Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

(Beifall bei der FDP)

das ist der Ministerpräsident, der kürzlich auch in Straßburg war und jetzt beispielsweise mit Herrn Oettinger das Gespräch suchte.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Volker Bandmann, CDU – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Es sind die Europaabgeordneten, aller Fraktionen – Herr Brangs, hier schließe ich sogar die SPD ein –, die für sächsische Interessen in Brüssel kämpfen.

(Stefan Brangs, SPD: Absolut! Die sind so gut! Wir fahren nächste Woche auch nach Straßburg!)

Wenn es Ihnen hilft, dass Sie einmal europapolitisch aufgeklärt werden, Herr Brangs, dann ist es ja für alle ein kleiner Erfolg.

(Unruhe – Zurufe von der SPD)

Im Übrigen kämpfen wir im Ausschuss der Regionen auch gemeinsam für sächsische Interessen, das ist überhaupt keine Frage.

Alles in allem, meine Damen und Herren: Europapolitik findet tagtäglich hier im Plenum statt. Eine ExtraRegierungserklärung ist dafür wirklich richtig überflüssig.

Wenn man sich beschwert, dass es keine Informationen gibt – ich meine, im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gibt es ja einen ständigen Tagesordnungspunkt Europa. Wenn es dort Fragen gibt, die über das hinausgehen, was die Staatsregierung erklärt, dann muss man die Fragen stellen, und ich bin mir ziemlich sicher, dann erhalten Sie auch eine Antwort, Herr Kosel.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ich bin ja mal gespannt – wir haben jetzt seit einiger Zeit die Subsidiaritätsvereinbarung zwischen dem Landtag und der Staatsregierung unterzeichnet –, wie ernst Sie das Thema nehmen, wie intensiv Sie wirklich die Unterlagen durchschauen und hier mit Initiativen glänzen, um im Rahmen dieser Möglichkeiten der Subsidiaritätsvereinbarung selbst aktiv zu werden.

(Stefan Brangs, SPD: Das machen wir schon!)

Ja, davon merkt man aber im Moment wenig, Herr Brangs. Ich bin überzeugter Europäer, ganz ehrlich,

Aber ich frage mich natürlich auch, ob manche Themen auf der europäischen Ebene richtig aufgehoben sind, ob wir dort über Glühlampenverbote reden und entscheiden müssen, während Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke auf nationaler Ebene festgelegt werden. Ich frage mich, ob das Verbot von Plastiktaschen ein europäisches Thema und ob ein einheitlicher Zugfahrschein in Europa wirklich die Top-Priorität auf der Ebene der Europäischen Union ist. Ich halte das für Themen, die in die nationale und regionale Zuständigkeit gehören, und das sehen wir als Sachsen so, als sächsische Koalitionsfraktionen, und das vertreten wir auch in Europa, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Alexander Delle, NPD: Ja, ja!)

Ich habe vollstes Vertrauen in die Aktivitäten der Staatsregierung, die klar definiert hat, was sächsische Interessen sind; dass es darum geht, einen attraktiven Wirtschaftsstandort zu schaffen, dass es um den Ausbau von Innovationskraft in der Wirtschaft und an den Hochschulen geht, dass wir angesichts der demografischen Herausforderungen das Thema Fachkräftepotenzial viel stärker auf europäischer Ebene verankern wollen und dass es für uns um Qualität und Chancengerechtigkeit in der Bildungspolitik geht.

Für all diese Ziele setzt sich die Staatsregierung ein. Ich habe volles Vertrauen in die Aktivitäten des Europaministers und der gesamten Staatsregierung.

(Stefan Brangs, SPD: Absolut!)

Eine Regierungserklärung ist dazu überflüssig wie ein Kropf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Meine Damen und Herren! Ich rufe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. Frau Abg. Kallenbach; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Fraktion DIE LINKE! Sie haben mit Ihrem Antrag die Europapolitik auf die Tagesordnung befördert; dafür gebührt Ihnen Anerkennung. Im Anliegen sind wir uns einig, in der Wahl der Mittel leider nicht.

Sie haben in einem Rundumschlag das aktuelle EUVokabular zusammengeschoben: Europa 2020, Innovationsunion, Jugend in Bewegung, Digitale Agenda – ein Schuss mit der Schrotflinte, der niemanden trifft.

Mir fehlt – das ist meine grundsätzliche Kritik an dem Antrag –, dass die Regierung durch dieses Haus konkrete Zielvorgaben erhält; denn den Tenor der Regierungserklärung ahne ich doch schon, nachdem ich die Stellungnahme der Staatsregierung gelesen habe. Nach Auffassung von Minister Martens ist diese Regierungserklärung entbehrlich – hier zitiere ich noch einmal den Kollegen Kosel bzw. Sie; Sie haben es schon angewandt –: „Der

(Oi! von den LINKEN)

Landtag wird kontinuierlich über die grundlegende politische Planung der Sächsischen Staatsregierung zur Europapolitik informiert.“

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wieso merkt man davon nichts?)

Fakt ist, wir sind Meilen davon entfernt, von der Regierung umfassend informiert, geschweige denn aktiv einbezogen zu werden.

(Beifall der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE, und bei den LINKEN)

Die nächsten zwei Jahre, die geprägt sein werden von der Vorbereitung auf die nächste Förderperiode oder von Richtungsentscheidungen zu Klimaschutz oder Ressourcenverbrauch, sind für mich die Probe aufs Exempel, ob die Regierung den Landtag in Europafragen ernst nimmt oder nicht.

Auch ich hatte nach der Unterzeichnung der Subsidiaritätsvereinbarung gehofft, dass wir jetzt wirklich relevante Dokumente vorgelegt bekommen, zum Beispiel auch die Stellungnahmen, die die Staatsregierung im Bundesrat zu europapolitischen Fragen abgibt. Weit gefehlt! Wir haben ein Laufwerk P, wenn Sie dort hineinschauen – da gibt es Papiere zur europäischen Normung, zur Kriminalitätsstatistik, zur Chemikalienverordnung; alles Inhalte mit Rechtsetzungscharakter, aber sie sind auch reichlich zufällig. Deswegen vermute ich fast, dass irgendwo ein Stück Datenstau von Ihrem Ministerium zu uns ins Parlament vorliegt; vielleicht können Sie dem abhelfen.

Wir lesen offenkundig auch die Mitteilung der Kommission mit verschiedenen Brillen. Während die Antragstellerin wie auch meine Fraktion durchaus neue politische Ansätze von grundsätzlicher Bedeutung auch für unser Land aus Brüssel vernehmen – Kollege Schiemann, genau darum geht es eben auch, neben den Rechtsetzungsthemen –, geht es darum, dass wir uns damit rechtzeitig beschäftigen, um unseren Einfluss geltend machen zu können. Ihre heutige Rede habe ich durchaus als positives Signal gesehen, dass wir das möglicherweise recht bald im VREA auch tun werden. Aber die Staatsregierung – sehen Sie sich die Stellungnahme genau an – betrachtet es eher als etwas abgestandenen Kaffee, uns über solche Themen wirklich zu informieren. Die Standardaussage lautet: „das machen wir doch schon lange“ und – das ist mir auch aufgefallen – sogar: „Bevor die Dokumente auf EU-Ebene beschlossen werden.“

Wenn es so wäre, dass wirklich alle unsere Investitionen prüfen würden auf Klimafreundlichkeit oder Ressourcenschonung, dann müssten wir hier gar nicht lange reden, dann wäre es eigentlich super. Aber leider ist dem nicht so.

Schauen wir nur einmal in den Verkehrssektor, der ein Drittel der CO2-Emissionen verursacht. Die Staatsregierung sieht keinen Handlungsbedarf, weil ja der Förderbereich umweltfreundliche Verkehrsträger bereits im OP enthalten ist. Schön, aber mit welchem Anteil? 94 Millio

nen Euro für umweltfreundlichen Verkehr und 480 Millionen Euro für Straßenverkehrsinfrastruktur – das ist doch der springende Punkt. Da könnten wir im Plenum genaue Vorgaben machen und damit Europapolitik auch beeinflussen.

Mein Fazit: Sachsen nutzt die gegebenen Handlungsmöglichkeiten keineswegs ausreichend und unternimmt zu wenige Anstrengungen, EU-Vorgaben zu erfüllen. Immer noch gilt aber, dass alle Verpflichtungen auf europäischer und nationaler Ebene Makulatur bleiben, wenn sie nicht vor Ort in den Regionen umgesetzt werden. Die EU gibt streckenweise neue Schlagzahlen vor; die sächsischen Ruder im Boot sind anscheinend zu träge, diese aufzunehmen. Daran wird leider auch Ihr Antrag nichts ändern. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Cornelia Falken und Thomas Kind, DIE LINKE)

Nun die Fraktion der NPD; Herr Abg. Dr. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD ist für diesen Antrag dankbar, denn die Zeiten könnten kaum passender sein, um über Europa – oder besser: über das für Europa so schädliche und, rational betrachtet, bereits gescheiterte Projekt dieser EU à la Brüssel – zu sprechen.

Die Linksfraktion stellt allerdings schon im Titel ihres Antrages und auch im Redebeitrag von Herrn Kosel unter Beweis, dass sie mit ihrer Globalismusverliebtheit den eigentlichen EU-Mechanismus nach wie vor nicht verstanden hat oder aus ideologischer Verblendung nicht verstehen will. Sie fordern doch tatsächlich ein eigenes sächsisches europapolitisches Konzept der Staatsregierung.

Ja, meine Damen und Herren von der Linkspartei, ist Ihnen denn allen Ernstes immer noch nicht klar, dass es ein solches eigenes Konzept innerhalb der heutigen EU gar nicht geben kann, da hierzu Souveränität nötig wäre? Darüber kann die Vorabinformation über geplante Maßnahmen der EU im Rahmen der Subsidiaritätserklärung, die wir als NPD ausdrücklich begrüßen, nicht hinwegtäuschen. Es ist nur eine Information, und wir werden mit den Möglichkeiten, die wir haben, von hier aus nichts grundlegend verändern können. Alles, was Sie einfordern können, ist ein Erfüllungskonzept der Brüsseler Fremdbestimmungsvorgaben. Sie nehmen zwar im Antrag selbst auch Bezug auf die Leitinitiativen zu „EU 2020“; doch sollten Sie den Bürgern dann schon deutlich sagen, wie es aussieht und worum es geht. Dafür reicht es eben nicht aus, wie Sie in Ihrem Antrag von einer „Umsetzungsstrategie“ zu sprechen; denn selbst hierzu ist das Bevormundungskorsett zu eng geschnürt. Wenn man einen Blick auf die einschlägigen Internetseiten der EU wirft, wird einem als Information zu genau diesen Leitinitiativen unverhoh

len mitgeteilt, dass es eigentlich nur um – wörtlich zitiert – „administrative Maßnahmenabstimmung“ gehe.

Meine Damen und Herren! Damit sind wir bereits im exekutiven Bereich angelangt. Man muss wahrlich kein Sherlock Holmes mehr sein, um schlussfolgern zu können, was im Rahmen des Europäischen Semesters unter dem Begriff „wirtschaftspolitische Ex-ante-Koordinierung“ zu verstehen ist. Ich möchte im Zusammenhang mit „EU 2020“ einen Auszug aus dem Jahreswachstumsbericht 2011 der EU-Kommission zitieren, der selbstredend ist und überdeutlich erklärt – ich zitiere –: „Ausgehend von den Empfehlungen der Kommission wird der Rat bis zum Sommer länderspezifische Leitlinien vorlegen, die die Mitgliedsstaaten bei der Ausarbeitung ihres Haushalts für 2012 und der Umsetzung ihrer Wachstumspolitiken berücksichtigen müssen.“

Da wollen Sie noch Konzepte verlangen? Da erkennen Sie noch Handlungsspielräume? Die NPD verlangt vielmehr eine Regierungserklärung – vornehmlich nicht für das Parlament, sondern für die Bürger –, welche Aufklärung darüber leistet, wohin diese Politik für die Einwohner nicht nur Sachsens, sondern aller sogenannten Geberländer dieser EU wirklich führt:

erstens zu einem gigantischen Abfluss hart erarbeiteter Steuermilliarden in ineffiziente bis kriminelle Strukturen, zum Beispiel in das durch Betrug in den Euro-Raum aufgenommene Griechenland,

(Beifall des Abg. Arne Schimmer, NPD)

das gerade dafür gestimmt hat, weitere Milliardenhilfen anzunehmen;

zweitens zu einem schleichenden, aber unaufhaltsamen Abbau sozialer Leistungen, was sich zum Beispiel am kontinuierlichen Anstieg des Renteneintrittsalters, am Abbau kassenfähiger medizinischer Leistungen und an der Absenkung der Hilfsmaßnahmen bei Arbeitslosigkeit zeigt;

drittens zu zunehmenden Verlusten des Realeinkommenswertes durch In-Konkurrenz-Stellung unserer Arbeitnehmer in einem globalisierten Arbeitsmarkt mit seinen Auswirkungen auf das Lohngefüge, bei gleichzeitigem Anstieg der Lebenshaltungskosten.