Herr Hahn, wenn Sie davon sprechen, dass antifaschistisches Engagement nicht kriminalisiert werden dürfe, so stimme ich Ihnen zu. Aber in dem Moment, in dem dieses antifaschistische Engagement gewalttätig wird, ist Schluss.
(Beifall bei der FDP und CDU – Klaus Bartl, DIE LINKE: Woher wissen Sie das? – Eva Jähnigen, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Nein, noch nicht. – Wenn wir von den Möglichkeiten der Strafprozessordnung Gebrauch machen und Funkzellen abfragen, so wie es bei Ermittlungen in schweren Straftaten getan wird, dann kommen wir danach auch zu den Fragen, in welchem Umfang, wann und wie welche Zahlen erhoben werden sollen und dürfen.
Aber in dieser Diskussion bitte ich darum, dass wir sie rational führen – nicht mit Fehlinformationen und Falschbehauptungen, sondern dass wir uns den eigentlichen Fragen stellen und sie so diskutieren, dass der Rechtsstaat etwas davon hat. Dabei möchte ich – Herr Schiemann hat es bereits gesagt – uns allen, vor allem der Opposition, ein wenig verbale Abrüstung nahelegen, meine Damen und Herren. Es geht hier nicht um einen flächenhaften Angriff auf die Freiheit von Demonstranten, sondern es geht im Kern um die Führung von Ermittlungsverfahren aufgrund von Funkzellenabfragen und die Frage, in welchem Umfang dies zulässig war. Die Voraussetzungen sind im Einzelnen im § 100g StPO geregelt, und ich bin der Auffassung, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.
Aber die Frage, ob solche Maßnahmen rechtswidrig sind oder nicht, entscheiden nicht wir in einer Aktuellen Debatte. Das entscheidet auch keine Zeitung in der Kommentarspalte, sondern das entscheiden unabhängige Gerichte in diesem Land, und dabei bleibt es.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Dr. André Hahn, DIE LINKE: 330 000 Leute! – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das werden Sie erleben!)
Immer noch nicht. – Im Übrigen: Es gibt Gerichtsverfahren, die das feststellen werden. Unabhängig von den Gerichtsverfahren stellt sich hier die Frage der Verhältnismäßigkeit von Ermittlungsmaßnahmen und Funkzellenabfragen. Ja, in der Tat, es geht um das Verhältnis zwischen dem Zweck einer Abfrage bei der Ermittlung schwerer und schwerster Straftaten und auf der anderen Seite um die Frage der Anzahl der auftretenden Daten oder des Umfeldes.
Gerade die Anzahl der erhobenen Daten und der Umstand, dass hier auch Demonstrationsgeschehen berührt wurde, bedürfen besonderer Berücksichtigung. Aber die Staatsregierung hat im Hinblick darauf auch reagiert. Wenn es im Zusammenhang mit Datenerhebungen Fehler gab – Beispiel: § 21 Versammlungsgesetz –, dann ist das festgestellt und benannt worden. Im Fall des § 21 Versammlungsgesetz hat die Staatsanwaltschaft das klargestellt.
Fehler, die wir feststellen, werden abgestellt und unklare Regelungen rechtlich präzisiert. Das hat die Staatsregierung bereits in der letzten Woche veranlasst. Im Einzelnen haben wir bereits auch in dieser Woche im Kabinett zur Kenntnis genommen, dass der Sächsische Datenschutzbeauftragte zukünftig im Fall der Erhebung von Daten mit einer erheblichen Anzahl von Daten unbeteiligter Dritter vom sächsischen Generalstaatsanwalt unterrichtet wird.
Wir werden die Voraussetzungen des § 100g Strafprozessordnung zur Anordnung solcher Maßnahmen in besonderer Weise präzisieren – erstens in dem Wege, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall die Wahrung der Bürgerrechte ausdrücklich sicherstellt. Das heißt, bei der Anordnung von Maßnahmen sollen die Belange unbeteiligter Dritter künftig stärker berücksichtigt werden.
Zweitens. Die Anordnungsvoraussetzung des Begriffes der „Straftat von erheblicher Bedeutung“ wird präzisiert. Auch hierzu wird die Staatsregierung eine Bundesratsinitiative erarbeiten.
Drittens. § 477 Strafprozessordnung regelt die Befugnis, Datenbestände aus einem Ermittlungsverfahren in einem anderen zu verwenden. Wir regen an, dass Daten, die nur mit richterlicher Genehmigung erhoben werden dürfen, auch nur mit richterlicher Genehmigung in andere Verfahren weitergereicht werden können.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich hierbei um konkrete Punkte und Vorhaben, mit denen wir den ohnehin zu berücksichtigenden Fragen der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise Rechnung tragen wollen und werden.
Gestatten Sie mir nun noch eine persönliche Anmerkung. Diese Debatte um die Funkzellenauswertung weist über den konkreten Anlass hinaus auf die grundsätzliche Frage der Verhältnismäßigkeit hin. Dazu habe ich gerade Stellung genommen. Es geht auch um die Frage der Vorratsdatenspeicherung.
(Klaus Bartl, DIE LINKE: Richtig! – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Es war doch alles in Ordnung, sagen Sie!)
Manche, die nun hier lauthals heulen und sich beklagen, gerade aus der rot-grünen Ecke, seien daran erinnert, wes' Geistes Kind die Vorratsdatenspeicherung ist.
Nach meiner persönlichen Auffassung ist eine generelle, anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten auch aus verfassungsrechtlichen Gründen hoch problematisch. Ich lehne sie ab.
Dabei weiß ich auch als Justizminister, dass solche Daten dann nicht mehr für die Verfolgung von Straftaten zur Verfügung stehen. Aber auf der anderen Seite gilt auch: Daten, die nicht gespeichert werden, können auch nicht missbraucht werden.
Wenn mir dann im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gesagt wird, dass die Tatsache, dass man rasch die eine Million Datensätze heranholte, damit zusammenhänge, dass man nur sieben Tage habe, bevor sie beim Provider gelöscht werden, dann ist Ihre Denke klar: Sie holen sich die Daten, damit Sie erst einmal alles haben, und dann rastern Sie sie durch und werden am Ende sehen, wo sie sind.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass das auch bei der anstehenden Debatte der Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in Berlin Beachtung findet. Wir, die Sächsische Staatsregierung, haben Fehler aufgeklärt und sie benannt. Wir werden sie abstellen – im Interesse der Bürger und unbeteiligter Dritter.
Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Dr. Martens. – Ich sehe keinen Redebedarf bei der Staatsregierung. Nun könnten Sie sprechen, Herr Kollege Bartl. Sie haben noch 1 Minute und 43 Sekunden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte – erstens – vom Herrn Staatsminister des Innern erwartet, dass er noch zu der Frage IMSI-Catcher Stellung nimmt. Das steht im Raum, es bleibt auch im Raum und wirft weitere Fragen auf, wie die demokratische Opposition mit dieser Frage umgeht.
Zweitens. Verbale Abrüstung ist okay; dann muss diese aber auch, bitte schön, bei den Bildern überdacht werden. Der hingeworfene Satz: „... in dem Moment, wo es in antifaschistische Gewalt umschlägt...“ und dergleichen erweckt nur den Eindruck, dass die Tatsache – ich weiß nicht genau, ob Sie wissen, aus welcher Ecke sie kam und ob die Verfahren aufgeklärt sind – gerechtfertigt wird. Wir wollen nicht vergessen: Der § 100a bis i kam im Dezember 2001, gültig ab 01.01.2002, in Reaktion auf den 11.09.2001 ins Strafgesetzbuch. Das war die Dimension. Mit der Terrorismusbekämpfung hat man sich das Rüstzeug im § 100a bis i geholt, auch im § 100g Abs. 1 und 2; und nun wenden Sie ihn im Kontext mit Versammlungsgeschehen an sowie in einer Situation, wo Tausende und Abertausende friedliche Demonstranten und unbescholtene Einwohner mit erfasst werden. Das ist das Problem, bei dem wir inzwischen sind.
– Jawohl. – Das Nebenprodukt ist, dass man gleich einmal die Logistik friedlicher Initiativen mit erforscht.
Zwei. Die Kurzinterventionen sind verbraucht. Die CDU könnte noch kurzintervenieren, die SPD aber auch. – Bitte.
Herr Präsident, vielen Dank! – Ich möchte auf den Beginn des Redebeitrages von Herrn Kollegen Bartl eingehen. Er erinnerte daran, dass die Staatsregierung noch eine Frage zu beantworten habe: ob sie ausschließen könne, dass am 19. Februar 2011 IMSICatcher eingesetzt worden sind, egal, in wessen Verantwortungsbereich.
(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Stefan Brangs, SPD: Ja, da haben wir das Malheur! – Interne Wortwechsel zwischen den LINKEN und der SPD)
Ich sehe keinen Redebedarf mehr. Damit sind wir am Ende dieser Debatte angekommen. Die Redezeiten sind verbraucht. Die Debatte ist abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.