Sie haben heute dazu die Gelegenheit. Stimmen Sie dem Antrag der drei Oppositionsfraktionen DIE LINKE, SPD und GRÜNE zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bekanntlich lehnt die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher Gentechnik bei der Produktion von Lebensmitteln ab. Darauf haben jetzt auch Bundesländer wie Thüringen oder NordrheinWestfalen reagiert und den Anbau von GVO gestoppt. Sogar das CDU-geführte Karlsruhe hat sich mittlerweile zur gentechnisch freien Zone erklärt.
Dahinter steht auch die Erkenntnis, dass sich trotz noch so strenger Koexistenzregelungen eine tatsächliche Koexistenz von konventioneller, ökologischer und GentechLandwirtschaft sehr schnell als unmöglich erweisen kann und eine schleichende gentechnische Verunreinigung herkömmlicher Ernten wahrscheinlich sein kann.
Wenn GVO angebaut werden, dann ist eine völlige Trennung kaum mehr möglich, weil Pollen unwillkürlich durch Wind oder Insekten verbreitet werden. Wenn auf
einem Feld etwa Genmais wächst, kann es sein, dass sein Pollen konventionelle Maispflanzen in der Nachbarschaft befruchtet. Unter natürlichen Bedingungen sind solche Auskreuzungen kaum zu vermeiden.
Eine zwei Hektar große Fläche mit Genmais verunreinigt bei einer Pollenreichweite von 800 Metern rund 200 Hektar Ackerland im Umkreis. Auch bei der Ernte, bei Transporten, der Lagerung und Verarbeitung sind Vermischungen etwa durch Verwehungen oder durch unvollständig gesäuberte Maschinen nicht mit absoluter Sicherheit zu vermeiden. Somit wird der Anbau von Gentech-Pflanzen die Freiheit sowohl der Bauern als auch der Lebensmittelhersteller und des Lebensmittelhandels sowie nicht zuletzt der Verbraucher, sich auch in Zukunft für garantiert gentechnisch freie Produkte zu entscheiden, massiv beeinträchtigen.
Je mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, desto schwieriger wird eine strikte Trennung. Die Folge: Der Aufwand, Verunreinigungen zu vermeiden, wird steigen. Gentechnische Kontaminationen können von der Ausnahme zur Regel werden. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen steht also im Konflikt mit der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft.
Meine Damen und Herren! Da die Akzeptanz von GVO in der Bevölkerung sehr gering ist, versucht die AgroGentechnik-Lobby über die Aufweichung von Schutzvorschriften GVO über die Hintertür einzuführen, indem zum Beispiel auf politischer Ebene für den Begriff der sogenannten technischen Verunreinigung beim Saatgut geworben wird. Das bedeutet eine Abkehr von der Nulltoleranzgrenze.
Ein entsprechender Vorstoß von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Bundesrat zur Aufweichung der Saatgutreinheit wurde vor gut einem Monat, am 18.03.2011, durch die Mehrheit der A-Länder abgelehnt. Und das ist gut so.
Denn Saatgut ist das erste Glied in der Lebensmittel- und Futtermittelkette. Die Reinheit des Saatgutes entscheidet darüber, ob eine gentechnikfreie Agrarproduktion auch in Zukunft überhaupt noch möglich sein wird.
Wenn Landwirte nicht gekennzeichnetes Saatgut kaufen, müssen sie sich auch darauf verlassen können, dass darin keine GVO enthalten sind. Schwellenwerte, die oberhalb der Nachweisgrenze liegen, würden einer unkontrollierbaren Verbreitung von GVO Vorschub leisten.
Meine Damen und Herren! Eines ist klar: ohne Kennzeichnung keine Wahlfreiheit. Nur wer die erforderlichen Informationen erhält, ist in der Lage, die Wahlfreiheit auch auszuüben. Verbraucher dürfen nicht ohne ihr Wissen und nicht gegen ihren Willen zum Unterstützer der grünen Gentechnik werden.
Hier klaffte bei tierischen Produkten in der Vergangenheit eine Gesetzeslücke. Bei der Novellierung des Gentechnikgesetzes im Jahre 2008 hat die SPD auf Bundesebene gegen den Widerstand der Union Regelungen zum Schutz der gentechnikfreien Lebensmittelerzeugung verteidigt und die „Ohne GenTechnik“-Kennzeichnung durchgesetzt.
Leider ist diese Regelung freiwillig und trifft zum Teil auf erhebliche Widerstände. So hat die Bundeslandwirtschaftsministerin über ein Jahr gebraucht, um ein entsprechendes einheitliches Siegel zu präsentieren. Laut einer Studie des BUND wünschen sich mehr als drei Viertel der Bundesbürger, dass Handelsketten und Lebensmittelindustrie das Siegel „Ohne GenTechnik“ einsetzen, denn dieses garantiert den Kunden eine gentechnikfreie Produktion. Kundinnen erwarten sogar zu vier Fünftel eine Positivkennzeichnung tierischer Produkte wie Milch, Eier und Fleisch, sofern für ihre Herstellung kein gentechnisch verändertes Futter eingesetzt wurde.
Eine aktuelle Erhebung von Marktdaten durch den Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e. V. belegt ein wachsendes Interesse der Lebensmittelindustrie an diesem Siegel. Die Mitglieder nutzen für ihre Produkte das „Ohne GenTechnik“-Siegel und wollen damit die Bedingungen zur Entwicklung des Marktes für gentechnikfreie Lebensmittel verbessern. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen mit dem Kauf von Lebensmitteln ohne Gentechnik die Unterstützung einer gentechnikfreien Landwirtschaft in eigener Hand haben.
Bereits jetzt haben nahezu alle großen Eierhändler in Deutschland für einen Teil ihrer Ware die Nutzungslizenz für das „Ohne GenTechnik“-Siegel erhalten, darunter Gutshof-Ei, Wiesengold und Landkost-Ei. Mehrere Supermarktketten planen, „Ohne Gentechnik“-Eier in ihr Sortiment aufzunehmen. Nachweislich lohnt sich das für die Unternehmen. So sollten auch sächsische Lebensmittelhersteller und -händler nicht außen vor bleiben!
Damit es sich aber nicht nur für die Großen rechnet, diesen Marktvorteil zu nutzen, benötigen sächsische Unternehmen dafür Unterstützung. Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag tragen wir dem mehrheitlichen Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nach gentechnikfreien Lebensmitteln Rechnung. Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen, indem wir die Staatsregierung mit einem Maßnahmenkatalog auffordern, alles zu unternehmen, um Sachsen zur gentechnikfreien Region in Europa zu erklären.
Vielen Dank, Frau Dr. Deicke. – Nun spricht Herr Abg. Weichert für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Weichert, Sie haben das Wort.
Danke. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bündnisgrüne „Dagegen-Partei“ ist gegen – wie sollte es anders sein – Agro-Gentechnik auf Sachsens Feldern. Das ist Ihnen sicher nichts Neues. Doch als wäre das nicht schon schlimm genug, hat sie nun auch noch die anderen demokratischen Oppositionsparteien im Sächsischen Landtag aufgemuntert, gemeinsam dagegen zu sein.
Thomas Jurk, das ist in dieser Form tatsächlich eine neue Qualität, über die ich mich persönlich freue.
Ich weiß auch, dass die eine Kollegin oder der andere Kollege aus den Koalitionsfraktionen ähnlich fühlt – zumindest, wenn sie/er im ländlichen Raum sonntags aus dem Gottesdienst kommt.
Warum tun wir das? Agro-Gentechnik ist doch die Wunderwaffe gegen Hunger in der Welt. Klar ist, dass der Hunger vielfältige Ursachen hat: Kriege, Armut, fehlender Zugang zu Wasser oder zu Saatgut, ungerechte Verteilung und unfairer Handel. In der Regel liegt es nicht an zu geringen Erträgen. Wir produzieren weltweit genügend Nahrungsmittel, um die Weltbevölkerung ernähren zu können.
Warum besteht also die Aufregung? Es handelt sich doch nur um eine spezielle Form der Pflanzenzüchtung – nicht wahr? Meine Damen und Herren! Das stimmt auch nicht. Sie wissen das. Die herkömmliche Züchtung arbeitet nur mit Organismen der gleichen Art oder mit nahen Verwandten. Bei der Gentechnik wird Erbmaterial von Bakterien, Viren, Pflanzen und Tieren isoliert und in andere Lebewesen übertragen. Dabei werden die natürlichen Artgrenzen überschritten. In einem gentechnisch veränderten Organismus ist das genetische Material so verändert worden, wie es unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen würde. Einmal freigesetzt, haben wir keine Kontrolle mehr über die Experimente mit unserer Schöpfung. Deren Bewahrung sieht anders aus, meine Damen und Herren.
Landwirte und Umwelt profitieren doch aber davon, oder? Kurzfristig mag mancher Landwirt Erfolge gegen Maiszünsler & Co. feiern. Landwirte aus den USA und Kanada können ein Lied davon singen, was geschieht, wenn man sich in die Abhängigkeit der Saatguthersteller begibt und das patentierte Saatgut einsetzt. Kürzlich war Percy Schmeiser, der Alternativ-Nobelpreisträger, in Sachsen und hat von seinem – letztendlich – erfolgreichen Kampf gegen Monsanto berichtet.
Meine Damen und Herren! Probleme bekommen auch diejenigen, die gentechnikfrei arbeiten möchten. Wind
und Bienen tragen Pollen kilometerweit. Die Pollen übertragen die veränderten Gene auf herkömmliche Pflanzen. Dadurch wird die gentechnikfreie Landwirtschaft gefährdet. Um Gentechnik-Freiheit nachzuweisen, müssen Landwirte schon heute teure Untersuchungen aus eigener Tasche bezahlen. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Hier muss der Verursacher in die Pflicht genommen werden.
Unser Landwirtschaftsminister sieht das jedoch leider ganz anders. Während einer Veranstaltung im vergangenen Jahr antwortete Herr Kupfer auf die Frage, warum gentechnikfrei arbeitende Betriebe die Mehrkosten für Analysen tragen müssen: Das ganze Leben kostet. Zynischer geht es nicht mehr. Sehr geehrter Herr Kupfer! So etwas kann doch unmöglich Ihr Ernst sein. Mit solchen Kommentaren punkten Sie vielleicht bei Ihrem Schützenverein in Torgau, aber doch nicht als Landwirtschaftsminister.
Erstens fordern wir die Staatsregierung auf, Sachsen zur gentechnikfreien Region zu erklären und dem europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beizutreten. Das im Jahr 2003 gegründete Netzwerk ist mittlerweile auf 35 Regionen angewachsen. Sachsen fände sich dort in guter Gesellschaft mit Thüringen, Niederösterreich, der Bretagne oder der Emilia-Romagna.
Zweitens: Um ein gentechnikfreies Sachsen schnellstmöglich Wirklichkeit werden zu lassen, zeigen wir der Staatsregierung verschiedene Handlungsoptionen auf, die sofort umgesetzt werden können. Dazu zählt, auf landeseigenen Flächen mit zeitnaher Wirkung ein Abbau- und Freisetzungsverbot durchzusetzen. Damit wird eine Forderung unserer Fraktion aus dem Jahr 2008 wieder aufgegriffen.
Drittens fordern wir im Sinne einer verantwortungsvollen Politik für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucher, dass die Staatsregierung bereits bestehende gentechnikfreie Regionen und Initiativen unterstützt. Meine Damen und Herren! Wir müssen in Sachsen nicht bei null anfangen. Auf rund 25 000 Hektar arbeiten heute bereits über 100 sächsische Landwirte ohne Gentechnik. Sie haben sich dazu in sechs gentechnikfreien Regionen organisiert. Darüber hinaus gibt es in Sachsen drei gentechnikfreie Kommunen. Das sind Leipzig, Chemnitz und LimbachOberfrohna. Sie alle haben unsere Unterstützung verdient.
Meine Damen und Herren! Viertens geht es unter Punkt 6 unseres Antrages um die Förderung der gentechnikfreien pflanzenökologischen Forschung in Sachsen. Bevor Sie, Herr Staatsminister Kupfer, sagen, das machen wir doch, lassen Sie mich bitte anhand eines Beispiels erklären, was
ich damit meine. Am 30. März 2011 überreichte die Staatsregierung einen Fördermittelbescheid über 490 000 Euro an den biosaxony e. V. Mit diesem Geld soll der Aufbau eines Clusters der Biotechnologie/Life Science Branche in Sachsen gefördert werden. Dagegen wäre auch gar nichts einzuwenden, wenn nicht Staatsminister Kupfer gleichzeitig die Unterstützung der Ökolandbauberatung verweigern würde, die nur einen winzigen Bruchteil dessen kosten würde. Diese Schieflage muss beseitigt werden, meine Damen und Herren.
Zum Schluss kommen wir im Punkt 8 unseres Antrages der Koalition sehr weit entgegen. Immer wieder behauptet sie, dass sämtliche Argumente der Gentechnikkritiker allesamt in der Praxis nicht belegbar seien. Wir geben der Staatsregierung nun die Gelegenheit, dies im Rahmen einer unabhängigen Studie zu untermauern. Darin sollen besonders die drei folgenden Aspekte genauer untersucht werden.