Protokoll der Sitzung vom 20.04.2011

Erstens: Ermittlung und Bewertung der sozioökonomischen Auswirkungen des Einsatzes der Agro-Gentechnik. Welchen Beitrag leistet sie beispielsweise zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Freistaat?

Zweitens: Welche Kosten – zum Beispiel für Analyse, Warenstromtrennungen usw. – entstehen unbeteiligten Dritten durch die Agro-Gentechnik?

Drittens: Welche Chancen und Risiken birgt die Technologie unter verschiedenen Zukunftsszenarien?

Dem Argument, sich dem Thema Agro-Gentechnik auch anhand ökonomischer Analysen zu nähern, dürfte sich eigentlich niemand verschließen, der sonst immer die Wirtschaftlichkeit im Sinn und auf dem Schirm hat. Insofern bleibe ich optimistisch und freue mich bereits jetzt auf breite Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Weichert. – Nun die Fraktion der CDU; Herr Abg. Schmidt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder um diese Jahreszeit debattieren wir in diesem Hohen Hause über das Thema „Gentechnisch veränderte Organismen“ und dabei speziell über die grüne Gentechnik. Dabei geht es einmal um die Maissorte MON 810 oder, wie im letzten Jahr, um die Kartoffelsorte Amflora oder um die grüne Gentechnik im Allgemeinen – dies alles in einem Umfeld von stetig steigendem Anbauumfang von GVO in der Welt in inzwischen 29 Ländern, von 15 Millionen Landwirten und auf einer Fläche von etwa 150 Millionen Hektar. In der Summe der Jahre wurde inzwischen längst die 1-Milliarde-Hektar-Grenze überschritten.

Die Themen dieser jährlichen Debatten wechseln. Was jedoch ausbleibt und auch im vorliegenden Antrag erneut

fehlt, ist die Begründung bzw. sind neue Erkenntnisse, welche Gefahren eigentlich von den über viele Jahre geprüften und durch umfangreiche Verfahren zugelassenen Pflanzen ausgehen. Außer Konjunktiven kein neues Wort, wo es in der Welt trotz des enormen Anbauumfanges zu Schädigungen von Mensch und Natur gekommen ist. Trotzdem nun diesmal der Antrag auf ein generelles Anbauverbot.

Es ist richtig, dass von der Mehrheit der Bevölkerung gentechnisch veränderte Organismen in den Lebensmitteln abgelehnt werden. Dies ist aufgrund der immer wieder auch durch solche Anträge geweckten Emotionen nicht verwunderlich. Wie sonst soll auch der völlig verunsicherte Verbraucher auf die immer wieder verbreiteten Horrorszenarien reagieren, wenn nicht mit äußerster Vorsicht? Aber ich lehne es ab,

(Michael Weichert, GRÜNE: Ich wollte gerade klatschen!)

ohne wissenschaftliche Begründung Ängste vor von Gentechnik ausgehenden Gefahren zu schüren und daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist unredlich – was jedoch nicht heißt, dass man die Messlatte für die Zulassung und letztendlich den Anbau dieser Pflanzen sowie den Einsatz in der Ernährung von Mensch und Tier sehr hoch legen muss.

Ich bin der Überzeugung, dass die langjährigen und äußerst komplizierten Genehmigungsverfahren diese Sicherheit garantieren, aber ich halte es für genauso wichtig, solche Zulassungsverfahren immer wieder zu hinterfragen und an neue Erkenntnisse anzupassen. Hier darf nichts zur Routine werden, ganz egal, um welche Art von Gentechnik es sich handelt. Gleiches gilt jedoch auch für andere Branchen. Es ist ein sorgsamer Umgang bei jeder neuen Technologie anzumahnen, und dies gilt im Besonderen für die menschliche Ernährung oder die Medizin.

Doch wenn allein aus der Tatsache heraus, dass durch den Verzehr von gentechnisch veränderten Organismen oder auch nur von deren Minimalspuren in der Ernährung nicht abschätzbare Gefährdungen für den menschlichen Organismus abzuleiten sind, dann muss man natürlich generell die Gentechnik infrage stellen – und nicht nur die grüne.

Dies tun Sie natürlich nicht, um nicht den Unmut von Hunderttausenden Diabetikern auf sich zu ziehen, die dann kaum noch das für sie lebenswichtige Insulin hätten. Ohne Zweifel ist es so, dass man Gentechnik aus den verschiedensten Gründen befürworten oder auch ablehnen kann. Auch das habe ich an dieser Stelle schon zum wiederholten Male ausgeführt. So gibt es ethische, ernährungsphysiologische, phytopathogene, wirtschaftliche, juristische und viele weitere Aspekte. Leider werden in den öffentlichen Diskussionen meist die verschiedenen Aspekte vermischt, was nicht gerade zur Versachlichung beiträgt.

Es ist ein offenes Geheimnis – unser Kollege Michael Weichert hat es angesprochen –, dass natürlich auch in

unserer Fraktion die Gentechnik kontrovers diskutiert wird, und es ist schlicht falsch, dass wir nur deshalb, weil wir einen sachlichen Umgang mit dieser Problematik fordern, zu den kompromisslosen Befürwortern der Gentechnik gehören. Dies weise ich eindeutig zurück. Die gentechnische Veränderung von Organismen wird auch von den Kirchen – dies wurde bereits angesprochen – als ein schwerwiegender Eingriff in die Schöpfung dargestellt. Dies kann ich, wenn es konsequent auf alle Bereiche der Gentechnik ausgeweitet wird, zumindest akzeptieren. Der alleinige Bezug auf die grüne Gentechnik ist auch hier nicht akzeptabel. Wenn Ablehnung, dann bitte generell, Frau Dr. Pinka, ein bisschen schwanger geht halt nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gleichzeitig muss man die nur schwer zu beantwortende Frage stellen: Wo ist eigentlich die Grenze bei einem solchen Eingriff zu ziehen? Ohne Zweifel: Dies zu beantworten ist nicht einfach. Auch in der herkömmlichen Pflanzenzüchtung werden oftmals Mutationen mit besonderen Merkmalsausbildungen in ganz speziellen Gewächshäusern unter extremsten Bedingungen zwangsgekreuzt – ein Vorgang, der in der Natur niemals vorkommen würde. Es entstehen auch hier Organismen, die ausschließlich durch den massiven Eingriff des Menschen geschaffen werden. Greift man damit nicht auch weitestgehend in die Schöpfung ein?

Außerdem muss auch die Frage erlaubt sein, ob es mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung und im Kontext mit immer weiter zurückgehender Anbaufläche sowie dem fortschreitenden Klimawandel ethisch vertretbar ist, pauschal auf eine Möglichkeit zu verzichten, die es schneller als die konventionelle Pflanzenzüchtung ermöglicht, die Toleranz gegenüber Hitze, Trockenheit, aber auch Kälte, Staunässe, Versalzung oder auch die Nährwerte von Kulturpflanzen zu erhöhen.

(Michael Weichert, GRÜNE: Gegen Forschung hat niemand etwas gesagt!)

Dies ist mit unserer Luxussituation in der Nahrungsmittelversorgung und dem Blick auf die Verhältnisse in der Welt für mich unvereinbar. Gleichzeitig ist es natürlich falsch – ich glaube, Liane Deicke hat es angesprochen –, einzelbetriebliche Interessen zu vertreten und Bewertungen zu treffen, ohne den Blick auf die Gesamtthematik zu behalten. Das heißt, dass ein Zulassungsverfahren auch trotz erkennbarer Vorteile negativ beschieden werden muss, wenn wissenschaftlich begründete Ergebnisse dies verlangen.

Das gilt jedoch auch für den entgegengesetzten Fall. Ich kann aus meiner eigenen betrieblichen Sicht sagen, dass mein Betrieb massiv von einem generellen Verbot der Gentechnik, speziell des gentechnisch veränderten Sojas, profitieren würde; denn wir haben einen hohen Anteil von herkömmlich gezüchteten Eiweißpflanzen, die reißendsten Absatz finden würden. Die Preise würden explodieren. Ich könnte das nur begrüßen. Aber das ist für mich nicht

der Maßstab. Der sachliche Umgang mit diesem Thema erfordert, der Thematik mit der nötigen Skepsis, aber grundsätzlich auch offen gegenüberzustehen.

Wichtig ist – darin sind wir uns einig –, dass wir endlich viel stärker als bisher zu einer sachlichen und auf eine wissenschaftliche Basis gegründete Diskussion zurückkehren müssen. Dazu gehört auch – das sage ich ausdrücklich – eine bessere und vorurteilsfreie Information der Verbraucher. Dabei bin ich durchaus für eine viel weitergehende Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die in ihrer Produktion und Verarbeitung mit gentechnisch veränderten Organismen in Kontakt kommen; denn in unserer Ernährung sind GVO viel stärker zur Selbstverständlichkeit geworden, als allgemein dargestellt wird, ohne dass es zu Gefährdungen oder gar Schädigungen gekommen ist. Dies sollte der Verbraucher auch erkennbar wissen.

Zu dem in sich widersprüchlichen und schon deshalb abzulehnenden Antrag wird mein Kollege Andreas Heinz weitere Ausführungen machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Schmidt. – Nun die FDP-Fraktion; Herr Abg. Günther, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor Einstieg in meine Rede möchte ich mich erfreut zeigen, dass unser Kollege Michael Weichert heute wieder an der Plenarsitzung teilnehmen kann. Schön, dass du wieder da bist!

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Danke, Micha!)

Du hast auch von der Opposition die beste Rede gehalten – bis jetzt.

Meine Vorredner haben schon jede Menge Fakten zu diesem Antrag erörtert. Nach der Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft vom 18. April 2011 gehe ich zudem fest davon aus, dass es sich Staatsminister Kupfer auch heute nicht nehmen lässt, den klaren Standpunkt des Staatsministeriums darzulegen. Aufgrund des inhaltlich recht umfangreichen Antrages erlaube ich mir, nur auf einige Punkte der Thematik einzugehen.

Einleitend möchte ich jedoch folgende Feststellung treffen: Unser Grundsatz lautete schon immer, auch in dieser Frage: Landwirtschaft ist Wirtschaft und Wirtschaft muss forschen und züchten können.

Schon in der letzten Legislaturperiode hatten wir das Vergnügen, uns mit immerwährenden und nicht nachlassenden Gentechnik-Szenarien der GRÜNEN und der LINKEN beschäftigen zu müssen. Der heutige Antrag von drei Fraktionen ändert nichts an der Sach- und Rechtslage. Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen verweise ich

auf den Inhalt meiner Rede in der 132. Sitzung der 4. Legislaturperiode.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Die haben wir uns gemerkt!)

Das glaube ich! – Was hat sich seitdem verändert? Deutsche Gerichte haben sich mit den Grundlagen von Schadenersatzforderungen aufgrund von GVO-Kontaminierung befassen müssen. Das Ergebnis ist eine bis zum jetzigen Zeitpunkt bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung. Das Bundesverfassungsgericht begründet diese Entscheidung mit einem darauf basierenden verträglichen Nebeneinander konventioneller, ökologischer und mit dem Einsatz von Gentechnik arbeitender Produktionsmethoden, was im Ergebnis zu einer echten Wahlfreiheit der Produzenten und Verbraucher führt. Wir stehen zur Wahlfreiheit. Wir wollen keine Knebelung der Landwirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Die Landwirtschaftsbetriebe entscheiden selbst, was und in welcher Art und Weise sie anbauen, und nicht die Politik!

Sehr geehrte Damen und Herren! Links-Grün will alles regeln! Sie sind gegen die Freiheit der Entscheidung der landwirtschaftlichen Betriebe der Bauern.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Und das will die Opposition nicht!)

Nein! – Ich vermute, die links-grüne Opposition möchte am liebsten – wenn ich so überlege, was zu den verschiedenen Themenbereichen wie Energie, Landwirtschaft etc. gesagt wird – eine neue Form der Drei-Felder-Wirtschaft. Die Fruchtfolge der links-grünen Drei-Felder-Wirtschaft besteht aus erstens Windkraftfeldern, zweitens Solarfeldern und drittens Rapsfeldern für die E10-Brühe und nicht im Anbau von landwirtschaftlichen Gütern, die der Ernährung dienen. Wir setzen auf die gute fachliche Arbeit unserer Landwirtschaftsbetriebe und stärken sie. Wir setzen uns für die Forschung und die Wissenschaft ein und auch – so steht es im Koalitionsvertrag – für die grüne Gentechnik.

Was sind jetzt die Fakten? Frau Deicke hat es schon angesprochen. Warum sind die Hersteller nicht bestrebt, das Label „Ohne GenTechnik“ intensiv zu nutzen? Die Gründe sind sicherlich unterschiedlich: der Verwaltungsaufwand, die Einhaltung von Verpflichtungen, kostenintensive Kontrollen etc. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat dem Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik e.V.“ die Nutzungsrechte an dem vorhandenen Logo übertragen. Die Wirtschaft erhielt mit dem Logo die Möglichkeit, bei der Produktion von Nahrungs- und Lebensmitteln auf GVO-Inhaltsstoffe freiwillig zu verzichten. In der Praxis wird derzeit nur in geringem Umfang von diesem Einsatz des Logos Gebrauch gemacht. Stand von März 2011: Circa 70 Unternehmen verwenden das Logo. Schätzung

für Ende 2011: Es könnten über 100 Unternehmen werden.

Worin auch immer die Ursachen liegen, durchgesetzt hat sich diese Vermarktungsmöglichkeit von Produkten beim Verbraucher bislang jedoch nicht. Entscheidend ist aber folgende Feststellung: Keine Pflanze, die roh oder zubereitet als Lebensmittel verzehrt wird, gibt es bei uns in gentechnisch veränderter Form zu kaufen, und das Ganze erfolgt ohne das entsprechende Logo.

Ganz anders ist die weltweite Situation. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen im Jahr 2010 hat zugenommen. Die Größe der Anbauflächen stieg gegenüber dem Jahr 2009 um 14 auf 148 Millionen Hektar. Der Zuwachs betrug in den Industrieländern 5 % und in den Entwicklungs- und Schwellenländern 17 %. In der Europäischen Union ist der Trend rückläufig, nur in Spanien ist er größer.

Können sich diese Einschränkungen nachteilig auf die Forschung in Deutschland auswirken? Mit Sicherheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stellt sich doch nicht die Frage, ob wir in Deutschland auf die Gentechnik zwingend angewiesen wären, denn dieses Problem ist in anderen Regionen aktueller und von hoher Brisanz. In den Entwicklungsländern ist mit dem vorhandenen Know-how die langfristige Forschungsarbeit in aller Regel nicht zu finanzieren und logistisch durchzuführen. Der Schwerpunkt der Forschung liegt dabei insbesondere bei der Erforschung von neuen Anbaueigenschaften mit der Zielstellung, neue Konzepte hinsichtlich der Bekämpfung von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten zu finden. Die zweite Generation gentechnisch veränderter Pflanzen ist bereits angekündigt. Das sind angesichts Zeiten klimatischer Turbulenzen interessante Projekte.

Hier besteht die Chance für den Forschungsstandort Deutschland. Verwehren wir unserer landwirtschaftlichen Forschung nicht die Zukunftsfähigkeit! Die internationale Entwicklung zeigt uns, dass eine Umkehr zu rein ökologischer Landwirtschaft nicht mehr möglich ist. Ich weiß nicht, wie oft ich es noch wiederholen soll: Akzeptieren Sie die sich vollzogene landwirtschaftliche Entwicklung und verbauen Sie darüber hinaus unseren sächsischen Unternehmen nicht die Zukunftsmärkte!

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir lehnen Ihren Antrag ab. Sie kommen nicht durch! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.