Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Deshalb empfehle ich Zustimmung zum Gesetzentwurf der Koalition.

(Beifall bei der FDP)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Abgeordnete, die noch im Raum sind! Etwas froh bin ich schon, dass die Presse auch gerade essen gegangen ist; denn es ist schon etwas peinlich, lustig oder auch lächerlich, wie wir uns miteinander wegen des Gaststättengesetzes beharken, wo wir doch viele ähnliche Ansätze haben. Ich durfte sowohl im Innen- als auch im Wirtschaftsausschuss die Gesetzentwürfe begleiten, und es ist schon lustig, was dort so aufgetreten ist.

Herr Herbst, Sie haben so schön gesagt, dass wir dabei spitze sind. Bei der Erfassung der Handydaten sind wir vielleicht spitze, aber beim Gaststättengesetz liegen wir im letzten Drittel derer, die dieses für die Länder entwickeln; denn seit September 2006 ist bereits die Zuständigkeit für das Gaststättengesetz an die Länder übergegangen, und ab Mitte 2008 gab es auch einen entsprechenden Gesetzentwurf, damals noch unter dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium.

Dieses Gesetz wurde damals zur Anhörung gebracht und im März 2009 bereits im Kabinett verabschiedet. Danach hatten wir die Wahl, und dann war Ruhe. In der neuen CDU/FDP-Regierung wurde das Gesetz vergessen, und Bürokratieabbau ist zwar immer wieder beschworen worden, aber gedauert hat es schon. Ich sage es einmal so: Wenn DIE LINKE das Gesetz nicht im Oktober 2010 auf die Tagesordnung gesetzt hätte, dann hätten wir vermutlich heute noch keins.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Hört, hört!)

Klar, ein Teil wurde vom Nachbarland Brandenburg übertragen, das muss ich auch feststellen; aber was soll daran schlecht sein? Wenn es in anderen Bundesländern gute Gesetze gibt, muss man wirklich nicht erst das Fahrrad neu erfinden, sondern kann gute Ideen aufnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Der Vorstoß der LINKEN hat aber noch lange nichts im SMWA bewirkt, sondern erst Mitte April 2011 hat die Koalition endlich einen Gesetzentwurf präsentiert, und um der Peinlichkeit ein wenig zu entgehen, ein gutes und sinnvolles Gesetz im Plenum ablehnen zu müssen, haben wir darüber diskutiert. Schnell musste ein eigener Entwurf her. Das ist wieder solch ein Beispiel. Schade, dass Herr Bandmann jetzt nicht hier ist. Wir hatten jüngst im Ausschuss eine Reise nach Paris mit vielen interessanten Gesprächen und auch Randgesprächen.

(Zuruf: Sie und Herr Bandmann in Paris. Das ist ja spannend!)

Herr Bandmann forderte dort – zitieren möchte ich ihn nicht, ich gebe es einmal so ungefähr wieder –, man solle doch miteinander suchen gehen, damit man gemeinsame gute Ideen im Landtag verabschiedet. – Außer einigen ganz kleinen Änderungsentwürfen während der Haushaltsdebatte kenne ich keine Entwürfe oder Ideen der Opposition, die angenommen worden sind.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Das kann nicht Herr Bandmann gewesen sein!)

Schnell musste also ein eigener Entwurf her. Die 1. Lesung wurde schnell übersprungen. Eine Anhörung war auch nicht mehr nötig. Man kannte ja die angeblichen Argumente aus der Anhörung der LINKEN. Aber statt sich bei der LINKEN einmal für die geleistete Vorarbeit zu bedanken, die man in vielen Punkten auch wieder nur einfach übernommen hat, wurde der LINKEN die Fähigkeit abgesprochen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit

der Begründung, alles sei handwerklich schlecht gemacht. Auch hierzu, Herr Herbst, habe ich ein nettes Zitat von Ihnen: Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE sei zwar eher gewesen, aber eher bedeute eben nicht besser, sondern in diesem Fall schlechter. Es stehe jeder Fraktion der Kopf zum eigenen Denken und das Recht auf eigene Initiativen zu. Es sei sinnvoll, dass man sich vorher über die Regelungen, die man treffe, im Klaren sei.

So weit, so gut. Die Mehrheit der Koalition verabschiedete dann auch den Gesetzentwurf. Aber auf einmal hatte es die CDU-/FDP-Koalition ganz eilig. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz verabschiedet werden. Dies haben wir auch bei anderen Initiativen gesehen. Wahrscheinlich löst sich die Koalition nach der Sommerpause auf, oder es wird Zeit, dem Elend endlich ein Ende zu bereiten.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Die gehen wieder in die Wirtschaft!)

In der grundlosen Hektik wurden die kommunalen Spitzenverbände vergessen. Das Recht zu deren Anhörung wurde nicht wahrgenommen. Das nenne ich unerhörte Missachtung der kommunalen Familie. Diese Anhörung musste nachgeholt werden. Der Städte- und der Landkreistag nutzten ihre Chancen und zerrissen das handwerklich ach so gute Koalitionspapier in der Luft. 20 Minuten vor der abschließenden Beratung wurde der ach so durchdachte Entwurf, mit dem ich an das Zitat von Herrn Herbst erinnern darf – – Irgendwie waren die eigenen Denkanstrengungen oder das Verstehen der Regeln misslungen. Mit einem vierseitigen Änderungsantrag wurde der Gesetzentwurf komplett überarbeitet. Der Zuständigkeitswechsel wurde zurückgenommen und weitere handwerkliche Fehler korrigiert: vier Seiten lang!

Nun bedurfte es bis zur heutigen Gesetzesvorlage nur noch einer Sondersitzung des zuständigen Ausschusses sowie einer erneuten Anhörung der kommunalen Spitzenverbände. Auf die Frage, was denn der Grund für die Eile sei, antwortete unser lieber Kollege Heidan im Ausschuss:

(Uta Windisch, CDU: Es wäre gut, wenn Sie zum Inhalt reden!)

„Im Gesetz gibt es neue Fristen und Regelungen für Sperrzeiten. Um diese schnellstmöglich zu realisieren, brauchen wir dieses Gesetz noch vor der Sommerpause.“

(Christian Piwarz, CDU: Aus der Ausschusssitzung zu zitieren ist spannend!)

Auch das so weit, so gut. Bei den veränderten Sperrzeiten handelt es sich im Übrigen um die Nächte vom 31. Dezember zum 1. Januar und vom 1. Mai zum 2. Mai – Tage, bei denen die Regelung erst im nächsten Jahr greifen kann. Aber wer fragt das schon. So viel zum zeitlichen Ablauf.

Fazit: Erst wurden zwei Jahre verschlafen und dann in der selbst verschuldeten Hektik geschlampt und geflickschustert, dass es kaum schlimmer geht. Dieses Gesetzgebungsverfahren ist ein Trauerspiel.

Abschließend noch zwei kritische inhaltliche Anmerkungen zu den vorgelegten Gesetzentwürfen, der Umstellung vom Genehmigungsverfahren zum Anzeigeverfahren. Von Herrn Herbst wurde bereits berichtet, warum man das gemacht habe: zum Bürokratieabbau. Aber was bedeutet das genau? Jede Person kann nun ohne Vorprüfung eine Schankwirtschaft eröffnen, und erst im Nachhinein erfolgt die Kontrolle.

(Torsten Herbst, FDP: Nein!)

Ob dies den sensiblen Anforderungen an den Verbraucherschutz und den Anwohnerschutz entspricht, bleibt abzuwarten. Ich habe bereits eigene Erfahrungen, was die Lärmbelästigung und Ähnliches betrifft, wenn in Mischgebieten Gaststätten oder gaststättenähnliche Räume eröffnet werden. Auch ist dies von den Kontrollkapazitäten auf der kommunalen Ebene abhängig.

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Städte- und Landkreistages: „Mit dem bisherigen Erlaubnisverfahren kann die Gesundheit und Sicherheit der Bürger von Beginn der Gewerbetätigkeit wirkungsvoller geschützt werden als durch nachgelagerte Überwachungsverfahren.“ Welche Folgen dies vor Ort haben wird, wird sich zeigen. Aber es ist zu befürchten, dass es eine Menge gerichtlicher Streitigkeiten geben wird. Der Landtag ist dann raus. Regeln werden dies die Kommunen.

Auch hierzu noch einmal aus der Stellungnahme des Städte- und Landkreistages: „Deshalb sollte gerade für Gaststätten in sensiblen, kriminalitätsbelasteten Bereichen die vorherige Prüfung, ob die Antragsteller strafrechtlich vorbelastet sind, nicht entfallen.“

Nach beiden Gesetzentwürfen wären Maßnahmen wie Verbote, bestimmte Personen zu beschäftigen, und die Untersagung wegen Eintragung ins Gewerbezentralregister nur noch im Nachgang möglich. Es ist zu befürchten, dass die erforderlichen Maßnahmen im Bedarfsfall nur über langjährige und aufwendige Gewerbeuntersagungsverfahren durchgesetzt werden können. Wie es dann mit dem Bürokratieabbau tatsächlich aussieht, sollte jeder selbst entscheiden. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko bleibt dieses in jedem Fall. Darüber hinaus entfallen Regelungen wie die geforderte Barrierefreiheit. Dazu werden wir noch einen Änderungsantrag einbringen.

Fazit: Ein Lob für die Initiative der LINKEN. Ohne Ihren Entwurf wären wahrscheinlich weder das SMWA noch die Koalitionsfraktionen tätig geworden. Die Vorgehensweise und das Verhalten der Koalition können als Paradebeispiel dafür dienen, wie im demokratischen Alltag mit Initiativen der Opposition in Sachsen umgegangen wird: Es ist ein Trauerspiel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Herr Abg. Weichert für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist das Gaststättenrecht Ländersache. Bereits im Jahr 2008 hat Brandenburg als erstes Bundesland ein eigenes Gaststättengesetz eingeführt – etliche Bundesländer zogen nach. Solange die Länder keine eigenen Regelungen einführen, gilt das Bundesgaststättengesetz, wie es in Sachsen auch heute noch der Fall ist.

Da aber die Kritik der Gastronomen – vertreten durch den DEHOGA und unterstützt durch die IHK und andere – am Bundesgaststättengesetz nicht abriss, wird nunmehr auch Sachsen ein entbürokratisiertes Gaststättengesetz bekommen, das nicht alles anders, aber vieles besser machen soll.

Doch bevor es so weit ist, lassen Sie mich ein paar Worte zum bisherigen Werdegang des Gesetzentwurfes sagen. Im Jahr 2009 entstand ein Referentenentwurf der damaligen Staatsregierung, der im Wahlkampf irgendwie verlorengegangen ist. Danach war in Sachen Gaststättengesetz zwei Jahre Funkstille. DIE LINKE nutzte die Zeit, um noch einmal in den Antworten auf diverse Wahlprüfsteine zu blättern. Dabei stieß sie auf ihr Versprechen, den Gastronomen helfen zu wollen. Also musste ein neues Gaststättenrecht her. Doch woher nehmen, wenn nicht abschreiben. Genau! Im rot-roten Brandenburg gab es bereits ein solches Gesetz. Man musste praktisch nur das Wort „Brandenburg“ durch das Wort „Sachsen“ ersetzen, und fertig war der Entwurf.

Damit hatte DIE LINKE das Thema besetzt. Nach der üblichen Anhörung und eine Ausschusssitzung später kam der Koalitionsentwurf, denn die CDU und die FDP wollten den Gastronomen selbstverständlich auch helfen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Tischendorf, bitte.

Ich wollte den Kollegen Weichert fragen, da er die Anhörung angesprochen hat, ob ihm bekannt ist, dass gerade die Systemgastronomie darauf gedrungen hat, dass man anhand des Gesetzes von Brandenburg 2008 und der angrenzenden Länder versucht hat, es zu harmonisieren, denn der vermeintliche Vorteil der Föderalismusreform 1 wird bei einigen Gesetzen oft zum Nachteil. Das ist auch der Grund, warum sich viele Länder an dem Brandenburger Gesetz orientieren. Ist Ihnen dieser Umstand bekannt?

Das ist mir bekannt. Das betrifft im Übrigen auch die Grenze zu Thüringen.

Auch die Koalition wollte helfen. Darum schrieben Sie wiederum alles Gute aus dem Antrag der LINKEN ab, ergänzten ein paar Kleinigkeiten und feierten sich als die besten Gaststättengesetzmacher weit und breit. Das ärgerte die LINKEN, und bald kam es in den Fluren des

Sächsischen Landtags zu einem Wortgefecht der besonderen Art. So war zu hören: „Unser Entwurf war zuerst da!“ – „Aber unser Entwurf ist besser!“ – „Ja, aber ihr habt von uns abgeschrieben!“ – „Das stimmt nicht. Dass die Gesetze sich ähneln, ist Zufall!“

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich höre an dieser Stelle auf, das Gesprächsniveau weiter zu persiflieren, denn eigentlich ist das alles längst nicht mehr lustig. Befremdlich ist vor allem die Attitüde des Allwissenden, die jede Seite für sich beansprucht.

Meine Damen und Herren! Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich in der Zwischenzeit die Gastronomie ganz praktisch unterstütze, indem ich einen Kaffee trinken gehe – mit Eierschecke selbstverständlich.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ganz gleich, welcher Gesetzentwurf heute angenommen wird: Die wichtigen Eckpunkte sind gleich. Neu geregelt werden sollen insbesondere die Voraussetzungen für die Erteilung und den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis. Den Wechsel vom Erlaubnis- zum Anzeigeverfahren begrüßen wir Bündnisgrüne als einen Schritt zum Bürokratieabbau. Gott sei Dank – Bacchus natürlich – ist die Möglichkeit, Straußwirtschaften einzurichten, per Änderungs- bzw. Ergänzungsantrag wieder in die Vorlage gekommen. Im Bundesgesetz ist es geregelt und wir hätten es fast verloren, Herr Heidan – wie peinlich! Vielleicht ernennt die CDU nach Dr. Rößler wieder einen weinpolitischen Sprecher, am besten einen aus der Meißner Gegend.