müssen für Leistungen der Wirtschaftsberatung durch Wirtschaftsberater und Steuerberater eine Gegenleistung bringen, nämlich bezahlen. Erklären Sie uns doch bitte, warum diese Vorgehensweise bei landwirtschaftlichen Betrieben anders sein sollte. Auch sind Sie uns die Antwort schuldig geblieben, wie Sie diese Beratungsstellen finanzieren wollen. Immerhin betrifft das nicht nur die von Ihnen beantragte Förderung der Betriebsstätte, sondern die Beratungsstellen haben Mitarbeiter, und die laufenden Betriebskosten sind wohl auch nicht zu vernachlässigen. Einen Antrag zu stellen ist die eine Seite der Medaille, ein umsetzungsfähiges Konzept zu erstellen die andere.

Der Freistaat Sachsen verfügt über das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Dieses Institut mit seiner umfangreichen fachlichen Kompetenz ist die Anlaufstelle für Beratungen zu Fragen des Aufbaus und der Durchführung von ökologischer Landwirtschaft. Hier werden die Interessenten über den Umfang bestehender Fördermittelprogramme und die rechtlichen Grundlagen beraten. Auch die Vereinigung Ökologischer Landbau steht sächsischen Landwirten bei der Umstellung auf den ökologischen Landbau beratend zur Seite.

Darüber hinaus besteht auch auf Bundesebene ein Beratungsprogramm mit dem inhaltlichen Schwerpunkt, Landwirte, die von konventioneller zu ökologischer Landwirtschaft wechseln wollen, zu unterstützen. Eine fachliche Unterstützung von Landwirten, die ökologische Landwirtschaft betreiben wollen, ist voll und ganz sichergestellt.

Noch einmal: Der Landwirt bestimmt selbst, wie er seinen Landwirtschaftsbetrieb betreibt. Das sollten wir hier nicht festlegen wollen. Am Ende bestimmt der Kunde selbst von sich aus, was er einkauft, und er bestimmt an der

Ladentheke, was in Zukunft marktfähig ist, und niemand anderes. Und das sollten wir hier in diesem Plenum auch nicht tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir sehen daher keine tatsächlichen Gründe für den Bedarf einer Einrichtung im Sinne des Antrages und werden diesen selbstverständlich ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, das war der Redebeitrag des Abg. Günther für die FDP-Fraktion. Die NPD hat keinen Redebedarf angemeldet.

Meine Damen und Herren, für eine zweite und dritte Rederunde liegen keine Wortmeldungen vor. Wünscht dennoch ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete das Wort? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage daher die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer, bitte; Sie haben natürlich das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manche Diskussionsbeiträge heute Nachmittag waren etwas negativ. Dabei ist das doch ein Thema, über das man positiv berichten kann. Ich möchte das auch gern tun. Ich sehe es positiv, dass wir die Chance haben, über den Ökolandbau zu berichten, und ich sehe es positiv, dass wir auf eine Erfolgsgeschichte in Sachsen zurückblicken können. Der Ökolandbau hat in den letzten Jahren in Sachsen eine durchaus positive Entwicklung genommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das, meine Damen und Herren, hat übrigens auch Frau Blumenschein, Vorsitzende der GÄA, kürzlich auf einer gemeinsamen Podiumsdiskussion zum Ökolandbau bestätigt. Sie hat der Politik in Sachsen ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Unsere Förderung für den Ökolandbau ist derzeit bundesweit die attraktivste. Nicht umsonst ist die Ökoanbaufläche bei uns im Vergleich zum vorvergangenen Jahr noch einmal um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Wir sind also jetzt bei 4 %, nicht bei 3,5 %. Ihre Zahlen sind veraltet, aber es kann auch Absicht sein, dass Sie hier 3,5 % und nicht 4 % genannt haben. Außerdem hat uns das Statistische Bundesamt bescheinigt, meine Damen und Herren, dass wir in den letzten drei Jahren im Vergleich der Bundesländer mit die besten Zuwachsraten hatten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Im Übrigen – und das an den Antragsteller gewandt – liegt das von Ihnen geforderte Konzept für die Ökolandbauberatung bereits seit Oktober 2010 vor. Mein Haus, das SMUL, hat dafür ein Projekt der GÄA mit dem Titel „Erarbeitung eines Konzeptes zur Beratung von Unter

nehmen der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft im Freistaat Sachsen“ gefördert. Ziel war es, die konzeptionellen Grundlagen für eine verbandsunabhängige, privat organisierte und damit natürlich auch kostenpflichtige Beratungsstruktur zu schaffen. Mithilfe des vorgelegten Konzeptes können sich die sächsischen Ökoverbände nun eigene Beratungsstrukturen aufbauen. Schließlich ist die betriebswirtschaftliche und produktionstechnische Beratung auch keine staatliche Kernaufgabe. Das gilt übrigens nicht nur für Ökobetriebe, sondern auch für konventionell arbeitende Betriebe.

Sachsen hat sich trotzdem übergangsweise Anfang der Neunzigerjahre entschieden, die staatliche Beratung nach dem Modell Bayerns und Baden-Württembergs aufzubauen. Andere neue Bundesländer haben das übrigens nicht getan, meine Damen und Herren. Diese Offizialberatung war während der Anpassungs- und Umstellungsphase der Landwirtschaft an marktwirtschaftliche Bedingungen notwendig und damals auch richtig, auch weil es damals noch keinen funktionierenden Beratungsmarkt gab.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU, und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, schon 2002 und dann konkreter 2006 wurde mit entsprechenden Kabinettsbeschlüssen festgelegt, dass sich der Freistaat Sachsen aus der einzelbetrieblichen Beratung zurückzieht und die Offizialberatung auf ihre Kernbereiche beschränkt. Wir können schließlich nicht nur Personal abbauen, sondern wir müssen, wenn wir Personal abbauen, gleichzeitig auch auf Aufgaben verzichten. 2003 begann der Rückzug aus der Ernährungsberatung. Als letzter Bereich folgte erst im August 2010 die Öko- und Gartenbauberatung.

Seit dieser Zeit bietet der Freistaat Sachsen in seinen Kernbereichen, nämlich zur Förderung, zum Fachrecht und zur Einkommens- und Vermögenssicherung, eine Beratung an. Der ökologische Landbau ist in diesen Beratungsangeboten ausreichend berücksichtigt.

Wie Sie wissen, gibt es außerdem seit 2007 das Bundesprogramm zur Förderung der Unternehmen vor und während einer Umstellung des Betriebes auf ökologischen Landbau. Dort wird genau das angeboten, was wir 2010 aufgegeben haben. Der Bund fördert eine Beratung in der Umstellungsphase mit 50 % und bis maximal 2 000 Euro. Für diese Förderung existiert eine Liste von anerkannten Beratern, die sich die Antragsteller auch zu eigen machen können, sodass sie aus dieser Liste eigenständig Berater auswählen können.

Falls zusätzlich zu diesem Bundesprogramm Bedarf besteht, erwarte ich von der Branche, dass die Ergebnisse des von uns geförderten Konzeptes beachtet werden und nicht nur Forderungen an den Staat gestellt werden.

Die Ergebnisse der Befragungen und Analysen des Förderprojektes sind eine gute Grundlage für die optimale Nutzung der privaten Beratung in Sachsen, auch wenn nicht alle Betroffenen mit jedem Vorschlag einverstanden sind. So unterstützen zum Beispiel nicht alle Ökoverbän

de die Schaffung einer Koordinierungsstelle. Sie sehen darin eine Parallelstruktur zu den bereits vorhandenen Koordinierungs- und Beratungsstrukturen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt war, als Sie diesen Antrag geschrieben haben.

Meine Damen und Herren, ich sehe für eine Fortsetzung der staatlichen Beratung, egal in welcher Form, auch keine Spielräume im Haushalt. Ich sehe vielmehr unsere Branchenvertretung in der Pflicht, eigene Lösungen zu schaffen. Das gilt für den Ökolandbau wie für die konventionelle Landwirtschaft gleichermaßen. Jeder Landwirt kann sich für seine Wirtschaftsweise frei entscheiden, und er kann sich dafür entsprechend beraten lassen. Dazu bedarf es keiner staatlichen Hilfe. Nach knapp 20 Jahren, meine Damen und Herren, ist es für mich im Vergleich zu den anderen neuen Ländern eine großzügige Übergangszeit gewesen. Aber diese Übergangszeit ist jetzt vorbei.