Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege von Breitenbuch. Jetzt ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe mit Herrn Dr. Hahn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, angesichts der aktuellen Situation in Japan, angesichts dessen, dass dort immer noch Menschen um ihr Leben ringen und dass es andere Menschen gibt, die im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben einsetzen, um das Leben anderer zu
schützen, verbietet sich aus meiner Sicht eine ritualisierte Debatte im üblichen Stil. Ich sage aber auch, Herr Breitenbuch, dass das Thema wichtig und die Debatte notwendig ist und nicht die CDU bestimmt, welche Themen die Opposition hier aufwirft.
Auch ich möchte zunächst für meine Fraktion unser Mitgefühl und unsere Solidarität mit den Menschen in Japan zum Ausdruck bringen, die durch zwei schwere Naturkatastrophen hart getroffen worden sind. Wir trauern mit den Angehörigen der Toten, wir wünschen den Verletzten schnelle Genesung, und wir hoffen natürlich auch, dass die Überlebenden in den betroffenen Regionen möglichst bald wieder Umstände vorfinden, in denen sie halbwegs normal weiterleben können.
Mir ist noch etwas sehr wichtig. Ich möchte jenen knapp 200 Menschen, die im Kernkraftwerk Fukushima derzeit darum kämpfen, den atomaren Super-GAU doch noch abzuwenden, und die nicht wissen, ob sie diesen Einsatz überleben werden, meine allergrößte Hochachtung aussprechen.
Entschuldigung. Darf ich Sie einmal kurz unterbrechen? – Herr Mann, ich möchte Sie bitten, dass Sie die Zeitung nicht so auffällig nach oben halten, sondern vielleicht eher gespannt der Debatte folgen.
Herr Mann, Sie wissen, was ich jetzt meine. Klappen Sie die Zeitung mit dem Titelblatt zusammen und lassen Sie uns hier die Debatte fortsetzen! Bitte, Herr Kollege.
Herr Lichdi, ich erteile Ihnen jetzt einen Ordnungsruf. Sie haben meine Sitzungsleitung in dieser Weise überhaupt nicht zu kritisieren.
Jetzt bitte ich, dass wir unserem hochverehrten Kollegen Hahn hier weiter folgen. Bitte, setzen Sie Ihren Wortbeitrag fort.
Herr Präsident! Ich habe eben von der Hochachtung für die Menschen gesprochen, die in Fukushima ihr Leben einsetzen. Ich habe aber auch Wut, und auch das will ich deutlich sagen. Ich bin wütend auf die Betreibergesellschaft, die seit Jahren durch Pannen und Vertuschen aufgefallen ist und auch jetzt nur häppchenweise Informationen bekannt gibt.
Ich empfinde auch Wut über all jene, die jetzt im Moment so tun, als hätte es Szenarien und Vorausblicke auf mögliche Unfälle dieser schweren Art nicht schon lange vor dem 12. März gegeben. Ich finde, dass meine Kollegin
Tina Flauger aus dem Niedersächsischen Landtag es auf den Punkt gebracht hat, als sie vor einigen Tagen sagte – ich zitiere: „Für mich war der Begriff des ,Restrisikos’ immer eine Verharmlosung eines möglichen Nuklearunfalls mit dann apokalyptischen Konsequenzen. Nach Fukushima verbietet sich der Gebrauch dieses Wortes endgültig.“
Schließlich bin ich auch wütend über all jene, die mit Blick auf die jetzt stattfindenden Landtagswahlen in blinden Aktionismus verfallen, anstatt einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens für einen baldigen Atomausstieg zu suchen. Ich bedauere auch, dass von CDU und FDP in der Debatte immer ausgeblendet wird, dass es einen solchen breiten gesellschaftlichen Konsens vor einigen Jahren schon einmal gegeben hat.
Natürlich war der unter der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 ausgehandelte Atomkompromiss, nach schwierigen Verhandlungen beschlossen, mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss. Deshalb – das sage ich auch – ist mir der Weg im Titel der Aktuellen Debatte allein zurück zu diesem Atomkompromiss immer noch ein Stück zu wenig und reicht nicht aus. Aber dennoch gab es einen gesellschaftlichen Konsens, es gab ein klares Szenario zum Ausstieg, und zwar mit Blick auf das Jahr 2022 bzw. 2017, je nach dem Alter der Kraftwerke.
Ich bleibe dabei: Atomenergie ist keine Brückentechnologie; Atomenergie muss ein Auslaufmodell sein und ist ein Auslaufmodell.
Ich habe wirklich nie begriffen, warum CDU und FDP dieses Paket ohne Not wieder aufgeschnürt und, wie wir alle wissen, vor knapp einem halben Jahr eine Verlängerung der Laufzeiten für die Kraftwerke im Schnitt um zwölf Jahre beschlossen haben. Der letzte Meiler würde danach erst im Jahr 2040 abgeschaltet werden, und wenn einige ältere Reaktoren früher stillgelegt werden, würde es sogar bis in Richtung 2050 gehen. Das ist aus meiner Sicht völlig indiskutabel.
Wir müssen doch in dieser Frage auch ehrlich sein: Das von der Bundesregierung verkündete dreimonatige Moratorium ist wirklich nichts anderes als Hinhaltetaktik. Der Name Brüderle ist vorhin ja schon gefallen. Ich will das nicht wiederholen. Auch die ausdrücklich ja nur zeitweilige Abschaltung der älteren Reaktoren ist das Gegenteil von entschlossenem Handeln und die Gründung einer Arbeitsgruppe mit dem Namen „Ethikkommission“ ist wirklich ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Ich glaube, dass wir in diesem Land klare Entscheidungen brauchen.
Damit komme ich auch zum Schluss. Der Ausstieg aus der Kernenergie muss sofort beginnen. Die schon vom Netz genommenen Kraftwerke müssen dauerhaft abgeschaltet bleiben, und alle anderen AKWs sollten schnellstmöglich folgen, natürlich nicht nur in Deutsch
land, sondern auch international. Wir brauchen einen verbindlichen Beschluss des Deutschen Bundestages über den unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie. Das, meine Damen und Herren, und nur das muss die Lehre aus dem atomaren Unfall von Fukushima sein.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Hahn. Als Nächster spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Herbst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Auftritt des SPDFraktionsvorsitzenden bin ich schon ziemlich entsetzt. Ich will ganz klar sagen, dass ich so viel Heuchelei in diesem Plenum noch nie erlebt habe.
Mit welcher Theatralik man hier erst sein Bedauern ausdrückt und wie sanft man dann sofort in die Atomdebatte übergleitet, meine Damen und Herren, das wird den Opfern und dem Leid, das Japan erfahren hat, mit Sicherheit nicht gerecht.
Der Debattentitel ist ja entlarvend für die SPD – kein Wort von den Opfern, die japanische Tragödie wird nahtlos an den Atomausstieg im Wahlprogramm angeknüpft.
Ich habe, meine Damen und Herren, relativ wenig Verständnis für die Hysterie und die Angst, die hier gemacht werden, und dafür, dass man diese Hysterie und diese Angstwelle jetzt auch nach Sachsen tragen will.
Schauen wir uns einmal die Fakten an. Am 11. März wurde Japan hart getroffen. Wahrscheinlich sind bei dieser Katastrophe 20 000 Menschen umgekommen. Das ist eine Kleinstadt. Sie sind umgekommen durch ein Erdbeben und einen Tsunami, nicht durch einen Nuklearunfall. Was passiert in Deutschland? Wenige Stunden nach dieser Katastrophe beginnt man hier das Wahlprogramm zu zücken und eine Debatte über Restlaufzeiten anzuzetteln.
Genau in diesen Stunden kämpft man im Nordosten Japans um das Überleben. Dort liegen Leute unter Trümmern, warten auf Hilfe, hoffen, dass die internationale Gemeinschaft hilft, und hier hat man nichts Besseres zu tun,