Sie sind uns diese Antwort im Parlament bislang in ihren Redebeiträgen schuldig geblieben. Sie haben ein Riesenproblem. Mir geht es nicht um den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg, ich glaube sogar, dass das Thema vielleicht eher den GRÜNEN zuspielt. Das ist an dieser Stelle auch irrelevant. Vielmehr hat die Bevölkerung Angst und wir müssen mit dieser Angst umgehen und die Politik muss Antworten auf diese Problematik geben.
(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Patrick Schreiber, CDU: Wer macht denn die Angst?)
Weil wir bei Japan sind: Ich erinnere mich noch an meine Reise im Oktober 2005. Es war die vielleicht längste Auslandsreise, auch vom Flug her, die ich in meiner
Ministerzeit erlebt habe. Ich habe dieses überaus freundliche Land kennengelernt, ich habe Städte wie Tokio, Kioto und Nagoja besucht. Wir haben dort viele gute Partner. Wir haben Investoren werben können, wir haben bestehende Kontakte ausbauen können.
Ich bin übrigens der Wirtschaftsförderung Sachsen sehr dankbar, dass sie sich umgehend nach den Ereignissen in Japan bei unseren Partnern in Japan erkundigt hat, wie es ihnen geht. Wir konnten von dort hören, dass es ihnen gut geht. Aber wir haben auch deutlich gemacht, wie sehr wir an ihrem Leid teilhaben, dass uns das weh tut und dass wir gern unsere Beziehungen ausbauen wollen. Man muss in den nächsten Tagen sicherlich auch über Formen der Solidarität sprechen, die wir dem japanischen Volk entgegenbringen können.
Es passt zu Ihren Ausführungen, Herr Jurk. – Können Sie mir sagen, was Sie in Ihrer Zeit als sächsischer Wirtschaftsminister
– hören Sie doch erst einmal zu, bevor Sie sich freuen – und was die rot-grüne Bundesregierung in ihrer Regierungszeit getan hat, um die Nachbarländer, die Herr Clemen angesprochen hat, zu animieren, ebenso aus der Atomenergie auszusteigen? Was haben Sie ganz konkret getan?
Geben Sie mir nicht recht in der Feststellung, dass, sofern es zum Beispiel wenige Kilometer von der deutschfranzösischen Grenze zu einem Super-GAU auf französischem Boden kommen würde, die Radioaktivität wohl kaum an der deutsch-französischen Grenze Halt machen würde?
Also, Herr Schreiber, ich war Mitglied der Sächsischen Staatsregierung, ich war nicht Mitglied der rot-grünen Bundesregierung. Das wäre mir eine Ehre gewesen. Aber ich will sehr deutlich sagen: In der Frage Temelin haben wir uns sehr deutlich artikuliert und verdeutlicht, dass wir dieses Kernkraftwerk nicht brauchen und nicht wollen. Das ist ein Beleg, dass wir uns an dieser Stelle doch eingebracht haben.
Herr Schreiber, wissen Sie, Sie können gern noch ein bisschen Parlamentserfahrungen sammeln, aber ich finde das einfach ungebührlich. Ich will Sie gar nicht zensieren, aber ein bisschen zuhören sollten Sie. Sie haben gerade genau das gesagt, was Sie gern von mir hören wollten. Sie haben es nicht bekommen.
Ich komme zu Japan zurück. Was lehrt uns Japan? Es lehrt uns, dass ein rohstoffarmes Land große Probleme hat, mit fossilen Energiequellen Energie zu erzeugen. Japan ist auf andere Energiequellen angewiesen. Es ist für mich bemerkenswert, dass beispielsweise Siemens folgendes Angebot gemacht hat: Wir können euch helfen; binnen kürzester Zeit können wir Gasturbinen liefern, um als Äquivalenz zum Kernstrom binnen zwölf Monaten dafür zu sorgen, dass ihr Energie aus Gas produzieren könnt. – Das ist ein Angebot, das für die Japaner durchaus interessant und wichtig ist.
Japan lehrt uns auch, dass ein Land mit großer Technologieführerschaft in vielen Branchen mit dieser schwierigen Technik auch nicht umgehen konnte. Das ist, glaube ich, die wichtigste Lehre. Selbst wenn man sich die größte Mühe macht, wird man mit dieser Technik nicht verantwortlich umgehen können. Die Katastrophe hat das sehr deutlich gemacht.
Ich bin jetzt nicht ganz sicher, Herr Präsident, ob die Redezeit für mich wirklich immer angehalten wurde, wenn ich Zwischenfragen beantwortet habe. Ich habe da große Zweifel, muss ich ehrlich sagen.
Okay. – Dann will ich jetzt nicht auf die Bundesregierung eingehen, sondern in den verbleibenden Sekunden ganz kurz zur Sächsischen Staatsregierung kommen.
Warum ist das ein sächsisches Thema? Diese Staatsregierung hat im letzten Jahr im Bundesrat der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland zugestimmt. Wir haben im Landtag dazu Debatten geführt. Sie müssen uns heute genauso erklären, warum diese Bundesregierung – und ich frage mich auch, wie die Sächsische Staatsregierung dazu steht – den Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg beschlossen hat. Ich finde es richtig, dass man sich diesem Thema widmet. Das ist für mich gar keine Frage, und ich nehme es, Frau Hermenau, der Bundesregierung in Teilen ab, dass sie sich diesem Thema zuwendet. Aber die Geschichte von Herrn Brüderle muss ich nicht wiederholen. Sie ist durch die Gazetten gegangen.
Aber das reicht mir eben nicht. Es reicht mir eben nicht, darauf mit einer Reaktorsicherheitskommission, wie es sie bereits gibt, und mit einer Kommission für Ethikfragen zu
reagieren. Das ist sicherlich alles wichtig, aber es löst unsere Probleme nicht. Ich erwarte, dass wir uns in Sachsen aktiv einbringen, so wie das die Thüringer Landesregierung offensichtlich zur selben Stunde gerade tut.
Für die einbringende Fraktion der SPD sprach Herr Kollege Jurk. – Oh, Entschuldigung, ich sehe, der Abg. Gansel möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen?
Nachdem es auch der zweite Redner der selbsternannten Europapartei SPD unterlassen hat, auf die EUVerflechtungen im Zusammenhang mit der Energie- und Atompolitik zu sprechen zu kommen, möchte ich den Aspekt noch einmal aufgreifen, den mein Kollege Schimmer schon angesprochen hat.
Denn wer hier und heute völlig zu Recht die Macht der Atomlobby in Europa beklagt und wer den Atomkonsens innerhalb der Europäischen Union brechen will, der muss auch endlich einmal einige historische Fakten beim Namen nennen und darauf hinweisen, dass 1957 nicht nur die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft durch die Römischen Verträge gegründet wurde, sondern auch die Europäische Atomgemeinschaft. Damals wurde mit Zustimmung der damaligen Bundesregierung der schon erwähnte Euratom-Vertrag abgeschlossen, der die Mitgliedsstaaten der EU-Vorgänger auf die langfristige Nutzung und Förderung der Atomenergie eingeschworen hat.
Daher ist es völlig verlogen, wenn die Parteien, die ansonsten immer das Hohelied auf Europa und auf Brüssel anstimmen, jetzt schweigen und der deutschen Öffentlichkeit nicht erklären, dass die Macht der Atomlobby in Deutschland auch daher rührt, dass dieser EuratomVertrag fortbesteht.
Deswegen sagen wir als NPD ganz klar: Wer den Atomkonsens innerhalb der Europäischen Union brechen will, wer die Macht der Atomlobby brechen will, der muss auch die Machtfrage innerhalb der Europäischen Union stellen und endlich sagen, dass der Atomkonsens, den wir im Moment haben, auch daher rührt, dass die Nationalstaaten in Europa entmachtet worden sind. Hier sitzen überall die Vertreter der Kompetenzabtretungsparteien, die nationalstaatliche Souveränität nach Brüssel delegiert haben. Wegen dieser Kompetenzabtretungspolitik gegenüber Brüssel sitzt auch Deutschland heute in der atompolitischen Sackgasse.
Noch ein Punkt, den ich vorhin in der Aufregung vergessen hatte: Ich danke Herrn Michael Weichert, der in der „LVZ“ genau diesen menschlichen Punkt angesprochen hat. Er ist heute krankheitsbedingt nicht hier. Ihm gebührt, denke ich, Respekt dafür, dass ihm dieser Punkt wichtig war und dass er ihn angesprochen hat.
Unser Reflex als CDU – Sie haben das in der Bundespolitik auch verfolgt – war nicht Atomausstieg, sondern war Sicherheit. Es wird innegehalten und überprüft, wie es bei uns aussieht. Man hat neue Fakten, natürlich aus einer Extremsituation heraus: Erdbeben, Tsunami, Stromausfall der umliegenden Reaktoren – die Wahrscheinlichkeit ist dabei sehr gering gewesen, dass es dort in dieser Ecke überhaupt keinen Strom mehr gibt –. Dem stellt man sich jetzt.
Deswegen halte ich das Moratorium auch für richtig. Man überprüft genau diese Sicherheit, die so wichtig ist. Denn Sicherheit ist kompromisslos zum Schutz der Bürger. Die Behauptung, dass die Mannschaften, die in diesen Atomreaktoren, in diesen Kraftwerken arbeiten, auf Dauer das durchhalten würden, wenn da ständig Leckagen usw. sind, und dass das in unserer transparenten Gesellschaft nicht nach außen dringt, das kann ich mir nicht vorstellen. Diese vermutete Unterstellung, die da ständig mitschwingt, halte ich für deplatziert.