(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der NPD – Zurufe von der SPD – Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Mikrofon.)
Man sollte die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen, und ja, man sollte diskutieren, welche Folgen aus den Erfahrungen Japans zu ziehen sind. Aber ich sage ganz klar, es ist unverantwortlich, Hysterie und Panikmache zu befeuern.
Herr Kollege Herbst, ich frage Sie: Haben Sie überhaupt die Nachrichten in den letzten acht Tagen verfolgt? Haben Sie mitbekommen, dass die Menschen in Japan, die den Tsunami überlebt haben, die das Erdbeben überlebt haben, jetzt von einer Furcht besetzt sind: Was ist mit unseren Lebensmitteln, die belastet sind? Was ist mit unserem Trinkwasser? Wie sollen wir mit dieser Gefahr, mit dieser von Menschen geschaffenen Gefahr, die nach der Naturkatastrophe jetzt auf uns zukommt, umgehen? Haben Sie das überhaupt mitbekommen?
Sehr geehrter Herr Gerstenberg, ich habe das in der Tat mitbekommen. Ich habe auch mitbekommen, wie in Japan zum Teil die Diskussionen, die hier in Deutschland auch medial geführt werden, in Wirklichkeit wahrgenommen werden. Ich möchte Ihnen etwas von einem deutschen Fotograf vorlesen, der seit Jahren in Japan, im Großraum Tokio, lebt: „Wenn ich der Berichterstattung im Ausland und insbesondere in Deutschland folge, ist von der Zerstörung und den Opfern fast nicht die Rede. Alles dreht sich nur noch um das Atomkraftwerk Fukushima. Dabei werden im Norden des Landes Zehntausende vermisst. Tausende Überlebende hatten tagelang weder Wasser noch Lebensmittel bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und jetzt auch noch Schnee.
Natürlich machen uns die Zustände in dem Atomkraftwerk Sorgen. Aber die eigentliche Katastrophe für das Land ist der Tsunami und nicht das AKW.“ Ich glaube, meine Damen und Herren,
Diese Diskussionen, die hier stattfinden, meine Damen und Herren, und die in vielen anderen europäischen Ländern ganz anders stattfinden, sollten uns zu denken geben
und mittlerweile – auch wenn es vielleicht etwas flapsig wirkt – muss ich sagen: Mir macht die Hitzeentwicklung in Reaktoren mittlerweile fast weniger Sorgen als die Hitzeentwicklung in den Köpfen mancher Politiker.
dass in einem kuscheligen Ort in Baden-Württemberg Schilder hochgehalten werden „Fukushima ist überall“ – ich finde das so abartig! Wissen Sie eigentlich, was in Fukushima, was in der Region dort ist? Dort frieren Menschen, weil sie keinen Strom haben. Dort hungern Menschen, weil sie keine Lebensmittel haben. Dort haben Menschen alles verloren und hier wird demonstriert und ein Schild hochgehalten. Man setzt sich danach ins warme Haus und isst sein Mittagessen. Ich glaube,
Herr Herbst, ist Ihnen bekannt, dass noch heute Opfer an den Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki sterben,
dass die Langzeitwirkung der Atombombenabwürfe und genauso der Folgen des AKW über die Zerstörung von Häusern und über das Fehlen von Wasser hinausgeht?
Ich finde es ziemlich unredlich, dass Sie hier eine Verknüpfung zwischen einem Atombombenabwurf und der friedlichen Nutzung der Kernkraft machen. Ich werde Ihre Frage deshalb auch nicht weiter beantworten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten eine Debatte führen, die den Respekt vor dieser schlimmen Naturkatastrophe in Japan mit immerhin 20 000 Opfern ausdrückt, mit unendlichem menschlichem Leid, mit unendlicher Zerstörung. Wir sollten einen kühlen Kopf bewahren bei all den Punkten, bei denen wir von Japan lernen könnten, aber nicht in Panik und Hysterie verfallen. Das wären die falschen Lehren, die wir aus dem Geschehen in Japan ziehen. Das verdienen die Opfer dieser Tragödie nicht.
Für die FDP-Fraktion war das Herr Kollege Herbst. Als Nächstes spricht für die Fraktion DIE GRÜNEN Frau Kollegin Hermenau, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Vielleicht hätten wir keine Männer zu dieser Debatte zulassen sollen. So, wie Sie sich hier verhalten, das ist unglaublich!
Ich sage Ihnen einmal, was hysterische Reaktionen sind. Das war beim Treffen des BDI. Dort wurde die Runde unruhig, weil um 13 Uhr die Tickermeldungen hereinkamen, dass das Moratorium verhängt wird. „RWE-Chef Jürgen Großmann rennt zum Telefonieren raus, E.ONChef Johannes Teyssen blickt finster. Die wirkten wirklich überrascht, sagte ein Teilnehmer.“ Die Industrie verlangt Klarheit. Dann schlug diese Hysterie in Panik um und Herr Brüderle wird dann zitiert: „Der Minister bestätigte dies und wies darauf erläuternd hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und Entscheidungen daher nicht immer rational sein könnten.“
Ich will – weil ich glaube, dass das Moratorium richtig ist – gerne glauben, dass die CDU versuchen will, ernsthaft über Wahltaktik hinaus mit dieser Frage verantwortlich umzugehen. Ich will es gerne glauben dürfen. Ich will auch gern daran glauben dürfen, dass die CDU dieser historischen Herausforderung gewachsen ist. Das Herum
gekaspere bis jetzt hat mich aber ermutigt, das muss ich einmal so deutlich sagen. Wissen Sie, Herr Herbst, wenn Sie Mitgefühl mit den japanischen Opfern hätten ausdrücken wollen, hätte ich Sie gerne am Dienstagabend in der Kirche gesehen. Die Predigten von Herrn Bohl und Herrn Reinelt haben deutlich gemacht, dass die Atomkraft ein Ende hat, und zwar ein moralisches.
Und ich werde es Ihnen auch gern noch einmal ökonomisch erklären, damit jeder von Ihnen eine Chance hat, das zu verstehen. Aber eines ist offensichtlich klar: Das Abendland ist christlich geprägt. Man muss dafür nicht in einer Kirche sein, aber die Werte muss man verstehen. Die Werte sind nicht immer ein Angriff auf individuelle Freiheiten von irgendwelchen Ichlingen der FDP,