Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Von der Beteiligung des Privatsektors wird gesprochen, aber vorher werden noch einmal bis zu 700 Milliarden Euro eingesetzt und es gibt noch zusätzlich eine Kreditmöglichkeit, ganz kleingedruckt in Artikel 17. Das kommt noch einmal oben drauf.

Was findet mit den 700 Milliarden Euro statt? Ein Gläubigerwechsel, die Privaten raus und die Staatlichen gehen rein. Damit tut es den Privaten weniger weh, denn sie haben seit Januar 2010 schon 46 Milliarden Euro aus den griechischen Banken abgezogen. Das ist wohl ein deutliches Zeichen, wie sehr man wirklich an einen Erfolg glaubt.

Lassen Sie noch die Zwischenfrage zu, Herr Kollege Patt? – Sie haben dann noch 12 Sekunden.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Bitte!)

Zuerst Kollege Jurk. Er stand zuerst am Mikrofon.

Ich will Kollegen Patt die Möglichkeit geben, durch die Antwort auf meine Frage die Redezeit zu verlängern.

Herr Patt, ich versuche Ihnen zu folgen und frage dann wirklich nach – weil wir gerade von der sächsischen FDP gehört haben, dass sie mit der Haltung mancher ihrer Kollegen in Bundestag und Bundesregierung nicht einverstanden ist –, ob die CDU Sachsen plant, gegen den ESM aktiv zu werden, um die Überlegungen, die Sie gerade angestellt haben, auch zu berücksichtigen.

(Andreas Storr, NPD: Abzulehnen! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich habe gesagt, dass wir diese Stabilitätsanker für einen gewissen Zeitraum nutzen wollen. Wir sind bereit, dafür auch Transferleistungen zu zahlen. Wir wollen sehr genau und schnell sehen, wie weit das geht. Ich halte persönlich das Volumen für zu hoch. Die Möglichkeiten, die damit verbunden sind, und die gesamte Rhetorik – jetzt werden wir endlich strikte Regeln einführen und wir werden uns konsequent daran halten – werfen die Frage auf: Wie lange geht das noch? Das ist die letzte Chance und dann kommt die allerletzte Chance, aber danach kommt wieder eine weitere Chance. Ich glaube nicht daran, dass das funktioniert, und bringe mich auch ein, die anderen Kollegen davon zu überzeugen. Aber darüber entscheidet der Bundestag.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, Kollege Jurk, dass das mit Griechenland nicht funktioniert, weil die Griechen diese von uns erhoffte Wettbewerbsentwicklung und die Produktivitätsfortschritte nicht schaffen werden. Das merken auch unsere Bürger. Wir müssten wie bei der Sachsen LB sagen: Ende mit Schrecken!

(Zurufe von der NPD)

Dann haben wir einen festen Betrag, den wir abarbeiten müssen. Das ist wie mit den 2,75 Milliarden Euro bei der Sachsen LB. Aber dann wissen wir, was es noch kostet. Dann kann sich Griechenland freier bewegen, weil es innenpolitisch die Auflagen nicht durchhalten wird.

Verstehen Sie meine Bedenken.

Sie können jetzt noch eine Nachfrage stellen.

Sie möchten bitte meine Bedenken verstehen, wenn Sie diese Position jetzt hier verkünden.

Nachfrage, bitte!

Stellt sich jetzt für mich die Frage: Wie wollen Sie diese Position wirklich in Berlin durchsetzen und über wen?

Wenn wir auf damals schauen, dann hat im Bundesrat meines Wissens auch die Sächsische Staatsregierung anders abgestimmt, weil wir diese Situation mit Griechenland schon erahnten. Das muss die Staatsregierung entscheiden, wie sie es tut. Wir können sie auch auffordern und überzeugen. Wir sollten aber nicht so tun, als ob wir hier mit weiterem Geld diese Situation in diesem Land noch lösen könnten. Ich glaube nicht daran. Aber die Länder sind sehr unterschiedlich und der ESM geht ja auch noch auf andere Länder ein, wie möglicherweise schon in osteuropäischen Ländern geholfen werden konnte. In Griechenland ist es, denke ich, nicht möglich.

Als Nächster mit seiner Zwischenfrage Kollege Kind am Mikrofon 1.

Werter Kollege Patt, können Sie den von Ihnen neu eingeführten ökonomischen Begriff „Produktivitätseinstellung“ näher erklären? Für mich gab es bisher nur den Begriff der Produktivität. Aber Produktivitätseinstellung ist für mich ein neuer ökonomischer Begriff. Meinen Sie einfach, dass Länder wie Griechenland und jene am südlichen Rand der EU faul sind?

Ich habe den Begriff „Produktivitätseinstellung“ nicht gebraucht. Das müsste ich noch einmal nachlesen. In welchem Zusammenhang meinen Sie das? Können Sie das noch einmal erläutern?

Sie haben im ersten Teil Ihrer Rede von den verschiedenen Produktivitätseinstellungen gesprochen. „Produktivitätseinstellung“, das war genau die Formulierung. Das können Sie im Protokoll nachlesen.

Die Frage von Arbeitszeit und Arbeitskosten, das ist wohl etwas, was jeder für sich lösen muss. Wenn ich da in Griechenland sehe, dass es vielleicht ein Gehalt gibt, das ungefähr bei 43 % des Durchschnittseinkommens in Deutschland liegt, und ein Bruttoinlandsprodukt, das noch einmal deutlich Unterschiede ausmacht, dann muss ich mich fragen, in welchem Bereich eigentlich die Produktivität dort erzeugt wird, damit man die Lebenshaltungskosten, die ungleich höher als 43 % des Einkommens im Vergleich zu Deutschland liegen, finanzieren kann. Also, etwas klarer gesagt, es könnte sein, dass dort viel Arbeit neben dem offiziellen besteuerten System stattfindet.

Jetzt die letzten sechs Sekunden.

Die letzten Sekunden. – Also, Europa braucht in meinen Augen den Euro nicht unbedingt, auch wenn er ein starkes Symbol ist. Europa leidet

aber unter dem Vertrauensverlust für den Euro. Wenn wir die europäische Idee weiterführen wollen, wenn wir das beibehalten wollen, was eben angesprochen wurde, nämlich Frieden, Kultur, Freiheit, dann wollen wir den Euro nicht abschaffen – das wäre noch eine Konsequenz –, sondern wir müssen uns von denen trennen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, und wir müssen diesen Währungsschnitt vollziehen.

Vielen Dank.

Das war ein sehr, sehr langer letzter Satz. Das war der Kollege Patt für die CDUFraktion. – Als Nächstes spricht die Fraktion DIE LINKE. Besteht dort Redebedarf? – Nicht mehr. SPD? –

(Martin Dulig, SPD: Nein!)

FDP? – Die FDP-Fraktion nimmt erneut das Wort. Es spricht Kollege Biesok.

Herr Präsident, ich möchte kurz auf die Frage eingehen, ob ein Schuldenschnitt für Griechenland möglich ist. Wenn man sich die Zahlen anschaut, so stellt man fest, dass Griechenland derzeit mit 330 Milliarden Euro im Ausland verschuldet ist. Davon entfallen zwei Drittel auf private Investoren. Das sind 220 Milliarden Euro. In Deutschland liegen bei den deutschen Banken lediglich 18,5 Milliarden Euro, und diese 18,5 Milliarden Euro teilen sich auf unterschiedliche Institute auf. Das heißt, die einzelnen Institute müssten Beträge schultern, die sie durchaus tragen können. Eine Bank, die heute noch keine Wertberichtigung auf Griechenlandanleihen vorgenommen hat, hat ein Problem in ihrem eigenen Risikomanagement.

Wir unterhalten uns auch nicht darüber, dass Griechenland-Anleihen komplett ausfallen sollen. Nach Berechnungen der italienischen Unicredit-Bankengruppe würde es ausreichen, einen 20-prozentigen Schuldenschnitt auf das Kapital und auf die Zinsen zu machen. Damit würde Griechenland wieder auf die Beine kommen.

Lassen Sie mich noch etwas zum europäischen Stabilisierungsmechanismus sagen: Ich möchte davor warnen, zu glauben, dass die Garantien, die dort ausgelegt wurden, einfach als Garantien da sind und praktisch keine Zahlungsströme zur Folge haben. Wir haben bei der Bankenkrise in Irland gesehen, dass Banken wie die Anglo Irish Bank, die Allied Irish Bank oder die Bank of Irland große Bürgschaften bekommen mussten, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Diese Bürgschaften wurden gezogen und haben letztlich dazu geführt, dass Irland die Probleme hat, die es heute hat.

Deshalb müssen wir auch vorsichtig mit dem sein, was wir hier in Deutschland machen. Da sind Garantien genauso zu bewerten wie direkte Zahlungen in entsprechende Mechanismen.

(Beifall bei der FDP)

Das war für die FDP Herr Kollege Biesok. – Jetzt sehe ich den Wunsch nach

einer Kurzintervention. Das ist die zweite Kurzintervention.

Ach so, wir haben gar keine mehr übrig?

Doch.

Okay, super. – Herr Kollege Biesok, der 20-prozentige Haircut ist bereits eingepreist. Wenn Sie sehen, wie die griechischen Staatsanleihen derzeit gehandelt werden, stellen Sie fest, dass sie bei 26 % liegen. Das sind 6 % Zinsen und 20 % Haircut. Der Markt preist das alles bereits ein.

Aus Ihrer Rede habe ich aber etwas herausgehört, was mich nervös macht. Die Fragen der Wettbewerbsfähigkeit müssen wir klären. Es hat aber in den Neunzigerjahren keine gemeinsame Fiskalpolitik als Voraussetzung für den Eintritt in die Gemeinschaftswährung gegeben. Das ist das Problem, an dem wir jetzt knuspern. Wenn Sie über Konditionierung und Schuldenschnitt für Griechenland sprechen, dann muss dieser Konstruktionsfehler aus den Neunzigerjahren behoben werden. Es muss eine Fiskalunion geben.

Jetzt sage ich einmal am Beispiel Irland, was das bedeutet. Die Iren haben deswegen jetzt eine Blase, weil es in den Neunzigerjahren die Meinung der Deutschen gewesen ist, nämlich die Meinung von Waigel und Solms, das so zu machen, dass die Iren ganz niedrige Steuersätze machen können, um so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Dann sei alles super.

Die Iren haben diese Politik gemacht, müssen das jetzt in ihren Haushalt einpreisen, und wir haben jetzt zusammen das Schuldenproblem. Das war also völlig falsch gedacht. Deshalb fand ich übrigens den Vorschlag von Herrn Schäuble heute Morgen interessant. Das sage ich so deutlich.

Entscheidend für uns ist doch, wo wir am Ende der Dekade stehen. Wo stehen wir 2020 in dieser Frage, Kollege Biesok? Meiner Meinung nach ist Großbritannien dann bereits Mitglied der Eurozone, weil man gar nicht anders kann. Das hat etwas mit dem britischen Immobilienmarkt zu tun. Das andere ist, dass wir Griechenland, Portugal und Irland noch immer in der Eurozone haben werden. Das muss das Ziel sein. Das muss man jetzt mit Bedacht machen.

Sie in der FDP werden sich entscheiden müssen zwischen markantem politischem Anspruch und pragmatischer Entscheidung für Europa. Das schaue ich mir im Herbst gern an.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Kollege Biesok, Sie reagieren?

Frau Kollegin Hermenau, wenn das sowieso schon eingepreist ist, ist es überhaupt kein

Problem, das zu machen. Dann nimmt man den Druck von Griechenland und macht es möglich, diese Strukturierung vorzunehmen. Wie gesagt, wenn heute die Papiere so stehen, wie sie stehen – die Zahlen, die Sie genannt haben, sind richtig –, dann ist es auch kein Problem, das entsprechend zu machen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)