Protokoll der Sitzung vom 19.04.2011

Das Gutachten der Landtagsverwaltung sieht ebenso keinen Verstoß gegen Artikel 87 Abs. 2, aber eine Verletzung des Artikels 87 Abs. 1, also die Erfüllung der Aufgaben durch die kommunalen Träger der Selbstverwaltung.

Die Änderung des § 22 Sächsisches Naturschutzgesetz zum vergangenen Oktober bringt aber eine erhebliche Verringerung der Genehmigungsverfahren mit sich, und deswegen, Frau Dr. Pinka, verstehe ich Ihre Argumentation nicht, wenn Sie sagen, es werden jetzt mehr, wenn tatsächlich aber weniger Verfahren angezeigt sind.

Außerdem konnte der Sächsische Städte- und Gemeindetag nicht darstellen, ob die bisher erhobenen Verwaltungsgebühren kostendeckend waren. Es ist daher auch nicht auszuschließen, dass die jetzige Regelung eine Besserstellung gebracht hat.

Als weiteres Argument möchte ich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anführen. Die Einschränkung der Grundrechte – Frau Dr. Pinka ist auch darauf eingegangen – darf nur vorgenommen werden, wenn es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gleich. – Die kommunale Selbstverwaltung ist kein solches Grundrecht und das hat das Bundesverfassungsgericht auch nicht in seine Stellungnahme einfließen lassen.

Ich lasse jetzt die Zwischenfrage zu.

Frau Dr. Pinka, bitte.

Vielen Dank. In meiner Argumentation – ich muss noch einmal zurückspringen in Ihrem Redebeitrag – bin ich darauf eingegangen. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich gemeint habe, dass nicht die Gebührenbescheide verringert worden sind, aber der Aufwand, den die Verwaltungen aufbringen müssen,

um zu kommunizieren und Anzeigen nachzugehen, immens gestiegen ist?

Das habe ich so nicht registriert. Aber die Kommunikation ist natürlich dann im Nachgang der Neuregelung erfolgt, und zwar nicht nur über die Kommunen, sondern auch über das Umweltministerium, über uns und über die Verbände. Deshalb sehe ich diesen permanenten Anstieg der Kosten, wie Sie ihn jetzt hier gerade darstellen, nicht gegeben. Es ist natürlich so, dass man die Gesetzesänderung kommunizieren muss. Aber das sind keine dauerhaften Kosten, die eine erhebliche Verwaltungsbelastung mit sich bringt. Es wird vielmehr auf die Gründe des Gemeininteresses abgestellt. Nach meiner Auffassung dürfte die Kostenfreiheit durchaus im Interesse der Allgemeinheit liegen.

Die heute geltende Regelung hat in der Tat Vereinfachung und Bürokratieabbau gebracht. Es werden eben keine Verwaltungskosten festgesetzt, beigetrieben und im Zweifelsfall vollstreckt.

Wenn ich jetzt nach draußen schaue, dann sehe ich, dass der Frühling, wie jedes Jahr, die Bäume grünen lässt und die ausgemalten Schreckensszenarien, die Sie hier dargestellt haben, sich nicht erfüllen. Ich bin immer noch der Meinung, dass unsere Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen mündig und verantwortungsbewusst mit ihrem Recht umgehen. Deshalb gibt es keine Notwendigkeit für diesen Rückschritt, wie es der Gesetzesvorschlag der LINKEN vorsieht. Wir werden dieses Gesetz heute ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die SPD-Fraktion; Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen, die bereits in der letzten Legislaturperiode Mitglieder dieses Landtages waren, werden es wissen: Bereits damals gab es diverse Bestrebungen, den Geltungsbereich kommunaler Baumschutzsatzungen einzuschränken. Diese Bestrebungen waren damals erfolglos, denn sie waren mit uns als SPD-Fraktion nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Rückblickend muss ich feststellen, dass unsere Fraktion damals anscheinend einen größeren fachlichen Sachverstand hatte, als es in der jetzigen Koalition der Fall zu sein scheint, denn in der damaligen Koalition waren wir uns mit der CDU einig: Es gibt keinen Grund, weder einen umweltfachlichen noch einen kommunalrechtlichen, um den § 22 des Sächsischen Naturschutzgesetzes zu ändern.

Der Wert eines Baumes für die Gesellschaft, für das Klima und den Artenschutz bestimmt sich nicht danach, wo ein Baum steht.

(Beifall bei der SPD)

Auch aus kommunalpolitischer Sicht waren wir uns mit der CDU einig. Die Kommunen hatten mit der alten Regelung die Wahl, ob und wie sie kommunale Baumschutzsatzungen erlassen. Dies ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung, der beibehalten werden sollte. Diese Position wurde und wird auch von den kommunalen Spitzenverbänden vertreten. Was ist passiert? Hat sich die sächsische CDU in der letzten Legislaturperiode total verleugnet? Reden wir hier über ein Zitronenbonbon, gelb und sauer?

Wenn man sich den jetzigen Koalitionsvertrag anschaut, dann wird einem klar, dass sich die CDU-Fraktion hier ein gelbes saures Zitronenbonbon in ihre Wundertüte hat legen lassen. Dann kam sie nicht umhin, dieses Zitronenbonbon, namens Vereinfachung des Landesumweltrechts, auch zu lutschen.

Die Anhörung im Umweltausschuss hat noch einmal klar gezeigt, dass eine Aufweichung der Regelungen der kommunalen Baumschutzsatzung ein nicht zu verantwortender naturschutzrechtlicher Rückschritt ist, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass der einzelne Bürger überhaupt über ausreichende Kenntnisse verfügt, zum Beispiel, ob es sich um eine seltene Gehölzart handelt oder ob eine Baumart eine Brut- oder Ruhestätte für bestimmte Tierarten darstellt. Alle Sachverständigen sprachen sich gegen eine Änderung der Regelung zum Baumschutz aus, auch die kommunalen Spitzenverbände.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion! Spätestens da hätte es bei Ihnen klick! machen müssen. Man kann Bonbons, die einem nicht schmecken, einfach ausspucken.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Meyer?

Herr Meyer, bitte.

Frau Dr. Deicke, ist Ihnen bekannt, dass mit der Regelung, die bis Oktober letzten Jahres galt, 90 % der Anträge, die damals gestellt werden mussten, positiv beschieden wurden, sodass vom Prinzip her schon damals keine andere Sachlage vorhanden war, als es heute der Fall ist?

Ich verstehe Ihr Problem nicht.

Ich komme noch einmal auf meinen letzten Satz zurück, weil sich sonst der Zusammenhang nicht weiter erschließt. Ich wiederhole ihn noch einmal. Man kann Bonbons, die einem nicht schmecken, einfach ausspucken. Aber Sie haben tapfer weitergelutscht, und zwar so lange, bis eine Gesetzesänderung herauskam, die nicht nur aus naturschutzfachlichen Aspekten äußerst fragwürdig ist, sondern eine Gesetzesänderung, die auch in der Praxis zu großer Rechtsunsicherheit führt, und eine Gesetzesänderung – jetzt wird es richtig sauer –, die mit

sehr großer Wahrscheinlichkeit auch verfassungswidrig ist, wie ein von der SPD-Fraktion in Auftrag gegebenes Gutachten des Juristischen Dienstes bestätigt.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollten Ihnen damals die Möglichkeit geben, diese Verfassungswidrigkeit auszuräumen. Aber Zitronenbonbons machen wahrscheinlich auch blind und taub.

(Jürgen Gansel, NPD: Meinen Sie Zitronenbonbons oder Schlaftabletten?)

Offensichtlich will die CDU-/FDP-Koalition nicht nur alle Bäume, sondern auch die Verfassung des Freistaates zur Privatsache erklären, mit der man machen kann, was man will.

Meine Damen und Herren! Seit der Diskussion um die Abschaffung der kommunalen Baumschutzsatzungen habe ich mittlerweile einen ganzen Aktenordner an Briefen zu diesem Thema gesammelt. Das sind nicht nur Briefe von Umweltverbänden, sondern genauso Schreiben von Kommunen und besorgten Bürgern. Alle diese Schreiben haben einen Tenor: völliges Unverständnis darüber, dass die CDU/FDP-Koalition bereit ist, entgegen allen fachlichen Argumenten den § 22 Sächsisches Naturschutzgesetz zum Schaden für unsere Umwelt und das Grün in unseren Städten zu ändern. Auch im Nachhinein erreichen mich noch Protestbriefe.

Mit dem heute abzustimmenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE soll die alte und bewährte Regelung wiederhergestellt werden. Damit hätten wir auch wieder eine verfassungskonforme Gesetzeslage in Sachsen, wie dies wiederholt von den kommunalen Spitzenverbänden gefordert wurde. Ich kann Sie nur erneut auffordern: Verschlucken Sie sich nicht an diesem gelben sauren Zitronenbonbon.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die FDPFraktion Herr Abg. Günther, bitte.

(Jürgen Gansel, NPD: Jetzt kommt das gelbe Zitronenbonbon!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hätte nie im Leben gedacht, dass DIE LINKE einen Gesetzentwurf mit der Aussage einbringt: Früher war auch nicht alles schlecht.

Die Debatten zur Änderung des Sächsischen Naturschutzgesetzes sind noch nicht allzu lange her und schon wieder befassen wir uns hier mit der Regelung des § 22. Die Säge ist sozusagen noch heiß. Um es vorwegzunehmen: Wir werden natürlich dem Änderungsantrag und damit der Gesetzesänderung nicht zustimmen.

Die zur Diskussion stehenden gesetzlichen Formulierungen bedürfen nach unserer Auffassung keiner inhaltlichen Änderungen. Beginnen wir mit der Genehmigungsfiktion, ohne Zweifel eine wesentliche Vereinfachung nicht nur für den Antragsteller; vielmehr wird sich auch eine Ar

beitsentlastung für die Kommunen darstellen lassen, wie es uns schon von Bürgermeistern berichtet wurde. Jede schriftliche Verwaltungstätigkeit bindet Arbeitskräfte, ganz zu schweigen von den nun in aller Regel entfallenden zeitintensiven Vor-Ort-Terminen. Es besteht nunmehr seitens der kommunalen Verwaltung die Möglichkeit, sich mehr auf die schwierigen und zeitintensiven Anträge zu konzentrieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Baumschutz liegt nicht nur im Interesse des Einzelnen, sondern prinzipiell im Interesse der Allgemeinheit, denn alle partizipieren von der Hege und Pflege der Bäume in den jeweiligen Kommunen. Den vielen Grundstückseigentümern zeigen wir mit dem kostenfreien Genehmigungsverfahren aber auch ein Anerkennungs- und Achtungszeichen für die ihnen auferlegte Verantwortung für das Gemeinwohl.

Welche sichtbaren Ergebnisse hat die von den Koalitionsparteien durchgeführte Gesetzesänderung? Das befürchtete „Kettensägenmassaker“ ist ausgeblieben.

(Beifall bei der FDP)

Vielmehr ist allgemein festzustellen, dass die Grundstückseigentümer sehr gut einzuschätzen wissen, dass ein gesunder und artenreicher Baumbestand auf ihren Grundstücken auch zum Wohlbefinden der Nutzer ihres Grundstücks beiträgt. Die Grundstücksbesitzer sind sehr verantwortlich mit ihrer neuen Freiheit umgegangen. Die befürchtete und erwartete Bugwelle des schon lange beantragten und nicht genehmigten Fällens von Bäumen ist ausgeblieben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Beispiele bringen, über die ich mich gewundert habe. Ich habe einen Flyer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor mir liegen, den ich nicht zeigen werde, sondern erkläre. Auf dem oberen Bild ist ein Garten mit einem Eichhörnchen und Bäumen zu sehen. So war es früher.