Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Um an diesem Widerspruch etwas zu ändern, ist allerdings auch die Landwirtschaft selbst gefragt. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner stellte kürzlich fest – ich zitiere –: „In den grünen Berufen liegt sehr viel Zukunft. Landwirtschaftliche Ausbildungsberufe sind modern, attraktiv und zukunftsorientiert.“ Herr Sonnleitner fordert die Bundesagentur für Arbeit im gleichen Atemzug auf, diese Botschaft stärker zu kommunizieren. Die Verantwortung auf andere abzuwälzen wird aber nicht genügen. Wann beginnt auch der Bauernverband, mehr für ein positives Image der Landwirtschaft zu tun?

Die Begrenzung von Belastungen zur Erhöhung der Arbeits- und Lebensqualität durch mehr Zeitautonomie und Mitbestimmung wäre ein sinnvoller Schritt, sonst bleibt die Landwirtschaft für viele Jugendliche eben keine Option. Dabei gibt es hier vielfältige Einstiegsmöglichkeiten, auch für Jugendliche mit Hauptschulabschluss. Die grünen Berufe eignen sich hervorragend als Trainingsfeld für soziale und fachliche Kompetenzen. Jugendliche können körperliche Stärken zeigen, sich austoben und ein Feingefühl für Umgebung, Natur und Menschen entwickeln. Sie können lernen, sich selbst über unmittelbare Rückmeldung der Natur wahrzunehmen. Dafür ist es notwendig, in die Schule zu gehen. Es gibt heute Kinder, die kennen die Durchschnittstemperatur im UsambaraGebirge, wissen aber nicht, welche Getreidesorten auf dem heimischen Acker stehen. Wie sollen sie Interesse an der Landwirtschaft entwickeln?

Meine Damen und Herren! Irgendwo habe ich den schönen Satz gelesen: „Junglandwirte sind der Motor der Zukunft für die ländlichen Räume.“ Dem stimme ich zu, und ich möchte an dieser Stelle jenen Menschen danken, die vor Ort mit guten Ideen, Kreativität und Engagement trotz teils sehr widriger Bedingungen an der Entwicklung der ländlichen Regionen arbeiten.

Meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dem Antrag der Koalition zustimmen, auch wenn er die eigentlichen Probleme nicht beim Namen nennt und Punkt 1 von der Staatsregierung bereits weitestgehend beantwortet wurde.

Punkt 2 ist noch offen und wir sind sehr, sehr gespannt auf das darin geforderte Konzept.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Als letzter Redner in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache spricht Herr Petzold für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der Regierungsparteien haben die Staatsregierung aufgefordert zu berichten, wie der Berufsnachwuchs in der Land- und Forstwirtschaft in den kommenden Jahren gesichert werden kann und welche Maßnahmen zur Sicherung einer hohen Ausbildungsqualität im dualen System ergriffen werden. Das hat die Staatsregierung mittlerweile nicht nur schriftlich getan, sondern die Thematik wurde heute auch ausführlich besprochen. Inhaltlich gibt es daran wenig auszusetzen. Es stellt sich jedoch die Frage: Können die im Antrag formulierten Ziele überhaupt erreicht werden?

Wie die Statistik aus dem Jahr 2005 zeigt, arbeiteten damals in der Landwirtschaft insgesamt 34 230 Arbeitskräfte. 27,2 % der Betriebsinhaber und 29,3 % der mithelfenden Familienangehörigen waren über 55 Jahre alt. Dieser Personenkreis geht jetzt in den Ruhestand und muss ersetzt werden. Das wird schwierig; denn laut Statusbericht zum Stand und zur Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft im Freistaat Sachsen erhalten die Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei in Sachsen ganze 14 374 Euro pro Jahr bzw. 1 198 Euro pro Monat Bruttolohn und -gehalt. Damit liegen sie noch unter dem Bundesdurchschnitt.

Die Sicherung des Nachwuchses ist jedoch nicht nur in der Land- und Forstwirtschaft, sondern auch in allen anderen Berufen infrage gestellt. Die Halbierung der Zahl der verfügbaren Jugendlichen in den letzten Jahren wächst sich immer mehr zu einer demografischen Katastrophe aus.

Absehbar war diese Entwicklung in der Bundesrepublik, in Sachsen und anderen Gebieten Mitteldeutschlands seit 1990. Viel zu wenig wurde getan, um diese Entwicklung zu korrigieren. Hilflose Appelle an potenzielle Auszubildende in unseren Nachbarländern bringen ebenso wenig wie die Abwerbung echter Fachkräfte. Kein Wunder, leidet doch fast ganz Europa unter dem gleichen Problem.

Es bleiben die Wüstenbewohner arabischer und afrikanischer Länder, die zu Tausenden über das Mittelmeer kommen. Doch diese Menschen haben Zukunftsvorstellungen, die mit den Zielen des Antrages kaum zu vereinbaren sein dürften. Selbst die gläubigsten Verfechter multikultureller Träume werden sie nicht im Fichtenwald oder Schweinestall einsetzen können.

Der Antrag ist vom Ansatz her zwar gut gemeint, seine Umsetzung wird die anstehenden Probleme jedoch nicht lösen können. Die NPD-Fraktion wird sich daher der Stimme enthalten.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, damit haben wir die erste Runde der

allgemeinen Aussprache beendet. – Mir liegt noch eine weitere Wortmeldung für eine zweite Runde vor. Herr von Breitenbuch spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt genügend Punkte, in die man einhaken kann.

Herr Kollege Kind, wir waren damals in MorgenrötheRautenkranz, das ist richtig, und es gab dort zu viele Lehrlinge, die um ihre Ausbildung zum Forstwirt bangten. Der Punkt war nur: Der Freistaat war eingesprungen, da es in dieser Zeit zu wenige Lehrstellen gab, und hat diesen jungen Menschen mit dieser Ausbildung unter die Arme gegriffen, und es war von Anfang an klar, dass nach drei Jahren ein Problem entsteht. Aber diese Zeit sollte überbrückt werden. Diese Situation habe ich von dort mitgenommen. Insofern stimmt es nicht, was Sie jetzt aus der Vergangenheit herangezogen haben. Die Zeiten haben sich geändert, werter Kollege.

Es geht um einen Beruf, und es geht erst in zweiter Linie um Tarifbedingungen und die Details. Es geht erst einmal darum, dass junge Menschen für ihr Leben eine Aufgabe in unserer Welt suchen, an der sie arbeiten wollen. Ich würde sagen, das ist der Kernpunkt von Berufsausbildung. Ich denke, die meisten von uns haben einen Beruf gelernt, der durchs Leben tragen kann, und insofern wissen wir, wovon wir reden. Dazu, dass Sie das Ganze nur vom Geld, von den Tarifbedingungen oder sofort vom Einkommen her sehen, kann ich nur sagen: Ich kann nicht feststellen, dass der normale Mensch seinen Beruf so ausübt.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Es geht nicht nur ums Geld!)

Nein, aber Sie sind ja sofort auf dieses Pferd aufgesprungen. – Dass der ländliche Raum in den letzten Jahren enormen Veränderungen unterliegt, wissen wir doch alle. Wir hatten vor 20 Jahren völlig andere Strukturen im ländlichen Raum, und sowohl bei den Betrieben als auch auf den Höfen, die ihre Flächen nicht mehr bewirtschaften, ergeben sich enorme Veränderungen. Das ist uns doch bewusst. Wir versuchen selbstverständlich zu helfen und diese Entwicklung positiv zu befördern. Aber das, was in den letzten 20 Jahren in Sachsen passiert ist, darf jetzt nicht schlechtgeredet werden. Fahren Sie doch mal über die Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt, dort sehen Sie es sofort. Sie waren mit Ihrer Partei auch daran beteiligt, warum es in den Dörfern dort so anders aussieht als bei uns.

Ich vermisse die Ideen der LINKEN. Das war noch einmal eine Bestätigung dessen, was ich zur letzten Debatte gesagt habe: dass Sie mit Ihrer Landwirtschaftspolitik jetzt komplett abdriften. Früher haben Sie bewusst die großen Strukturen, LPG-Nachfolgebetriebe, unterstützt. Jetzt nutzen Sie keine Gelegenheit aus, genau diese Großstrukturen anzugreifen und den – ich nenne es – städtischen Argumentationen nachzukommen. Das heißt, Ihre Linie als LINKE hat sich komplett von der Landwirt

schaft im ländlichen Raum weg verändert. Sie sehen nicht mehr den Berufstand als Ganzes von Klein- und Groß- zu ökologischen und konventionellen Wirtschaften. Sie suchen sich jetzt mit Ihrer Rosinenpickerei positive Schlagzeilen für eine urban denkende Bevölkerung heraus. Das ist legitim; das können Sie tun. Aber wir werden Sie an dieser Stelle festnageln, weil Sie teilweise im ländlichen Raum ganz anders argumentieren. Das nehmen wir Ihnen nicht ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Dr. Deicke, natürlich gibt es Konkurrenzsituationen zwischen den Unternehmen, was die Lehrlinge angeht. Aber diese Konkurrenzsituation gab es schon immer beim Wettbewerb um gute Lehrlinge. Das hat sich jetzt verschärft. Wir hatten früher die Situation, dass auch Hauptschüler in der Landwirtschaft, weil man den Verpächter kannte, untergekommen sind. Das verschärft sich jetzt. Auch sie haben jetzt die Möglichkeit, ihren Traumberuf woanders zu suchen. Insofern hat sich auch die Bewerberstruktur komplett geändert. Das sollten Sie nicht aus dem Auge verlieren.

Zu den späteren Lebensbedingungen. Selbstverständlich ist Realismus angesagt. Wir leben im ländlichen Raum und wissen ganz genau, wie es dort ist. Aber das darf man auch nicht schlechtreden. Selbstverständlich ist es eine Entscheidung, nicht jeden Tag in Leipzig, in der Peterstraße, einkaufen zu gehen. Es ist eine Entscheidung fürs Leben, wenn man sagt: Ich wohne im Kohrener Land oder in der Oberlausitz. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Menschen grundsätzlich unglücklich sind, wenn sie sich für den ländlichen Raum entscheiden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Kollege Weichert, jetzt komme ich zu Ihnen: Das Horrorgemälde, das Sie vom Berufsbild des Landwirts an die Wand malen, ist eine knappe Unverschämtheit. Das will ich an dieser Stelle klar sagen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich lade Sie gern ein, mit mir im Sommer Traktor zu fahren. Harte Arbeit, Niedriglöhne, monotone Tätigkeit, im Winter arbeitslos – so ist es doch nicht!

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Selbstverständlich gibt es die Situation, dass niedriger bezahlt wird als in der Stadt. Da gerade in den alten Betrieben – ich nenne sie mal so – der Generationenwechsel teilweise noch vor der Tür steht – das habe ich in meiner Rede offen angesprochen – und dadurch ein gewisser Überbestand an Mitarbeitern besteht, wird weniger Lohn gezahlt. Das wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren rapide ändern, denn dann geht es nach oben.

Zur monotonen Tätigkeit: Wenn Sie mal auf solch einer Maschine gesessen haben, sie beherrschen und schauen müssen, dass das alles im Zusammenspiel mit den anderen klappt, dann glaube ich, dass Sie ganz anders spre

chen würden. Deshalb lade ich Sie herzlich ein, zu uns zu kommen; denn dann erzählen Sie nicht solch ein dummes Zeug vor Ort. Wenn Sie hier „Bauer sucht Frau“ zitieren, dann ist das sowieso eine Frechheit, weil das den Berufsstand überhaupt nicht widerspiegelt.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Gitta Schüßler, NPD)

Wir sehen den Problemen ins Auge, die es zweifellos gibt, aber wir wollen damit ehrlich umgehen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, gibt es noch Wortmeldungen in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache? – Das kann ich nicht erkennen. Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? Herr Staatsminister Kupfer, Sie haben jetzt dazu Gelegenheit. – Herr Staatsminister Kupfer, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr herzlich für die Debatte zu diesem sehr wichtigen Thema.

Wir alle wissen, dass nur Unternehmen auf Dauer im Wettbewerb bestehen können, die über ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte verfügen. Es gibt auch wissenschaftliche Untersuchungen, die Sie sicher kennen und die eindeutig zeigen, dass der Betriebserfolg direkt mit der Qualifizierung der Mitarbeiter zusammenhängt. Es wird zunehmend schwieriger – das ist heute angesprochen worden –, Lehrlinge zu finden.

Im Jahr 2000 gab es noch 60 000 Absolventen von den Schulen. Im Jahr 2010 waren es nur noch 23 000, also fast nur noch ein Drittel. Die Landwirtschaft benötigt – das wurde auch schon gesagt – circa 500 Berufsanfänger pro Jahr, um die Arbeitskräfte, die in den landwirtschaftlichen Betrieben in den Ruhestand gehen, zu ersetzen. Im letzten Ausbildungsjahr hatten wir nur 338 Lehrlinge, die einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben.

Leider ist die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Berufen keine Momentaufnahme. Es ist ein Trend, der in den letzten Jahren zu verzeichnen war: Immer weniger junge Leute haben sich für grüne Berufe entschieden. Es besteht eine Konkurrenz der land- und forstwirtschaftlichen Ausbildungsberufe zu allen anderen Berufen, denn es gibt immerhin 348 andere Berufe. Das ist nicht zu unterschätzen. Wir werden in den nächsten Jahren nicht den Kampf um die besten Lehrlinge, sondern überhaupt um Lehrlinge haben.

Ich sehe zwei Schwerpunkte. Zum einen müssen die Rahmenbedingungen für die jungen Leute stimmen. Zum anderen muss das Berufsbild – Aufgaben und Aufstiegsmöglichkeiten – mehr als bisher in der Öffentlichkeit vermittelt werden. Dazu gehört für mich, dass wir ein

realistisches Bild vom ländlichen Raum, aber auch von der Landwirtschaft im Auge haben.

Bei allem Respekt, Herr Kollege Weichert, so wie Sie hier den ländlichen Raum im Freistaat Sachsen dargestellt haben, ist er nicht. Sie können gern Vergleiche mit anderen Bundesländern ziehen, wie dort die Dörfer aussehen und wie sich dort das dörfliche Leben gestaltet.

(Dr. Liane Deicke, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sofort. – Ich darf an dieser Stelle auf die Instrumente verweisen, die wir haben: die Integrierte ländliche Entwicklung, wie diese genutzt wird und wie engagiert sich Leute vor Ort um ihre Region kümmern, wie in den Regionen investiert wird, um die Region nach vorn zu bringen, sie attraktiv zu machen, insbesondere für junge Leute, damit sie im ländlichen Raum wohnen bleiben. Das können Sie nicht negieren.

Zweiter Punkt. Durch das Bild, das Sie, gerade Ihre Fraktion, mitunter von Landwirtschaft vermittelt, werden Landwirte fast kriminalisiert, nur weil sie in die Landwirtschaft investieren, um Tierproduktion im ländlichen Raum machen zu wollen. Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass junge Leute Abstand davon nehmen, in einen landwirtschaftlichen Beruf zu gehen.