Herr Abg. Bandmann, schade, dass Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Wie Sie möglicherweise wissen, bin auch ich von Berlin nach Sachsen zugezogen. Ich hätte mir von Ihnen zu gern erklären lassen, warum ich eigentlich hier bin. Das wäre eine sehr spannende Ausführung geworden.
Den zweiten Punkt, den Sie permanent verwischen, ist Folgender: Herr Thierse hat mit keinem Wort die Sachsen kritisiert, Herr Thierse hat ein Vorgehen der Sächsischen Staatsregierung kritisiert. Das ist ein grundlegender Unterschied.
Wenn ich mir das anschaue, stelle ich fest, dass Sie ein merkwürdiges Verständnis haben. Sie gehen offensichtlich davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger Ansagen des Staates bedingungslos zu folgen haben. Es ist aber gerade ein Kennzeichen mündiger Bürgerinnen und Bürger, genau das nicht unhinterfragt zu tun. Wir denken, das kommt immer wieder zum Ausdruck – das war die letzten Monate so, das war gestern so und das ist heute so – und ist letztlich geprägt von Autoritarismus und Obrigkeitsstaatlichkeit. Aber das ist bestenfalls vordemokratisch.
Ich möchte noch einen anderen Aspekt ansprechen, den Sie, glaube ich, nicht verstanden haben. Die Grundrechte, wie sie im Grundgesetz und in der Verfassung des Freistaates Sachsen niedergeschrieben sind, sind in erster Linie Abwehrrechte gegenüber den möglichen Zumutungen des Staates.
Genau darum geht es! – Diese Abwehrkonstruktion, die die Grundrechte inne haben, ist gerade in einer Demokratie nicht obsolet. Ich zitiere den Bundestagsabgeordneten Uhl aus einer Plenardebatte des Deutschen Bundestages – vielleicht ist es Ihnen bekannt –: „Wir sehen es als eine Errungenschaft des Rechtsstaates an, dass jeder frei seine Meinung äußern kann und dieser Staat dafür sorgt, dass Meinungsfreiheit bis in den letzten Winkel gilt und wir keine Anonymität brauchen, weil wir kein totalitärer Staat sind.“
Was ist das für eine perverse Logik, die dahintersteckt? Natürlich hat jeder in einer Demokratie das Recht, anonym seine Meinung zu äußern. Davon lebt die Demokratie teilweise.
(Andreas Storr, NPD: Aber nicht davon, dass Kriminelle aus der Anonymität heraus Straftaten begehen!)
Herr Kollege, es ist wichtig, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass die Meinungsfreiheit ein entscheidendes Grundäußerungsmerkmal der Demokratie ist, auch wenn uns die Meinung im Einzelnen nicht immer passt.
Genau dieser Diskurs soll hier getroffen werden, aber mit Anstand und nicht durch Äußerungen, wie man sie hin und wieder von einzelnen Kollegen hört.
Es ist wichtig, dass wir bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen den Respekt vor der Würde des anderen achten.
Wenn dieser Respekt vor der Würde des anderen überschritten wird, dann ist genau der Punkt erreicht. Worum geht es bei der heutigen Debatte? Diese Debatte ist doch nicht zufällig vor den Wahlen in Berlin gewählt worden.
Es ist doch nicht zufällig, dass nach dem Beitrag von Herrn Dulig ein Vertreter der linken Fraktion auf ihn zukommt und ihm auf die Schulter klopft.
Ich denke, es geht um eine politische Koordinatenverschiebung. Das Hohe Haus ist ein Haus, in dem ein politischer Wettbewerb stattfindet. Das ist uns allen bewusst. Die Sachsen haben seit über 20 Jahren diesen politischen Wettbewerb zugunsten der CDU entschieden, weil wir die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die innere Sicherheit nach vorn bringen wollen, weil wir den Menschen sagen, dass sie stolz auf das sein können, was sie erreicht haben. Sie können stolz sein, im Freistaat Sachsen zu leben, und müssen sich bei niemandem entschuldigen, weil wir noch nicht alles erreicht haben.
Wir werden diesen Weg für die Menschen mit diesem Wahlauftrag konsequent fortführen, auch wenn Ihnen das im Einzelfall nicht passt.
Das waren Kurzinterventionen und Reaktionen. – Jetzt geht es weiter in unserer Rednerrunde. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Kollege Bartl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Bandmann, genau mit dem Bild, mit dem Sie einsteigen und das Sie ausführen, beweisen Sie, wie notwendig und berechtigt diese Debatte ist, die die SPD aufgerufen hat. Wenn Sie allen Ernstes 2011 hier in diesem Haus die Frage stellen, wer als Berliner nach Sachsen kommt, mit welchem Recht er hier kritisiert und was er damit bezweckt, dann fällt mir dazu nichts mehr ein.
Wir haben den Artikel 1 Verfassungsgrundsätze in unsere Verfassung geschrieben: Der Freistaat Sachsen ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Der Begriff Freistaat knüpft an die Novemberrevolution 1948 an.
Danach haben sich dann mehrere Länder die Bezeichnung „Freistaat“ gegeben. – Entschuldigung, 1918. Es war die Novemberrevolution 1918; vielen Dank.
Im Artikel 1 heißt es weiter: „Der Freistaat Sachsen ist ein demokratischer, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat.“ Das sind die sogenannten Staatsgrundsätze. Das sind die entsprechenden Fundamentalprinzipien dieser Republik, in diesem Fall des Freistaates Sachsen. Daran muss sich letzten Endes alles messen.
Nun haben wir die Situation und können uns drehen und wenden, wie wir wollen, dass im August 2011 der „Spiegel“, den man gemeinhin als eines der Leitmedien in der Bundesrepublik Deutschland nennt, einen Beitrag mit der Überschrift „Die Härte des Systems“ veröffentlicht.
Das ist letztendlich ein Faktum, das in der Welt ist; mit dem muss das Parlament umgehen, das auf die Wahrung dieser Verfassungsgrundsätze vereidigt und denen es verpflichtet ist, ebenso die Staatsregierung. Wenn diese Ausgewogenheit in der Wahrnehmung nach außen offensichtlich nicht mehr passt, zum Beispiel im Kontext mit Funkzellenabfragen oder der ganzen Problematik, wie es im „Spiegel“-Beitrag aufgemacht wird – der Eingriffe in Verfahren, „Großköpfige“ betreffend, indem der Fall Schommer benannt wird und Ähnliches –, dann muss das Parlament einhalten und überlegen, was dort dran ist.
Herr Herbst, wie Sie vorhin sagten, dass wir mehr oder weniger nicht Weißrussland oder Ähnliches sind – so einfach ist es nicht. Die „F.A.Z.“, ein anderes sogenanntes Leitmedium, schreibt am 25.06.2011 unter der Überschrift „Polizeiliche Datengier Teheran, Damaskus, Minsk, Dresden“: „Die sächsische Polizei hat uns mit elektronischer Fallanalyse gezeigt, dass Kolonnen fremdgespeicherter Daten uns zu potenziellen Verdächtigen machen können und erzeugen Profile, die sonst nur in Diktaturen missbraucht werden...“ Weiter heißt es im Zitat: „Der Ort dieser Geschichte ist aber nicht Teheran, Damaskus oder Minsk, die Hauptstadt der weißrussischen Diktatur. Es ist Dresden, die Hauptstadt des Freistaates Sachsen mit einem demokratisch gewählten Innenminister. Es ging nicht um Revolten. Es ging vielmehr um ein Dutzend von Initiativen von Vereinen und von Parteien getragene, geradezu zivilgesellschaftliche Demonstrationen gegen Rechtsradikale, die durch die Stadt ziehen wollen.“
Wenn das die „F.A.Z.“ schreibt, dann muss das Parlament innehalten und darüber nachdenken, was denn eigentlich an Wahrnehmung vom Freistaat Sachsen nach außen ankommt.
Dazu sage ich: Wenn die Debatte aufgerufen ist und man nichts anderes zu tun hat, als es wieder auf die Bilder zu