Ich will aber auch in Richtung der Kommunen sagen, auch da gilt es klar und deutlich Forderungen zu erheben und nicht nur halbherzig zu bemängeln, dass nichts gemacht wird, und auf der anderen Seite vielleicht damit zu rechnen, dass vielleicht etwas Geld übrig bleibt und man seine Haushalte ein wenig sanieren kann.
Schönrechnen funktioniert auch nicht. Da sehe ich die kommunale Ebene in der Pflicht, ganz klar, ihre Forderung zu sagen.
Was hätte die Staatsregierung machen können? Zuallererst hätte sie eine rechtzeitige, umfassende und zielgerichtete Information der Betroffenen herbeiführen können. Sie hat den Zugriff über die Kindertagesstätten und die Schulen direkt an die Eltern. Sie hätte einfach von vornherein mit Abschluss des Vermittlungsverfahrens den Brief aufsetzen und alle informieren müssen. Jetzt haben wir einen Flickenteppich und keiner weiß, wer worüber informiert ist, und keiner weiß, wie viele der 200 000 Kinder in Sachsen wirklich diese Leistungen in Anspruch nehmen können.
Keiner weiß auch, welche Kosten dafür entstehen. Die Kommunen befürchten, auf den Kosten sitzenzubleiben, und verfolgen die Taktik: Nur nicht so viel Werbung machen!
Das Leipziger Land hat ausgerechnet, wenn von den 14 000 Anspruchsberechtigten im Prinzip alle die Leistungen in Anspruch nehmen, bleibt man auf 2,5 Millionen Euro derzeit von den veranschlagten Mitteln sitzen. Hier wäre ein Zeichen der Staatsregierung erforderlich gewesen, dass man dafür gemeinsam die Verantwortung übernimmt. Das wäre auch ein bisschen Sicherheit für die Kommunen gewesen, damit das Paket offensiv umgesetzt werden kann.
Es hätte auch noch anderes gemacht werden können, zum Beispiel Rahmenvereinbarungen mit Leistungsanbietern. Es fehlen Schulkonten, um Abrechnungen für Klassenfahrten direkt zu überweisen, sodass unnötiger bürokratischer Aufwand vor Ort erst gar nicht entsteht.
Diese Liste lässt sich fortsetzen. Zum Bereich Bildung werden wir heute Nachmittag noch eine Debatte haben, und zwar zur Schulsozialarbeit. Darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen.
Wir als SPD stehen immer für die stärkere Verantwortung der Kommunen mit allem, was dazugehört, allerdings nicht im Sinne einer organisierten Verantwortungslosigkeit für die Staatsregierung. Derzeit sieht es in dem Fall eher nach Letzterem aus.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Werner, es ist schon erstaunlich, mit welchem Rittberger Sie versuchen, eine wirklich reine Bundesangelegenheit in die Verantwortung der Landesregierung zu schieben. Das ist schon sehr, sehr erstaunlich.
Sie haben verschiedene Themen aufgegriffen. Ich möchte auch gleich auf sie eingehen. Leistungsberechtigte sind dabei klar definiert: Es sind die Empfänger von Hartz-IVLeistungen, sprich Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch II, nach dem Sozialgesetzbuch XII, Wohngeldempfänger und Eltern, die Kinderzuschlag erhalten. Also die Behauptung, wir müssten Einkommensberechnungen machen und Ähnliches, stimmt so nicht. Ihre Kritik, dass es vielleicht bei der Beantragung der Zuschüsse zum Wohngeld oder des Kinderzuschlages Schwierigkeiten gibt, steht auf einem ganz anderen Papier und gehört nicht hierher ins Land.
Das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Sozialgesetzbuches II und des Sozialgesetzbuches XII bildet die Grundlage des Bildungs- und Teilhabepaketes und ist somit ebenfalls reine Bundesangelegenheit.
Wenn Sie kritisieren, dass das alles noch nicht in den Kommunen angekommen wäre, dass die Kinder überhaupt noch nicht profitieren würden, darf ich Ihnen die Zahlen aus dem Landkreis Görlitz nennen. Es tut ja immer gut, wenn man als Politiker auch noch berufstätig ist.
Ja, das natürlich auch. – Wir sollten einfach einmal vergleichen. Am 21. April hat der Landkreistag eine Umfrage gemacht. Damals lagen knapp 2 400 Anträge vor. Am heutigen Tag liegen wir bei knapp 5 500 Anträgen. Dabei kann man noch nicht einmal sagen, ob das alles einzelne Kinder sind; denn es gibt auch Anträge, in denen mehrere Kinder aufgeführt sind und verschiedene Leistungen beantragt werden. Also, ich denke, dort haben wir schon ganz klar darauf hingewiesen, was alles möglich ist.
Wir müssen auch sehen, dass die Angebote vor Ort sehr, sehr engagiert wahrgenommen werden, dass die Kollegen mit viel Engagement bei der Sache sind und gut informieren. Aber Sie müssen auch zugestehen, dass wir das Gesetz erst seit acht Wochen haben. Es wurde am 29. März verabschiedet. Man sollte also anerkennen, dass es im Moment eine ganz normale Antragssituation für ein neues Gesetz ist, was die Fallzahlen und auch was die Umsetzung betrifft.
Sie hatten vorhin nach Zahlen gefragt. Bei uns im Landkreis sind bereits mehr als 3 000 Anträge bewilligt worden. Dabei ging es hauptsächlich um die Mittagessenversorgung und um Schulausflüge, Schulfahrten. Ich denke, hier sind wir auf dem richtigen Weg.
Nur damit das nicht in die falsche Richtung geht, Frau Schütz: Ich habe überhaupt nicht darüber gesprochen, wie viele Anträge gestellt wurden und wie viele angenommen wurden. Es ging darum, dass die Kommunen tatsächlich mitten im Jahr ein Gesetz auf die Tagesordnung bekommen haben – –
Die Frage lautet, ob Ihnen klar ist, dass es das Problem dieser Aktuellen Debatte ist, zu erfahren, wie die Umsetzung stattfinden soll, und dass die Staatsregierung durch die Bundesregierung als die Rechtsaufsicht benannt wurde.
Das ist mir bekannt, aber letzten Endes sind die Kommunen jetzt in der Umsetzung mit dabei. Das Gesetz sollte zum 1. Januar umgesetzt werden. Wir waren lange genug im Vermittlungsausschuss, der viel Zeit in Anspruch genommen und letzten Endes keine Rechtssicherheit für die Umsetzung vor Ort gebracht hat. Die Umsetzung war daher erst ab April möglich. So weit müssen wir uns schon auf die Tatsachen einigen.
Natürlich müssen wir auch schauen, wozu wir das tun. Es ist eine Sozialleistung. Wenn ich jetzt wieder von Frau Neukirch die Frage höre, ob wir nicht gleich alle hätten anschreiben sollen, sage ich ganz einfach: Sozialdatenschutz.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, wenn wir alle Eltern anschreiben würden, würde das zu mehr sozialem Unfrieden führen. Ich sehe dann nämlich, wer alles diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen kann, nämlich auch nicht die Schulsekretärin, die vielleicht mit 60 Euro über der Einkommensgrenze liegt. Diese Problematik ist dabei nicht berücksichtigt worden.
Und das Zweite: Ist Ihnen, Frau Neukirch, überhaupt klar, welche Intention die Sozialgesetzbücher haben? Ich möchte Ihnen das gern noch einmal zitieren. Im Sozialgesetzbuch XII heißt es: „Die Leistungen sollen sie so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben. Darauf haben auch die Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuwirken.“
Ich zitiere auch gern aus dem Sozialgesetzbuch II: „Die Grundsicherung für Arbeitssuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten stärken und dazu beitragen.“
Das heißt eigentlich für uns ganz klar: Es ist und bleibt Hilfe zur Selbsthilfe. Es ist die Verantwortung auch der Eltern, die Antragstellung zu übernehmen. Ich habe die Broschüren alle hier.
Sie sind auch im Internet veröffentlicht. Dort kann sich jeder informieren. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Die Aufgabe des Sozialstaates ist es, Leistungen anzubieten, aber nicht, sie auch noch anzuliefern.
Das war Frau Schütz für die FDP. Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Herrmann. Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nahtlos an der Stelle weitermachen, an der meine Vorrednerin aufgehört hat. Im Sozialgesetzbuch II steht nämlich ein Hinwirkungsgebot. Hinwirkungsgebot heißt, dass die Leistungsträger darauf hinwirken, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu geeigneten vorhandenen Angeboten der gesellschaftlichen Teilhabe haben.
Dann muss man sich überlegen, ob die Art und Weise, wie dieses Hinwirkungsgebot ausgefüllt wird, wirklich geeignet ist, die Eltern zu erreichen, um die es uns hierbei geht.
Damit möchte ich in der Debatte auf das Ziel dieses Gesetzes kommen. Das Ziel war, Kindern von einkommensschwachen Eltern die ihnen zustehenden Teilhabemöglichkeiten an Bildung, Kultur usw. in der Gesellschaft
zu eröffnen. Man muss sich fragen, ob das Gesetz in der Lage ist, diese Anforderungen auch wirklich zu erfüllen.
Es gab in der Vergangenheit bis zur Verabschiedung genügend Kritik an der Vorgehensweise der Bundesministerin. Das will ich jetzt an dieser Stelle nicht wieder aufrufen. Wahr ist, dass dieses Gesetz seit 1. April in Kraft ist. Die Frage ist, wie viele Leistungsberechtigte mittlerweile Anträge gestellt haben. In dem Landkreis, aus dem ich komme, gibt es 15 000 Anspruchsberechtigte, und Ende April lagen 1 500 Anträge vor. Das darf man aber nicht mit 1 500 Personen verwechseln – Frau Schütz hat darauf hingewiesen –, denn es können mehrere Leistungen in Anspruch genommen werden und es können von einer Familie mehrere Anträge gestellt werden. Das sind 10 %.
Jetzt könnte man ja sagen: Na gut, es sind 10 %. Die Zahl könnte sich ja steigern. Ich befürchte aber, sie wird sich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht wesentlich erhöhen. Ein Grund ist, dass der Zugang nicht niederschwellig genug ist, wie er sein müsste, um genau die Familien, um die es uns geht, wirklich zu animieren, diese Leistungen anzunehmen.
Schauen wir doch einmal genau hin. Es geht uns um die Kinder, und die Kinder haben gleich gar keinen Einfluss darauf, ob ihre Eltern in der Lage sind, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Das heißt also, die Kommunen müssen umfassend in die Lage versetzt werden, Unsicherheiten, die aufseiten der Eltern in der verschiedensten Art da sind, zu begegnen.
Die Kommunen – das hat Frau Werner ausgeführt – sind aber selber stark verunsichert, weil es in allen einzelnen Punkten, die in diesem Gesetz vorgegeben sind, derzeit mehr Fragen als Antworten gibt, und weil sich die Staatsregierung nach meiner Auffassung in einer nicht zu tolerierenden Art und Weise hier aus dem Verfahren zieht und überhaupt nichts tut, sondern sagt, das sei Sache der Kommunen. Nein, es ist nicht Sache der Kommunen. Die Staatsregierung ist durchaus in der Lage, durch geeignete Handreichungen die Kommunen in die Lage zu versetzen, in gleicher Weise im ganzen Land zu handeln.
Es gibt noch genug offene Fragen. Ich will an dieser Stelle nur einige aufgreifen, nicht dass Sie denken, ich habe hier einen umfangreichen Redezettel. Was mir hier vorliegt, ist eine Arbeitshilfe zum Bildungs- und Teilhabepaket aus dem Ministerium in Nordrhein-Westfalen. Dort ist man nämlich in der Lage, so eine Handreichung zu machen, mit der die Kommunen dann tatsächlich auch etwas anfangen können.
Wenn wir uns zum Beispiel Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten ansehen, dann stellt sich die Frage: Bis zu welcher Höhe werden welche Kosten übernommen? Was ist mit Ausrüstung, die man vielleicht für eine Klassenfahrt braucht? Wird das auch übernommen? Wird das in besonderen Fällen übernommen? Und so weiter.