Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Bevor ich die artikelweise Abstimmung beginne, frage ich zunächst Sie, Herr Mackenroth, als Berichterstatter des Ausschusses: Wünschen Sie noch das Wort? – Das ist nicht der Fall. Gegen die artikelweise Abstimmung gibt es auch keinen Widerspruch? – Dann können wir so verfahren.
Ich komme zunächst zur Überschrift und bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür ist der Überschrift dennoch mit Mehrheit nicht entsprochen worden.
Wir kommen zum Artikel 1. Ich bitte um die DafürStimmen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür ist auch Artikel 1 abgelehnt.
Wir stimmen über Artikel 2 ab. Ich bitte um die DafürStimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Trotz zahlreicher Stimmen dafür ist Artikel 2 mehrheitlich nicht entsprochen worden.
Alle Teile des Gesetzentwurfs sind abgelehnt worden. Es erübrigt sich somit eine Schlussabstimmung. Auch dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des kommunalen Baumbestandes durch die sächsischen Gemeinden – Sächsisches Baumschutzgesetz (SächsBaumSchG)
Auch zu diesem Gesetzentwurf haben die Fraktionen Gelegenheit zur allgemeinen Aussprache. Die Reihenfolge lautet: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.
Die Aussprache ist eröffnet. Es beginnt Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE. Frau Dr. Pinka, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der 1. Lesung unseres Baumschutzgesetzes am 17. Dezember letzten Jahres habe ich auf die allgemeinen Umstände und die Pflicht des Landtages, offensichtlich verfassungswidrige Zustände abzustellen, hingewiesen. Die ersten Monate nach Inkrafttreten des Umweltschutzrechtsvereinfachungsgesetzes – des sogenannten „Baumab-Gesetzes“ – sind vergangen, und man kann im Zusammenhang mit der heutigen 2. Lesung unseres vorliegenden Gesetzentwurfs zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des kommunalen Baumbestandes durch die sächsischen Gemeinden erste Bilanz ziehen.
Neben den Schreiben von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern an alle Parlamentarier im Hause sind Ihnen sicherlich auch folgende ausgewählte Zeitungsmitteilungen nicht entgangen:
„Im Delitzscher Stadtgebiet konnten Baumfällarbeiten an mehreren Stellen der Stadt beobachtet werden. Bürger äußerten sich besorgt über die Eingriffe, sprechen gar von ‚Kahlschlag’.“
Auf Nachfrage konstatierte die Kreiszeitung, dass der Eindruck, dass in den zurückliegenden Wochen und Monaten im Stadtgebiet viele Bäume der Kettensäge zum Opfer gefallen seien, offenbar nicht täusche. Rund 150 Bäume, darunter Eschen, Robinien, Birken und auch einige Pappeln, wurden mit der Begründung des Pilzbefalls, der Vermorschung oder des Schädlingsbefalls gefällt. Leider habe sich in vielen Fällen gezeigt, so die Berichterstatter, dass die meisten Schnittstellen weder hohle Stellen noch Anzeichen für Pilzbefall aufwiesen. Ihr Resümee:
Und das in Delitzsch – jener Stadt, die die Landesgartenschau ausrichten wollte! Wie war doch der Slogan für die Bewerbung: „Eine ganze Region steht dahinter“.
Im Fall Nummer zwei – Mittweida – stellt Oberbürgermeister Matthias Damm – Klammer auf: CDU; Klammer zu – auf Nachfrage zur Entlastung seiner Genehmigungsbehörden infolge der Verwaltungsvereinfachung fest:
„Wir haben zwar weniger Arbeit mit den Genehmigungen; dafür müssen wir mehr Zeit aufbringen, um den Dingen nachzugehen, weil Bürger sich beschweren.“
Die „Freie Presse“ zog am 4. April unter der Überschrift: „Großvermieter setzen die Säge an“ das Fazit: „Praxistest nicht bestanden.“ Das ist ein Umstand, auf den wir bereits mehrfach in den Ausschussberatungen hingewiesen hatten.
Im Fall Nummer drei – Stadt Taucha – wird aus Verkehrssicherungsgründen gefällt. Es wurde und wird über eine geplante Fällaktion von 23 Linden auf dem Marktplatz diskutiert. Im Zuge dieser Diskussion fand – aufgepasst! – ein Baumforum mit der Verwaltung, Bürgerinnen und Bürgern sowie Sachverständigen statt. Ich zitiere das Resümee von der Homepage taucha-direkt-de:
„Der Bürgermeister sah ein, dass es an der Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Bürgern in der Vergangenheit bisher mangelte, und versprach, die Bürger in einem weiteren Bürgerforum am 21.09.11 über die konkreten Beschlüsse des Stadtrates und seiner Gremien zu informieren. Dann soll auch die Überarbeitung der Tauchaer Baumsatzung vorliegen, die sich gegenwärtig nicht auf der Höhe der Gesetzlichkeit befindet.“
Viele Bürger, Naturschutzverbände und Stadträte – übrigens auch der FDP! – fordern daher die Einrichtung eines „Baumbeirates“ der Stadt.
So viel zur Verwaltungsvereinfachung. Bürgerinnen und Bürger kämpfen um ihre Baumbestände, Verwaltungen und Parlamente kommen hierüber ins Gespräch. Prima – aber mit Verwaltungsvereinfachung hat das zunächst nichts zu tun.
Ich möchte auf unseren Gesetzentwurf zurückkommen; vieles habe ich bereits bei der Einbringung im DezemberPlenum gesagt. Ich wiederhole den Hintergrund des vorliegenden Gesetzentwurfes trotzdem nochmals gern.
Es liegen zwei Gutachten des Juristischen Dienstes der Landtagsverwaltung vor, die folgenden Wortlaut zur Kostenfreiheit des Genehmigungsverfahrens von Baumfällungen haben:
„Die Neuregelung des § 22 Abs. 3a Satz 3 Sächsisches Naturschutzgesetz begegnet im Hinblick auf den kommunalen Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung nach Artikel 87 Abs. 1 Sächsische Verfassung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.“
Ich weiß, das sehen Sie als Koalitionsfraktionen anders. Aber dasselbe Problem nennt auch der Städte- und Gemeindetag in seiner Stellungnahme zu unserem Gesetzentwurf. Dennoch beharren die Kollegen von CDU und FDP auf ihrer Denkweise und verweisen auf ein einschlägiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem Sinne, es gebe für Kommunen zwar eine Ausgabenhoheit, aber keine Einnahmenhoheit.
Neben der fachlichen Auseinandersetzung über die Sinnhaftigkeit der aktuellen Regelung, die a) bereits im Umweltausschuss ausgiebig diskutiert wurde und die b) auch von den Sachverständigen und Umweltverbänden in der Anhörung wiederholt angemahnt wurde, haben wir uns entschlossen, die Neuregelung durch unseren Gesetzentwurf zu kippen: erstens, weil die Regelungsbefugnis der Kommunen in wesentlichen Teilen der Grünordnung entfällt – das Wesen von § 22 Abs. 1 Nummern 1 bis 3 des Sächsischen Naturschutzgesetzes wird ausgehöhlt –, zweitens, weil durch die Neuregelung an kostenlose Genehmigungsverfahren, die in bestimmter Zeit zu erbringen sind, objektiv nicht zu erfüllende Anforderungen gestellt werden, und drittens, weil die Ausnahmen in § 22 Abs. 2 Nr. 3 Sächsisches Naturschutzgesetz fachlich nicht gerechtfertigt werden können.
Hinzu kommen die erwähnten Ergebnisse zweier juristischer Gutachten zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. Ausweislich beider Rechtsgutachten wird der seit dem 19. Oktober 2010 geltenden Neuregelung des § 22 Abs. 3a Sächsisches Naturschutzgesetz bescheinigt, von der finanziellen Seite her in das kommunale Selbstverwaltungsrecht einzugreifen, diesen Eingriff unangemessen und unverhältnismäßig herbeizuführen und in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise in den Schutzbereich der kommunalen Finanzhoheit einzugreifen.
Statt auf diese Dinge einzugehen, bestehen CDU und FDP darauf, dass der Sächsische Städte- und Gemeindetag nicht darstellen konnte, ob die frühere Baumschutzsatzungspraxis in den Kommunen kostendeckend war und die neuen Regelungen möglicherweise zur finanziellen Besserstellung der Kommunen führen. Ich denke, aus den Beispielen, die ich soeben gebracht habe, ist ersichtlich, dass der Verwaltungsaufwand, der möglicherweise mit der alten Regelung nicht kostendeckend war, jetzt erst recht immens angestiegen ist – nicht durch Gebührenbescheide, sondern durch verstärkten Kontroll- und Ermittlungsaufwand.
Schlussendlich führen die Kollegen von CDU und FDP an, dass die kommunale Selbstverwaltungsgarantie kein Grundrecht sei und daher der neue § 22 des Sächsischen Naturschutzgesetzes das Gemeininteresse träfe, da Kostenfreiheit und Bürokratieabbau den Bürgern entgegenkämen.
Ich habe heute offensichtlich letztmalig die Chance, an Sie zu appellieren, die vormalige – rechtssichere – Fassung des Sächsischen Naturschutzgesetzes gemeinsam mit uns wieder in Kraft zu setzen. Wenn Sie dies nicht wollen und da wir offensichtlich unterschiedliche juristische Auffassungen haben, kann uns aus dieser Crux dann auch nur noch ein Gerichtsurteil helfen.
Vielen Dank, Frau Dr. Pinka. – Für die Fraktion der CDU Herr Abg. Meyer. Herr Meyer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Vorwärts nimmer – rückwärts immer!“ – mir scheint, als hätten die LINKEN ein Zitat ihres ehemaligen Zentralkomitee-Generalsekretärs zum Handlungsmaßstab ihrer heutigen Politik gemacht.
Der Gesetzestitel „Gesetz zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des kommunalen Baumbestandes durch die sächsischen Gemeinden“, kurz Sächsisches Baumschutzgesetz, mutet ja umweltpolitisch an. Aber das ist mitnichten der Fall, weil in der Begründung vor allem finanz- und verwaltungspolitische Argumente angeführt werden. Das zeigt, dass sich die Schreckensszenarien von massenhaften Baumfällungen nicht bewahrheitet haben, sonst würde das ja im Vordergrund der Begründung stehen müssen.
Im Wesentlichen will DIE LINKE ein halbes Jahr nach der Gesetzesänderung eine Rückkehr zur alten Regelung des Sächsischen Naturschutzrechtes; von Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen keine Spur. Sowohl im Innenausschuss als auch im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft wurde der Gesetzesvorschlag abgelehnt.
Der Sächsische Städte- und Gemeindetag führte in seiner Stellungnahme aus: Aufgrund der kurzen Fristsetzung war keine Mitgliederbefragung möglich. Der Sächsische Landkreistag sieht in seiner Stellungnahme vier Monate nach dem Inkrafttreten der Neuregelung keine Notwendigkeit zur Änderung. Die aufgeworfenen Probleme stellen keine Gründe für eine Rückkehr zur alten Regelung dar.
In der Stellungnahme der Landkreise wird darüber hinaus ausgeführt, dass eine inhaltliche Kehrtwende in Bezug auf
den Umgang mit den Bürgern nicht angezeigt sei. So weit zur Einschätzung der eingeholten Stellungnahmen.
Wenn ich den Gesetzentwurf fachlich bewerte, so ist festzustellen, dass die bestehende Regelung keinen Eingriff in die garantierte kommunale Finanzhoheit darstellt. Da ist zum einen der Artikel 28 Grundgesetz und zum anderen auch der von Frau Dr. Pinka schon angeführte Artikel 87 Sächsische Verfassung anzuführen.
Auch das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass die Kommunen zwar eine Ausgabenhoheit, aber keine Einnahmenhoheit haben. Der Artikel 87 Abs. 2 unserer Sächsischen Verfassung garantiert das Recht der Kommunen, eigene Steuern und Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben. Die Verwaltungsverfahren im Baumschutz sind eine vergleichsweise unbedeutende Einnahmequelle und daher verstößt die Kostenfreistellung nicht gegen die Einrichtungsgarantie im Artikel 87 Abs. 2.